Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

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XXLFunk

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Die nähere Umgebung ist für einen Menschen relevant. Der Rest...juckt mich nicht. Hallo, lieber Nachrichtenredakteur: Es ist mir geradewegs wurscht, das dort passiert!
Es hat keinen Einfluß auf mein Leben. Das ist der entscheidende Punkt

Die Welt ist zu komplex, um sie zu verstehen. Nachrichten...sind nicht geeignet, mir die Welt zu erklären. Also sollte man sie auf das reduzieren, was sich in...wenigen Minuten erklären lässt... Alles andere erfordert doch vom Hörer eigenständiges Denken und wir wissen alle, dass der Hörer doof ist und uns nur nebenbei hört. Also bitte auch nur Nachrichten, die nebenbei verständlich sind. Das Denken...bringt doch auch nichts. Oder ist hier schon mal jemand vom Denken satt geworden? Eben. Arbeiten, anpacken, Geld einsacken, fressen und saufen. Darum geht's. Wer mehr macht, trifft nicht die Wirklichkeit des Hörers

Diese beiden Statements offenbaren ein Denken, bei dem mir übel wird. Wobei das erste so gemeinst ist, wie es geschrieben wurde. Das zweite Statement, als satirische Antwort darauf, ist vom Verfasser nicht so gemeint.

Dennoch scheint es Menschen zu geben, die der Auffassung sind, die (Welt-) Politik lasse sie unberührt. Und es gibt "Radiomacher" wie Valerie Weber von ABY, die meinen, man müsse diese irrige Einschätzung durch das eigene Programm unterstützen. Als Folge daraus hat VW (Welt-) Nachrichten durch
(bisweilen auch bunte) Nachrichten aus Bayern ersetzt.

Wie ist nun als Radiomacher damit umzugehen? Den einfachen Weg gehen, indem man dem Drang einer (relativen oder absoluten?) Mehrheit der Hörer nach einfachen Zusammenhängen nachgibt und wie ABY oder JUMP einfach die mit dem Medium verbundene Verantwortung aufgibt, um sich hemmungslos auf´s Geldscheffeln konzentrieren zu können?

Ich denke, hier muss endlich der Gesetzgeber für Klarheit sorgen. Ich finde, ör wie private Sender haben geradezu die verdammte Pflicht, auch komplexe Themen strukturell und sprachlich so aufzubereiten, dass auch Menschen mit geringer Bildung verstehen, wieso diese Themen für sie wichtig sind.
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Kompliziertes Thema und hier schon oft in diversen Schattierungen diskutiert. Ich sehe eine gesellschaftliche Verantwortung der Medien, die Leute (also die Mitglieder der Gesellschaft oder schlichtweg der Zivilisation) umfassend und wahrheitsgetreu zu informieren. Dazu gehört mehr als Wetter, Verkehr und Promi-News. Es gibt ja auch genug Menschen, denen genau diese 3 Elemente nicht reichen (bwz., die die Promi-News für überflüssig halten, da sie ihr eigenes Leben gestalten und sich nicht an dem irgendwelcher Ikonen orientieren) und die deshalb z.B. DLF hören.

Es wird freilich auch immer Menschen (oder vielleicht sogar die Mehrheit) geben, die nicht so weit über ihren Tellerrand hinausschauen wollen (oder intellektuell bedingt können). Auch das ist meiner Meinung nach ok, solange diese Menschen nicht (auch nicht, sollten sie tatsächlich die Mehrheit der Gesellschaft darstellen) versuchen, die anderen dazu zu zwingen, sich innerhalb dieses engen Radius' zu bewegen. Ein Schritt in diese Richtung wäre meiner Meinung nach, die ÖR anders zu finanzieren, werbefrei zu machen und nicht mehr die Quoten als "Existentberechtigung" zu verwenden. Somit wären die ÖR eine Art "zivilisatorische Grundversorgung", die ich für das Funktionieren einer menschlichen Gesellschaft für notwendig halte. Dazu wären nicht einmal so viele Programme nötig, ich könnte mir da ein regionales und vielleicht 3 überregionale Wellen als ausreichend vorstellen. Die wären dann "Grundversorgung" im Sinne der Weiterentwicklung und "geistigen Hygiene" (sorry!) der Gesellschaft.

Was gerne mal als Wunsch aufkeimt (auch bei mir), aber definitiv nicht realisierbar ist, ist der Zwang, alle Programme auf hohem intellektuellen Niveau zu veranstalten und die Menschen zu "zwingen", anspruchsvolles und vielleicht zuweilen schwerbekömmliches Futter zu verdauen. Das geht schief, unter Zwang kommt es generell zur Verweigerung und das Ziel einer "umfassen gebildeten und entwickelten Gesellschaft" wird nicht erreicht. Stattdessen gibt es Frust ohne Ende. Das ist eine der Realitäten, an deren Mißachtung die DDR zugrunde gegangen ist. Die Leute sind scharenweise geistig emigriert.

Und wirklich vorangebracht wurden Zivilisationen ohnehin nicht durch das Volk oder die Mehrheit, sondern durch sperrige, komplizierte, hochintelligente "Einzeltäter" - auch ganz früher: hättest Du vor paar hundert Jahren jemandem erzählt, daß die Erde eine Kugel ist und um die Sonne kreist - Du hättest zwar Recht gehabt, aber trotzdem Kraft der Mehrheit ein gutes Feuerchen abgegeben. Es gibt Stimmen, die heute vor der Macht von Wikipedia warnen, da dort die Mehrheit ihre Meinung als gültig festschreiben kann - auch, wenn sie falsch ist.

Ich bin also für den "besten Mix" aus seriös, intelligent, anspruchsvoll und simpel, belanglos, beruhigend, nicht anstoßend. Also für ein Abbild der Gesellschaft im Radio. Da draußen siehts doch nicht anders aus. Ich durfte gestern abend vorm "Wohnzimmer" (ein Ecklokal in Prenzlauer Berg) einem längeren Gespräch zwischen einem Straßenzeitungsverkäufer mit "erwachsen-werden-Verweigerungshaltung" und einem hochintelligenten KI-Forscher lauschen. Und mußte mir eingestehen, daß ich nicht in der Lage gewesen wäre, auch nur annähernd so präzise die Situation in Worte zu fassen. Das ist der Moment, in dem man merkt, wie platt man außerhalb seines Spezialgebietes eigentlich ist.
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Ich sehe eine gesellschaftliche Verantwortung der Medien, die Leute...umfassend und wahrheitsgetreu zu informieren...
Es wird freilich auch immer Menschen (oder vielleicht sogar die Mehrheit) geben, die nicht so weit über ihren Tellerrand hinausschauen wollen (oder intellektuell bedingt können)...Was gerne mal als Wunsch aufkeimt (auch bei mir), aber definitiv nicht realisierbar ist, ist der Zwang, alle Programme auf hohem intellektuellen Niveau zu veranstalten und die Menschen zu "zwingen", anspruchsvolles und vielleicht zuweilen schwerbekömmliches Futter zu verdauen

Aber wie wäre es, allen elektronischen (meinungsprägenden) Medien ein Minimum an Informationsvermittlung und Ethik bei unterhaltenden Programmen abzuverlangen?
Gerade die Entwicklung der letzten Jahre, hier DLF und da (nur noch) ABY, halte ich für problematisch. Müssen die Nachrichten bei RTL noch boulevardesker werden und die Unterhaltung immer flacher?
Wir tun den "weniger Gebildeten" damit doch keinen Gefallen. Vielmehr wird deren Schicksal damit eher zementiert.
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Es wird freilich auch immer Menschen (oder vielleicht sogar die Mehrheit) geben, die nicht so weit über ihren Tellerrand hinausschauen wollen (oder intellektuell bedingt können). Auch das ist meiner Meinung nach ok, solange diese Menschen nicht (auch nicht, sollten sie tatsächlich die Mehrheit der Gesellschaft darstellen) versuchen, die anderen dazu zu zwingen, sich innerhalb dieses engen Radius' zu bewegen.
(...)
Ich bin also für den "besten Mix" aus seriös, intelligent, anspruchsvoll und simpel, belanglos, beruhigend, nicht anstoßend. Also für ein Abbild der Gesellschaft im Radio. Da draußen siehts doch nicht anders aus.
Bravo.
Ein in meinen müden Augen hervorragend formuliertes statement.

Ich sehe es so: Das gebührenfinanzierte Programm sollte die Möglichkeit bereit stellen, jedem Hörer ein seinem Niveau entsprechendes Programm zu bieten. Die Gebührenfinanzierung verpflichtet umgekehrt aber auch dazu, ein gewisses Mindestniveau zu halten, auch wenn es rein von der MA her betrachtet weniger attraktiv ist. Damit kann ö-r Radio eine gewisse "Fluchtburg" vor dem ewig gleichen Format bieten.

Haben die Programm-Macher ö-r Programme den Wunsch, Privatsendern Paroli bieten zu wollen und begeben sich, sowohl die Musikauswahl als auch die journalistische Qualität betreffend, auf das Niveau der privaten Mitbewerber, dann mögen sie das bitte tun. Aber bitte auf privatwirtschaftlicher Basis! Soll heißen, für den Wettbewerb unter gleichen Bedingungen. Keine Subvention identisch klingender Radios aus dem Gebührentopf - dafür dürfen die privaten Radiomacher Ihre erwirtschafteten Gelder dann auch behalten. Nur so hat die Sache echten Wert. Es ist dem Gebührenzahler nämlich kaum zu vermitteln, warum er für eine Radioleistung etwas bezahlen soll, wenn er sie fast unverändert auch privat geboten bekommt.

Ich brüte gerade auf einer anderen Idee herum, die mir bei diesem Beitrag in den Sinn kam. Es ist die Parallele zur "Zerschlagung" der weiland Hoechst AG in Frankfurt am Main. Es war einmal ein großer, breit gefächerter und dennoch einheitlicher Chemiekonzern unter einer Führung mit einer unternehmerischen Sozialverantwortung. Aber mit Jürgen Dormann kam erstmals ein Kaufmann statt eines Ingenieurs an die Spitze... ich schweife ab.
Das, was heute nur noch als "Industriepark Höchst" mit einem Betreiber namens InfraServ als struktureller Rahmen für viele mittlere Firmen steht - wäre so etwas nicht auch im Medienbetrieb denkbar? Gibt es so etwas vielleicht schon, z.B. in Köln? Hatten die da nicht mal ein riesiges Gebiet ausschließlich als Medien-City hochgezogen? Ich meine, da mal was gehört zu haben... oder ist das alles "nur" RTL?

Worauf will ich hinaus?
Die gebührenfinanzierte Grundversorgung mit der Option (oder Auflage?), Grundleistungen "frei am Markt" anzubieten und diese Erträge in den Gebührentopf (Fonds?) wieder zurückzuführen und so die allgemein zahlende und informierte Bevölkerung finanziell zu entlasten, ohne dass die Infrastruktur zusammenbricht. Monopolstellungen sind - in beiderlei Hinsicht - natürlich zu vermeiden.

Ach, es ist ein Endlos-Thema, aber hochgradig spannend.....
Gruß, Uli
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Warum eigentlich nehmen so viele, die Programm machen oder zu verantworten bzw. planen haben, ihre Hörer nicht ernst?
Seien wir ehrlich: Eine MA ist immer nur die beste aller schlechten (weil schon im Ansatz verfälschten) Erhebungsmöglichkeiten, Musiktests fragen zum größten Teil nur Bekanntes ab ("Wir spielen das, was ihr hören wollt!") und sind eben darauf ausgerichtet, ein Ist-Bild der Hörerschaft abzubilden - und wer diese Zahlen zur Grundlage seiner Programmplanung macht, reagiert statt agiert, hinkt also immer hinterher - und versucht das genau umgekehrt zu verkaufen, das wirtschaftliche Risiko ist eben groß. Ja, ich rede von den Privaten, mit den Öffentlich-Rechtlichen habe ich zugegebenermaßen keine Erfahrung.

Eine schlimme Erkenntnis ist, dass viele ein Programm zum Nicht-Abschalten machen statt zum Zuhören (was eben in diesem Fall nicht Durchhören bedeutet): Die Folge: Der größte gemeinsame Nenner ist bekanntermaßen flach und mit dem ständigen Geclaime führt man das Ganze ad absurdum, indem man den gesendeten Einheitsbrei als individuelles Programm zu verkaufen versucht.

Wenn ich mir aber dann (in Claims, Moderationen etc.) noch anhören muss, dieser Flachfunk sei das, was ich hören wolle, fühle ich mich als Hörer nicht ernst genommen. Da bin ich doch nicht die einzige?
Bleibt zu ergänzen, dass in einem solchen Fall gern mal pseudo-kumpelhaft geduzt wird: welche Anmaßung!

...und bevor jetzt einer schreibt: "Dann schalt doch einfach um und hör DLF oder was Ähnliches": Ich rede immer noch von einem massenkompatiblen Programm zum Nebenbeihören, ich lasse mich nur nicht gern betrügen, nicht im Kleinen und schon gar nicht im Großen: Wozu dieses ganze "make it big"-Getue voller selbsternannter "Experten", "Verkehrszentralen" und "-tower", geplanter Gewinnspiel-Verläufe und Live-Verkaufe, wenn´s aufgezeichnet ist? Ein interessantes Gespräch oder einen Hörer-Ton höre ich mir auch dann noch an, wenn aus der Anmod deutlich wird, dass das Gespräch nicht live stattfindet. Die Tagesthemen werden auch nicht unglaubwürdiger, wenn Anne Will sagt: "Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet" - obwohl man´s durchaus mit kleinem technischen Aufwand als live würde verkaufen können.

Ein Hörer, der ein zweites Mal innerhalb weniger Tage, beispielsweise in einer Wochenend-Wiederholung, ein Studiogast-Interview als "live" präsentiert bekommt, ärgert sich zu Recht über diesen Versuch, ihn für dumm zu verkaufen und wird diesem - und weil alle so gleich klingen, auch den anderen - Sender(n) so schnell nichts mehr ohne Hintergedanken abnehmen oder sich ganz schnell in undifferenzierte Stammtisch-Parolen flüchten wie: "Ist doch eh´ alles gefaked."
Mit jedem dieserkleinen Vorfälle wird es schwieriger, qualitativ gutes und massenkompatibles Radio zu machen: Irgendwann nimmt einen eben keiner mehr ernst...
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Aber wie wäre es, allen elektronischen (meinungsprägenden) Medien ein Minimum an Informationsvermittlung und Ethik bei unterhaltenden Programmen abzuverlangen?
Für die "Ethik" hast Du im Extremfall das Grundgesetz als untere Grenze. Eine andere als diese (Schmerz)grenze kann ich gerade nicht ausmachen. Die Verpflichtung zu Informationsvermittlung... im Kriegs- und Krisenfall vielleicht, aber nicht als Regelanforderung. Oder halt nicht für alle Anbieter. Stichpunkt: Lizenzbedingungen für bestimmte Frequenzausschreibungen. Zuviel Reglementierung führt letztlich ja auch nur dazu, daß z.B. die TLM zwar feststellt, daß die von ihr beaufsichtigten Programme sich nicht an die Auflagen halten, aber zu keinen weiteren Konsequenzen. Was soll der Aufriss dann?

Gerade die Entwicklung der letzten Jahre, hier DLF und da (nur noch) ABY, halte ich für problematisch.
Und deshalb sähe ich unter den öffentlich-rechtlichen Programmen gerne welche, die den Zwischenraum in seinen Schattierungen belegen - dann aber auch bundesweit zugänglich sein müssen. Es gibt ja welche, die das durchaus tun. Radio Eins, Fritz, sicher auch WDR 2 (kenne ich mich nicht so aus), ...
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Und deshalb sähe ich unter den öffentlich-rechtlichen Programmen gerne welche, die den Zwischenraum in seinen Schattierungen belegen - dann aber auch bundesweit zugänglich sein müssen. Es gibt ja welche, die das durchaus tun. Radio Eins, Fritz, sicher auch WDR 2 (kenne ich mich nicht so aus), ...
WDR 2 füllt diese Lücke mittlerweile hervorragend. Sie wissen inzwischen nicht nur kompetent zu informieren, sondern auch hervorragend zu unterhalten. Die Musik ist zwar Mainstream, aber in einer grossen Bandbreite.
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Ein Schritt in diese Richtung wäre meiner Meinung nach, die ÖR anders zu finanzieren, werbefrei zu machen und nicht mehr die Quoten als "Existentberechtigung" zu verwenden. Somit wären die ÖR eine Art "zivilisatorische Grundversorgung", die ich für das Funktionieren einer menschlichen Gesellschaft für notwendig halte. Dazu wären nicht einmal so viele Programme nötig, ich könnte mir da ein regionales und vielleicht 3 überregionale Wellen als ausreichend vorstellen.

Weil Du keine Glotze besitzt. Das ganze viele Geld wandert nämlich ins Fernsehen. Dort müßte man zusammenstreichen, bis es qualmt. Also z.B. keinen massenattraktiven Spocht mehr. Immer wieder gern genannt: Der Jahresetat der Fernsehspielabteilung des WDR, verböllert für einen einzigen Kick. Da braucht man über die Hörfunkwellen nun wirklich erst an dritter Stelle zu reden. Deshalb fand ich z.B. auch die Abwicklung von hr-klassik zum :wall:

Was die „andere Finanzierung“ angeht: Ich halte das Modell der in Hörfunkdingen immer als leuchtendes Vorbild geltenden Holländer, die ihren öffentlich-rechtlichen Rundfunk jetzt direkt aus dem Staatshaushalt finanzieren, schon für bedenklich. Da spielt doch bei jeder Programmentscheidung die Frage mit, ob man sich damit bei Die Politik etwa unbeliebt machen könnte, mit entsprechenden Auswirkungen auf künftige Entscheidungen über die Finanzausstattung des eigenen Hauses. Warum wohl klagen Aherrdehundzettdeheff dagegen, daß hierzulande Die Politik sich nicht an Entscheidungen der KEF gebunden fühlt?


Was gerne mal als Wunsch aufkeimt (auch bei mir), aber definitiv nicht realisierbar ist, ist der Zwang, alle Programme auf hohem intellektuellen Niveau zu veranstalten und die Menschen zu "zwingen", anspruchsvolles und vielleicht zuweilen schwerbekömmliches Futter zu verdauen. Das geht schief

Das geht schon wegen der Bedeutungshoheit darüber schief, was denn ein „hohes intellektuelles Niveau“ hat. Im Zweifelsfall ist es die edle Hochkultur, nicht aber das Yeah-Yeah-Yeah und wie das alles heißt, ja?


Stichpunkt: Lizenzbedingungen für bestimmte Frequenzausschreibungen. Zuviel Reglementierung führt letztlich ja auch nur dazu, daß z.B. die TLM zwar feststellt, daß die von ihr beaufsichtigten Programme sich nicht an die Auflagen halten, aber zu keinen weiteren Konsequenzen. Was soll der Aufriss dann?

Das frage ich mich in der Tat bei den Gebührengeldern, welche die TLM für solche Studien verballert, die keine praktischen Konsequenzen haben. (Oder wurde das Zeug kostenlos und amüsant von Studenten zusammengehämmert? Habe keinen Bock, nochmal näher draufzuschauen, denn freihändig druffhauen ist einfacher.)

Oder geht es um solche Lizenzauflagen generell? Da wäre aus meiner Sicht dann schon zu bedenken, daß UKW-Frequenzen Mangelware sind und dieser Mangel entsprechend verwaltet werden muß. Und da halte ich es schon für legitim, darauf zu achten, daß nach Möglichkeit ein bißchen mehr bei rumkommt als Billigstprogramme, die im Sinne der Profitmaximierung „optimiert“ sind.

Der eigentliche Skandal ist nun, daß das mit den Billigprogrammen eben doch so durchgeht. Zur Not wird damit gedroht, den Laden ganz dichtzumachen, schon goutiert die Anstalt alles (z.B. ein 89.0 RTL).


Dazu paßt nun am Rande auch, was mir heute gerade unter die Finger kam. Nebenbei bemerkt fand ich wieder einmal die Leserkommentare interessanter als den eigentlichen Zeitungstext, z.B. mit dem Verweis auf überall aufgewärmtes, nur jeweils anders umgeschriebenes dpa-Material:

http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/455/114341/
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Die LPR Hessen hatte auf ihrer Internet-Seite übrigens mal stehen, dass sie bei Verstößen gegen Lizenzauflagen auch Sendelizenzen wieder einziehen kann. Interessanterweise wurde dieser Text inzwischen geändert.
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

@K6
Danke für den aufschlussreichen Artikel.

Für mich ist eine Kernbotschaft daraus, dass sich die Rezipienten beim Lesen oder Zuhören einem Lernprozeß aussetzen.
Ich würde hinzufügen wollen, Präferenzen können durch Angebote stimuliert und verändert werden.
Deshalb halte ich es für falsch, die Leute von vornherein durch rein seichte Angebote (auf ewig) mit inhaltlichem Dünnpfiff abspeisen zu wollen.

Zitat:

"Der bevormundete Leser?

Aber sind denn höhere Renditen nicht eine Bestätigung dafür, dass "gesund geschrumpfte" Zeitungsunternehmen die Wünsche ihrer Konsumenten besser befriedigen? Verschleiern vage Begriffe wie "professionell", "anspruchsvoll" und "seriös" nicht nur eine Bevormundung erwachsener Konsumenten, die wissen, was sie wollen? Darf die Presse unter dem Vorwand von "Qualität" die Wahlfreiheit ihrer Leser beschneiden? Darf sie ihnen spröde Berichte statt infotainment aufdrängen, sachliche Kommentare und umständliche Argumente statt entgegenkommender Inszenierungen von Ereignissen oder Personen zumuten?

Der in diesen Fragen unterstellte Einwand stützt sich auf die ohnehin kontroverse Annahme, dass Kunden nach eigenen Präferenzen selbständig entscheiden. Diese vergilbte Schulbuchweisheit ist im Hinblick auf den besonderen Charakter der Ware "kulturelle und politische Kommunikation" mit Sicherheit irreführend. Denn diese Ware stellt die Präferenzen ihrer Abnehmer zugleich auf den Prüfstand und transformiert sie.

Leser, Hörer und Zuschauer lassen sich, wenn sie die Medien nutzen, gewiss von verschiedenen Präferenzen leiten. Sie wollen sich unterhalten oder ablenken, über Themen und Vorgänge informieren oder an öffentlichen Diskussionen teilnehmen. Sobald sie sich aber auf kulturelle oder politische Programme einlassen, zum Beispiel den von Hegel gepriesenen "realistischen Morgensegen" der täglichen Zeitungslektüre empfangen, setzen sie sich - gewissermaßen auto-paternalistisch - einem Lernprozess mit unbestimmtem Ausgang aus.

Im Verlaufe einer Lektüre können sich neue Präferenzen, Überzeugungen und Wertorientierungen ausbilden. Die Metapräferenz, von der eine solche Lektüre gesteuert ist, richtet sich dann auf jene Vorzüge, die sich im professionellen Selbstverständnis eines unabhängigen Journalismus ausdrücken und das Ansehen der Qualitätspresse begründen."
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

Weil Du keine Glotze besitzt. Das ganze viele Geld wandert nämlich ins Fernsehen.
Hast recht. Habe ich schon wieder vergessen. Radio ist ja wirklich Peanuts dagegen.

Der Jahresetat der Fernsehspielabteilung des WDR, verböllert für einen einzigen Kick.
:wall:

Da spielt doch bei jeder Programmentscheidung die Frage mit, ob man sich damit bei Die Politik etwa unbeliebt machen könnte, mit entsprechenden Auswirkungen auf künftige Entscheidungen über die Finanzausstattung des eigenen Hauses.
Und was haben wir in Deutschland stattdesen? Kaum ist der neue Intendant CDU-nah, werden die Programme auf Boulevard umgestrickt. Komme mir bitte keiner mit der "Staatsferne des Rundfunks".

Das geht schon wegen der Bedeutungshoheit darüber schief, was denn ein „hohes intellektuelles Niveau“ hat. Im Zweifelsfall ist es die edle Hochkultur, nicht aber das Yeah-Yeah-Yeah und wie das alles heißt, ja?
'türlich. Schöne Klassikhäppchen, garniert mit säuselnden Moderatoren - "Niveau" ist, was nicht laut rockt. Könnte eine These meiner Mutter sein. *fg*


Die LPR Hessen hatte auf ihrer Internet-Seite übrigens mal stehen, dass sie bei Verstößen gegen Lizenzauflagen auch Sendelizenzen wieder einziehen kann. Interessanterweise wurde dieser Text inzwischen geändert.
In Sachsen-Anhalt war man ausnahmsweise mal resolut: dem Freien Radio Naumburg wurde die Sendelizenz entzogen. Danach gab man - offenbar ohne Ausschreibung - die Frequenz Rockland Radio...

Ich würde hinzufügen wollen, Präferenzen können durch Angebote stimuliert und verändert werden. Deshalb halte ich es für falsch, die Leute von vornherein durch rein seichte Angebote (auf ewig) mit inhaltlichem Dünnpfiff abspeisen zu wollen.
Ganz wichtige Sache, die Du da schreibst! Wie sehr einen das Umfeld - und damit auch die Medien - sozialisieren kann, habe ich 1990 beim Umzug in ein anderes Internatszimmer erlebt. Vorher RIAS2, dann DT64. Aus Überzeugung. Weils besser war, näher dran an mir, an meinem Leben.
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

@Radiowaves
Ich hatte immer diese zwei Bedürfnisse in mir...das nach "ordentlicher" Unterhaltung, das in meiner Kinderzeit durch Radio Luxemburg befriedigt wurde. Aber zur selben Zeit habe ich auch zunächst Hörspiele und später politische Berichterstattung bei WDR und DLF verfolgt.
Somit bin auch ich ganz stark durch das Radio geprägt worden, ohne mich rein auf Unterhaltung ODER Information ausgerichtet zu haben.
Ich kenne eh kaum Menschen, die in dieser Hinsicht total einseitig sind. Daher verstehe ich nicht, wieso Programme wie ABY oder JUMP so einseitig programmieren.
 
AW: Wofür ist bzw. sollte Radio da sein?

In Sachsen-Anhalt war man ausnahmsweise mal resolut: dem Freien Radio Naumburg wurde die Sendelizenz entzogen. Danach gab man - offenbar ohne Ausschreibung - die Frequenz Rockland Radio...

Paßt nicht so ganz in diese Sammlung, weil der Lizenzentzug offensichtlich nichts mit dem ausgestrahlten Programm zu tun hatte.

Witzig übrigens: Auf www.burgenlandradio.de lassen sich die „Macher“ zwar darüber aus, daß und warum die MSA der von ihnen beabsichtigten Neuauflage ablehnend gegenübersteht. Daß die Frequenz nun futsch ist, das haben sie allem Anschein nach aber bis heute nicht mitbekommen, oder warum lese ich nichts von Protestnoten?


Wie sehr einen das Umfeld - und damit auch die Medien - sozialisieren kann, habe ich 1990 beim Umzug in ein anderes Internatszimmer erlebt. Vorher RIAS2, dann DT64. Aus Überzeugung. Weils besser war, näher dran an mir, an meinem Leben.

So ging es mir schon 1987. Aber das habe ich wohl schon öfters erwähnt.
 
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