Journalist der Zukunft

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Mannis Fan

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Der US-Journalistik-Professor Jay Rosen hat heute bei Spiegel-online in einem Interview ein Bild des Journalisten der Zukunft gezeichnet. Ich denke, es umschreibt in vielen Teilen auch den künftigen multimedialen Radiojournalisten (Warnhinweis vor dem Weiterlesen: Es geht nicht um Moderatoren und Wetterfeen, nicht um Staumelder und nicht um Glücksspiel Side-Kicks). Hier der wesentliche Auszug aus dem Interview:

SPIEGEL ONLINE: Worauf müssen sich Journalisten in Zukunft noch einstellen?

Rosen: Sie werden viele Dinge ändern müssen, vor allem ihre Einstellung zur Technologie. Früher mussten Journalisten bloß die Schreibmaschine bedienen, um alles Weitere hat sich eine andere Abteilung gekümmert. Heute sind Journalisten wertvoller, wenn sie mit der Technologie flexibler umgehen und auf mehreren Ebenen publizieren. Zudem müssen sie lernen, von Lesern gelieferte Informationen zu nutzen, um ihre Berichterstattung und ihre Recherche zu optimieren. Sie werden ja nicht mit dieser Fähigkeit geboren, aber sie kann entwickelt, gefördert und kultiviert werden. Schließlich müssen Journalisten bereit sein, sich selbst neu zu erfinden. Die guten alten Zeiten sind vorbei, in denen man in einer stabilen Organisation eine Position ausfüllen konnte – das gibt es in der heutigen Medienwelt nicht mehr.

SPIEGEL ONLINE: Und wie geht man damit um?

Rosen: Journalisten müssen lernen, unternehmerischer zu denken, eigene Unternehmen zu gründen und allein oder in kleinen Gruppen zusammenzuarbeiten. Journalisten sind abhängige Geschöpfe, sie glauben immer noch an einen "Big Daddy" im Hintergrund. Sie haben "Big Daddy" zwar nie über den Weg getraut, aber immer daran geglaubt, dass er für Anzeigenerlöse sorgt, Büros bereitstellt, Druckereien zur Verfügung stellt, sich um alles kümmert. Sie dachten, sie hätten ein Recht dazu, in Ruhe gelassen zu werden, um ihre Berichterstattung zu erledigen. Das ist eine ganze Weile gut gegangen. Aber jetzt gibt es keinen "Big Daddy" mehr.
 
AW: Journalist der Zukunft

offenkundig eine Analyse aus dem Print-Bereich in den USA mit leichten Hieben auf Internet-Feindlichkeit bei alteingesessenen Zeitungsleuten - und klar aus marktwirtschaftlicher Perspektive gedacht.
Wenn wir´s auf Radio und hierzulande übertragen, sind die Konsequenzen bei privaten Stationen live schon derart zu erkennen, dass der klassische "Journalist" zu gewissen Teilen einfach eingedampft wurde......
 
AW: Journalist der Zukunft

<sarkasmus>Der Journalist der Zukunft...

...wird nach wie vor 16 Stunden täglich arbeiten. 6 Stunden journalistisch und 10 Stunden seinen Honoraren hinterher rennen.

...soll möglichst unter 25 sein und mindestens 10 Jahre Berufserfahrung mitbringen.

...muss am Redaktionseingang sein Hirn abgeben und Menschen wie Kai Dieckmann oder Thomas Thimme bedingungslos huldigen.

...muss den Duden nicht unbedingt kennen.</sarkasmus>

PROST
 
AW: Journalist der Zukunft

Daß Journalisten technisch interessiert sein müssen, ist doch nun wirklich keine Neuigkeit.

Mich wundert eher, daß kaum einer meiner Kollegen so ausgerüstet ist wie ich:

Laptop
UMTS-Datenkarte

Ich liefere problemlos komplette Radiobeiträge von vor Ort.

Aber wer das nicht kann oder will, der sollte sich halt fragen, ob er für eine aktuelle Redaktion arbeitet oder für ein Wochen-Magazin.
 
AW: Journalist der Zukunft

@ ToWa

Da kenne ich aber mehrere.
Und wenn ich das müsste... Habe auch Notebook mit Audition und einen UMTS-Stick.
Zum Glück bin ich kein Reporter - Zu schlecht bezahlt.

Gruss
 
AW: Journalist der Zukunft

<sarkasmus>Der Journalist der Zukunft...

...muss den Duden nicht unbedingt kennen.</sarkasmus>

PROST

Mmm. Ich mache (hier) auch genug Fehler, aber seit ungefähr ein, zwei Jahren fällt auch mir verstärkt auf, daß in den Artikeln von Spiegel-Online bis Telepolis mitunter gravierende Fehler publiziert werden. Der "Hohn" der Leser findet sich dann garantiert in den Kommentaren.

Ich weiß wirklich nicht, woran das liegt. "Autokorrektur", "Bei der Eingabe ersetzen" bei Word & Co mögen Gründe sein. "Grundübel" ist aber wohl, daß heute niemand mehr die Artikel in Ruhe "gegenliest", bevor sie veröffentlicht werden. Schnell - schnell - keine Zeit - raus damit!

vg Zwerg#8
 
AW: Journalist der Zukunft

Genau Zwerg. Hast es erkannt. Passiert mir bei printmedien (und ab und an ein Hastigkeitsfehler hier im Forum, über den ich mich dann grau, grün und blau ärgere). Und "Gegenlesen" ist nicht nur ein Zeitproblem: Derjenige muß auch Ahnung von der Materie haben, über die man gerade schreibt...
Und die Rechtschreibehilfsfunktion bei microsoft office ist ein Witz: Jedes vierte, füfnte Wort wird als Fehler angezeigt. Obwohl nachweislich richtig!
Hinzu kommt, daß der Mensch als solcher eben Mensch ist... Wie oft habe ich es schon erlebt, daß trotz Warnung und Hinweise ein Wort wie "übrigends" wieder und wieder falsch geschrieben wird. (mit "d" - Fehler).
Warum? Weil der Schreiberling der festen Überzeugung ist, es wäre SO richtig. Kriegt man nicht raus. Aber wir schweifen hier in Richtung "Sprachlotterei" ab.
back to the topic.
 
AW: Journalist der Zukunft

Und "Gegenlesen" ist nicht nur ein Zeitproblem: Derjenige muß auch Ahnung von der Materie haben, über die man gerade schreibt...

Naja, der "Chefredakteur" als letzte Instanz vor der VÖ sollte IMHO schon "Ahnung von der Materie" (Rechtschreibung & Grammatik) haben. Das gilt für Print bzw. "Onlinepublikationen". Dort sind halt solche Fehler für immer und ewig "schwarz auf weiß" zu sehen. Peinlich.


Beim Radio fallen kleine Fehler nicht unbedingt auf. Diese bügelt der Sprecher (normalerweise) aus. Und es ist ja auch so, daß jeder Redakteur mit der Zeit auch "die Vorlieben" der Sprecher kennt. Der eine mag "Times New Roman" mit 14 Pixeln und den Anfang eines neuen Satzes mit mindestens zwei Zeilen Abstand, ein anderes Thema mit mindestens fünf Zeilen Abstand - am liebsten aber auf einem neuen Blatt... Der andere hätte den ganzen Kram gern in "Arial" mit 16 px...

vg Zwerg#8
 
AW: Journalist der Zukunft

Zwerg, das greift erheblich zu kurz. Der Chefredakteur/Programmdirektor/Redaktionsleiter/Programmchef muss auch inhaltlich Ahnung von der jeweiligen Materie haben. Um einen Text auf Rechtschreibung und Grammatik zu überprüfen reicht nun wirklich die Benutzung eines Duden, dafür muss man keine Führungsposition bekleiden. Wer redaktionelle Ergüssen Freigaben erteilt, muss in der Sache informiert sein, um nachhaken zu können, um inhaltliche Unsauberkeiten (und nicht nur Fehler) zu sehen, um den Informationsaufbau und die Artikel-/Beitragsstruktur erfassen und korrigieren zu können.
Wenn der Reporter der einzige Fachmann für die jeweilige Angelegenheit ist, dann ist eine gesicherte Informationsvermittlung nicht mehr möglich. Das schadet journalistischem Arbeiten ganz erheblich und muss langfristig zu einer schwindenden Akzeptanz journalistischer Arbeit führen.

Was die Technikfeindlichkeit mancher Journalisten angeht, wundere ich mich auch immer wieder. Radiomacher, die den Unterschied zwischen dynamischem und Kondensator-Mikrophon nicht kennen, denen ein "Optimod" etwas gänzlich Unbekanntes ist, die geschlossene Kopfhörer nicht nötig finden, weil's sie nicht stört, wenn da "was rausgeht", um sich im Studio dann zu wundern, dass es "im Mikro immer so piepst, wenn ich die Kopfhörer lautdrehe". Von UMTS-Datenkarten und Möglichkeiten der mobilen Klangoptimierung will man da gar nicht reden. Von Publishing-Programmen fürs Internet auch nicht: "Ich mache doch Radio und nicht Internet, ich weiß auch nicht, warum ich immer einen Fotoapparat mitnehmen soll auf Termine, ich kenne mich mit dem auch nicht aus." Leider keine erdachten Äußerungen. Aber das hat den Vorteil, dass die Konkurrenz übersichtlich bleibt. - "Wie, Konkurrenz? Wir wollen doch alle gutes Programm machen."
 
AW: Journalist der Zukunft

Aber wir werden doch keine elektronische Presse machen wollen, das ist streng verboten!!!


Beim Radio fallen kleine Fehler nicht unbedingt auf. Diese bügelt der Sprecher (normalerweise) aus. Und es ist ja auch so, daß jeder Redakteur mit der Zeit auch "die Vorlieben" der Sprecher kennt.

Welche Sprecher...?
 
AW: Journalist der Zukunft

@K6: Ich dachte dabei zunächst an den "Nachrichtensprecher" und seinen liebsten Freund, den Redakteur.

Aber okay, heute ist der Redakteur zugleich auch oft Sprecher - und muß seine Ergüsse selbst vortragen. So ändern sich die Zeiten.

vg Zwerg#8
 
AW: Journalist der Zukunft

Zwergnase, die Zeiten ändern sich nur bedingt. Schon vor zehn Jahren haben zahlreiche Redakteure "ihre" Nachrichten selbst gelesen, im Privatfunk sowieso. Es ist eines der vielen Zeichen dafür, dass Journalisten heute längst einen weiten Arbeitshorizont haben müssen und bei aller Notwendigkeit, das "Kerngeschäft" gründlich zu pflegen, ihre Arbeitsweise verändern müssen. Ob es sinnvoll ist, auf der Schulter die Kamera zu haben, in der Hand das Mikrofon und am Ende Ton, Film und Text zu liefern, das mag dahingestellt sein.

Mein Eindruck ist, dass, zumal wenn der Liefertermin unverändert geblieben ist, die Qualität aller drei redaktionellen Ergebnisse leidet. Auch der schnellste Journalilsmus braucht Zeit, wenn er gut sein soll. Geschwindigkeit ist oft über Effizienz, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt nur über die Zeitbudgets mehrerer Personen zu erzielen.

Leider denken, so meine Erfahrung, zu viele Journalisten noch sehr eindimensional in ihrem Medium. Sie merken nicht, dass sie dadurch ihren eigenen Berufsstand gefährden. Denn der Bedarf an multimedialen Verwertung von Inhalten wird steigen. Wer das nicht erkennt und mitmacht, überlässt denen den Markt, die alles machen. Ob sie das können oder nicht. Besitzstandswahrung ruiniert in diesem Fall die Qualität des Journalismus.
 
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