Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

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DasGrauen

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Hallo zusammen,

ich habe den Eindruck, dass von Radiomachern jede Menge Erfahrungsregeln und Intuitionen angewendet werden, ohne dies zu hinterfragen. Beispiele sind Themen ("Hörer interessieren sich hauptsächlich für Geld, Gesundheit und Sex!"), Musikauswahl ("Hörer wollen eine enge Rotation!") oder auch Moderationen ("Beim Sprechen breit Lächeln, damit du freundlich wirkst!").

Meine Frage ist jetzt: Welche dieser und anderer goldenen Regeln sind tatsächlich empirisch bestätigt? Gibt es wirklich Fakten, die für solches Vorgehen sprechen?

Gruß

DasGrauen
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Meine Frage ist jetzt: Welche dieser und anderer goldenen Regeln sind tatsächlich empirisch bestätigt? Gibt es wirklich Fakten, die für solches Vorgehen sprechen?

Interessante Frage. Das gibt zweifellos eine spannende Diskussion!

Meines Wissens führt oder führte der hr intensive Befragungen mit Hörergruppen durch, und zwar nicht am Telefon, sondern tatsächlich im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung.

Die goldene Regel, daß sich Hörer vor allem für Sex und für Geld interessieren, kann ich zwar nachvollziehen (logisch, oder?), aber ich kenne keinen Sender, der diese Regel befolgt und in den Nachrichten nur Themen wie Sex und Geld berücksichtigt.
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Eine gesicherte These für mich ist folgende:

Die Leute wollen nur Hits hören!

Diese befürworte ich zwar nicht, aber Fakt ist, dass die meisten Sender, die wir hier im Forum für diese Strategie verdammen, damit Erfolg haben. Der lässt sich leider nicht wegdiskutieren.
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Für mich gibt es beim Thema übermaßiges "Hits"-Spielen einen heißen Kandidaten: Radio NRW. Die ballern den ganzen Tag "hundeeeert Prozeeen die beste Musiiiik"...und spielen dann "Super-Hits" aus den 60ern, 70ern, 80ern und Zeiten, wo die Musik meines Erachtens noch nicht als so etwas bezeichnet werden dürfte. Im Gegenzug vergessen die Damen und Herren dann, den Zug für neue Songs zu nehmen und präsentieren einen seit drei Monaten veröffentlichten Song für "brandneu"...
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Mal nicht "empirisch", aber ein Erfahrungswert, der (leider) für die besagte Hit-Rotation steht:

Früher arbeitete ich als Discjockey auf Feiern. Gemischtes Publikum aller Bevölkerungsschichten vorhanden, etwa 300 bis 400 Leute, zwischen 15 und 40 Jahre alt, Geschlechterverteilung homogen. Die Leute sind wegen der Gesellschaft da, nicht wie bei einem Konzert vornehmlich wegen der Musik.
Versucht man hier, einen unbekannteren Titel zu spielen, verlassen viele den Raum, um draußen zu quatschen, zu rauchen. Zumindest verlassen sie die Tanzfläche und viele kommen, um sich bekannte, abgelutschte Titel zu wünschen. Spielt man dann Tina Turner & Co., ist der Laden wieder voll. Traurig, aber wahr und ich habs viele Male genau so erlebt.
Man kann diese Erfahrung, so glaube ich, ganz gut auf den Hörfunk übertragen. Ist ja auch nur ein Nebenbei-Medium. Die Hörer wollen halt Schwarzbrot.
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Für eine zuverlässige, einigermaßen aussagekräftige Empirie zu diesem Sachverhalt benötigt es nach meiner Meinung ein Verfahren zur Ermittlung der nötigen Statistik, wie sie auch zur Untersuchung der Wirksamkeit von Medikamenten am Menschen benutzt wird. Es ginge also um die Falsifikation einer Theorie, d.h., man versucht, eine Erwartung entweder zu bestätigen oder kaputtzutesten.

Im Falle der hier gestellten Frage, ob es wirklich zwingend notwendig ist, das Strickmuster der endlos gescholtenen "Hitradios" so zu fahren, wie es sich eingebürgert hat, bedarf es also zunächst namenloser Hörer aus dem gesamten Bundesgebiet. Hier ergibt sich bereits die erste Schwierigkeit. Wie verteilt man die Probanden ihrer Herkunft nach so, dass sich regionale Hörgewohnheiten nicht auf die Statistik auswirken können. Dies betrifft vor allem Betrachtungen der Altersverteilung in den verschiedenen Regionen, Bevölkerungsdichte, wirtschaftliche Relevanz, als auch sprachliche Besonderheiten.

Zusätzlich bedarf es namenloser Programme, die sich ausschließlich in der Musikauswahl unterscheiden, deren übrige Inhalte aber sonst vollständig gleich sein müssen. Im übrigen müssten die Probanden vollständig von anderen Radioprogrammen isoliert werden. Werden sie das nicht, so ist ihr Wegschalten von der Testreihe hin zu "Fremdprogrammen" ebenfalls auszuwerten und in die Statistik einzubeziehen, was jedoch ungünstigen Einfluss auf die Relevanz des Endergebinisses haben wird.
Ansonsten ist interessant:
  • Wie lange wurde welches Testprogramm gehört?
  • Wie oft wurde gewechselt?
  • Wie lange dauert es, bis man sich durchschnittlich auf ein Programm eingestellt hat?
  • Zu welcher Tages-/Nachtzeit wird welches der Testprogramme vorzugsweise konsumiert?
... und so weiter. Da dies in der Praxis nicht nicht von Interesse ist, wird es niemanden geben, der ein solches Projekt finanziert. Von Interesse ist nur, wieviele Hörer sich an ein Radio binden lassen, weil darüber die Werbekosten und somit die Umsätze der Sender festgelegt werden.

Solange ein Radio also stumpf die selben Hits abfeuert und den Rest der Zeit mit mittlerweile 9-live-artigen Gewinnspielen sowie stündlich den Highlights aus der Morningshow stopft, ist das ein Konzept, das aufgeht. Somit ist davon auszugehen, dass die Hörer das wollen. Alle anderen müssen sehen, wie sie mit Alternativen klarkommen, was regional bisweilen sehr schwierig ist.
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

wie dea schon schrieb:
um empirische Aussagen treffen zu können, bedarf es der Objektivität und der Wiederholbarkeit der zu untersuchenden Beobachtungen. Es geht nur um Sachverhalte und Verhaltensweisen.
Daraus lässt sich leider keine Statistik erstellen, weil niemals dieselbe Objektivität und Wiederholbarkeit vorliegt (außer bei Langzeitstudien).
Übrigens ist Mathematik aus der Empirie ausgeschlossen, da sie als nicht-empirische Wissenschaft betrachtet wird.
Jeder Student mit dem "großen" Statistikschein kann genauere Angaben zum Thema Empirie machen - bei mir ist es leider schon ca. 30 Jahre her, dass ich mich damit beschäftigt habe, ich bin zu faul, um die entsprechenden Notizen der Vorlesungen usw. zu suchen. Prof. war damals übrigens Dr. Taubert aus Wiesbaden vom statistischen Bundesamt.... lang ist's her.

Grüße 2Stain
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Bitte, ich will niemanden beleidigen, aber: warum dieser Kaninchenblick auf Statistikschlangen? Es gibt eine Mehrheit von Menschen, die auf bekannte alte Hits lieber tanzen als auf unbekannte Titel - dazu brauche ich keine teure Empirie, wie MungoHH zu recht sagt, sondern nur Beobachtungsgabe. Aber was bedeutet das für ein Radio, das sich nicht ausschließlich mit der Wiedergabe von Tanzhits beschäftigt? Das ist zumindest bei den ÖRs eindeutig nicht die Aufgabe des Mediums. Dafür gibt es Ü30-Parties.

Ich kann das Geschreibe und Gerede vom "Nebenbeimedium" nicht mehr hören. Die Leute, die immer das Gleiche hören wollen, könnten von zwei bis drei bundesweiten Sendern locker befriedigt werden. Wenn die Werbetreibenden sich einbilden, dass Bürogemeinschaften, die eigentlich arbeiten oder sogar Kunden bedienen müssen, ihre Botschaften auf -12 dB trotzdem bemerken - bitte sehr. Natürlich kann man mit Me-too-Produkten die dicke Kohle machen, na klar, nur zu ...

Eine These wie "die Leute wollen nur Hits hören", entschuldige Grün, ist so sinnvoll wie "die Welt ist schlecht" oder "es geht den Menschen wie den Leuten". "Die Leute" sind auch die, die ihre Radio (oder ihren Computer) nicht anmachen, um die alten Hits zu hören - auch wenn sie vielleicht am Samstagabend beim Tanzen doch nach ihnen tanzen. Dieser Schrei nach "Empirie" ist fatal und feige. Ich weiß nicht, was ich senden soll, ist ein Statistiker im Raum? Anstatt etwas anzubieten, aufzufallen, sich zu unterscheiden.
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Anstatt etwas anzubieten, aufzufallen, sich zu unterscheiden
Da sind wir uns einig, Altfrankfurter....

Ich kann das Geschreibe und Gerede vom "Nebenbeimedium" nicht mehr hören. Die Leute, die immer das Gleiche hören wollen, könnten von zwei bis drei bundesweiten Sendern locker befriedigt werden.
Da nicht so ganz: Es GIBT das Phänomen des Nebenbeihörens. Und es ist BELEGT.
Immer dann, wenn ich anschalte, will ich "meine" Lieblingssongs hören.
Immer dann, wenn ich in die Disco komme, will ich "meine" Lieblingssongs hören.
Immer dann, wenn ich nach Hause komme, will ich "meine" Lieblingssongs hören.
Und lege die letzte Killers- oder Madonna-CD ein. Oder sowas.

Aber d'accord: Ein oder zwei Sender in der REGION mit diesem Konzept reichen aus. Die anderen sollten auf intelligentere Formate setzen. Bundesweit? Willst Du DLR/DLF umfunktionieren? (:D) grübel.

Aber was bedeutet das für ein Radio, das sich nicht ausschließlich mit der Wiedergabe von Tanzhits beschäftigt? Das ist zumindest bei den ÖRs eindeutig nicht die Aufgabe des Mediums. Dafür gibt es Ü30-Parties.
Ach ja.... Tanzhits? Wann hast Du das letzte Mal hr3 so richtig gehört? Noch nicht mal das... dort.
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Für mich gibt es beim Thema übermaßiges "Hits"-Spielen einen heißen Kandidaten: Radio NRW. Die ballern den ganzen Tag "hundeeeert Prozeeen die beste Musiiiik"...und spielen dann "Super-Hits" aus den 60ern, 70ern, 80ern...

Wenn sie denn mal 60er und 70er spielen würden - außerhalb der Classics. Das würde die Musikfarbe um einiges erweitern.

Und was meinst Du mit

...Zeiten, wo die Musik meines Erachtens noch nicht als so etwas bezeichnet werden dürfte

? Bitte um Aufklärung.

Im Gegenzug vergessen die Damen und Herren dann, den Zug für neue Songs zu nehmen und präsentieren einen seit drei Monaten veröffentlichten Song für "brandneu"...

Hier gebe ich Dir Recht, allerdings ist dies kein Problem von Radio NRW allein. :p
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Zitat von BlocLive: Beitrag anzeigen
...Zeiten, wo die Musik meines Erachtens noch nicht als so etwas bezeichnet werden dürfte
? Bitte um Aufklärung.

Mein Problem mit der Musik von beispielsweise Radio Gütersloh ist, das ich dieses Radio schon lange kenne, die Songs aber ganz einfach immer die selben sind. Nur ist es so, dass die immer gleichen Songs auch immer schlechter werden, je öfter man sie hört. Okay da spielt jetzt meine generelle Abneigung den 80ern und Co. mit rein, aber wo meinst du kommt die her?:) Ich find dieses alte Gedudel nur noch schlimm, ich muss es oft genug am Tag von sonst wo hörn.
Und was mich dann nunmal erst recht nervt, sind so billige Werbesätze wie "100% die beste Musiiiik". Dann solln se den Sender doch gleich "Das beste vom Alten" nennen. Denn das A und O beim Radio ist nunmal Abwechslung, und die fehlt mir zwischen Cher, Seal und sostigem in der Endlosschleife doch gehörig. Zwischen 3 alten Songs sollte dann auch mal was neues kommen, aber das "Neue" ist dann, wie bereits erwähnt, schon 3 Monate alt.
Lustig das Radio GT dann auch noch sagt "100% Abwechslung!!!"
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Eine der meiner Meinung nach methodisch immer noch besten Studien stammt aus der Medienforschung des WDR in den 80er Jahren (mal nach "Eckhard" "WDR" und "Musikpräferenzen" googeln). Eine wichtige Erkenntnis daraus: es ist gar nicht mal so wichtig, welche Musik die Hörer mögen. Es ist aber extrem wichtig, welche sie noch ertragen.
 
AW: Welche empirisch gesicherten Erkenntnisse gibt es zur Radiostrategie?

Eine der meiner Meinung nach methodisch immer noch besten Studien stammt aus der Medienforschung des WDR in den 80er Jahren (mal nach "Eckhard" "WDR" und "Musikpräferenzen" googeln). Eine wichtige Erkenntnis daraus: es ist gar nicht mal so wichtig, welche Musik die Hörer mögen. Es ist aber extrem wichtig, welche sie noch ertragen.

Und genau das ist das Problem bei Radiosendern wie Radio NRW. Denn irgendwann kannst du die Titeln nicht mehr hören, wenn sie 3 Mal am Tag und immer zur gleichen Zeit in der Woche gespielt werden!:wall:
 
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