Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

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Ulrich Köring

RADIOSZENE
Mitarbeiter
Seit Mitte der 90er Jahre wächst auch in Radiosendern die Macht der Administratoren. Damit meine ich den Typus, der sich auch gern bei McKinsey oder einer anderen schicken Beratungsfirma tummelt und in seine Ansprachen gern englisch-businessmäßig klingende Floskeln einwebt. mehr...
 
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Ja, es ist wirklich furchtbar, aber es gibt natürlich auch ehrliche ;) und gute Berater, ich weiß es! Bei McKinsey geht’s wirklich so zu, da war ich mal kurzzeitig. Wie in einer überhöhten Situation in einem Fernsehsketch ist das! Die sprechen auch intern so, die können nicht mehr anders bzw. normal! Jedes zweite Wort ist Englisch. Es heißt nicht Information oder Media, sondern natürlich Informäischn und Miedija. Furchtbar und irgendwie für meine Begriffe auch sehr albern und grotesk!

Ich wünsche auch a merry Christmas to Christoph Lemmer und allen anderen!
 
AW: Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

Erinnert mich fatal an andere Branchen... Volltreffer, Herr Lemmer! :)
 
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Wachet auf!

Privates Radio ist eine Investition von Geldgebern. Hier entscheidet die Rendite über Erfolg und Misserfolg.
Alle, denen diese Wahrheit nicht passt, mögen doch z.B. zu den Freien Radios gehen.

Herr Lemmer, das müsste Ihnen doch auch bekannt sein?

Noch ein kleiner Zusatz: Der Technik-Chef war doch nur deshalb zusammen mit Arno in Hong-Kong, weil dieser sich die Stadt ansehen wollte. Waren da eigentlich auch alle Ehefrauen bzw. Freundinnen mit dabei? Wenn diesen Urlaub kein Sponsor bezahlt hat, war dieses Spirenzchen sicherlich im Jahresergebnis des Senders vor dem Investor nur schwer darstellbar. Was hat Hong-Kong eigentlich mit einem kleinen Berliner Stadtsender zu tun?
 
AW: Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

Zum Unterschied zwischen Radio und Radio wurde hier schon mal geschrieben:

Ich glaube, es liegt auch am Begriff Radio, wie ich an anderer Stelle auch schon mal gesagt habe.
Nur weil Inhalte (neudeutsch "content") über dieselben Verbreitungswege ins Haus (oder Auto) kommen, ist es noch nicht dasselbe Medium.
Technisch ja, inhaltlich nein.
9Live und arte sind beides Fernsehen, nur "Knöpfe" voneinander entfernt. Praline und Spiegel sind beides gedruckte Wochenmagazine.
Diese Medien miteinander zu vergleichen - niemand käme auf die Idee.

Beim "Radio" tun wir's. Was sollten ernsthaft BigFM und NDR info, Radio NRW mit dem DLF zu tun haben?:confused:

Dennoch geht Bitter Lemmers Beitrag in eine andere Richtung: Er bestreitet nicht, daß Rendite das Ziel von Privatsendern ist, sondern daß es sich nur über die Methoden der Powerpoint-Scharlatane erreichen läßt.

Bitter Lemmer schrieb:
Das ist gut für die Klasse der Administratoren, aber schlecht für jede dieser Branchen.
 
AW: Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

Privates Radio ist eine Investition von Geldgebern. Hier entscheidet die Rendite über Erfolg und Misserfolg.
Das ist schon klar, und um sicherzustellen, daß hier nicht einem wie auch immer gearteten "bürgernahen Kommunenfunk" nachgetrauert wird, bei dem es halt angeblich nicht so wäre: nehmen wir eine andere Branche. Industrie. Kein bißchen in der Öffentlichkeit. Nix Kunst, Kultur und Politik. Nix "gute, alte Zeit". Und schauen uns dort das Treiben der Powerpoint-Experten ("Folien-Ingenieur") an.

Die, die wissen, wie das tägliche Geschäft effizient zu erledigen wäre und wo die Fallstricke lauern, läßt man am ausgetreckten Arm verhungern. Dafür heuert man externe "Projektteams" an. Die kommen Dienstag vormittag, fahren Donnerstag nachmittag wieder nach Hause und kosten ein Schweinegeld. Sie sind ihren weit weg sitzenden Chefs gegenüber zu "guter Arbeit" und "Auftragserfüllung" verpflichtet - und nicht etwa den Leuten dort, wo sie eingesetzt sind. Ein Projekt ist erfolgreich abgeschlossen, wenn eine gewisse Summe in Technik gesteckt wurde und irgendwas auf den ersten Blick imposantes und in Powerpoint-Folien verpackbares in der Werkshalle steht. Ob das ganze dann auch real nutzbar ist, ob es den Anforderungen des Marktes entspricht, ob Personal vor Ort in ausreichender Zahl vorhanden und geschult ist, ist dabei völlig egal.

Solche Truppen können ganze Fabriken so elegant an den realen Marktanforderungen vorbei entwerfen und bauen, daß es erst dann auffällt, wenn sich die, die dort wirklich arbeiten sollen, täglich draußen im rauhen Wettbewerb blaue Flecken holen. Aber dann ist das Projekt ja längst abgeschlossen, freilich erfolgreich. Jetzt plötzlich Probleme? Wir können ja ein neues Projektteam anheuern!

Und dann wird halt weiter priorisiert, adressiert, werden "Showstopper" identifiziert, "Stakeholder" benannt, "Taskforces" einberufen und "Teambuilding-Meetings" organisiert, bis jeder, der einfach anständig und rationell arbeiten will, den Kopf gegen die Wand schlagen möchte, bis es aufhört wehzutun. Und die, die deutlich vernehmbar deswegen murren, schickt man zum externen Coaching. Dafür ist immer Geld da.


Disclaimer:
Ähnlichkeiten mit noch existierenden oder schon zugrundegegangenen Unternehmen und Branchen sind rein zufällig.
 
AW: Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

Wo er Recht hat, hat er Recht, der Lemmer!
Stimmt alles!
Ob sich dadurch etwas ändern wird am Verwaltungs-Hirnriss ist allerdings sehr fraglich.
D.
 
AW: Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

mich amüsiert es sehr, dass sich hier Radioleute über Power-Point-Analytiker und deren Sprache aufregen, die mit Anglizismen angereichert sein soll.

Ich bin mir sicher, dass keiner von diesen geißelnden Radioleuten hier freiwillig Begriffe wie Closer, Opener, Hooks, Backtiming und wie der ganze andere Dreck so heißt, verwenden würde.
 
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Und ich bin mir sicher, beruflich nicht beim Radio, sondern in einem, ähm, Industriebetrieb zu sein. ;)
 
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Wir reden bei den "powerpoint-Experten", wenn man dieses Kürzel für die Beraterzunft gelten lässt, ja nicht über ein Radiophänomen, sondern über eine Zeiterscheinung, die sich wie ein Virus in nahezu alle Branchen ausgebreitet hat.
Die Mechanismen sind alle korrekt beschrieben. Und nun?

Ein längst in den Ruhestand verschwundener Ex-Kollege von mir prägte einmal den Satz: "Geschäftsführer und Vorstände unterstellen einem Berater umso mehr Verbesserungskompetenz, je weiter er vom eigenen Unternehmen entfernt ist." Ab 300 Kilometer Abstand fangen Berater an, richtig beieindruckend zu sein.
Der Prophet im eigenen Hause zählt nichts.
Und wenn ein langjähriger Mitarbeiter einen Vorschlag macht, dann ist das für die Tonne, wenn drei Monate später ein Berater den gleichen Vorschlag macht, dann ist er der Heilsbringer.

Wie wird man Berater?
Indem man es in einer Branche nicht wirklich zu etwas bringt und deshalb in Ermangelung einer festen Anstellung seine Beraterdienste anbietet.

Und jetzt ganz zum Schluss: Ich habe auch wunderbare Berater kennengelernt. Kompetente, klarsichtige, unprätentiöse und fachlich extrem bewanderte Menschen, die mir oder meinen Arbeitgebern substanziell weitergeholfen haben. In der Regel waren das solche, die ohne Powerpoint auskamen!
 
AW: Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

Ab 300 Kilometer Abstand fangen Berater an, richtig beieindruckend zu sein.
"Das ist ja super. Das ist ja gleich viel teurer. Sie sind auch gleich viel wichtiger."

Und jetzt ganz zum Schluss: Ich habe auch wunderbare Berater kennengelernt.
Ich auch, gerade derzeit. Sitzt mir gegenüber, ist völlig klar, zielorientiert, bodenständig und bringt dem Unternehmen wirklich was.
 
AW: Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

aus mannis posting:
Und wenn ein langjähriger Mitarbeiter einen Vorschlag macht, dann ist das für die Tonne, wenn drei Monate später ein Berater den gleichen Vorschlag macht, dann ist er der Heilsbringer

Das passiert im Bundestag auch... wenn's von den Linken kommt, wird es abgelehnt. Drei Wochen später ein um vier Worte geänderter Antrag von der SPD oder CDU...
Haupthindernis und -argument ist hier aber die Betriebsblindheit, die sich automatisch einstellt.

Wie wird man Berater?
Indem man es in einer Branche nicht wirklich zu etwas bringt und deshalb in Ermangelung einer festen Anstellung seine Beraterdienste anbietet.

Das passiert allerdings öfters...

Und jetzt ganz zum Schluss: Ich habe auch wunderbare Berater kennengelernt. Kompetente, klarsichtige, unprätentiöse und fachlich extrem bewanderte Menschen, die mir oder meinen Arbeitgebern substanziell weitergeholfen haben. In der Regel waren das solche, die ohne Powerpoint auskamen!

Den letzten Satz unstreiche ich mal ganz fett...! Man kann alles auch "interaktiv" dem Gegenüber in Worten und mit Argumenten erklären und "verkaufen". Und das kommt viel besser an und hat letztendlich mehr Wirkung.
 
AW: Bitter Lemmer: Die Macht der Powerpoint-Experten

Ich bin mir sicher, dass keiner von diesen geißelnden Radioleuten hier freiwillig Begriffe wie Closer, Opener, Hooks, Backtiming und wie der ganze andere Dreck so heißt, verwenden würde.

Zum einen: Gegeißelte Radioleute! :)

Zum anderen: Ihre Fachsprache hatten sie schon, bevor ihnen ein Fachfremder eine Gehirnwäsche á la "Ihr macht ab sofort nicht mehr Radio sondern nur noch Kommerz" in seinem Jargon verpasste. Das dumme daran ist nur:
Normalerweise neigt man dazu, einem Fachmann, dessen Sprache man nicht versteht und letztlich nicht verstehen will, weil man weiß, dass er von dem, was man selbst tut, auch keine Ahnung hat, entweder nicht zuzuhören oder ihn anzuhalten, sich verständlich auszudrücken. Das ist bei den angesprochenen Gehirnwäschen aber nicht gut möglich, weil die Folge wohl die ist, dass man dann seine Arbeit woanders oder gar nicht mehr machen kann. Im Fall von "woanders" dürfte man allerdings zeitnah erneut vor dem selben Problem stehen.
 
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