Vernichtendes Urteil

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Mannis Fan

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Der Journalist und Parteienforscher Thomas Wieczorek, immerhin mal Reuters-Chef von Baden-Württemberg hat in seinem Buch"Die verblödete Republik" (Knauer Taschenbuch, München 2009) eine vernichtende Bestandsanalyse unserer Medienlandschaft formuliert. Das möchte ich dem Forum in Anlehnung an die hier geführten einschlägigen Qualitäts-Diskussionen nicht vorenthalten. Hier ein paar markante Zitate:

"Die Öffentlich-rechtlichen gehören wieder allen Anschein dem Volk, und das bedeutet in einer Parteiendemokratie: den Parteien. So kungelt in den Kontrollgremien die zweite bis fünfte Garnitur von Union und SPD die Spitzenjobs und damit die politische Grundrichtung im Wesentlichen unter sich aus."

"Hätten Tagesschau und Tagesthemen, heute und heute journal den Untertitel "Globaler Ereignismix aus Sichtd er Großkonzerne und der US-Regierung", wäre nichts dagegen einzuwenden. So aber sind auch sie wichtiger Bestandteil der Gehirnwäsche unter der Flagge der Objektivität."

"Sensationsgier statt Sachinteresse: reißerische Aufmachung geht vor Inhalt... Man könnte sagen: Bullshit meets Inkompetenz - und niemand fliegt auf."

"Skandal schlägt echtes Problem: Horst Seehofers Geliebte, Kurt Biedenkopfs Ikea-Prozente, Rudolf Scharpings Badespäße, Klaus Wowereits Party-Eskapaden oder gar die Latexkluft der CSU-Landrätin Gabriele Pauli sollen gerade denen ewig in Erinnerung bleiben, die vom piolitischen Denken und Handeln dieser Politiker keinen Schimmer haben."

"Themendruck: Mal stampft man Minithemen aus dem Boden wie "Florida-Rolf" oder "Kampfhunde" und erkämpft Blitzgesetze dazu, mal erzwingt man Regierungsworte zu Allerweltsfällen wie der Inhaftierung eines deutschen Vergewaltigungsverdächtigen in Antalya, um gegen den EU-Beitritt der Türkei Stimmung zu machen."

"Die Fernseh- und Rundfunknachrichten werden immer unpolitischer. Immer häufiger bestimmen sogenannte Boulevardthemen wie etwa Meldungen über Prominente die Berichterstattung."

"Unfälle und Katastrophen sind der rote Faden der wohlwollend "Boulevardmagazin" genannten Voyeursshows wie Explosiv (RTL), Brisant (ARD) oder Hallo Deutschland (ZDF). Geile Gaffer können darin Autofahrer gegen Bäume prallen, Züge entgleisen oder Menschen in Häusern verbrennen sehen und ein dumpfes Glücksgefühl genießen: Wie gut, dass das nicht mir passiert ist."

"Unschlagbar sind natürlich Unwetter aller Art."

"Über derartigen Journalismus kann nicht geurteilt werden, weil er keiner ist."

Dem ist nichts hinzuzufügen!
 
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Charakteristisches Erlebnis auf'm Bau: Ich werkelte allein in einem
Raum und hatte im Radio den Deutschlandfunk laufen, Informationen am
Mittag. Während der 13.00Uhr-Nachrichten kamen zwei Jungs dazu und
fingen an, etwas zu montieren. Die Nachrichten waren vorbei und in
der Sendung ging es mit normalen Wortbeiträgen und Interviews weiter:
"Nööl, watistdatdenn, nur Nachrichten, HasteeinanderWaffel, machma
Musik?"
Genau _SO_ ist ein nicht zu vernachlässigender Teil unserer
Wahlberechtigten drauf!

http://www.heise.de/tp/foren/S-Re-Geld-loest-sich-nicht-auf/forum-177227/msg-18334149/read/

So simpel ist das.
 
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Tja, die Verblödungsmaschinerie läuft auf Hochtouren und gerade die "Dessinformation" gehört zu den Hauptaktivitäten der Macher. Wie gut, dass das deutsche Volk zu so gut wie allem kopfnickend "ja" sagt, wenn es nur in den Medien "nachrichtengerecht" verpackt ist.
 
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Oh wei, das könnte hier ausarten ;)

Georg Schramms unvergessener Ausbruch im BR: http://www.youtube.com/watch?v=jitdvJ5U3I4
und dazu
Hagen Rether über den Islam (und den Stern und den Spiegel): http://www.youtube.com/watch?v=QL65dcC_UNM
Leider bringen mich beide nicht mehr zum Lachen oder Applaudieren, sondern nur noch zum zustimmenden Kopfnicken. Und es doch sehr bezeichnend, das ich Satire schauen muss, um im ÖR eine Brender-Diskussion zu erleben. Der Journalismus in Deutschland diskutiert zur Zeit sehr heftig über sich selbst. Stattdessen finde ich iPadRahmen auf der ersten Seite der Welt-Publikationen und schlimmsten Boulevard (Niggemeier über die Kachelmann-Vorverurteilung): http://www.stefan-niggemeier.de/blog/von-unschulds-und-anderen-vermutungen/

Was dagegen kaum noch stattfindet ist der Blick über den Tellerrand. Ein Blick in die le Monde diplomatique könnte helfen, das es außer Deutschland und den USA noch andere Länder gibt: http://www.monde-diplomatique.de/pm/.aktaus

Aber in der hektischen Zeit ist die Möglichkeit für ausgiebige Recherche auf der Strecke geblieben, wirtschaftlich scheint diese auch nicht mehr ökonomisch. Wenn etwas länger als 5 Minuten bei Twitter steht ist es doch überholt! Seltsamerweise sind aber gerade die Zeitschriftentitel mit gut recherchierten Inhalten die einzigen mit steigender Auflage: Die Zeit, Cicero, Brand Eins verbuchen seit Jahren ein Plus in der Auflage. Dieser Widerspruch wird in der Journaille sicher heiß diskutiert. Die breite Bevölkerungsmasse bekommt das aber nicht mit. Die einen flüchten sich in "LandLust" Hemisphären, die anderen in den lauten Contest-Boulevard von RTL und Co. - beide werden gut bedient. Und das Radio macht mit.

Selbst Infojunkies schätzen das Abschalten des nachrichtlichen Tagesrauschens durch ein unterhaltsames Angebot. Ob das eine BBC-Naturdoku ist, eine seichte Pilcher-Schmonzette oder das herumgehüpfe von Popsternchen ist eine Frage der Vorliebe. Das ist auch eine Aufgabe von ÖR. Abseits der Quote verlange ich aber knallharten, investigativen und fundierten Journalismus - dieser befindet sich aus o.g Gründen auf dem Rückzug. Klüngelwirtschaft und Noeliberalismus in den deutschen Redakteursstuben haben den Rückzug aber noch nicht angetreten.
 
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Ich dachte gerade, das Buch sei hier schon diskutiert worden, aber das war doch ein anderes. Verblödungsbücher scheinen im Moment ja ganz gut zu laufen...

Zieht denn der Herr Wieczorek eine Schlussfolgerung, oder gibt er - an wen auch immer - eine Handlungsempfehlung??
 
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Wie sagt Schramm in dem von "Hörbub" verlinkten BR-Beitrag? "Alles kein Versehen". Ich fürchte er hat Recht!!! Danke "Hörbub", ich kannte den "Ausbruch" noch nicht. Das Lachen bleibt wirklich im Rachen stecken. @ Mannis Fan: Was zahlt Dir der Autor? Ne Kiste Wein? Schicke mir ne Flasche rüber, ich kannte es nicht und habe es soeben bestellt. Zielgruppe erreicht? :D Von mir: DANKE!!
 
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Ich kannte den Autor bis vor drei Tagen noch gar nicht, stieß zufällig auf das Buch und habe es in zwei Tagen runter geschlungen. Ich würde in Anlehnung an den Klappentext sagen: Dieses Buch ist Aufklärung im besten Sinne - für alle, die sich das Selberdenken nicht verbieten lassen!
 
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o.k. ToWa, habe nochmal nachgearbeitet und das hier gefunden, Info über seinen Doktorvater von 2003, Peter Grottian:

http://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Grottian

Klingt aber alles durchaus nach kritischem und wachem Geist.

Das mag sein, Ablauscher. Aber rechne doch bitte einmal nach:

Der Mann ist im Jahre der Herrn 1953 geboren worden. 1983 - also schlappe 30 Jahre später! - hat er sich auch schon wieder aus der "Szene" verabschiedet. Was das über "Reuters" aussagt, die quasi einen Frischling zum Büroleiter eines Landesdienstes erhoben haben, ist das Eine.

Das Andere ist: Mit vollen Hosen ist gut stinken. Und jemand, der seit 1983 (das war lange vor dem Mauerfall, und die PCs von damals stehen längst im Museum) aus dem Tagesgeschäft raus ist, erlaubt sich hier eine Meinung über die Branche. Nö, sorry, nehme ich nicht ernst.

Und auf die Meinung eines Herrn Grottian, der ja - laut Wikipedia - "ein deutscher Sozialwissenschaftler und politischer Aktivist des linken Spektrums" ist, ehrlich, da pfeif ich ganz besonders drauf.
 
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Du bezweifelst also, dass hier in unserem Lande ein eiziger Sumpf herrscht?

ich bin leider gerade ausser Haus, kann später aber gerne mehr zu diesem Thema posten. Wie ich schon weiter oben sagte, in unserem Ländle wird massiv Dessinformation betrieben. Volksverblödung ist bei den Verantwortlichen erwünscht!
 
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Du bezweifelst also, dass hier in unserem Lande ein eiziger Sumpf herrscht?

Ich bin immun gegen Verschwörungstheorien. So einfach ist das. Und gegen linke Verschwörungstheorien ganz besonders. Und wie gesagt: Der Autor dieses Schmökers ist mit 30 Lenzen aus dem Tagesgeschäft ausgestiegen, im Jahre des Herrn 1983. Das kann ich einfach nicht ernst nehmen.
 
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akzeptiert ToWa! Ich blättere mal in diese seine schriftlich dargelegte Beobachtung und Meinung rein und habe vielleicht dann auch eine abschließende über ihn.
 
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Ich bin immun gegen Verschwörungstheorien. So einfach ist das. Und gegen linke Verschwörungstheorien ganz besonders. Und wie gesagt: Der Autor dieses Schmökers ist mit 30 Lenzen aus dem Tagesgeschäft ausgestiegen, im Jahre des Herrn 1983. Das kann ich einfach nicht ernst nehmen.

Na dann nenne ich dir mal einen anderen Autor: Max Otte. Das ist der Autor der vor der Finanzkriese das Buch schrieb: "Der Crash kommt".

Max Otte genießt ein sehr hohes Ansehen, und zwar quer Beet durch die politischen Lager. Er veröffentlichte im letzten Jahr das Buch: "Der Informations Crash". Ich kann nur sagen: Absolut lesenswert!
 
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Der Autor dieses Schmökers ist mit 30 Lenzen aus dem Tagesgeschäft ausgestiegen, im Jahre des Herrn 1983. Das kann ich einfach nicht ernst nehmen.

Vielleicht hatte er mit 30 Jahren bereits durchschaut, wozu andere ein ganzes Leben brauchen!
 
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Na dann nenne ich dir mal einen anderen Autor: Max Otte. Das ist der Autor der vor der Finanzkriese das Buch schrieb: "Der Crash kommt".

Das ist sehr schön, wird aber die Auflage des Schmökers nicht sonderlich erhöhen. Ich lese in den Foren von SPIEGEL Online mit, und daher bin ich mit Theorien über den Untergang unserer Zivilisation aus welchen Gründen auch immer wirklich gut versorgt. Das tut in diesem doch sehr speziellen und wertvollen Forum wirklich keine Not, mit demselben Käse zu kommen.
 
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Wenn es um materiellen Reichtum geht, brauchen wir allerdings nicht weiter zu diskutieren. Ich meinte allerdings Erkenntnisreichtum!

Eventuell wäre es hilfreich, wenn sich ein Kollege dazu äussert, der in Berlin für einen der zahlreich dort vertretenen Sender arbeitet. Jemand, der das Tagesgeschäft laut Wikipedia bereits 1983 - rpt. 1983 (!) - verlassen hat, ist möglicherweise nicht sehr kompetent.
 
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Der Mann hat schlichtweg recht! Und unserem Towäle sei gesagt: Der Mann schildert seinen Eindruck der Medien als Zuseher, Zuhörer, Leser. Oft ist so eine Betrachtung von aussen sogar besser. Und ob er reich geworden ist oder nicht, wen juckt das? Wen interessiert Reichtum? Mich interessieren Wahrheiten!
 
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Madame? Von einer Geschlechtsumwandlung habe ich noch nix gemerkt...ich habe überhaupt keinen Blog diesbezüglich gelesen. Mein Wissen über das Buch und den Autor entspringt nur diesem Thread und besagter Wikipedia-Verlinkung.
 
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Madame? Von einer Geschlechtsumwandlung habe ich noch nix gemerkt...ich habe überhaupt keinen Blog diesbezüglich gelesen. Mein Wissen über das Buch und den Autor entspringt nur diesem Thread und besagter Wikipedia-Verlinkung.

Das geht mir nicht anders, Gnädigste, aber gerade deshalb auch an Sie die Frage: Herr Kaczmarek (oder so...) hat sich vor Äonen aus dem harten Nachrichtengeschäft verabschiedet und pupst nun rum. Und das reicht, um ein Buch zu schreiben? Da könnte ja jeder TV-Zuschauer gleich ein Buch schreiben. Und - wenn interessiert das?
 
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Man mag anprangern, dass er vielleicht seinen Namen, den er diesbezüglich in der Branche noch hat durch diese Tätigkeit vor gefühlt Erdzeitaltern, ausnutzt, um das Buch zu verkaufen. Aber ansonsten ist doch nix gegen das einzuwenden, was er nach der kurzen eingangs erwähnten Beschreibung dort postuliert. Denn das erscheint mir einfach sehr wahr, und zwar zuvorderst aus Sicht des Konsumenten, nicht des Machers. Für wen machen wir denn Programm? Für den Chef, für die Lobbyisten...oder vielleicht doch für den Hörer/Seher/Leser?
 
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