Falsche Reportage - Rausschmiss!

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Mannis Fan

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Der WDR hat einen Redakteur abgesetzt (freigestellt, der sich folgendes Vergehen hat zuschulden kommen lassen:

Das Feature „Heilung unerwünscht“, das am 19.10.2009 im Ersten ausgestrahlt wurde, befasste sich mit der Geschichte einer Hautcreme, die bei Beschwerden wie Neurodermitis und Schuppenflechte (Psoriasis) ohne schwere Nebenwirkungen zu helfen verspricht. Hauptthese des Autors war, dass Pharmaunternehmen die Markteinführung des Mittels verhinderten. Neben inhaltlicher Kritik an dem Film wurden auch Zweifel an der Unabhängigkeit des Autors laut, da er kurz nach der Ausstrahlung des Films ein Buch zu demselben Thema veröffentlichte.

Die ganze WDR-Pressemitteilung dazu hier:
http://www.wdr.de/unternehmen/presselounge/pressemitteilungen/2010/05/20100514_wdr.phtml

Es handelt sich um den Filmautor Klaus Martens, von dem es heißt, er verstehe sein Handwerk. Der WDR-Mann hat als Redakteur der Sendereihe 'Die Story' viele brisante Stoffe aufbereitet, vorwiegend Wirtschaftsthemen.

Die "Süddeutsche" schreibt zu dem Fall:
Eine Prüfung durch die interne Revision habe ergeben, so der WDR, dass Martens 'Vorgesetzte wiederholt über den Zusammenhang von Sendedatum und Buchverüffentlichung getäuscht und in einer dienstlichen Erklîrung falsche Angaben gemacht hat'. Betrieb der Autor PR für ein Medikament? Oder nur für sein eigenes Buch? 'Es gibt keinen Hinweise darauf, dass der Autor geldwerte Vorteile angenommen hat und damit keinerlei Anhaltspunkte für Schleichwerbung', sagt Sendersprecherin Gudrun Hindersin.

Für mich stellt sich das so dar: Ein Fernseh-Redakteur, der ein brisantes Thema recherchiert und dazu exklusiv über Informationen und Wissen verfügt, darf aus diesem Insiderwissen unmittelbar nach Ausstrahlung der Sendung kein Buch machen, denn dies komme einem persönlichen Vorteil gleich und stelle die Unabhängigkeit des Redakteurs in Frage. Seltsam verschwurbelte Logik, die vielleicht besser übersetzt wird in: Wenn sich die etablierte Pharmaindustrie abgegriffen fühlt, dann ist die Rache fürchterlich - und der Sender lässt seinen Mann im regen stehn!
 
AW: Falsche Reportage - Rausschmiss!

Diese Medaille hat fast schon mehr als zwei Seiten.

Wenn man sich mal die Kurzbeschreibung bei amazon.de anschaut (ich vermute, es ist der Klappentext), dann liest sich das schon ein wenig wie "ich habe da das von allen anderen bewusst versteckte, ultimative Heilmittel gefunden" und bekommt marktschreierische Qualitäten:

Klaus Martens hat unter den zahlreichen Fällen zweifelhafter Arzneimittelangebote ein Medikament entdeckt, das in der Lage ist, Millionen Patienten zu helfen, und das von unabhängigen Wissenschaftlern als »Juwel im Verborgenen« bezeichnet wird.
Okay, es ist Marketing, aber trotzdem ... für einen WDR-Redakteur .... also über eine mögliche Verquickung sollte man zumindest nachdenken dürfen.

Die zweite, weitaus gewagtere These: Der WDR ist angepisst, weil Martens den Stoff bei DuMont zweitverwertet und als Buch veröffentlicht hat. Die Nummer, die durchaus ein gewisses Potenzial hat (sonst wäre sie wohl nicht ausgestrahlt worden), hätte ebenso gut als WDR-Publikation mit stolzgeschwellter Brust "unsere Redakteure können so was" auf den Markt gebracht werden können - inklusive Verkauf über den WDR-Shop. Aber die Tür ist jetzt zu.

Dass sich der WDR und DuMont besonders lieb haben, wage ich zu bezweifeln.
 

[Als Amazon-Partner verdient radioforen.de an qualifizierten Verkäufen.]
AW: Falsche Reportage - Rausschmiss!

Wenn man die Pressemitteilung aufmerksam liest und zudem auch noch den Link zu Amazon öffnet, lassen sich folgende Rückschlüsse ziehen:

1. der Autor hat seinen Vorgesetzten mitgeteilt, daß er zu dem Film ein Buch veröffentlichen will
2. der Autor hatte dafür offensichtlich eine Nebenbeschäftigungserlaubnis eingeholt
3. beim WDR muss man ihn darum gebeten haben, ein wenig Zeit ins Land gehen zu lassen bis zur Buchveröffentlichung
4. daran hat sich der Autor nicht gehalten, denn: Sendetermin 19.10.2009, Buchveröffentlichung 05.11.2009
5. nach dem Sendetermin gab es augenscheinlich Beschwerden, das Buch war aber nicht mehr zu stoppen
6. Dienstvorgesetzte verarscht man halt nicht ungestraft
 
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Die Medaille hat noch mehr Seiten, Mannis Fan. Martens hat sich selbst in den Regen gestellt oder sich von den Salbenmachern blenden lassen!

- Wie zufällig, wurde das Produkt kurz nach der Ausstrahlung auf den Markt gebracht
- Inhaltlich wurde bei dem Film offenbar geschlampt (insbesondere was die Studien angeht)

Weiterführende Infos:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,657070,00.html
http://gesundheit.blogger.de/stories/1511299/
http://de.wikipedia.org/wiki/Heilung_unerwünscht_–_Wie_Pharmakonzerne_ein_Medikament_verhindern
 
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@Undy
Ein echter Krimi, und in der Tat eine ganz andere Seite der Medaille. Vielen Dank für die Links. Wenngleich Täter- und Opferrollen wahrscheinlich getauscht werden müssen, bleibt erst recht die Frage nach dem immer wieder beschworenen "Qualitätsjournalismus" im ÖR.
 
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@Undy
Ein echter Krimi, und in der Tat eine ganz andere Seite der Medaille. Vielen Dank für die Links. Wenngleich Täter- und Opferrollen wahrscheinlich getauscht werden müssen, bleibt erst recht die Frage nach dem immer wieder beschworenen "Qualitätsjournalismus" im ÖR.

Es war vermutlich die Story seines Lebens. Jeder richtige Journalist möchte einmal so eine richtige, fette Verschwörung aufdecken. Wer kann da schon widerstehen?
 
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jahahahaa!! Hab das Smiley bei meiner Bemerkung vorhin weggelassen.:wow:
(In "Hart aber fair" war zu spüren, dass da was nicht stimmt an der ganzen Kiste)
 
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Die Reportage bediente sich simpelster Schwarz-Weiß-Schemata, um die Pharma-Industrie besonders schlecht aussehen zu lassen. Manche Aussagen waren so einseitig, mangelhsft recherchiert und zugespitzt formuliert, dass man stellenweise von einer richtigen Räuberpistole sprechen kann. Selbst wenn dieser Martens nicht ganz so dick aufgetragen hätte, dürfte die Story ordentlich eingeschlagen haben.

Im Prinzip ist dieses "Medikament" so harmlos, dass es auch problemlos als Naturpräparat durchgehen könnte und auf ein Zulassungsansuchen der profitgierigen Pharmakonzerne gar nicht angewiesen wäre. Dummerweise hat sich lange kein mittelständischer Salbenrührer gefunden, der das Mittel in den Reformhäusern platziert hätte. Daraus jetzt eine Verschwörungsgeschichte zu konstruieren ist schon ein ziemlich durchsichtiges Manöver. Der Autor wusste, dass die meisten Leute (berechtigte) Ressentiments gegen die Pharmariesen haben und nutzte diese Geschichte, um den großen Coup zu landen und an der Paste kräftig mitzuverdienen. Diese "Wundersalbe" hat zweifellos ein interessantes Wirkungsspektrum, aber ein Allheilmittel ist sie sicher nicht.
 
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Ja, das ist der Unterschied zum Privatfunk oder Privatfernsehen. Dort hätte er für den Müll die Ehrenmedaille vom Programmchef verliehen bekommen...
 
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Ja, das ist der Unterschied zum Privatfunk oder Privatfernsehen. Dort hätte er für den Müll die Ehrenmedaille vom Programmchef verliehen bekommen...

Falsch: Beim Privatfunk hätte der Sender sich von vorne herein anständig für "den Müll" bezahlen lassen, anstatt von einem Mitarbeiter hereingelegt zu werden.
 
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