Qualität von renommierten Hörspielen

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Hallo in die Runde,

da ich selbst gelegentlich kurze Radio-Hörspiele produziere, habe ich mir heute aus Interesse an der künstlerischen und vor allem technischen Umsetzung eine der neuen (!) TKKG-Produktionen (Folge 167, 2009) gekauft. Aus meiner Kindheit hatte ich die Serie in recht guter Erinnerung.

Um es kurz zu machen: Ich bin entsetzt.

Ein Rauschpegel, wie ich ihn selten zuvor gehört habe, eine Aufnahmequalität, die als "peinlich" zu bezeichnen manchmal nahezu euphemistisch wäre (deutlich hörbarer Duschkabinen-Klang bei Gesprächen im Freien, extremes Zischen bei S-Lauten usw.), unüberhörbare Schnitte etc.

Ich denke, nicht zu übertreiben, wenn ich behaupte, selbst mit einem alten MD-Recorder und einem halbwegs geeigneten Mikrofon bessere Qualität abliefern zu können - theoretisch, denn so würde ich bei einer Hörspiel- oder Feature-Produktion nie arbeiten.

Nun bin ich kein Profi, die TKKG-Hörspiele hingegen stammen aus renommiertem Hause (EUROPA / SONY MUSIC) und ich hatte erwartet, durch sorgfältiges Hören ein bisschen was für meine eigene Arbeit lernen zu können.

Ich bin mir nicht sicher, ob das Thema hier richtig aufgehoben ist, versuchen möchte ich es mal.

Vielleicht gibt es ja ähnliche Erfahrungen mit anderen Produktionen, denen ein guter Ruf vorauseilt?
Oder jemand sieht es ganz anders ...
Vielleicht sind meine Erwartungen zu hoch?

Interessieren würde mich zudem, wo die Folgen entstehen. Ich ging bislang davon aus, dass es sich bei der Werkstatt um ein Produktionsstudio handelt, dass sich als hoch modern und professionell bezeichnet.

Soweit meine Gedanken.

Grüße an alle vom
Ostseelauscher

PS: Um noch eine positive Fragestellung mit einzubringen: Wer kennt Hörspiele, deren technische (und gern auch künstlerische) Umsetzung extrem gut gelungen ist?
 
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Positivbeispiel: die John Sinclair-Hörpsiele. Kino-Sound, sehr geil!
 
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Hallo Ostseelauscher,

selbst die ehrenamtliche Hörspielszene weist eine enorme qualitative Bandbreite auf - die Motivation dafür ist höcht unterschiedlich.

Als TKKG-Freund solltest Du Dich mal bei mit den Parodisten namens GKKT kurzschließen.

Gruß, Uli ;)
 
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Mit den "John Sinclair" Sachen muß ich meinem Vorredner recht geben.

Aber vor allem der WDR hat in den 50er und 60er Jahren Hörspiele auf sehr hohem Niveau gemacht, die sich anhören, als wären sie eben erst entstanden.
Da fragt man sich schon, wo der Nutzen der Digitaltechnik liegt, wenn mit den Möglichkeiten nur herumgeschludert wird.
Samplingraten ersetzen keine gescheite Mikrofonierung.


Mittlerweile bin ich von den Equipmentfetischisten in allen technischen Film/Ton Foren ziemlich angenervt.
Konsumlemminge, die für Tausende Krempel daheim haben, aber nicht einmal die Basics vor Ort beherrschen.

Das zieht sich wohl mittlerweile durch bis in die Produktionen.
Die Kundschaft ist aber auch weniger wählerisch geworden.
Wer mit MP3 und dem I-Pod aufgewachsen und an den Badewannenfrequenzgang und andere Schmankerl gewöhnt worden ist, stößt sich auch bei TKKG nicht am Duschkabinen-Klang.

Besorg Dir mal diese alten WDR-Coproduktionen.
Teilweise laufen die Di und Do ab 20.05 auf WDR5
 
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Nicht nur der WDR, eigentlich haben die meisten ARD Anstalten ihre Hörspiele schon seit den 50ern auf sehr hohem technisch-klanglichen Niveau produziert. Und tun es auch noch heute.
Ein gutes Beispiel ist auch die Serie "Gestatten, mein Name ist Cox" von 1959, davon sind einige Folgen 2007 auf CD veröffentlicht worden. Das Alter erkennt man nur anhand der Musik und der zeitgenössischen Sprechweise bzw. der Texte. Rauschen u.ä. sucht man vergebens, was nur unwesentlich an nachträglicher Bearbeitung vor der CD-Pressung liegt.
Ich konnte mal in die quasi-Originalbänder reinhören, auch die klingen sehr sauber.
Quasi-Original deswegen weil nur noch die 2. Generation Bänder existiert, die in den 70ern mal umgeschnitten wurden von 76cm/s auf 38cm/s.
 
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Ich meine mich an einen Zeitungsartikel zu erinnern, der besagte, dass Europa z.T. immer noch mit rustikaler Technik arbeitet, d.h. mit Analogschnitt, Atmo-Bandschleifen etc. Die greisen Produzenten sind seit Jahrzehnten dabei und wollen sich nicht mehr an digitale Technik gewöhnen. Das Studio befindet sich auf einem Gutshof in Ostholstein.
 
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Wenn Du was qualitativ hochwertig produziertes suchst, wirst Du sicher mit den aktuellen Produktionen vom Studio Fährhauston aus Hamburg glücklich.

Profisprecher, nicht nur sauber aufgenommene Stimmen sondern auch wunderbar diskret bearbeitet, nahezu perfekt gemastert, Peaks immer kurz vor 0dB aber so gut wie nie geklippt. Musik und Effekte nicht aufdringlich und sehr sauber beigemischt. Auch wenn sich manche Soundteppiche und Hintergrundgeräusche doch etwas 80er- hörspieltypisch wiederholen. Aber das ist vielleicht Absicht.

Europas Produktionen haben ihren ganz eigenen Charme, positiv gedacht ;)

Im Fan- und Freizeithörspielbereich gibts neben einer Menge guter Absichten auch einige echte Perlen. Zum Teil mit sehr minimalistischen Mitteln wie dem Zoom H2 und einem Kopfkissen dahinter produziert. Aber eben mit Herz und Sachverstand.

Wenn im Profibereich alles schnell-schnell und billig-billig gehen muß kommt eben oft nur Fließbandware dabei rum. Oder es wurde leider an der Ausbildung der Techniker gespart, Praktikanten sind ja auch viel billiger.

Ohne es jetzt nennen zu wollen, gibt es auch ein relativ neues, top ausgestattetes Hörspielstudio in Berlin Kreuzberg. Doch all die Technik schützt nicht vor hörbaren Schnitten mitten im Satz und geklippten Spitzen in zum Teil recht teuren Kauf-CDs. Schade.
 
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Wobei sich damit auch beim Ton zeigt, daß nicht das Werkzeug, sondern der Meister das Meisterstück macht.

Ich habe übrigens mein H4 wieder gegen ein steinaltes UHER Report eingetauscht und habe jetzt vor Ort immer zielsicheren Ton.
Kein Gefummel mehr mit Minitasten, keine anschließend leeren SD-Karten durch versehentlich falsch gedrückte Tastenkombinationen und keine Mikro-Miniatur-LCD-Displays.
Einfach nur drücken und der Ton ist zuverlässig im Kasten.
Die Tonqualität ist gut genug, um sie sich noch in vierzig Jahren anzuhören; alle Sielmann oder Grzimek- Filme sind weitab jeder Zivilisation mit solcher Technik aufgezeichnet worden.
Das höhere Gewicht und die später nötige Digitalisierung nehme ich dabei gerne in Kauf.




Es geht mir nicht um Nostalgie, aber irgendwie ist die technische Entwicklung am Menschen und seinen Möglichkeiten (ich kaufe keine Geräte mehr, bei denen die Tastenabstände kleiner als meine Finger sind ;) ) vorbeigelaufen und dem Glauben, das ein mit sündhaft teurem Krempel zugestelltes Studio der Garant oder auch nur die Vorbedingung für eine gute Produktion ist, hänge ich nicht mehr an.

Modeerscheinungen bei Hörspielen wie ein permanent eingeblendeter hochfrequenter Pfeifton (der wohl Spannung simulieren soll) oder Crossquatsching zeigen nur, wie weit der Macher von dem Eigentlichen, dem Erzählen einer guten Geschichte handwerklich noch entfernt ist.
Möglichst schrill und effektheischend muß alles sein.
Ein wichtiges Stilelement, die Pause, oder vielmehr Stille, scheint dagegen völlig aus der Mode gekommen zu sein.
Aber gerade sie ist es doch, die Bilder im Kopf entstehen läßt.

Trotzdem gibt es aber auch noch heute wirklich gute Sachen zu zeitgenössischen Themen.
Leider scheint auch der (hiesige) WDR sich nicht mehr klar hinter solche Produktionen zu stellen.
Masse statt Klasse auch in den ÖR´s.


Jens
 
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Hallo in die Runde,

vielen Dank schon einmal für eure zahlreichen Tipps. Damit werde ich mich in nächster Zeit mal etwas intensiver auseinandersetzen.

Angenehm aufgefallen ist mir der letzte ARD-Radiotatort aus Bremen, über den ich erst auf die Reihe aufmerksam wurde. Die Kritiken sind recht unterschiedlich. Ich fand ihn technisch gelungen und auch die Leistung der Sprecher/innnen gefiel mir.

Grüße vom
ostseelauscher
 
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Im Fan- und Freizeithörspielbereich gibts neben einer Menge guter Absichten auch einige echte Perlen. Zum Teil mit sehr minimalistischen Mitteln wie dem Zoom H2 und einem Kopfkissen dahinter produziert. Aber eben mit Herz und Sachverstand.
Da schreibst Du was.
Die Perlen betreffend stimme ich Dir zu. Auch, was die Sache mit dem Herzen angeht.
Den Sachverstand - insbesondere den technischen - stelle ich bei einigen, hoffentlich in der Minderheit befindlichen, Enthusiasten dieser Szene sehr deutlich in Frage.

Bis heute ist mir wahrlich unbegreiflich, warum ein Zoom H-2 als das ultimative Hörspielsprecher-Aufnahmegerät gilt (nein, ich finde nicht, dass es das ist). Trotzdem wird es angepriesen wie im Schlußverkauf.
Klar, wenn ich damit auch Atmos einfangen will, um sie im Hörspiel zu verbraten, dann ist es eine gute Allzweckwaffe. Aber als reines Sprechergerät - sorry (meine Begründung im Detail dazu auf Anfrage).

Und genau da liegt die Crux: Es trennt sich die Spreu vom Weizen zwischen denen, die wirklich ambitioniert Hörspiel machen wollen und denen, die absolut keine Ahnung haben und von Gruppierungen aufgefangen werden, die nicht gewisse Mindeststandards setzen (mit Billigstmikro einsprechen und dann mit Samplitude entrauschen - wundert da jemand noch was? :rolleyes: :wall:).
Statt dass mal einer hingeht und schließt ein Rode M3 mit 'nem 9 Volt Block drin und einem Adapterkabel an eine brauchbare Soundkarte an, werden berauschende Ergebnisse mit einem t.bone SC 440 USB erzielt und das auch noch empfohlen.

Der, wie Du schreibst, Fan- und Freizeithörspielbereich ist gerade dabei, sich selbst mit zum Teil dogmatischen Ansichten grabenkampfartig zu teilen.
Eben als Ergebnis der vorab beschriebenen Herangehensweise.

Dessen ungeachtet können die Amateure sehr beachtliche Ergebnisse erzielen (wenn man sie nicht vorher entrauschen und komprimieren muss) - und das machen sie entweder aus alter Liebe zu den Produktionen von damals oder aber auch als Reaktion auf die eher bescheidene Qualität heutiger Massenware.
Da pfeffert doch der Hase. Auch ohne Zoom H-2. :cool:
 
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Bis heute ist mir wahrlich unbegreiflich, warum ein Zoom H-2 als das ultimative Hörspielsprecher-Aufnahmegerät gilt (nein, ich finde nicht, dass es das ist). Trotzdem wird es angepriesen wie im Schlußverkauf.
Klar, wenn ich damit auch Atmos einfangen will, um sie im Hörspiel zu verbraten, dann ist es eine gute Allzweckwaffe. Aber als reines Sprechergerät - sorry (meine Begründung im Detail dazu auf Anfrage).
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Der, wie Du schreibst, Fan- und Freizeithörspielbereich ist gerade dabei, sich selbst mit zum Teil dogmatischen Ansichten grabenkampfartig zu teilen.
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Dessen ungeachtet können die Amateure sehr beachtliche Ergebnisse erzielen (wenn man sie nicht vorher entrauschen und komprimieren muss) - und das machen sie entweder aus alter Liebe zu den Produktionen von damals oder aber auch als Reaktion auf die eher bescheidene Qualität heutiger Massenware.
Da pfeffert doch der Hase. Auch ohne Zoom H-2. :cool:

Warum nur habe ich das Reizwort h2 verwendet? :)

Weil es eben Leute gibt, die mit diesem Ding ( und entsprechenden Plugins beim Bearbeiten ) durchaus akzeptable Ergebnisse schaffen. Trotzdem es ein h2 ist. Und für Hörspiele, die fast ausschließlich als mp3-Download auf einem Laptop oder einem 2.1-Satz PC-Quäken abgespielt werden, reicht die Quali allemal aus. Ist viel Arbeit, und wer für "Zeit" nichts bezahlen muß, der mag mit dem Star Trek Design glücklich werden.

Für Profiqualität ist das ( -24dB Signal ) nix. Da erwarte ich ebenso wie der Themenstarter für aktuelle Preise auch aktuelle Qualität. Und es geht ja! Aber solange die meisten -zahlenden- Kunden sich damit zufrieden geben, daß völlig verlesene Textpassagen, Hintergrundloops von 20 Sekunden und überladene Musik "eben so sind", wird sich da nix ändern.

Aber auch der Wunderwaffenmix Neumann-Usi-Protools verhindert nicht immer das Schlimmste... Wenn eine perfekt eingepegelte, kristallklare Aufnahme z.B. mitten im Satz plötzlich nach links weggepant wird, um einen Abgang zu simulieren, und die Schritte dazu sich nach rechts wenden. Oder eine Funk-Szene im Bunker die mal mit, mal ohne Hall auskommen muß, je nachdem wie schnell der Praktikant mit dem Knöpfchendrücken nachkommt. Oder... oder...

Und dafür soll man dann den vollen Preis bezahlen.

Rein technisch wie auch dramaturgisch gibt es einige Amateur- Heimstudioproduktionen, die schon an die Verkaufsqualität einiger Studios herankommen. Allerdings dann doch eher mit besagtem m3 oder NT-1A... Aber immer noch Unsummen von dem entfernt was man in manchen Studios vorgeführt bekommt, deren teure Aufnahmen man dann auch noch entrauschen und gaten muß.
 
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