Journalisten müssen neutral sein

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Mannis Fan

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Immer wieder mal, zuletzt im gerade geschlossenen "Wahl des Bundespräsidenten-Thread", begegnet einem die kategorische Behauptung, Journalisten müssten politisch neutral sein, sonst seien es keine guten/glaubwürdigen/ernstzunehmenden Journalisten.

Ich bin da völlig anderer Meinung, ich wünsche mir geradezu, dass sie nicht neutral sind. Ich wüsste auch nicht, wo diese "Neutralität" irgendwo als Gebot festgeschrieben wäre.

Dieser Neutralitätsanspruch ist m. E. auch nur ein gut getarnter Schützengraben, in dem man sich versteckt, obwohl man in Wirklichkeit natürlich eine Meinung, politische Präferenz, Sympathien und damit auch die entsprechende "Schreibe" und journalistische Themenauswahl hat.

Man nehme nur die wohlfeilen Tageszeitungen mit ihrem "überparteilich, neutral, unabhängig" im Zeitungskopf. Da lachen ja die Hühner. Jeder weiß bei jeder Zeitung, wo sie politisch hingehört.
 
AW: Journalisten müssen neutral sein

Wobei sich die Vorwärts nun noch anders liest als die Frankfurter Rundschau, und der politische Kommentar sowie das Essay waren auch schon immer erlaubt.
 
AW: Journalisten müssen neutral sein

Es gibt keine politische Neutralität, genauso wenig wie es weltanschauliche oder sonstwas Neutralität möglich ist. Jeder hat seinen Standpunkt, allein schon weil er über eine immer begrenzte Menge an Informationen verfügt und darauf basierend seine Entscheidungen trifft. Schon wenn er entscheidet, "kommt in die News und da auf die 1" ist das eine Wertung und nicht mehr "neutral". Alles andere ist Augenwischerei und der Wunsch nach einer Unangreifbarkeit aufgrund von vermeintlicher Unabhängigkeit. Mal pintiert formuliert: Schon Themenauswahl ist Meinungsmache.
Die Abhängigkeiten sind nur subtiler und manchem selbst nicht einmal bewusst. Deshalb ist es Aufgabe jedes Journalisten, sich seines Standpunktes klar zu werden und diesen wo nötig klar zu machen, damit seine Konsumenten wissen, wes Geistes Kind er ist. Dann können die Nutzer wiederum sich ein besseres Bild von der Sache machen.
 
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Man nehme nur die wohlfeilen Tageszeitungen mit ihrem "überparteilich, neutral, unabhängig" im Zeitungskopf. Da lachen ja die Hühner. Jeder weiß bei jeder Zeitung, wo sie politisch hingehört.

Die FAZ ist etwas linker, da kann ich mich auch mal über einen Artikel ärgern, das macht die Zeitung aber auch interessanter. Die NZZ dagegen ist einfach nur langweilig, eben weil sie so neutral geschrieben ist.
 
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Gegenüber der Nationalzeitung ist die FAZ ohne Zweifel links. Fundamental ultra links!
 
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Ich erwarte von jedem Journalisten, dass er oder sie politisch ist. Wer Journalismus betreibt, sollte eine eigene kritische Meinung haben. Die sollte nicht zur Agitation verfremden. Ich erwarte von jedem, der mir vom Tage berichtet, dass er das möglichst abgewogen versucht. Aber natürlich ist das keine wertfreie Angelegenheit. Und wie der beobachter es bereits beschrieb, ist jede Auswahl eines Themas/einer Headline bereits eine Wertung. So ist auch jede Bibelübersetzung eine Wertung. Jede Quelle, die nicht im Original gelesen werden kann, ist interpretiert, dazu kann MannisFan sicher auch etwas sagen. ;)
 
AW: Journalisten müssen neutral sein

Neutral ist NUR das Wetter, denn das lässt sich von niemandem Beeinflussen.
Ich finde es völlig OK wnen Journalisten auch eine eigene meinung haben und diese ab und zu auch durch die Blume durchblicken lassen.

Schade ist es nur, wenn man sie deshalb aus dem Licht nimmt oder sie durch wohlgesonnene Kollegen ersetzt, welche Texte nur nach dem Munde Anderer schreiben oder erstellen.
 
AW: Journalisten müssen neutral sein

Müssen Journalisten neutral sein? Auf jeden Fall sollten sie Meldung und Meinung klar trennen können, und sich im Bericht um größtmögliche Neutralität bemühen. Auch wenn es die "objektive Darstellung" so nicht gibt, man sollte sich dennoch darum bemühen, und den Leser/Hörer/Zuschauer mit den nötigen und ausgewogenen Informationen versorgen, damit er sich seine wohlbegründete eigene Meinung machen kann. Kampagnen nach Art der Bild-Zeitung haben nichts mit Journalismus zu tun.
 
AW: Journalisten müssen neutral sein

Objektiv berichten ist etwas anderes, als neutral zu sein. Neutral sein heißt ja immer auch: Geht mich nichts an! Das ist eine Haltung, die ich mir eigentlich von einem Journalisten gerade nicht wünsche.
Denn wenn es ihn nichts angeht - er neutral dazu steht - wieso schreibt er dann darüber? Und wieso sollte es mich dann etwas angehen?
Also nochmals: Der Neutralitätsfetischismus im Journalismus ist unjournalistisch. Haltung, Empathie und Position machen für mich erst ein Medium wertvoll, umso mehr, wenn es dabei handwerklich in der Lage ist, zwischen informativ-objektiver Darstellung und engagiert-couragierter Meinung zu differenzieren.
 
Neutral, objektiv, ... - Darf man's von bezahlten Klatschbasen&Journalisten erwarten?

Müssen Journalisten neutral sein? Vielleicht sollte man einfach einmal die Frage anders herum stellen.
Was darf der Leser überhaupt vom Journalisten erwarten?

Mit Blick auf den geschlossenen Thread würde ich sagen, dass der Hörer und Leser nichts erwarten darf. Da wo Menschen sind, wird auch manipuliert, verschleiert, 'betrogen', mit Erwartungen gespielt, ...
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass Journalisten bestenfalls die bezahlten Klatschbasen der Nation sind. - Oft sind sie sogar nur die Sprachrohre ihrer Finanziers oder wie sagt der Volksmund: "Dessen Brot ich ess', dessen Lied ich sing." Der Leser/Hörer darf also nichts erwarten.

Wer das Grundgesetz durchliest, der wird feststellen, dass die Forderung auf objektive Information kein Grundrecht ist. Vielmehr wird im Grundgesetz explizit sogar Zensur verboten, was bedeutet, dass die Väter des Grundgesetzes wussten, dass der einzige Schutz vor Manipulation die Vielfalt der freien Meinungsäußerungen ist.
Der Leser/Hörer darf laut Grundgesetz also grundsätzlich manipuliert, verarscht, getäuscht, korrumpiert, ... werden - insbesondere auch von Journalisten.

Aber es gibt nur eine Grenze: Wenn eine Information Opfer schafft, ....
In diesem Forum findet sich dazu ein Beispiel. Mit Blick auf den geschlossenen Thread will der Forenbetreiber vermeiden, für falsche Tatsachenbehauptungen (Unterstellungen, ...) seiner Leser zur Rechenschaft gezogen zu werden. (Die Frage sei an dieser Stelle aber auch erlaubt, ob das Schließen des Threads aus juristischer Sicht die einzige Alternative gewesen wäre, aber sei es drum.) Aus den Schutzrechten der Opfer entwickelt sich damit allgemein die Forderung: "Journalisten dürfen kein falsches Zeugnis ablegen."

Es bleibt also die Frage, welche Vorteile das Leitmotiv der Neutralität bringen könnte.
Wenn ein Journalist oder ein Medium vertrauenswürdig ist, dann steigt seine Wahrnehmung und damit sein Marktwert. Dann kann man dort effektiver Werbung platzieren, was natürlich die preise für die Werbung hochtreibt.
Auch ist es ist eine Frage des Stresses, den man sich zumuten möchte. In dem Augenblick, wo ich neutral berichte, biete ich keine Angriffsfläche für eventuelle Prozesse durch das "Opfer", weil es keine Opfer gibt. Ich kann also in Ruhe meiner Arbeit nachgehen. In dem Augenblick aber, wo ich eine politische Position beziehe oder das falsche Thema anpacke, kann es schnell passieren, dass man eine Klage von irgendeinem Opfer oder einem Bully am Hals hat. Es kann auch passieren, dass mittelbar die Werbeeinnahmen zur Finanzierung des Mediums wegbrechen.
Ich möchte hier nur auf den geschlossenen Thread mit dem möglichen Prozessrisiko verweisen.

Die Forderung von Neutralität und Objektivität sind ein schönes Idealziel mit gewissen Vorteilen für den Journalisten, aber die Ideale sind nicht einklagbar.
Wer sich für diese Ideale einsetzen möchte, um damit seine persönliche Marktattraktivität als Journalist zu steigern, der sollte seinem Leser/Hörer häufiger klarmachen, dass andere Journalisten gern seine Leichtgläubigkeit ausnutzen. Der erwähnte Beitrag im geschlossenen Thread ist ein Beispiel dafür, wie man die Hörer/Leser abspenstig macht.
Natürlich besteht hier für den Macher des erwähnten Beitrags im Thread das Risiko des Prozesses, weil natürlich für einen Radiosender auch ein Image-Schaden ein einklagbarer Schaden ist.

Padina

P.S. Schon wieder viel zu viel geschrieben.
 
AW: Journalisten müssen neutral sein

Journalisten koennen nicht 100ig neutral sein - sonst muessten sie die eigene Meinung an den Nagel haengen, aufgeben oder gar verleugnen. Wichtig ist vielmehr, dass sie in ihren Beitraegen auch die "gegnerische" Seite (bzw. die Einwaende der "Zweifler") beleuchten, erklaeren und hinterfragen. Das waere dann nicht einmal mit "Ausgewogenheit" besser umschrieben, denn als Fazit kann noch immer die eigene Meinung durchschimmern (wie in den Artikeln, denen sich besagter "geschlossener Thread" widmete)!
 
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