Protest im Radio: SWR, WDR, DRadio

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Sicherlich habt Ihr in den letzten Wochen über die Proteste gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 gehört. Das Thema ist ja schon seit Wochen in der bundespolitischen Berichterstattung angekommen.

Gestern lief eine einstündige Reportage über Stuttgart 21 und die Proteste dagegen im Radio. Im Jugendradio. Auf 1Live. Dem Jugendradio vom WDR für NRW. In Stuttgart wie in Rest-BaWü nicht zu empfangen. Aber in Köln, Oberhausen und Münster konnten sich viele Hörer, auch solche, die weder mit Stuttgart noch mit Wortradio groß etwas am Hut haben, ein Bild von der Lage vor Ort machen. Es gab auch einen Ausblick darauf, ob sich insgesamt die Protestkultur in Deutschland verändere.

Aber der SWR hat ja auch ein Jugendradio. DasDing. In Stuttgart sogar auf UKW. Aber die Vorstellung, dass dort ein solches Thema angepackt würde, gar in dieser Ausführlichkeit, ist absurd. Auf DasDing geht es stattdessen zur Zeit um "den Partytrip Deines Lebens". Durchsucht man die DasDing-Webseite nach dem Suchbegriff "Stuttgart 21", so findet man Treffer ausschließlich nutzergenerierten Inhalt aus dem Bereich der "Community".

Aber es ist natürlich nicht so, dass Stuttgart 21 im SWR-Radio nicht vorkäme. Auf SWR1 Baden-Württemberg wird an den Protesttagen (montags und freitags) schon ab Mittag im halbstündlichen Verkehrsservice über tatsächliche oder mögliche zukünftige Verkehrsstörungen durch die Proteste berichtet ("bisher gibt es noch keine Behinderungen, aber sobald es welche gibt, erfahren Sie es natürlich bei uns!"). Wie überhaupt Stuttgart-21 meist unter der Rubrik "Verkehrsbehinderungen" abgehandelt wird. Behinderungen durch die Proteste, freilich, nicht durch die Bauarbeiten oder durch ein verfehltes Konzept. Und dann läuft wieder Elton John. Inhaltlich neues oder argumentatives ist im SWR Fehlanzeige.

Die gab es dafür bereits im Februar, als die Proteste noch gar nicht abzusehen waren, im Radio zu hören. Aber wieder nicht aus Stuttgart oder Baden-Baden, sondern aus Köln, WDR 5 hatte da das Thema u.a. im "Politikum" behandelt.

Nicht, dass man im Südwesten nicht auch auf UKW hintergründiges zum Thema hätte hören können. Vorausgesetzt natürlich, man wohnt dazu in einer der DLF-Inseln Baden-Württembergs. Zum Beispiel letzten Freitag: 18 Minuten Stuttgart 21 im "Hintergrund Politik". Die Landeshauptstadt ist UKW-technisch aber keine DLF-Insel, eher ein Moorgebiet.

Aber eigentlich wäre Stuttgart 21 als Thema geradezu prädestiniert für den SWR1-Radioreport gewesen. Der dauerte zwar nicht eine Stunde, sondern nur 15 Minuten, aber hat als radiojournalistisches Format auch dort viele Hörer erreicht, die nicht den Deutschlandfunk hören wollen. Oder empfangen können. Oder, genauer gesagt, der Radioreport war der letzte größere Programmplatz für journalistische Inhalte in einem SWR-Massenprogramm. Aber der Radioreport wurde im April gestrichen. Ersatzlos. Elton John wird's freuen. Und die Rechteinhaber der Beatles.

SWR, WDR und DLF. Für mich Beispiele für das, was gut ist am deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem. Und was ordentlich schief läuft.
 
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Vorausgesetzt natürlich, man wohnt dazu in einer der DLF-Inseln Baden-Württembergs. Zum Beispiel letzten Freitag: 18 Minuten Stuttgart 21 im "Hintergrund Politik".

Wenn mich nicht alles täuscht, war im DLF darüber hinaus auch schon ein einstündiges Wochenendjournal (samstags, 9.05 - 10.00 Uhr) dem Thema gewidmet, und zwar in Form einer Ü-Wagen-Sendung.
 
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Also dass der SWR nicht über Stuttgart 21 berichtet, ist definitiv nicht wahr. Er tut es in seinen Programmen in ausreichendem Maße, auch auf dem von dir gescholtenen Dasding. Mir scheint, du hörst den SWR nicht oder zu wenig, um dir ein wirkliches Urteil bilden zu können.
 
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Freiwild, ich kann Deine Kritik auch nicht so ganz nachvollziehen, aber berichtet wird m. E. zumindest in SWR1 genug darüber (sogar im RP-Programm, obwohl nicht ganz so zuständig, da anderes Sendegebiet).
 
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Ich kann die Kritik auch nicht so ganz nachvollziehen. Über Stuttgart 21 wird auch beim SWR ausführlich berichtet, aber soll man jetzt auf reguläre Sendungen verzichten und statt Musik jetzt stundenlang über S21 reden? Es gibt doch genügend andere Themen und irgendwann kann man auch das Thema S21 nicht mehr hören.
 
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Also dass der SWR nicht über Stuttgart 21 berichtet, ist definitiv nicht wahr.
Das habe ich auch nicht behauptet.
Selbstzitat schrieb:
Aber es ist natürlich nicht so, dass Stuttgart 21 im SWR-Radio nicht vorkäme.

Was ich aber feststelle, und dazu stehe ich, dass die Berichterstattung in den SWR-Massenprogrammen meist wenig Tiefgang besitzen. Vor der Protesten wurde vor allem im Stil "Ach Gottle, die Nostaliger, die ihrn Bahnhof behalte wellet" berichtet. Jetzt, wo die Bagger längst arbeitet und die Stadt zweimal pro Woche aufsteht, gibt es zwar mehr Hintergründe (oder überhaupt), die im Radio aber meist auf SWR2 (Forum, Kontext u.ä.) abgehandelt werden; auf SWR1 oder SWR3 kommt Stuttgart neben den Verkehrsmeldungen meist nur in den immergleichen Beiträgen vor (O-Ton Mappus/Schuster/Drexler/Grube, ein-zwei Demonschtranten, Kretsche oder ein SPD-Dissident, dazu kurz die Überschriften der Argumente aufgezählt, Ausblick auf die nächste Demo und die Behinderungen - dann sind die 2:30 schon wieder voll).

Es ist doch ein Aberwitz, dass der WDR in seiner Jugendwelle dem Thema eine volle Wortstunde einräumt, aber DasDing bringt neben den Hits nicht mehr Info, als der Hörer auch im Smalltalk mit seiner Mutter oder seinem Lehrer bekommen hätte.

Und das ist kein Zufall. Läge Stuttgart im WDR-Gebiet, hätte es schon vor Massendemos etliche "Hallo-Ü-Wagen"-Sendungen und WDR-2-Sprechstunden gegeben. Im RBB-Gebiet hätte es Sondersendungen auf Fritz, Radio Eins und Radio Berlin gegeben, dazu Features im Kulturradio über aberwitzige Bauideen, vielleicht mit einem Ausblick auf Germania. Im BR-Gebiet hätte die Protestierer und die Projektierer sich schon lange im Zündfunk äußern dürfen, und nicht erst, nachdem sie sich auf zwanzig Montagsdemos heiser geschrieben haben. Natürlich sind auch Gegenbeispiele denkbar. Läge Stuttgart im MDR-Gebiet außerhalb der Sputnik-Zone, hätte Jump und Sputnik das Thema völlig ignoriert, MDR 1 hätte 2:30-Pflichtbeiträge gesendet, und auf mdr-info liefe Ingenhoven in Dauerrotation, eingebettet in Teasern "Mitteldeutschland baut auf".

Es gibt Hörer in NRW und anderswo, die sich wünschen, SWR-Dudelfunk statt WDR-Hintergründen im Radio zu haben. Bei mir ist es genau andersherum. Aber selten lag ein Thema so nahe wie Stuttgart 21, an dem man die unterschiedlichen Ansätze im Hör(er)verständnis aufzeigen konnte.
 
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Wie gesagt: ich habe den Eindruck, du hörst den SWR zu wenig (besonders Dasding), um dir ein richtiges Urteil zu bilden. Natürlich kann nicht jeden Tag und jede Stunde über Stuttgart 21 berichtet werden. Aber meiner Meinung nach berichtet der SWR ausreichend darüber.
 
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D

Es ist doch ein Aberwitz, dass der WDR in seiner Jugendwelle dem Thema eine volle Wortstunde einräumt, aber DasDing bringt neben den Hits nicht mehr Info, als der Hörer auch im Smalltalk mit seiner Mutter oder seinem Lehrer bekommen hätte.

Da ist aber jemand mächtig böse...

Vielleicht sind die Konzepte von Einslive und Dasding so gestrickt, dass Einslive ausführlicher über S21 berichtet und Dasding halt weniger?

Was ich bei SWR3 darüber mitbekomme, reicht mir. Es ist auch nicht abzusehen, dass wegen der Demonstrationen das Bauprojekt geändert oder gar gestoppt wird.

Jetzt zählst du schon locker 10 Sender auf, die du vergleichst. Dann nimm doch einfach den dir passenden. Oder spricht etwas dagegen?
 
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France Inter hat auch schon über Stuttgart21 berichtet und der ist hier in BW auch sehr gut zu hören!
 
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Vielleicht hätte man besser im Vorfeld mehr von den Plänen zu Stuttgart 21 berichten sollen. Jetzt wo alle Beschlüsse und Genehmigungen vorliegen ist das reichlich spät. Hier stürzen sich wieder alle auf ein Thema, was eigentlich durch ist. Ob sich die grösenwahnsinnigen und geltungssüchtigen Bahnoberen und Lokalpolitiker jetzt noch was davon annehmen, scheint eher zweifelhaft. Mein Eindruck, die ziehn das durch auf Biegen und Brechen. Einzige Chance ist im März die Landtagswahl. Vielleicht ergeben sich dann ja andere Mehrheiten.
 
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Ich freue mich einfach nur über die Bestätigung, dass der WDR immer noch eine gewisse Anerkennung findet.... Bin nicht soviel Radiofreak, dass ich nu bundesweit Stationen per Satellit oder Netz durchhöre, deswegen auch Null Meinung zu den Anderen, aber den WDR empfinde ich tatsächlich immer noch als Referenz für journalistische Arbeit.

Liegen die Unterschiede bei diesem Thema evtl. darin begründet, dass der WDR traditionell als "westdeutscher Rotfunk" gilt, während man das von Regionen wie BaWü oder MDR-County nicht gerade sagen kann?
 
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Also davon abgesehen, dass selbst im Schweizer Rundfunk (NKL) die vergangenen Tage eine ausgiebige Diskussion ueber Stuttgart 21 zu hoeren war, bin ich erstaunt, wie relativ wenig in den Deutschen Medien darueber zu vernehmen ist. Schließlich hat der Schweizer so gut wie gar nichts direkt mit dem Projekt zu tun.
 
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Man sollte sich aber auch mal im Klaren sein, welche Relevanz diese Demonstranten wirklich haben. In Stuttgart leben 600 000 Einwohner, in der Region Stuttgart 2,7 Millionen Menschen, profitieren werden von dem Bahnhofsprojekt noch wesentlich mehr Menschen. Auf den meisten dieser Demonstrationen gegen Stuttgart 21 haben sich gerade mal 5 000 bis 10 000 Leute zusammengefunden, in den letzten Woche auch mal 50 000 - 60 000 Leute. Ausgerichtet werden kann dagegen ohnehin nichts mehr, das Ding ist schließlich schon seit fast zwei Jahrzehnten in der Mache, und ich finde es ehrlich gesagt lächerlich, jetzt noch dagegen zu protestieren. Verträge wurden unterschrieben, Parteien wurden gewählt, Bürgerentscheide scheinbar verpennt, jetzt wird dieses Infrastrukturprojekt eben auch in der entsprechenden Form durchgezogen.
 
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Nur zur Information:

SWR1-BW macht heute (seit 05:00 Uhr) einen Thementag: Stuttgart 21 - Jahrhundertchance oder Milliardengrab?

Gerade steht Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn, in "Leute" Rede und Antwort.
Heute fällt sogar das Sommerradio aus, wenn ich das richtig mitbekommen habe.
 
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In allen SWR-Sendern wird das Thema heute ausführlich bearbeitet. Auch im SWR-TV kommt heute um 20:15 Uhr eine Sendung darüber, in der sich die Gegner und Befürworter des S21-Projekts zu Wort melden können.
 
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Verträge wurden unterschrieben, Parteien wurden gewählt, Bürgerentscheide scheinbar verpennt, jetzt wird dieses Infrastrukturprojekt eben auch in der entsprechenden Form durchgezogen.

Sehr schön auf den Punkt gebracht! Es gibt Nachtwächter, die wachen erst auf, wenn der Bagger vor der Tür steht. Dann ist es zu spät.
 
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Sehr schön auf den Punkt gebracht! Es gibt Nachtwächter, die wachen erst auf, wenn der Bagger vor der Tür steht. Dann ist es zu spät.

Vom rein rechtlichen Standpunkt betrachtet, bin ich durchaus deiner Meinung. Alles ist längst "in Sack und Tüten" - fertig.

Andererseits dauerte die ganze Diskussion gut 20 Jahre. "Heute" haben sich meinetwegen neue Erkenntnisse ergeben, die zu einer "Neubewertung" führen könnten. Darüber muß man evt. diskutieren und in der Zwischenzeit die Arbeiten einstellen.


Wirf mal einen Blick auf Leipzig und diesen City-Tunnel, den Herr Tiefensee vor seinem (allseits ersehnten) Abgang in die Bundespolitik als OB von LE noch "durchgedrückt" hat. Ich habe bisher keinen einzigen Leipziger gesehen oder gehört, der für dieses Projekt ist! Aber trotzdem wird munter gebuddelt! Gerade die Leipziger Bürger haben mächtig versagt, da sie heute lieber vollgefressen vor der Glotze sitzen. Dieser "Wir sind das Volk!"-Spirit aus dem Jahre 1989 ist längst verflogen.

(Wenn das radiowaves liest, kriegt er Latte.)


vg Zwerg#8
 
Jetzt lernst Du einen kennen:

Ich habe bisher keinen einzigen Leipziger gesehen oder gehört, der für dieses Projekt ist!

Ich bin dafür. Und ich bin keineswegs der einzige Leipziger. Es ist momentan nur nicht so recht opportun, sich als Tunnelbefürworter zu outen. ;)

Das Gleichnis mit dem Leipziger Tunnel kam mir bei Stuttgart 21 schon oft in den Sinn. Auch wenn das Stuttgarter Projekt mehrere Nummern größer ist. Was aber gleich ist, ist der Umgang mit möglicher Opposition in der Bevölkerung. Da wird mit allen schmutzigen Tricks gespielt, um die Gegner dumm aussehen zu lassen. Gleichzeitig ist allen Vorantreibern sehr klar, daß sämtliche Kostenschätzungen Schönwetterprognosen sind, die nur dann hinkommen, wenn aber auch wirklich alles sofort und vollständig ohne jegliche Komplikation klappt.

In Leipzig wurde darüber hinaus auch immer wieder von einem ICE-tauglichen Tunnel gefaselt, obwohl keine einzige (!) Fernstrecke sinnvoll durch den Tunnel geführt werden kann. Auch die Züge nach München verlassen Leipzig in Richtung Nordwesten und fahren nicht übers bergige Vogtland, wohin der Tunnel gerichtet ist. Wer das weiß, fragt sich schon, ist es Unwissen oder eine bewußte Irreführung der Bevölkerung? Beide Gründe wären nicht angenehm.

Es gab bei Stuttgart 21 schon sehr lange eine aktive Gegnerschaft. Deren Problem war nur, daß die Massen träge sind und eigentlich immer erst dann mobilisiert werden können, wenn etwas Sichtbares passiert – wie eben der Abriß des Bahnhofs. Das wissen natürlich auch die Projektvorantreiber und bemühen sich, alle nötigen Vertragsschlüsse schön geräuschlos über die Bühne gehen zu lassen, um dann eben beim Baustart triumphierend sagen zu können: „Zu spät! Ihr hättet eher kommen müssen!“

Aber genau das ist auch wieder verlogen. Wann bitteschön denn? Gab es ein Spiel mit offenen Karten und z B einen ergebnisoffenen (!) Bürgerentscheid? Wo kann man sich bessere Legitimation für ein solches Projekt holen als bei den Leuten, die es erstens betrifft und die es zweitens auch bezahlen müssen? Legt den Leuten dar: Das sind die Vorteile, das die Nachteile, das die Chancen, das die Risiken, und hier ist die Kostenschätzung mit Unsicherheitsbandbreite. Und dann sagt, ob Ihr das wollt – oder eben auch nicht.

Da all dies nicht getan wurde, sondern mit purer Arroganz der Macht versucht wurde, das (dumme) Volk quasi zu seinem Glück zwingen zu müssen, ist mir die Aversion gegen solcherlei Projekte nur zu verständlich. Da hilft es auch nicht, darauf zu verweisen, daß die Politiker, die das beschlossen haben, ja vorher demokratisch gewählt wurden. Denn klar ist: Sie haben selbstverständlich das Recht, eine Entscheidung pro Stuttgart 21 zu fällen. Ob es aber klug war, so zu agieren, stelle ich in Zweifel.

Es ist hier wie anderswo der Stil, der ärgerlich macht. Ich behaupte, wenn es einen Bürgerentscheid gegeben hätte, der sich mit, sagen wir, 70 % für Stuttgart 21 ausgesprochen hätte, gäbe es keine Proteste bzw wären sie deutlich kleiner und wenig bis gar nicht legitimiert. Mit einem solchen Bürgerentscheid hätten die Befürworter aber auch das Risiko eingehen müssen, ihr geliebtes Projekt wegen Nichtakzeptanz beerdigen zu müssen. Dieses Risiko haben sie gescheut, und die Proteste jetzt sind dafür die Quittung.
 
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Ein sehr schönes Posting, verehrter Hinhörer!

> Es ist hier wie anderswo der Stil, der ärgerlich macht.
Stichwort Altenburg: Die Mehrheit wollte damals nach Sachsen...


vg Zwerg#8
 
AW: Protest im Radio: SWR, WDR, DRadio

Um nochmal auf das urpsrüngliche Thema und den Sachverhalt zu kommen, der SWR würde keine ausreichenden Informationen rund um Suttgart 21 liefern. Ich selbst wohne im Großraum Stuttgart und kann nur sagen dass wir, diejenigen, die täglich mit dem Thema in der Presse, im Fernsehen und am Gartenzaun konfrontiert werden, einfach langsam die Nase voll haben von diesem Tamtam. Stuttgart 21 hin oder her, auch ein großes Thema kann irgendwann nerven.
Und da verstehe ich die Jungs vom SWR nur umso besser, denn die breite Masse der Hörer hört sowieso seit Wochen nichts Anderes, da ist es ganz entspannend, mal abschalten zu können nach dem man drei Stunden im Stau wegen Demonstrationen gesessen hat.
 
Sehr empfehlenswerter Artikel zum Thema Stuttgart 21

Der Threaderöffner wollte hier ursprünglich die Reflexion des Themas „Stuttgart 21“ im Radio behandeln, insofern sorry, daß ich nun nochmal auf die Sache selbst zu sprechen komme.

Der Grund ist, daß ich allen Interessierten einen Artikel aus der gestrigen Süddeutschen Zeitung sehr ans Herz legen möchte:

Geistige Kessellage
„Der große Wurf“ und das kleine Zeitfenster: Warum Stuttgart 21 an einem unheilbaren Mangel leidet. Ein überfälliger Rückblick


Ein paar Auszüge beziehen sich direkt auf Punkte, die hier schon genannt wurden.

Das wissen natürlich auch die Projektvorantreiber und bemühen sich, alle nötigen Vertragsschlüsse schön geräuschlos über die Bühne gehen zu lassen, um dann eben beim Baustart triumphierend sagen zu können: „Zu spät! Ihr hättet eher kommen müssen!“

Andreas Zielcke in der Süddeutschen Zeitung schrieb:
Wann also konnten die Bürger frühestens mitreden? Nachdem interne Planspiele diverser Ingenieurbüros vorausgegangen waren, erblickte Stuttgart 21 am 18. April 1994 das politische Tageslicht. An diesem Tag gaben der Bahnchef, der Oberbürgermeister, der Ministerpräsident, der Bundes- und der Landesverkehrsminister eine „kurzfristig anberaumte Pressekonferenz“ in Stuttgart.

Wie es ein Reporter damals beschrieb, war den Herrschaften „eine diebische Freude über ihren geglückten Überraschungscoup anzumerken“. Denn „unbemerkt von der Öffentlichkeit hatten sie ihre konzertierte Aktion seit längerem vorbereitet“. Nun aber lüfteten sie den Vorhang und gaben ihren Plan bekannt, „Stuttgart für Fernzüge zu untertunneln und einen achtgleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof zu errichten“.

Damit war die „packende Idee“ wie aus dem Zauberhut auf dem Tisch. Dass dies selbst nach damaligen Maßstäben euphorisch-vorschnell geschah, zeigt ein Vergleich: Die beiden Parallelprojekte, „München 21“ und „Frankfurt 21“, wurden erst zwei Jahre später, im Juni 1996, der Öffentlichkeit vorgestellt. Dort trafen sie in den beiden Kommunen auf einen völlig anderen politischen Beratungskontext – und wurden beide später verworfen. Allein dieser Vergleich wäre eine historische Vertiefung wert.

Da hilft es auch nicht, darauf zu verweisen, daß die Politiker, die das beschlossen haben, ja vorher demokratisch gewählt wurden. Denn klar ist: Sie haben selbstverständlich das Recht, eine Entscheidung pro Stuttgart 21 zu fällen. Ob es aber klug war, so zu agieren, stelle ich in Zweifel.

Es ist hier wie anderswo der Stil, der ärgerlich macht.

Andreas Zielcke in der Süddeutschen Zeitung schrieb:
Noch nicht mal aus taktischen Gründen hatte man die Bürger beteiligt. Bei dem Soziologen Niklas Luhmann, dem vielleicht klügsten Zyniker der deutschen Nachkriegsdemokratie, hätte man es lernen können. In seinem berühmten Buch „Legitimation durch Verfahren“, das Ende der sechziger Jahre herauskam, führte er aus, dass in komplexen Streitfragen eine abschließende Entscheidung nie eine „objektive Wahrheit“ verkörpert, also notwendig kontrovers bleibt. Von denen, die nicht einverstanden sind und unterliegen, wird das Resultat daher nur dann friedlich akzeptiert, wenn man sie in die Entscheidungsfindung eingebunden und ihren Einwänden realistische Chancen auf Gehör gewährt hatte.

Wer weiß, ob Stuttgart 21 nicht die beste Lösung ist. Doch der vorausgehende Hauruck-Prozess hat sie demokratisch auf Dauer diskreditiert. Nicht richtige Entscheidungen, sondern richtige Verfahren befrieden.
 
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@Freiwild zum Artikel im TS
Berliner Medien sollten mal hübsch zurückhaltend sein, auf Stuttgarter Kollegen einzuprügeln. Gerade in der Hauptstadt ergeht man sich z.B. in Bezug auf den BBI schon seit Jahren in einem höchst unkritischen Verlautbarungsjournalismus. Im übrigen finde ich es schon sehr kühn und unseriös, wie man der Stuttgarter Zeitung eine Regierungsnähe unterstellt - und dem SWR gleich mit.
 
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