Warum Radio?

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Funkgeist

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Liebe Radiofreunde,
Viele threads in diesem Forum haben sich ein ums andere mal ausführlich damit beschäftigt, dass die Radiolandschaft in Deutschland entweder zu verschnarcht oder zu verblödend sei und dass es doch „irgendwie ganz anders“ viel besser wäre. Dabei erhoben manche das gelobte Ausland mit diversen Beispielen hervor und immer wieder gab es heftige Kritik entweder am öffentlich-rechtlichen System und/oder an der Einfalt der privaten Anbieter, bisweilen auch am gemeinen Normal-Hörer an sich.
Wenn ich mir das alles mal in Ruhe durch den Kopf gehen lasse, taucht bei mir die thread-Frage auf: Warum eigentlich „radio“? Was soll denn genau dieses Medium wem bieten und: Welche Funktion kann es in der heutigen Gesellschaft erfüllen mit seinen spezifischen Möglichkeiten?
Meine persönliche Meinung/Erwartungshaltung lasse ich jetzt erstmal bewusst ganz raus, denn mir geht es nicht um die persönlichen Inhaltsvorlieben von X, Y oder Z.
Es mag eine theoretische Fragestellung sein, aber wenn so oft immer in ähnliche Richtungen gemault wird, dann wüsste ich schon gerne eine Antwort auf die Frage: Ja bitte – wo soll es denn dann hingehen? Wird ein rein akustisches, vorgefertigtes Programmangebot irgendwann eh überflüssig? :cool:
 
AW: Warum Radio?

Warum Radio? Bei mir ist es ebenso einfach wie primitiv: Radio bot mir einst (vor allem 1990-1991) sozialen Halt in einer Zeit massiven Um- und Wegbruchs. Ich hörte damals DT64 und wo immer ich in der Öffentlichkeit auf dieses Programm stieß, wußte ich, ich war mit meinen Ansichten, meinen Gefühlen, meinen Sorgen und Ängsten, meinen Freuden nicht allein. Als wir im Herbst 1991 ein unter ein anderes Werbeplakat geratenes Transparent zur Rettung von DT64 an einer Jenaer Fußgängerbrücke "befreiten" und wieder sichtbar aufhängten und dabei plötzlich die ursprünglichen Initiatoren auftauchten, war das ein ebenso gutes Gefühl, wie das, in der Zeitung von den Mahnwachen für DT64 in Leipzig, Dresden und anderswo zu lesen.

In einer Zeit, in der man den Eindruck gewinnen konnte, ein ganzes Volk renne gen Westen, um BILD-Zeitung und gebrauchten Audi 80 abzuholen und dabei seine Kultur und seine Identität gegen Glasperlen zu verramschen, war es einfach wohltuend, durch DT64 immer wieder daran erinnert zu werden, daß es da draußen noch Menschen mit anderen Werten gibt. Menschen, die Mensch geblieben waren. Menschen, die die entscheidenden Fragen stellten.

1992 war das dann vorbei: DT64 wurde zerschlagen, bald funkten auf UKW nur noch inhaltslose Schundprogramme (MDR Life, PSR, Antenne Thüringen, ...) bzw. eine Art von (für mich lebensfernem) Kulturfunk, zu der ich keinen Zugang fand (MDR Kultur, Deutschlandradio). Wir ernteten Verachtung für unsere Kultur, für unsere Gefühle, für unsere Vorstellung von einem sinnvollen und halbwegs gesunden Leben - letztlich mußte ich damals erkennen, daß wir ausdrücklich unerwünscht sind in diesem Land. Seitdem bin ich fremd in diesem Land. Ich kann mit dem, was da draußen abläuft, einfach nichts anfangen. Der Ablauf unseres Lebens ist inzwischen naturgesetzmäßig festgelegt - durch die Naturgesetze des Kapitals. Politik ist nur noch Täuschung, denn selbst sie ist entmachtet und wird vom Kapital diktiert. Und "Demokratie" ist inzwischen auch nur noch eine hohle Phrase - Stuttgart 21 zeigt aktuell, wie sehr das Kapital den Volkswillen fürchtet - es setzt inzwischen wieder Polizei gegen das Volk ein, um den Kurs der Profitmaximierung fahren zu können. Im Unterschied zur DDR der Endzeit muckt keiner mehr auf - niemand kann eine Alternative erkennen, alle haben zermürbt aufgegeben.

Wohl fühle ich mich letztlich fast nur noch in menschenleerer Natur, da werde ich für kurze Zeit nicht daran erinnert, in welcher Zeit ich leben muß. Meine Freunde sind mehrheitlich ins innere Exil gegangen, haben mit Land und Gesellschaft jenseits des Broterwerbs nichts mehr zu tun. Wer Familie hat, mag das auf Dauer aushalten - ich habe keine und bin gezwungen, zur Kommunikation mein Loch zu verlassen. Manchmal denke ich heute, es wäre besser gewesen, mich damals umzubringen - es wäre mir eine Menge erspart geblieben und ich wäre gegangen mit vorrangig schönen Erinnerungen an die Jahre 1990/91, als es noch Hoffnung auf eine intelligente, menschliche Zukunft gab. Doch bis heute fehlt mir der Mut, diesen Schritt zu tun.

(Ich meine das, was ich hier schreibe, durchaus sehr ernst.)

Geblieben ist bei mir das Wissen, was Radio für mich einst vermochte und die Ahnung (Hoffnung?), daß da draußen noch genug Menschen versteckt sind, die ähnlich empfinden wie ich - und die das Radio wieder zusammenbringen könnte. Allein... da ist kein Programm in Sicht, das das könnte. Es müßte bundesweit sein, es müßte Herz und Leidenschaft haben. Es müßte eine eigene Meinung vertreten, es müßte die notwendigen Dinge ansprechen. Welches Programm bietet das heute noch?

Wenn es dieses Programm wieder gäbe und ich dann feststellen müßte, der einzige Hörer zu sein, wäre es wirklich an der Zeit, für mich selbst die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und zu gehen.
 
AW: Warum Radio?

Ach RW, ich denke für andere auch zu sprechen, wenn ich sage, ich kanns nimmer hören. Das ist nun ganze zwei Jahrzehnte her, ein Viertel Menschenleben und eine Generation. Wer davon nicht losgekommen ist, hat wohl ein Problem, das wahrhaft nicht im Kontext der Radioforen zu lösen ist. Man muss da schon nicht mehr zwischen den Zeilen lesen, um dir da dringend fachmännische Hife zu empfehlen.

In den zwei Jahrzehnten ist viel passiert, wir alten Radiofreaks sind zum einen gehörig älter geworden und dann ist da noch dieses komische Internet. Was das Radio für uns mal für einen Stellenwert hatte, können nachwachsende Generationen kaum nachvollziehen.

Ich sitze hier gerade in einer Hotellobby in Orlando und kommuniziere mit Freunden und Familien aus der Heimat, weiß haargenau, was dort gerade politisch los ist und kann sogar sehen, ob Stau auf der A66 ist. Apropos USA: Das Radio existiert hier kaum noch wahrnehmbar in der alten Radio Nation. Ist zum Tummelplatz der Ethnien und Religiösen geworden und ein paar große Networks machen noch hin und wieder moderierte Sendungen. Der Rest ist iPod, Sirius, Fernsehen, ...

Da wird die Reise auch in Deutschland hingehen.
 
AW: Warum Radio?

Wenn ich mir das alles mal in Ruhe durch den Kopf gehen lasse, taucht bei mir die thread-Frage auf: Warum eigentlich „radio“? Was soll denn genau dieses Medium wem bieten und: Welche Funktion kann es in der heutigen Gesellschaft erfüllen mit seinen spezifischen Möglichkeiten?

Radio ist mausetot. Genauso wie Telefax, Betamax, Telex und Arschgeweihe.
 
AW: Warum Radio?

Der engagierte Beitrag von radiowaves weist so ungefähr das aus, was das Medium theoretisch am besten kann: Menschen berühren !
(Ps - @rw: Deinen Hilferuf kann jeder Mitleser hier ernst nehmen oder nicht, ich würde Dir die Frage stellen: Wo ist die Nische, in der Deine Ideale auch heute leben? Ich bin sicher, es gibt sie - ich habe meine auch gefunden als Freiberufler im kreativen Bereich. Finanziell zwar immer mal "spannend", aber es geht, ehrlich.)

Und der Hinweis von Grenzwelle zeigt mir denn auch die Befürchtung: Emotionen werden durch vorgefertigte Komplett-Eindrücke vorgegeben (Netz/TV).

Gutes Radio ist meiner Meinung nach zuerst einmal authentisch, und dann können wir frei darüber reden, wer denn nun welchen Inhalt bevorzugt. Deswegen kriege ich auch die Krätze bei all den designeten "Gute-Laune-Funkern". Ja, da kann man Kapitalismus-Kritik unterbringen - versteht es von mir aus als Plädoyer für das, was öffentlich-rechtliches Radio lange mal ausgezeichnet hat: Leben akustisch so abzubilden, wie es ist - in allen Ecken.
 
AW: Warum Radio?

Radio ist für mich Begleitmedium, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Ich will begleitet werden, und dazu brauche ich Moderation. Zuhause höre ich kein Radio, aber im Auto und bei der Arbeit immer. Ich hab' im Auto CD-Player und MP3-Player, nutze beides aber kaum; Eigentlich nur, wenn's auf allen drei in Frage kommenden Wellen (1Live, WDR2 und Radio Essen) wieder mal besonders übel läuft, und dann auch nur für fünf Minuten, bis ich wieder zurückschalte zum Radio, wo ich dann meist ständig hin- und herzappe. Genossen habe ich die Rundfunklandschaft in Berlin. Viele Sender trafen zwar nicht meinen Geschmack, aber ich hatte die Wahl.

Der - möglicherweise verklärte - Blick auf Sender im Ausland zeigt jedoch: Eigentlich haben wir alle eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie Radio klingen muß. Nur klappt das bei uns aus irgendeinem Grund nicht. Sind wir Deutsche Schnarchnasen? Ich glaube nicht. Ich glaube, es liegt am System und an den politischen und gesetzlichen Vorgaben. Die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem Bildungs- und Informationsauftrag will ich hier mal außen vor lassen. Und so richtig privat sind die Privaten eigentlich auch nicht.

Was ich gar nicht leiden kann: Gewinnspiele. Und Sender, die mir ständig penetrant ins Ohr säuseln, daß sie "mein" Radio sind.
 
AW: Warum Radio?

In den zwei Jahrzehnten ist viel passiert, wir alten Radiofreaks sind zum einen gehörig älter geworden und dann ist da noch dieses komische Internet. Was das Radio für uns mal für einen Stellenwert hatte, können nachwachsende Generationen kaum nachvollziehen.
So ist das wohl. Die Zeiten haben sich in der Medienlandschaft gravierend geändert. Das Radio, mit dem wir einst groß geworden sind (oder wir selbst mal gemacht haben), wäre für die jüngere Generation kaum mehr hörbar. Das muß man sich einfach eingestehen.

Wenn ich selbst überhaupt mal noch "richtiges" Radio höre, dann die sog. Kultursender. Spezielle Sendungen, die mich persönlich interessieren. Ansonsten lege ich lieber eine CD ein oder höre eine der unzähligen Internet-Stationen, die "meine" Musik spielen. Da braucht auch keine Moderation dabei zu sein.
 
AW: Warum Radio?

Der - möglicherweise verklärte - Blick auf Sender im Ausland zeigt jedoch: Eigentlich haben wir alle eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie Radio klingen muß. Nur klappt das bei uns aus irgendeinem Grund nicht.
Seltsam, oder? - Aber kein Wunder.
Sind wir Deutsche Schnarchnasen? Ich glaube nicht.
Ohh doch, sind die Deutschen was das Medium Radio anbelangt! Die Begruendung dazu gibst du dir aber auch direkt selbst:
Ich glaube, es liegt am System und an den politischen und gesetzlichen Vorgaben.
Ganz genau. Und dazu noch der ganze Verwaltungsapparat auf allen Seiten und die Doppel- und Dreifachbelegung der einzelnen Sparten. So laesst man unnuetze Kosten entstehen und eine Verwaltungsmaschinerie, wie sie anderswo nicht Mal ertraeumt.
Die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem Bildungs- und Informationsauftrag will ich hier mal außen vor lassen.
Weswegen?
Was ich gar nicht leiden kann: Gewinnspiele. Und Sender, die mir ständig penetrant ins Ohr säuseln, daß sie "mein" Radio sind.
Und dann hoerst du noch Radio Essen? - Der Widerspruch in sich! - Meinst ned auch?
 
AW: Warum Radio?

Ach RW, ich denke für andere auch zu sprechen, wenn ich sage, ich kanns nimmer hören.
Ich würde es auch gerne nicht mehr sagen müssen, aber mir bleibt keine andere Wahl, weil es nach wie vor die Realität ist...

Das ist nun ganze zwei Jahrzehnte her, ein Viertel Menschenleben und eine Generation.
Stimmt. Daß in diesem Land Menschen, die ernsthaft die Frage nach einer sinnvollen, intelligenten und lebenswerten Zukunft stellen, eine Bühne haben und dazu auch noch Publikum, ist wirklich schon 20 Jahre her. Ich habe vorhin meinen Patenonkel besucht, um einen defekten Verstärker abzuholen. Der Mann ist über 40 Jahre älter als ich und hat im Gegensatz zu mir beim Rundfunk gearbeitet - nicht im Programm, sondern in der Technik. Und gerade heute bescherte er mir das Zitat, die Jahre 1990/91 wären die mit Abstand besten gewesen, die es im Funk gab. Das würden auch alle sagen, die damals schon (oder noch) dort gearbeitet haben. Er ging noch weiter: er, mit deutlich mehr Lebenserfahrung (u.a. einen Weltkrieg erlebt), hält unsere Gesellschaft für definitiv absterbend und die Mehrheit der Menschen für "nervenkrank" (er meint vermutlich psychisch krankhaft auffällig). Ein Blick in die S-Bahn (meinetwegen gleich die von vorhin) bestätigt zumindest auf den ersten Blick krankhafte Tendenzen, aber das soll jetzt nicht das Thema sein.

Man muss da schon nicht mehr zwischen den Zeilen lesen, um dir da dringend fachmännische Hife zu empfehlen.
Und was soll da rauskommen? Ich habe nunmal eine "Stoffwechselerkrankung": ich kann Privatfernsehen, Amiserien, Gewinnspiele, Fußball, Alkohol, Drogen, Parties, Disco, aber auch die immer-allerneueste-Technik (Xbox, Handy, Wii, ...) nicht in Wohlbefinden verstoffwechseln, wie es offenbar viele meiner Mitmenschen tun können. Es bleibt dabei immer ein Gefühl der Leere als das mindeste. Manchmal kommt auch gleich der Ekel.

Die, die mit obigem nichts anfangen können, treffe ich draußen faktisch nicht mehr an. Es gibt sie, sie haben sich gänzlich zurückgezogen, aus gutem Grund. Ich kenne sogar einen guten Psychotherapeuten, der zwar völlig im Leben steht, aber in einem Leben, das sich nicht mehr in der ganz normalen Öffentlichkeit abspielt. Er hat außerhalb der Stadt ein Haus gebaut und macht dort sein Ding mit den Menschen, die ihm guttun. Andere haben keinen Zutritt. Mit der Gesellschaft kommt er nur in Kontakt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und das reicht dann auch für den ganz normalen Wahnsinn. Aus seinem Abstand heraus kann er auch nur noch mit dem Kopf schütteln.

Genau zur Vernetzung solcher Menschen wäre heute eine soziale Verbindung, eine Art "soziales Netzwerk" gut und Radio könnte es aus meiner Sicht erfüllen. Radio ist, wenn es gut gemacht wird, jeder Onlineplattform haushoch überlegen, denn es transportiert Emotionen und tut dies in Echtzeit und ohne Archivierungsfunktion. Gutes Radio IST Leben.

In den zwei Jahrzehnten ist viel passiert, wir alten Radiofreaks sind zum einen gehörig älter geworden und dann ist da noch dieses komische Internet. Was das Radio für uns mal für einen Stellenwert hatte, können nachwachsende Generationen kaum nachvollziehen.
Das wundert mich kein bißchen, denn man hat ihnen das echte Radio vorenthalten. Sie können es nicht kennen.

Und das Internet ist zwar eine feine Sache für alles mögliche, es ersetzt aber keine realen Sozialkontakte. Im Gegenteil: es führt bei übermäßiger Nutzung zur Vereinsamung. Gutes Radio ist auch noch kein realer Sozialkontakt, aber viel näher dran als Internet. Weil es authentisch ist - etwas, das im Netz nur allzuleicht auszuhebeln ist.

Ich sitze hier gerade in einer Hotellobby in Orlando und kommuniziere mit Freunden und Familien aus der Heimat, weiß haargenau, was dort gerade politisch los ist und kann sogar sehen, ob Stau auf der A66 ist.
Freut mich, daß das alles so problemlos funktioniert. Ich weiß zwar nicht, wozu im Amiland der Stau auf der A66 wichtig ist, aber seis drum. Es geht eine ganze Menge mit dem neuen Schickschnack, aber was nicht geht: lebendige Verbindungen mit einer großen Zahl von Menschen eingehen und ungefilterte Emotionen auszutauschen. Nein, bitte jetzt nicht mit den tausend Facebook-"Freunden" kommen. Die sind Pixelansammlungen, mehr aber auch nicht.

Der Rest ist iPod, Sirius, Fernsehen, ...

Da wird die Reise auch in Deutschland hingehen.
iPod ist inszenierte Vereinsamung und Vereinzelung. Ich habe auch so ein ähnliches Gerät - es spielt mir wann immer ich will das, was ich ohnehin schon kenne. Es bringt mir aber nichts neues nahe. Es läßt mich nicht über den von mir selbst vorgegebenen Horizont blicken. Es weckt keine Neugier. Es freut sich nicht über irgendetwas und ist auch nicht ungehalten über irgendetwas. Einen Fernseher habe ich nie besessen. Seit ich mit 14 aus dem Elternhaus bin, bin ich faktisch fernsehfrei. Mir recht das, was ich täglich auf der Straße erlebe. Ich muß mir die Fortsetzung dieses Neurosen-Seifenoper nicht noch freiwillig innerhalb meiner 4 Wände geben.

Grenzi, ich beneide Dich durchaus darum, in diesem Leben einen Sinn zu sehen. Ich kann Dich ja nichtmal einfach als vermutlich "unfassbar platt" einstufen, denn ich kenne Dich und weiß, daß Du es nicht bist. Umso mehr fasziniert mich Dein Umgang mit dieser Zeit und dieser Welt.

Vielleicht bin ich nur zu hungrig. Vielleicht ist es unangemessen, sich mehr sozialen Kontakt zu wünschen als ein- oder zweimal pro Woche 30 Minuten Mittagessen mit dem besten Freund in einer öffentlichen Kantine, alle 2 Wochen 90 Minuten Schwimmen mit dem gleichen Freund und vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr ein Wochenende mit Freunden weiter weg (z.B. mit Dir). Mehr kann ich aber nicht realisieren, die restliche Zeit habe ich letztlich als Arbeitskraft zu funktionieren - wie viele andere auch. Und auf Arbeit gilt das gleiche wie sonst überall in der Öffentlichkeit: schön die Sorglos-Fassade hochziehen, ja keine offenen Fragen haben, souverän wirken um jeden Preis - sonst machen sie dich platt (beruflich) oder meiden dich (privat). Und vor allem: eine Welt aus Privatfernsehen, Fußball und Feierabendbier akzeptieren. Das ist die Welt der meisten Menschen, die ich kenne. Mir reicht sie nicht.

Deinen Hilferuf kann jeder Mitleser hier ernst nehmen oder nicht
Sorry, Mißverständnis. Das war KEIN Hilferuf. Ich komm da draußen schon soweit möglich klar. Ich weiß, daß ich zu alldem nicht dazugehöre und versuche mich rauszuhalten. Vieles ist mir inzwischen auch wirklich egal, vor allem die Kollateralschäden ganz privater Dummheit anderer Menschen. Sollen sie doch machen, ist nicht mein Problem, solange sie mich nicht damit belästigen oder finanziell belasten. Andere zu "missionieren", habe ich längst aufgegeben.

Nur bei manchen Dingen kann ich noch nicht wegsehen. Letztlich geht es dabei um eine Kollision meines Verständnisses von Ordnung und Nachhaltigkeit in der Ausgestaltung unseres Lebens und dieser Gesellschaft mit dem, was - inzwischen fast ausschließlich aus kommerziellen Interessen heraus - da draußen veranstaltet wird. Mein Patenonkel hat letztens ein Interview geben müssen in der Nalepastraße, für irgendeine schwedische (?) Produktion. Die Schweden sagen ganz offen, was in Deutschland an Zerstörung der Hörfunkkultur und der dazugehörigen "Werkzeuge" (Studios) geschehen ist, ist unfassbar und wäre in Schweden unvorstellbar. In Deutschland ist man immer noch davon überzeugt, daß Kulturabbau aus Effizienz- oder Machtgründen der richtige Weg der gesellschaftlichen Entwicklung sei. Da schleift man auch schon mal die besten Hörfunkstudios Europas oder wickelt gezielt Hörfunkprogramme ab, die im Verdacht standen, kulturell beladen gewesen zu sein. Nein, da meine ich mal ausnahmsweise keinen Ostfunk.

Oder: in meiner Heimatstadt ist gerade jetzt das Theater pleite, nicht nur, aber eben auch dank der Tatsache, daß das Bewußtsein, daß solche Kultur gesellschaftliche Aufgabe ist und gefördert werden muß, keine Priorität mehr genießt. Mir könnte das egal sein, ich gehe lieber zu Rockkonzerten als ins Theater - mir geht es aber dennoch nahe, denn ich erkenne den Wert für die Gesellschaft, auch wenn ich das Angebot nicht genutzt habe. Ich ahne schon, was allzu fleißige Modernitätsfanatiker sagen werden: Kultur kannste ja jetzt in 42 Zoll mit 1980x1080 Pixeln für 399 Euro haben. Danke, das ist Vereinzelung der Menschen, aber meist keine Kultur.

Oder: das weiterhin ungehemmte Setzen auf private PKW, ein Transportmittel, das ethisch und ökologisch nie vertretbar war und in naher Zukunft in der Form, wie wir es heute kennen, auch nicht mehr realisierbar sein wird. Dennoch geht der Abbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs ungebremst weiter, beispielsweise mit der ICE-Strecke, die Thüringen in einigen Jahren komplett vom Fernverkehr abkoppeln und gänzlich auf die Autobahn treiben wird. Es ist völlig hirnrissig, aber wirtschaftlich und politisch gewollt.

Oder: Stuttgart 21. Doch hier kam es zum Glück anders. Ich finde es prima, daß die Leute dort wenigstens jetzt aufstehen und die Frage, ob für eine weitere Beschleunigung einer ohnehin nur noch atemlosen Gesellschaft um wenige Minuten unfassbare Summen ausgegeben werden müssen (ob also hier nicht jegliches Verständnis von Angemessenheit abhanden gekommen ist) stellen. Die, die da jetzt auf die Straße gehen, genießen bei mir höchstes Ansehen. So etwas hat es wirklich seit der "Wendezeit" nicht mehr gegeben: eine große Anzahl Menschen, die sich ernsthaft die Frage stellt, wohin der Weg sinnvoll und gesund gelenkt werden sollte.

Wo ist die Nische, in der Deine Ideale auch heute leben? Ich bin sicher, es gibt sie - ich habe meine auch gefunden als Freiberufler im kreativen Bereich.
Schwierig... sie existiert vielleicht noch irgendwo im Umweltschutz oder ähnlichen Gebieten. Ansonsten sehe ich fast nichts mehr. Kann aber auch der bekannte Wald sein, den man vor lauter Bäumen...

-> Ich bin am Suchen, Ausgang offen.


Zurück zum Radio.
 
AW: Warum Radio?

Inselkobi schrieb:
Ohh doch, sind die Deutschen was das Medium Radio anbelangt!
Ich meinte mit den Deutschen auch eher die Leute beim Radio. Genug Moderatorenpotential wäre da - nur läßt man sie nicht.

Und was die Rundfunkgesetze betrifft, da kann ich nur für NRW sprechen, aber ich hab' die vage Vermutung, daß es in anderen Bundesländern ähnlich krank zugeht. Radioveranstalter, die aus einem Verein alter, radiounwissender Mitglieder der gesellschaftlich relevanten Gruppen bestehen müssen, Betreiber, die aus Zeitungsverlegern und zu 25% aus der jeweiligen Kommune bestehen müssen, und der WDR, der zu fast 25% an radio nrw beleiligt ist... da sind die Spaßbremsen quasi schon im Gesetz mit eingebaut.

Inselkobi zu "Öffentlich-Rechtliche außen vor lassen" schrieb:
Eben wegen des Auftrages, der den Öffis trotz der kommoden Finanzausstattung und trotz der Senderketten nätürlich weniger Handlungspielraum läßt.

Inselkobi schrieb:
Und dann hoerst du noch Radio Essen? - Der Widerspruch in sich! - Meinst ned auch?
Ja, mein' ich auch. Tue ich auch nur, wenn die bei 1Live gerade mal wieder rumalbern und bei WDR 2 ein Langweiler-Thema läuft. Ich schätze, jeden zehnten Titel beim Lokalradio kann man sich anhören. Ich denk' dann immer: Vielleicht habe ich ja Glück und erwische gerade einen.
 
AW: Warum Radio?

Wird ein rein akustisches, vorgefertigtes Programmangebot irgendwann eh überflüssig?
Nach meinem Empfinden: Nein. Begründung nachfolgend.

Wenn ich mir das alles mal in Ruhe durch den Kopf gehen lasse, taucht bei mir die thread-Frage auf: Warum eigentlich „radio“? Was soll denn genau dieses Medium wem bieten und: Welche Funktion kann es in der heutigen Gesellschaft erfüllen mit seinen spezifischen Möglichkeiten?
Diese Frage kann ich Dir hervorragend aus den Erfahrungen mit einer Freundin berichten, bei der der Fernseher dominierte und nicht das Radio (da prallten zwei Welten aufeinander). Stell' Dir einfach mal vor, da läuft von morgens ab Wecker bis zum Verlassen der Wohnung das Morgenmagazin und mit dem Nach-Hause-kommen das Vorabendprogramm bis irgendein Serienende um 22 Uhr. Aufstellort des Fernsehers: Schlafzimmer und, dank Rollwagen, auch das Wohnzimmer.
Informationsvorsprung: Null.

So, wie jede Nachricht zu den Hörfunknachrichten mit einem 20-sekündigen O-Ton begleitet werden muss (und wenn er nur von einem Kollegen aus der Nachrichtenredaktion eingesprochen wurde :wall:), muss das Fernsehen irgendeinen Bildschnipsel liefern: Fußballsieg oder -niederlage, Stuttgart 21-Demo, Großbrand in Niedersachsen, Dämme in Ostdeutschland, wasweißich. Man möchte die Macht der Bilder nutzen, und: ja, Bilder haben Macht, das weiß jeder halbwegs ernst zu nehmende Fotograf.
Nachteil der (bewegten) Bilder: Sie brauchen eine höhere Aufmerksamkeit, eine Fokussierung, eine räumliche Bindung und im Normalfall zwei unserer Sinne. Morgenmagazin ohne Bilder ist irgendwie doof und manchmal sogar verwirrend.

Jetzt das Spiel mit Radio: Praktisch überall mit sehr einfachen Geräten empfangbar (zumindest die ortsstarken Sender), problemlos wahrzunehmen und nimmt genau einen Sinn in Anspruch, während Du Dich optisch anderen Dingen widmest (rasieren bzw. schminken ist mit gleichzeitigem TV-Konsum nur bedingt vereinbar). Radiobeiträge brauchen nicht die Kraft der Bilder - sie müssen "nur" die Informationen übermitteln, die ein Bild in Deinem Kopf erzeugen.

Radio hören geht freihändig, ohne DVB-T-Receiver und Mini-Bildschirm, Tablet-PC oder Netbook und auch ohne App (sieht man mal vom Internetradio ab). Selbst Männer, denen man mangelnde Multitasking-Fähigkeiten nachsagt, können neben Radio hören noch eine weitere Tätigkeit ausüben. Bei der Nutzung anderer Medien sind da die Grenzen sehr viel schneller erreicht.

In anderen Threads haben wir das Radio als das Medium im Katastrophenfall herausgearbeitet. An anderer Stelle haben OnkelOtto, der Ablauscher, einige andere und ich über Ein- und Ausschaltimpulse und die Vorbildfunktion des Radios diskutiert. Ergebnis: das Radio lebt, wenn man es nur lässt.
- Der PD mit dem "nassen Hut" (Zitat: Ablauscher) war vermutlich ToWas Boss, sowas färbt ab. :D -

Ja, genau, ToWa, da war doch was - der Kapitalist im Kadaver, um mal den genialen Einwurf von K 6 mit aufzunehmen.
Es kommt aufs Radio an - das eine ist mausetot, das andere lässt man nur nicht richtig (auf)leben - aber es könnte, wenn es dürfte. Du darfst wahrscheinlich beim getöteten Radio arbeiten und erledigst vermutlich gerade die abschließenden Arbeiten kurz vor dem Krematorium.
Dann erkläre mir bitte eins: Wie ist es zu erklären, dass viele Menschen - gleich, welchen Alters - an privaten Hörspielproduktionen teilnehmen (dort gibt es sogar konkurrierende Engagements) und die Ergebnisse auch noch hören? Sowohl die eigenen als auch die von der Konkurrenz? Ganze Foren beschäftigen sich damit, die Nachfrage ist groß - alles Menschen, die einzig und allein auf ein Medium setzen: Audio. Und das nicht, weil es einfacher wäre als Video (YouTube beweist das Gegenteil), nein, es wird sehr aufwändig Audio produziert. Keiner würde das machen, wenn es dafür nicht eine - überraschend breit aufgestellte - Hörerschaft gäbe.

Radio ist nicht mutig genug, bestimmte Gruppen zu bedienen und wenn, stehen diese bei Kürzungen als erste auf der Abschussliste (vgl. dazu die Diskussion um das Kinderprogramm auf hr2, zu finden hier ab #34 ff.). Dieses Radio ist nicht mausetot, sondern es wird getötet und erzeugt damit die Gesellschaft, die glaubt, kein Radio mehr zu brauchen. Satter Irrglaube.

Das wiederum beantwortet die Ausgangsfrage von Funkgeist, der über das Radio wissen möchte: "Welche Funktion kann es in der heutigen Gesellschaft erfüllen mit seinen spezifischen Möglichkeiten?"
Radio kann, wie jedes andere - kritische! - journalistische Medium auch, eine Gesellschaft aufrütteln, bewegen, informieren, unterhalten oder auch einlullen. Es ist schnell und kann mit einfachen Mitteln unglaublich interaktiv sein. Kein Twitter konnte bislang eine Bundesliga-Schlusskonferenz überholen, und Jürgen Klopp hat als Trainer von Mainz 05 über einen Knopf im Ohr das dramatische Fernduell mit Eintracht Frankfurt verfolgt, das über Aufstieg und Nicht-Abstieg entschied.
Ich glaube kaum, dass er ein Handy genutzt hat. ;)

Die Vielzahl neuer Medien ist wahrlich beeindruckend und sie sind, da hat Radiowaves recht, nice to have - doch keines erreicht bis heute das wahre Potenzial des Radios. Dass das Potenzial selbst verkümmert, ist wiederum eine andere Geschichte.
Das ist wie mit dem Gehirn, das jeder von uns hat: Nutze es oder lasse es - aber ohne geht's dann doch nicht. Du hast es; was Du daraus machst, ist allein Dein Ding.

Gruß, Uli
 
AW: Warum Radio?

die Ausgangsfrage von Funkgeist, der über das Radio wissen möchte: "Welche Funktion kann es in der heutigen Gesellschaft erfüllen...?"

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Radio kann, wie jedes andere - kritische! - journalistische Medium auch, ...

Die Hervorhebung des KANN war mir eben wichtig, denn es birgt in seinen gerade 3 Lauten nicht selten auch ein ABER, das nicht nur klanglich schwerer wiegt, sondern auch in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen ist. In der Regel rückt es ein schiefes Bild wieder gerade, in diesem Fall reines Wunschdenken.

Neben der unmöglichen, verlogenen Kampagne "Radio - geht ins Ohr, bleibt im Kopf", die eigentlich heißen müsste: "Radio - geht hier rein, da raus und mir am Arsch vorbei!" gibt es noch eine, die offen und ehrlich sagt, was Sache ist: "Radio verkauft."
Nun, da Radio zunehmend hier rein und da raus geht, weil der Verkaufszwang überwiegt, funktioniert genau dieser leider auch nicht mehr, was ihn noch verstärkt.

Illusion und Wunschdenken starben bei mir schon irgendwann im letzten Jahrtausend, als ich das Medium Radio auf der Macherseite in die Finger bekam. Schon damals war ich erschrocken über das, was mir dort wirklich begegnete:
Was dem Hörer als locker-fluffiges Programm vorgelogen wurde, waren in Wirklichkeit Planwirtschaft und übelster Zwang. Im Team wehte ein rauher, unkollegialer Wind und ein Lächeln hatte erst dann einer auf dem Gesicht, wenn er das Mikrofon öffnete, um nach synthetisch dahingegrinster Moderation und wieder geschlossenem Mikrofon schlagartig die alte Frustfresse zu tragen. Von dem Entsetzen dessen, was diese Lehre wirklich bedeutete, konnte ich mich nie gut erholen.
Heute sehne ich mich nach dieser Zeit und sage immer wieder: Trotz allem war das, was dort damals lief, "einfach nur Radio". Es war zumindest für den Hörer immernoch relativ locker-fluffig und trotz synthetischer Grinse hatten die Menschen an den Mikrofonen noch ein Gesicht, einen Namen eine Stimme und echten Enthusiasmus. Ohne letzteren wäre das auch nie zu überleben gewesen.

ToWa hat recht. Radio ist ein widerlich stinkender Kadaver. Aber wie das eben so ist mit einem Kadaver: Es ist immernoch Leben darin, auch, wenn dieses Leben Resorbtion als Ziel hat.
Es kann auch nicht gut sein, jemanden dafür zu verurteilen, eine Arbeit zu machen ohne damit wirklich glücklich zu werden, und damit Geld zu verdienen. Wieviele Menschen haben ihren Beruf fast umsonst gelernt, weil sie notgedrungen irgendwann irgendwas machen mussten, woran sie vielleicht sogar Gefallen fanden, was ihnen vielleicht sogar viel besser lag und wieviele gehen täglich mit Selbst- und Fremdhass auf Arbeit, weil sie dort nicht einmal ein vernünftiges, sozialverträgliches Umfeld vorfinden, das über andere Mankos noch hinwegtrösten könnte oder sogar Antrieb gäbe.

Der verdammte Zwang zum Kommerz, dem sich vor allem Privatradio systembedingt niemals entziehen konnte, der jedoch auch an der Zersetzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beteiligt ist, ist wesentlicher Bestandteil des Nervfaktors des Mediums.
Nein, es ist nicht nur Rundfunkwerbung im Sinne von "Radio verkauft". Es ist der widerliche, kramphafte, widernatürliche Vollgas-Superpower-Gute-Laune-Stil, mit dem die Werbung in den Pausen, also zwischen den Werbeblöcken an den Mann/die Frau gebracht wird. Mangelnde Erholungsmomente zwingen zum Abschalten und zur Flucht und die Antwort der Macher ist noch mehr Monotonie statt Kontrast. Die Hörer werden nun aber nicht mehr massenhaft verprellt, sondern Mann um Mann und wenn ein Rundfunkwerker selbstkritisch sagt, dass ihn ankotzt, daran beteiligt zu sein, dann darf er das! Und kommt mir ja nicht mit dem Argument: "Dann soller doch hinschmeißen und etwas anderes machen!" Blödsinn! In diesem Land, wo Millionen Arbeitslose vom Markt geschwindelt werden, um schöne Zhalen zu haben, kann und darf man nicht einfach hinschmeißen, weil man mit etwas Glück den Rest seines Lebens nie wieder Arbeit bekommt.
So ganz nebenbei habe ich von den meisten Ex-Kollegen des Mediums immer das gleiche gehört: "Es war schön damals, aber ich bin froh, das nicht mehr machen zu müssen und ich wöllte es nie wieder." Noch immer tätige Radiowerker äußern Unmut über das, was ihnen aufgedrückt wird, wenn sie einigermaßen sicher sein können, dass die Äußerung beim Gegenüber stillschweigend und anerkennend aufgenommen wird und dort verbleibt.

Runter mit der rosaroten Brille und Maul auf - offensiv Radio machen und nicht destruktiv. DANN hat KANN noch eine Chance, ansonsten fault der Kadaver munter weiter, produziert übel riechende Gase und sickert langsam aber sicher in den Untergrund.
 
AW: Warum Radio?

Ein Kadaver hat kein Leben mehr, sonst stuende dieses Wort nicht fuer Tierleichen. Das einzige Leben sind die krabbelnden Wuermer...

Was die grossen Stationen betrifft, liegt das Radio tatsaechlich im Sterben: Ueberregulierung von innen und aussen - bloss nicht anecken, da die Deutschen ja sooo obrigkeitshoerig sind. Aber es gibt durchaus noch die kleinen, die sich was trauen - man denke nur an Freies Radio in Sachsen. Gut, da muss man andererseits oft mit starken Nerven die Perlen 'rauspicken...
Wenn die jetzige Talsohle durchschritten ist - und das wird IMHO noch einige Zeit dauern - wird Radio endlich UNTER ANDEREM das bieten, was es wirklich nuetzlich macht: interaktive Beteiligung der Hoerer - und weitere Chancen, es eben BESSER zu machen!
 
AW: Warum Radio?

@batman: Erneut die Aufforderung: Lern' richtig zu quoten!
Du hast keinen einzigen Satz von 'Radiowaves' gequotet.
 
AW: Warum Radio?

Das Radio tot ist wie hier schon einer schrieb dann kann ich nur sagen in manchen Gegenden Deutschlands trifft das schon zu.
War jetzt mal wieder im Norden und der Mitte des Landes unterwegs und was man da geboten bekommt ( zumindest die Sender in die ich reinhörte ) war schon erschreckend,
ffn, ffh, hitradio xy.........zum aufregen.
Dann weiß man mal wieder wie gut ist es im Südwesten ist ;)
Jetzt aber zum Thema.
Radio ist für mich schon ein Stück Begleiter im Leben.
Wo gibts sonst so zuverlässig und aktuell Nachrichten, Verkehr.
Und schlicht und einfach gute Unterhaltung wie ich finde bei bestimmten Sendern.
 
AW: Warum Radio?

@rv - Du bist nicht ganz allein. Im WDR scheint es immer noch Menschen zu geben, die sich auflehnen - wenigstens mit Hilfe der Satire: http://www.freienseiten.de/images/stories/WDR_Print_2011_11_72dpi.pdf

Was kann Radio?
1. Abends beim Lesen eine schöne Hintergrundkulisse vermitteln (z.B. Klassik Radio mit DJ Jondal und davor mit Filmmusik und leichter Klassik)
2. Mich auf langen Autofahrten informieren und unterhalten (z.B. WDR 5 mit hochinteressanten Dokus die wirklich im Kopf bleiben, manchmal auch Dlf)
3. Abends beim Basteln ein Lächeln aufs Gesicht zaubern (Dlf Querköpfe, WDR 5 Streng öffentlich)
4. Mir auf Bahnfahrten die Zeit mit sehr guten Hörspielen vertreiben, die ich zuvor als podcast auf meinen ipod geholt habe. (z.B. Radiotatort, oder das freie WDR Hörspiel unter http://www.wdr.de/radio/home/downloadportal/download_hoerspiel.phtml)

Was kann Radio nicht (mehr)?
1. Mich mit neuen Poptiteln überraschen (dank Youtube und Radioforum entdecke ich mehr tolle Sachen als durch 1000 Stunden Radio hören).
2. umfassend und tief mit Nachrichten versorgen (da ist das Internet kompakter, da Zugriff auf schreibende Zunft möglich)
3. Meine Bedürfnisse in einem Programm abbilden, wie bei anderen Medien auch nutze ich mehr als eine Quelle
4. Mich aufregen - es gibt genug gute Auswahl für mein Portfolio


Ja, ich bewege mich in einer Nische. Das ist beim TV nicht anders, deswegen schalte ich kaum noch ein. Ich bin nicht "Massenkompatibel" (Rainald Grebe läßt grüßen) und doch finde ich mich ausreichend versorgt.

Allerdings kann ich rv gut verstehen, auch wenn meine Sozialisation eine Andere ist. Aber ich verbuche das draussen erlebte lieber unter "Realsatire" als das ich mich darüber noch aufrege.;)
Die Gesellschaft ändert sich, die Stände verteilen sich neu - Paralellgesellschaften entstehen - auch ohne Migration. Die Masse freut sich über RTL, Bild und Fußball ich freue mich über 3sat, taz und WDR5 und es steht mir nicht zu über die Anderen zu urteilen oder sogar auf eine andere Höhe zu blicken. Doch es gibt einen wunden Punkt, da werde ich aggressiv: Ich will meine Ruhe und wer das nicht mehr akzeptieren kann bekommt contra. Das Grundrecht auf 24/7 Lärm durch verkannten Egoismus oder sorglose Dummheit bringt mich manchmal noch auf die Palme.

Beispiel aus der Strassenbahn: Nachdem ein weiblicher Teenie den halben Wagen mit einem eher überflüssigen Handygespräch belästigte habe ich mich mit meiner Frau lautstark in ähnlicher Konversationsvariante unterhalten, bis der Teenie sein eigenes Gespräch nicht mehr verstehen konnte, wir wurden halt immer lauter. Aber das breite Grinsen der Mitfahrenden war mir das wert. :p
 
AW: Warum Radio?

Radio ist keinesfalls tot! Es riecht im Moment nur stellenweise so. Die meisten Gründe hierfür sind ja bereits weiter oben genannt worden. Radio weckt aber noch immer, im Gegensatz zu den oben genannten Telefax und Betamax, bei Hörern und Mitarbeitern reichlich Emotionen (kennt ihr ein Betamax oder Telefaxforum?) auch wenn diese in diesen Zeiten häufig negativ sind. Ich finde es sehr schade, dass dieses wunderbare Medium Radio in den vergangenen Jahren derart an Wert verloren hat - nein, besser, dass es zugelassen wurde, dass es so stark an Wert verlieren konnte. Wahrscheinlich paralysierte der Schock, innerhalb weniger Jahre von DEM Medium zu einem Medium von vielen zu werden, zu tief um neue, anspruchsvolle und unterhaltsame Konzepte zu entwickeln. Vielleicht fehlte auch einfach nur der Mut oder das Wissen dazu. Immerhin gibt es, sowohl bei den Öffis als auch bei den Privaten, einige gute Ansätze und Ideen. Diese werden nur häufig nicht realisiert, weil ja Gesellschafter, Politiker und Werbekunden erstmal, also VOR DEM HÖRER, monetär und ideologisch befriedigt werden müssen - und der eine oder andere Posten hängt schließlich auch noch dran. Das selektiert schon mal Mitarbeiter aus und für den Hörer und die Qualität des Rundfunks bleiben daher oft nur runde, unverfängliche Rudimente übrig. Was mich allerdings wirklich beeindruckt, ist die Tatsache, dass es noch immer so viele Menschen gibt, die gerne bei einschlägig bekannten Radiosendern als "Redakteure" oder "Moderatoren" arbeiten und einen sehr, sehr zufriedenen Eindruck machen. Aber das ist wohl eine Frage der Einstellung, der Bezahlung und natürlich des Selbstwertgefühls.
 
AW: Warum Radio?

Die meisten Infowellen, das habe ich vergessen lobend zu erwaehnen, sind (noch) eine loebliche Ausnahme - vor allem sei hier der DLF zu nennen. Neben den erstklassigen Infomagazinen sind's die Querkoepfe, die ich nur sehr ungern verpasse. Und im "Medienquartett" - das nur am Rande - ging's kuerzlich seeehr interessant um "Kampagnen im Radio" (Stichwort "Guttenberg")...
Kurzum: Radio hat fuer mich nur noch den Sinn, schnell zu informieren und koestlich-kabarettistisch zu unterhalten! Denn in diesen Bereichen, oh Wunder, ist noch nicht alles verloren!
 
AW: Warum Radio?

Warum eigentlich „radio“? Was soll denn genau dieses Medium wem bieten und: Welche Funktion kann es in der heutigen Gesellschaft erfüllen mit seinen spezifischen Möglichkeiten?

Radio hat Zukunft, denn Radio ist vielfältig. Auch kleine Zielgruppen können mit einem kostengünstig produzierten Radioprogramm erreicht werden. Es wäre dumm, diese Chance nicht zu nutzen. Radio umgibt uns, und das weit umfassender, als es TV und Internet jemals erreichen können.

Der Vorteil des Internet ist Interaktion, aber es gibt genügend Situationen im alltäglichen Leben, wo diese Interaktion nicht benötigt wird, oder umständlich und lästig wäre. Man muß nicht jede Nachrichtenmeldung kommentieren.

Wieso eigentlich keine Koch-Sendungen im Radio? Ist das ein Witz? Nein! Wieso nicht täglich um 12 eine einstündige Koch-Sendung. Die Hörer können live mit dem Moderator kochen. Natürlich sind Speisefolge und Zutatenliste einige Tage vorher abrufbar. Und dann kochen die Hörer mit. Schritt für Schritt wird ihnen erklärt, wie sie was zu machen haben. Live. Sie kochen quasi mit und können am Ende evtl. per CallIn das Ergebnis mitteilen.

Das kann kein Fernsehen bieten!
 
AW: Warum Radio?

vielen Dank erstmal für Eure teilweise engagierten und ausführlichen Beiträge!

DEN hier :
dea schrieb:
Der verdammte Zwang zum Kommerz, dem sich vor allem Privatradio systembedingt niemals entziehen konnte, der jedoch auch an der Zersetzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beteiligt ist, ist wesentlicher Bestandteil des Nervfaktors des Mediums.
hebe ich mal hervor, weil er m.EA. Wesentliches zum Ausdruck bringt.
Persönlich habe ich Radio-Nutzung inzwischen meistens auf WDR 5 / 2 im Auto reduziert und bevorzuge reine Wortbeiträge, bei denen man auch mal mitdenken darf. Die normale Musik langweilt mich zu Tode, aber das ist nur mein Ding, da mein Geschmack inzwischen aus dem "Standard-Pop" raus ist.

Daraus folgt aber mein Wunsch an dieses Medium: Es wäre Klasse, wenn es denn auch mal mehr außerhalb des Mainstream-Einheitsbreis gäbe. Dinge außerhalb von Themen mit "talkabout-Wert" oder mehrheitstauglicher Musik. Im Wort habe ich dafür WDR 5 in NRW, beim Thema Musik ist Fehlanzeige. Da muß ich dann in Internet-Radios suchen oder gleich bei Youtube oder in Sparten-Communities. Spätestens in Internetradios fehlt dann aber leider oft die Qualität eines WDR 5 & co beim Wort-Teil.

Geht sowas nicht zusammen? Inhaltliche Wort-Kompetenz und mehr Mut/Sparten in der Musik? Bin ich der Einzige, der das in diesem Medium vermisst?
 
AW: Warum Radio?

Radio hat Zukunft, denn Radio ist vielfältig.
Dem widerspreche ich entschieden!
Radio - zumindest die Radiowueste hier in Deutschland - ist TOT. Du hast allerdings Recht in so fern, dass Radio vielfaeltig sein koennte.
Man muesste nur entsprechende Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten, die allerdings mit zum Teil nicht unerheblichem Aufwand und zum anderen Teil auch mit Kosten verbunden waeren.
Und hier liegt der sprichwoertliche Hund begraben, denn das alles ist doch so gut wie niemand bereit, da Radio inzwischen als reines Marketing-Objekt missbraucht wird.
Auch kleine Zielgruppen können mit einem kostengünstig produzierten Radioprogramm erreicht werden. Es wäre dumm, diese Chance nicht zu nutzen. Radio umgibt uns, und das weit umfassender, als es TV und Internet jemals erreichen können.
Natuerlich koennte man das. Kleinere Zielgruppen sind allerdings nicht besonders Werberelevant und damit unrentabel.
Im TV hast du bunte bewegte Bilder, auf die die faule Menschheit aus Gewohn- und Faulheit wohl eher achtet und sie damit leichter wahrnimmt.
Ergo: Die Werberelevanz ist im Fernsehen noch groeßer als im Radio.
Der Vorteil des Internet ist Interaktion, aber es gibt genügend Situationen im alltäglichen Leben, wo diese Interaktion nicht benötigt wird, oder umständlich und lästig wäre. Man muß nicht jede Nachrichtenmeldung kommentieren.
Da kannst du allerdings beim Radio besonders herausfordern. Fernsehen ist zur Berieselung und ausschließlich als Nebenbei-Medium (zumindest bei mir).
Wieso eigentlich keine Koch-Sendungen im Radio? Ist das ein Witz? Nein!
Doch! Denn selbst wenn man deine Idee mit dem Call-In weiter verfolgen wuerde, so saehe es so aus, dass die Lebensmittel nicht zu sehen waeren und außer ein wenig Gequatsche und dem einen oder anderen geklapperten Topf oder Besteckteil nichts vorkommen wuerde, was es zu kommentieren gaebe.
Stell dir mal vor da liefe eine Reportage in Form von:
Und Frau Mayer schneidet so eben den Blumenkohl klein, den sie danach gekonnt in das kochende Salzwasser gibt um ihn zu blanchieren, waehrend Herr Mueller an seinen Zwiebeln fast zu verzweifeln scheint, da sie ihm bereits zum zweiten Mal die Traenen in die Augen treiben.
Ist das nun der endgueltige Vorteil fuer Frau Mueller?
Und so weiter - und so fort ...
 
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