Auflagen für kommerzielle Programmanbieter in Deutschland

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XXLFunk

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Unter Medienpolitikern wird derzeit ein Vorschlag diskutiert, den ich witzigerweise hier schon vor Jahren zur Diskussion gestellt habe und über den ich Ende letzten Jahres mit dem obersten Medienbeauftragten einer der großen Parteien ein ausführliches Gespräch hatte.

Es geht darum, (frequenz- und anderweitig) privilegierten Privatsendern mehr Pflichten abzuverlangen. Vorbild: RTL in Luxemburg (Radio und TV) oder Channel 4 (TV) in England.
Beide erfüllen in einem gewissen Umfang öffentliche Aufträge, von der Art (nicht vom Ausmaß) vergleichbar ör Sender.

Nun nochmal in die Runde gefragt: Wie steht Ihr dazu?
 
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Diese Organisationsform als ö-r und privatrechtlicher Zwitter ist durchaus interessant. Wenn man sich das Programm von Channel4 anschaut, dann fällt auf, dass die Nachrichten dort deutlich seriöser sind als die anderer privater Anbieter. In puncto Seriosität gelten die Channel 4 News als die zweitseriöseste Nachrichtensendung (nach den Nachrichten der BBC auf BBC FOUR/NEWS); von Jon Snow, dem Gesicht der Nachrichtensendung, sollten sich viele Deutsche Journalisten eine Scheibe abschneiden. Auch andere politische Formate wie Dispatches überzeugen durch ihren investigativen, gut recherchierten Ansatz. Auch Unreported World glänzt durch die Art der redakteurgestützten Dokumentation, die teilweise sehr persönliche und subjektive Einblicke ermöglicht. Glücklicherweise kommt dieses Format auch in Deutschland langsam an - Panorama versucht sich auf diesem Feld.
Nichtsdestotrotz sieht man, wenn man die Programmgeschichte von Channel4 mal unter die Lupe nimmt, dass der Sender in den 80er Jahren mit hohen Ambitionen gestartet ist. Ein sehr alternatives Programm sollte primär Randgruppen bedienen, langfristig war das aber nicht haltbar. Es kam der Weg hin zu einem Sender, der seinen Auftrag, innovativ und experimentierfreudig zu sein, sehr geschickt auslegte: Was folgte waren und sind oftmals die Entwicklung umstrittener (Trash-)Formate.
Und so muss man in manchen Wochen die Dokumentationsangebote, die mit deutschem Ö-R Niveau mithalten können, schon mit der Lupe suchen. Das ist teilweise nicht mehr, als das deutsche Modell des Drittanbieterfernsehens über dctp und co. gewährleistet.
Wenn man allerdings Vorschriften noch enger formulieren würde, hätte das Modell vllt. Aussicht auf Erfolg.
Dagegen sprechen wiederum ähnliche Modelle in der deutschen Radiolandschaft. Das Zwei-Säulen-Modell, dass ja auch eine inhaltliche Unabhängigkeit und die Erfüllung eines Auftrags gewährleisten soll, scheiterte in Hamburg beim alternativen Radio Korah, in NRW existiert es weiter, Dudelfunk ist dort meist aber trotzdem an der Tagesordnung (mit eineigen löblichen Ausnahmen).
Letztlich würde das Modell doch an unseren Lizenzierungsbehörden scheitern, die in der Radiolandschaft im Falle von Radio Paradiso erst einmal zur Tat geschritten sind. Das Beispiel MainFM zeigt exemplarisch, wie aus einem Sender, der eine Wirtschaftsradiolizenz hatte, ein Hausfrauensender ohne nennenswerten journalistischen Wortanteil werden konnte, immer wieder ohne Konsequenzen.
Vllt. stellt das Modell aber einfach einen Anreiz für solche Sender dar, die für sich selber einen Auftrag definiert haben (ich denke hier z.B. an Oldiestar oder MotorFM). Diese in ihrem Kurs über weitere Frequenzzuteilungen hinaus zu bestärken (das Modell sieht offenbar gewisse finanzielle Vorteile für die entsprechenden Sender vor, wie ich diese Woche gelesen habe), wäre aber schon ein Gewinn an sich.
 
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Vielen Dank für die sehr profunde Einschätzung, die ich für Channel 4 teile. RTL (Radio Letzebuerg) ist aber tatsächlich ein Sender mit hohem Magazinanteil und mehrminütigen Beiträgen - praktisch den ganzen Tag über. Und damit sogar mit weitem Abstand Marktführer.
 
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Ich verlinke dazu mal einen Artikel aus der Süddeutschen vom Mittwoch, den 4.05. (Medienseite):
Der fasst die grundsätzliche Idee und einige politische Verwirklichungsansätze zusammen.
 
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Genau den Artikel hatte ich Mittwoch morgen gelesen...
 
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Private Sender werden immer zuallererst die Interessen der Betreiber befriedigen. Egal, wer da was beschließt.
 
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Wir brauchen meiner Meinung nach einen öffentlichen Rundfunk, der entsprechende Inhalte in attraktiver Weise zuverlässig anbietet. Und die Privatsender sollen von solchen inhaltlichen Regularien bitte befreit werden bzw. bleiben und ausstrahlen, was ihrem Gewinnerzielungszweck dient. Wäre ich mit entsprechender Kompetenz ausgestattet, würde ich manchem Privatsender eher verbieten, Nachrichten und Beiträge auszustrahlen, als ihm noch Anreize dazu zu geben. Dann entstünde vielleicht auch mal ein Markt für einen Sender, der seriöse Informationen als seine Kernaufgabe definiert. Momentan wimmelt's im Äther von faulen Kompromissen, und weitere Auflagen für kommerzielle Programmanbieter haben das Potenzial, dies zu festigen/zu verschlimmern. Tja, und einen halben Schritt weitergedacht: Warum dann nicht gleich den ganzen ARD-Laden schließen und den gesetzlichen Programmauftrag der öffentlichen Anstalten im Rahmen eines Public Private Partnership von RTL und Regiocast erfüllen lassen...
 
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Wir brauchen meiner Meinung nach einen öffentlichen Rundfunk, der entsprechende Inhalte in attraktiver Weise zuverlässig anbietet...Momentan wimmelt's im Äther von faulen Kompromissen, und weitere Auflagen für kommerzielle Programmanbieter haben das Potenzial, dies zu festigen/zu verschlimmern...Warum dann nicht gleich den ganzen ARD-Laden schließen und den gesetzlichen Programmauftrag der öffentlichen Anstalten im Rahmen eines Public Private Partnership von RTL...erfüllen lassen

Nochmal: RTL in Luxemburg ist was ganz anderes als bei uns. Und sie gefallen mir im Unterhaltungsbereich wesentlich besser als alle ARD-Popwellen zusammen. Die Wortbeiträge sind auch denen von WDR 2 absolut ebenbürtig. Deshalb würde ich heute sagen: ARD-Radio brauche ich nur für WDR 5. Alles andere könnten - mit Zwang - auch die Privaten.

Und ganz wichtig: Wann hat es denn in Deutschland mal ein ör Radioprogramm mit durchgängig ansprechender Information und Unterhaltung gegeben? Da hat es wenige bis gar keine gegeben. Im Fernsehbereich sieht es nicht anders aus. Mit Ausnahmen war und ist ör TV-Unterhaltung seit Jahrzehnten altbacken und zum Davonlaufen.
 
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Nochmal: RTL in Luxemburg ist was ganz anderes als bei uns.
Ist mir bewusst, den Sender hab ich auch schon gehört.
Und ganz wichtig: Wann hat es denn in Deutschland mal ein ör Radioprogramm mit durchgängig ansprechender Information und Unterhaltung gegeben? Da hat es wenige bis gar keine gegeben.
Ist natürlich Ansichtssache, und ich finde auch nicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk derzeit perfekt ist. Deshalb meine ich ja, dass wir einen öffentlichen Rundfunk brauchen, der die Versorgung der Bevölkerung mit anspruchsvollen Informations- und sonstigen Programmen gewährleistet. Und dann halte ich es für schädlich, durch Programmauflagen unnötigerweise in den Markt des privaten Rundfunks einzugreifen. Also befürworte ich eine striktere konzeptionelle Trennung zwischen öffentlichem Rundfunk - Zweck: Versorgung der Bevölkerung - und privatem Rundfunk - Zweck: Gewinnmaximierung. Im Moment haben wir halbgare Mischformen: öffentlichen Rundfunk, der auch Werbeträger ist und kommerzielle Ziele verfolgt, und auf der anderen Seite Privatfunk, der auch einen öffentlichen Programmauftrag erfüllen soll. Ich bezweifle, dass auf diese Weise das optimale Programm entstehen kann.
 
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Sorry, hab mich oberflächlich ausgedrückt. Ich meinte vorrangig den ör Rundfunk meiner Kindheit (70er) und Jugend (80er). Da hat es fast nichts gegeben, dass mich durchgängig angesprochen hat. Heute ist es genauso, nur aus anderen Gründen. War der ÖR seinerzeit total strukturlos, steht er mittlerweile mit Programmen wie NDR 2 und besonders Bayern 3 kurz vor der Grenze zum Schwachsinn. Deshalb, also weil er in verschiedenen Wettbewerks-Situationen (mal als Monopolist, mal mit kommerziellem Umfeld) und über einen sehr langen Zeitraum aus meiner Sicht im Unterhaltungsbereich viel zuviele Rohrkrepierer produziert hat, bin ich mir nicht so sicher, ob der ör Rundfunk überhaupt dazu in der Lage ist, in einem Programm Qualität und Quote zu vereinigen. Wenn ich sehe, wie bereits seit einigen Jahren sowohl im TV, als auch im Radio kommerzielle Ideen adaptiert werden, drängt sich bei mir der Verdacht auf, der ÖR ist total konzeptionslos und letztendlich unreformierbar.
 
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Wäre ich mit entsprechender Kompetenz ausgestattet, würde ich manchem Privatsender eher verbieten, Nachrichten und Beiträge auszustrahlen, als ihm noch Anreize dazu zu geben. Dann entstünde vielleicht auch mal ein Markt für einen Sender, der seriöse Informationen als seine Kernaufgabe definiert.

Diese Sichtweise halte ich für gefährlich. Viele junge Menschen haben ihre mediale Heimat nicht mehr bei den Ö-R, sondern bei den Privaten – und auch dort eher bei Pro7 und RTLII als anderswo. Wir riskieren, dass eine Generation heranwächst, die keinen Deut an seriöser Information in ihrem medialen Konsum vermittelt bekommt. Zu deinem Stichwort, man solle Information sogar verbieten möchte ich dir entgegenhalten, dass ich bspw. auf die Wirtschafts- und Börsenberichterstattung von ntv nicht verzichten möchte. Die ist nämlich deutlich besser, aktueller und intensiver, als die der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz.
 
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Wir riskieren, dass eine Generation heranwächst, die keinen Deut an seriöser Information in ihrem medialen Konsum vermittelt bekommt

Absolut richtig! Die Speicherplatzbelegung auf der Fernbedienung so mancher dieser jungen Leute spricht da bereits Bände.
 
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