Berichterstattung über den Brand in Titisee-Neustadt

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Wer jetzt die Betroffenheitskeule schwingt, weil das Feuer a) in einer Arbeitsstätte für behinderte Menschen ausbrach und b) 13 Behinderte das Leben gekostet hat, muss sich von mir fragen lassen, ob er das mit der Gleichbehandlung verinnerlicht hat.

Vollkommen richtig, man bezeichnet so etwas als Positivdiskriminierung ("oh, gerade die armen Behinderten :cry: "). Mit Inklusion ist es da nicht weit her und Behinderte wollen in der Regel nicht besonders bemitleidet werden. Mir ist eh aufgefallen, dass die Welt von Behinderten den Berichterstattern eher fremd zu sein scheint - zumindest klingt das so, wenn es heißt, dass einige Behinderte ja im Heim, andere aber bei ihrer Familie untergebracht sind. Behinderte wohnen nicht selten auch selbständig in eigener Wohnung und müssen nicht alle permanent gehegt und gepflegt werden. Vielleicht sollten Menschen mit Behinderung mal öfters in den medialen Focus geraten und nicht erst dann, wenn sie verbrannt sind.
 
Wären die Menschen eingesperrt gewesen, Fluchtwege zugestellt gewesen wären, hätte die Brandmeldeanlage nicht ausgelöst, hätten die Rettungskräfte aufgrund zugestellter Rettungswege den Notfallort nicht rechtzeitig erreicht und hätte das zum Verlust von Menschenleben beigetragen, dann könnte man vielleicht von einer Katastrophe sprechen.

@Hefeteich: dann verfügst du aber über eine ganze Menge prophetisches Potenzial, wenn du das alles am Montag um 16 Uhr schon wusstest.....
 
...und es soll auch noch Leute geben, die bei der ersten Erwähnung von Bekannten über ein Unglück, Fernseher und Radio(!) einschalten um sich genauer informieren zu lassen. Es verlassen sich zum Glück noch nicht alle auf unbestätigte und völlig irrelevanten Twitter-Gerüchte. Diese direkt Betroffenen in der Situation dann mit dem üblichen Party-Einerlei zu beschallen ist in der Situation wirklich unpassend.

Es ist aber wahrscheinlich von der "Generation Ich" zu viel verlangt das Konzept von Rücksichtnahme auf andere in irgendeiner Form zu begreifen.
 
... Diese direkt Betroffenen in der Situation dann mit dem üblichen Party-Einerlei zu beschallen ist in der Situation wirklich unpassend.
(... und ganz Deutschland ist von dieser Katastrophe betroffen ...) weshalb auch in den Nachrichten auf allen Sendern diese Meldung die erste ist, selbst teilweise am Folgetag.

Um es mal typisch Bild-Niveau zu formulieren:
"Die Mehrzahl der in Titisee lebenden Menschen hat sich nicht dafür interessiert. Sie waren arbeiten und haben erst durch die bestürzten Erzählungen ihrer Freunde und Bekannten erfahren, dass in ihrem Ort ein Brand ausgebrochen war. Viele hätten ansonsten davon gar nichts mitbekommen und es hätte sie auch ebenso wenig interessiert, da sie nicht direkt betroffen waren."

Und ja, genau DAS ist auch Fakt!
Oder vergisst der Mensch so schnell wieder sämtliche Geschehnisse?
Was war mit der (laut Medien) Katastrophe von Erfurt, oder der Katastrophe von Winnenden?
Und so gibt es noch mehrer solcher "Katastrophen". Und die meisten derer haben wir alle schon wieder erfolgreich vergessen oder zumindest verdrängt.
Es ist aber wahrscheinlich von der "Generation Ich" zu viel verlangt das Konzept von Rücksichtnahme auf andere in irgendeiner Form zu begreifen.
Das hat also nichts mit der "Generation Ich" zu tun, sondern vielmehr mit Selbstschutz, sich vor "Überinformation" von schlechten Nachrichten zu schützen.

Schließlich und endlich könnte hier mal wieder die Diskussion beginnen, ob das Medium Radio so wie es ist nooch zeitgemäß ist.
 
Etwas krude Argumentation, BlueKO. Wäre ich Betroffener und würde um einen Angehörigen bangen, so wäre es für mich genauso unerträglich, bei SWR III mit "Party-Einerlei beschallt" zu werden wie mit softem Gedudel. Ich würde Informationen haben wollen und das möglichst sofort. Und die würde ich selbstverständlich nicht bei SWR III suchen, sondern im Internet, welches nun sicherlich nicht nur aus "Twitter-Gerüchten" besteht. Aber gut, gehen wir von dem hypothetischen Fall aus, jemand hat kein Internet, kennt auch niemanden, der Internet hat, Handy sowieso nicht, Fernseher mit Videotext ist auch nicht vorhanden und bei der Polizei ist immer besetzt. Dieser jemand würde vielleicht tatsächlich auf das Radio angewiesen sein - aber würde er in dieser Situation ausgerechnet einen Unterhaltungs- und Musiksender wie SWR III einschalten? Wohl kaum.
 
Ich stimme zu, dass dieser Brand natürlich eine Meldung ist, und im ersten Moment auch das Attribut "Eil" verdient. Da dürften alle Nachrichtenmenschen gleich sein, das stelle ich gar nicht infrage.
In ersten Berichten und Schalten jedoch gleich von einer "Katastrophe" zu sprechen - ja, ich habe es auch am PC und TV verfolgt und dort diese Formulierung gehört - ist, Entschuldigung, überzogen.

So war das gemeint, @Schnorrer.
Natürlich kannte ich zu dem Zeitpunkt sämtliche Details vor Ort noch nicht, aber ebensowenig prophetische Fähigkeiten hatte ich, um eine Brandkatastrophe bilanzieren zu können.

@BlueKO: Es ist gut, wenn neben bspw. Twitter als der vermeintlich reinsten Form des Mikrojournalismus noch ausgebildete Journalisten kanalisieren, gewichten, filtern und informieren. Dem Radio kommt hier eine besondere Bedeutung zu, da es nicht aus dramaturgischen Zwecken auf Bilder angewiesen ist.
Vollkommen unbestritten besteht Informationsbedarf, ganz gleich ob von Betroffenen, Angehörigen, Nachbarn oder Mitfühlenden. Es stellt sich nur die Frage, welche Rolle das Medium - hier: Radio - dabei einnimmt und wie es sich am besten verhalten soll.

Am hier aufgezeigten Beispiel, es ging um eine Playlist, halte ich es für übertrieben. Wenn ich im Laufe der Diskussion dann von "Schockstarre" etc. lese, darf, nein: muss ich als Gegenpol etwas mehr Sachlichkeit fordern.
Von den Rettungskräften - Feuerwehrleuten aus Titisee-Neustadt! - wird sie sogar erwartet, sonst hätten sie ihren Job nicht so gut machen können.

Bislang ging es um die Playlist von SWR3, gut, höre ich nicht, meine Kritik ging auch darüber hinaus (TV). Wie haben denn andere Sender berichtet, gleichfalls aus der Region? Was ist mit dem viel gepriesenen SWR1?
 
Aber gut, gehen wir von dem hypothetischen Fall aus, jemand hat kein Internet, kennt auch niemanden, der Internet hat, Handy sowieso nicht, Fernseher mit Videotext ist auch nicht vorhanden und bei der Polizei ist immer besetzt. Dieser jemand würde vielleicht tatsächlich auf das Radio angewiesen sein - aber würde er in dieser Situation ausgerechnet einen Unterhaltungs- und Musiksender wie SWR III einschalten? Wohl kaum.
Daß SWR3 hauptsächlich zur Dudelbude verkommen ist, ist gar keine Frage. Trotzdem gibt es dort immer noch die Mittagssendung, in der Hörer recht oder schlecht aktuelle Informationen bekommen. Und natürlich sucht sich in solchen Notsituationen jeder (möglicherweise) Betroffene seinen eigenen Informationkanal. Für die üblichen SWR3-Hörer ist das aber auch ihr üblicher Sender, weil er (wie hr3 im neuen Claim auch kund tut) dort immer das hört was ihn gerade betrifft. Und das ist dann in einer solchen Notsituation eben sogar bei SWR3 nicht der neue Klatsch über Lady Gaga.
Wo würdest Du dich denn in einer solchen persönlichen Notlage, in der du Angst hast einem nahen Angehörigen könnte etwas passiert sein, am schnellsten informieren? Auf der Internetseite deiner Lokalzeitung, bei der man im Zweifel auch erst mal eine Paywall überwinden muß? Der ganze Internetcontent muß doch auch erst mal von jemandem erzeugt werden und ist fast ebenso schlecht abrufbar wenn du im Auto unterwegs zum Ort des Geschehens bist.
 
Immerhin ein konkretes Beispiel wurde genannt, danke! Also, "Katastrophe" oder nicht? Im technischen Sinne ist das recht klar definiert noch keine Katastrophe, dazu gehörten z.B. eine zerstörte Infrastruktur oder Beeinträchtigungen der Hilforganisationen selbst. Es handelt sich also um einen Massenanfall von Verletzten, aber jetzt der Einwand: frage mal die Leute ohne Fachwissen, was der Unterschied zwischen einer Katastrophe und einem MANV sind. Das wird dir keiner sagen können, und man wird wahrscheinlich auch selbst von "katastrophalem Brand" oder so ähnlich reden. Auch die Polizeidirektion Freiburg spricht von "Brandkatastrophe". "Brandunglück" wäre vielleicht der Begriff der Wahl, nicht um neutraler zu sein, sondern um besonders zu betonen, daß es im Verhältnis gar keine "so große Sache" gewesen ist (wo doch kurz zuvor über hundert Menschen in Bangladesch gestorben sind, wo sie unsere billige Kleidung zusammennähten).

Wie gesagt, Neutralität gibt es nicht, egal welchen Begriff man wählt, man entscheidet sich immer für einen Standpunkt. Katastrophe ist emotionaler, näher an dem, was auch die Hörer selbst sagen würden. Von daher: weitere Beispiele willkommen.
 
Natürlich ist es nicht einfach, wenn so ein Unglück wie in Titisee passiert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als die ersten Eilmeldungen von Winnenden und Fukushima im laufenden Programm in BAD vorgelesen wurden. Das ist auch eine Verantwortung, wenn man als Moderator da steht, eigentlich seine Sendung fahren möchte und dann erscheint auf dem Bildschirm plötzlich die Schlagzeile mit einem Amoklauf an einer Schule. Anfangs denkt man ja vielleicht noch, dass es bestimmt nicht so schlimm sein wird, bis sich dann mehr und mehr ein Bild des Grauens abzeichnet.
Und es ist macht für mich auch keinen Unterschied, ob es sich nun um Titisee, Winnenden, Eschede, 9/11 oder Fukushima handelt.

Es sind Menschenleben zu beklagen. Und es ist für mich ein Ding der Unmöglichkeit, wenn HIER in irgendeiner Weise tendenziell versucht wird, mit zweierlei Maß zu messen!

Wie wichtig oder schlimm ein solches Ereignis ist, kann jeder für sich selbst festlegen. Keine Frage. Einfach einschalten und wieder ausschalten.

Ganz nach belieben.


Da ist der Hörer klar im Vorteil..... im Vergleich zum Sender.
Die müssen schon genau abwägen wie lange sie ein Sonderprogramm machen. Und da hat man in BAD wirklich ein glückliches Händchen. Es fängt damit an, dass man die Musikauswahl entsprechend anpasst und auf Quatsch im Programm erst mal verzichtet. In DER Hinsicht gibt es nix zu meckern. Im Gegenteil, da darf man auch mal ein großes Lob aussprechen.
:thumbsup:
 
Gutes Beispiel, liebes Tempo.
Die scheibchenweise Nachlieferung gesicherter (!) Informationen ist immer noch besser als effekthascherisch voll auffahren und dann rapide nachlassen.

Was wäre hier im Forum los, wenn in einem Radiosender ein Amoklauf vermeldet wird, der sich hinterher als gar keiner herausstellt?
Liefert Informationen, wenn sie vertretbar sicher geliefert werden können. Lasst es, wenn es keine gibt.

Ich muss mal den Fall heraussuchen, wo ein paar Schüler während des Unterrichts ungewöhnlich erkrankten. Sorry, ich habs grad nicht im Archiv. Die erst eintreffenden Rettungskräfte reagierten unerwartet heftig und brachten den Verdacht auf einen exotischen Erreger ins Spiel; Spezialisten der nächsten Unikinik mussten anrücken. Daraufhin wurde von der Leitstelle der von @musicology erwähnte MANV-Alarm ausgelöst; eine Bekannte von mir musste deshalb von der Arbeit zum Einsatz spurten. Vorher kannte ich dieses Stichwort nämlich auch nicht.

Wenn in so einer Situation ein voreiliger Berichterstatter von einer Infektions-Katastrophe an einer Schule (was zu dem Zeitpunkt noch gar nicht feststand, aber man hatte mal die Alarmbereitschaft erhöht und Rettungsmittel auffahren lassen) schreibt oder spricht, ist im Landkreis der Teufel los, dann bekommst du das menschliche Fehlverhalten nicht mehr geregelt.
Das nenne ich die Verantwortung eines Medienschaffenden.

Im konkreten Fall handelte es sich übrigens um eine Allergie auf nicht heimische Insekten auf einem Baum der Schule oder etwas ähnliches. Von einer Infektion, gar einer exotischen, war plötzlich nicht mehr die Rede und die Behörden haben auch sehr schnell den Mantel des Schweigens darüber ausgebreitet. Im Katastrophenschutz meiner Bekannten ist das heute noch eine ziemliche Lachnummer; offiziell weiß ich das natürlich nicht. :cool:
 
Was wäre hier im Forum los, wenn in einem Radiosender ein Amoklauf vermeldet wird ...
Nunja, momentan herrscht ja, laut diverser Medien, WELTWEITE Trauer nach dem Amoklauf in Connecticut. Nun wird, erneut, darüber diskutiert ob die Lehrer in den Schulen künftig Waffen tragen dürfen sollen. Und natürlich die Killerspiele, die daran die Schuld daran tragen könnten - die bösen!
 
Und dann ist es wieder typisch für unsere Politiker, dass sofort eine Parallele zum Terrorismus gezogen werden muss. Denn schließlich sieht man anhand des Amoklaufes und zuvor am Bonner und Essener Bahnhof, dass die terroristischen Aktivitäten ja so ungemein hoch sind, dass Amokläufe und ähnliche Unglücke und Katastrophen nur durch ein engmaschigeres Netz vermieden werden können.

Was in dem von Dir verlinken Beitrag aber hervorragend deutlich wurde, BlueKO ist, dass viel mehr um die Presse (Bild & Co.) ansich ein engmaschigeres Netz der Überwachung gelegt werden sollte.
 
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