Ambivalenz bei RTL

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Radio_Mensch

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Hallo zusammen,

ich habe mich in den vergangenen Tagen nochmal etwas näher mit der Geschichte von RTL in Luxemburg und Deutschland beschäftigt.

Dabei sind mir die riesigen Unterschiede zwischen dem luxemburgischen, deutschen (und französischen) Programm aufgefallen, sowohl im Radio als auch im Fernsehen.

Wenn ich das luxemburgische RTL höre, höre ich ein musikalisch angenehmes Programm mit hohem informativem Wortanteil. Das steht im genauen Gegensatz zu den deutschen RTL-Programmen. In Frankreich ist der Info-Anteil bei RTL ebenfalls wesentlich höher.

Weshalb ist das so? Warum hat sich RTL in Deutschland in diese eher triviale (ich will fast sagen niveaulose, siehe 89.0 RTL) Richtung entwickelt und warum ist es in Luxemburg möglich, ein so hochwertiges Programm auf die Beine zu stellen?

Ich freue mich auf eine interessante Diskussion!
 
In Luxemburg gab es nie ein ö.R. Rundfunksystem. Das originäre RTL in Luxemburg bekam daher vom Großherzogtum den Versorgungsauftrag. Dieser Staatsvertrag sieht Mindestanforderung an Information, Kultur, Bildung und Unterhaltung im Rundfunkprogramm vor.
Anfang der 90er Jahre wurden neben RTL auch weitere, private Sender zugelassen. Diese Sender sind mit ihrem Programm allerdings frei, d.h. nicht durch einen Staatsvertrag gebunden.
Bei RTL France handelte es sich von Anfang an um einen Privatsender. In Frankreich haben sich die Hörgewohnheiten der Massen allerdings etwas vorteilhafter entwickelt als in Deutschland. Dort sind die sogennten Radio Généralistes nach wie vor beliebt, die ein Vollprogramm aus Kultur, Sport, Politik und Unterhaltung bieten. RTL France ist eine absolute Institution in Frankreich.
Das englische Programm hingegen war von Beginn an, ähnlich wie das ehemalige deutsche Programm, wie bis Anfang der 90er existierte, ein reines Unterhaltungsprogramm. Als in England den Seesendern der der Garaus gemacht wurde, die bei uns in Nordirland teilweise auch zu empfangen waren, schlug die große Stunde von RTL 208. Die spießig vermuffte BBC bot in den in dieser Zeit (Ende der 60er Jahre) Musik für junge Leute nur in kleinen Dosen an. So entwickelte sich RTL 208 zum absoluten Star. Als die BBC merkte, daß sie ihren Jüngsten Hörer an RTL verlor, stellten sie Radio 1 auf ein Unterhaltungs- und Musikformat um, so daß es ab den 80er Jahren mit RTL konkurrierte. Mit der Liberalisierung des britischen Rundfunks war dann auch das Schicksal des guten, alten RTL 208 besiegelt. Wer will schon eine fadende Mittelwelle hören, wenn es die gleiche Musik nun auf UKW gibt. Deshalb gab man die Unkosten verschlingende Mittelwelle 1991 auf. Nachdem das Satellitenradio gescheiter ist, stellte etwas später RTL das britische Programm ganz ein.
 
Muss dem keltischen Tiger zustimmen. Wer sich noch an das alte, klassische Radio Luxemburg erinnert, welches bis fast in die 1980er Jahre hinein in Deutschland viel gehört wurde (auch weil die ARD-sender ähnlich verschnarcht waren wie die der BBC auf den Inseln ihrer Majestät), der wird den Verfall zu dem auch beklagen, was sich heute so unter der Marke tummelt.

Und es hat auch mit dem Anspruch des Publikums zu tun. Der ist in Deutschland nun mal nicht all zu hoch.

Zu den angesprochenen radios périphériques in Frankreich gehört auch noch Europe 1 sowie Radio Monta Carlo, die auf Langwelle heute noch ganz Frankreich versorgen, aber inzwischen auch zahlreiche UKW-Frequenzen in Frankreich besitzen. Dazu gehört auch Radio Sud aus Andorra, das allerdings auf Mittelwelle sendete und nicht mehr auf Sendung ist.
 
Ich glaube nicht, dass Deutsche generell anspruchsloser sind als Franzosen. Das Angebot bestimmt auch die Nachfrage.
 
Als in England den Seesendern der der Garaus gemacht wurde, die bei uns in Nordirland teilweise auch zu empfangen waren, schlug die große Stunde von RTL 208. Die spießig vermuffte BBC bot in den in dieser Zeit (Ende der 60er Jahre) Musik für junge Leute nur in kleinen Dosen an. So entwickelte sich RTL 208 zum absoluten Star. Als die BBC merkte, daß sie ihren Jüngsten Hörer an RTL verlor, stellten sie Radio 1 auf ein Unterhaltungs- und Musikformat um, so daß es ab den 80er Jahren mit RTL konkurrierte.

Da Roger nicht mehr unter uns ist, muß ich hier wohl korrigierend intervenieren ;) BBC Radio 1 stellte direkt nach dem Ende der Seesender 1968 auf Popwelle um, u.a. mit den Protagonisten der Offshoreszene wie Tony Blackburn, der den Sender eröffnete. Also nicht erst in den 80s.
Luxembourg 208 war abends aber sicherlich bis weit in die 80s hinein eine große Konkurrenz.
 
Ich nehme an, die Unterschiede in den RTL-Programmen sind teilweise durch die technische Reichweite bedingt. In Frankreich wird das ganze Land terrestrisch versorgt (und in Spanien mit Onda Cero auch). Das ist für den wirtschaftlichen Betrieb eines journalistisch ambitionierten Programms sicher ein Vorteil gegenüber der Situation in Deutschland, wo bestenfalls zwei oder drei Bundesländer erreicht werden.

Und vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass die deutschen Privatradios erst entstanden sind, als das Fernsehen schon fest etabliert war??
 
@ Ralle & Kramer:

Danke für die Einwände :)
Das Gleichwellennetz auf der 1214 über die Radio 1 in den 70ern verbreitet wurde, teilte sich die Frequenz mit Radio 2, so daß zeitweise auch ein langweiliges Schnarchprogramm dort lief. Später zog Radio 1 auf die 1053 und 1089 um.
Die starke(n) Mittelwelle(n) war(en) übrigens im Herbst und Winter sogar tagsüber am Niederrhein zu empfangen.
Heute sendet auf der 1215 kHz Absolute Radio, der Nachfolger von "Virgin 1215". Während der Nachtsstunden ist es hin und wieder eine erträgliche Abwechslung zur NWDR II-Nacht.
Auf 1053 und 1089 kHz (ebenfalls Gleichwellennetze) sendet nun Talksport.
 
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