Wer benutzt Headsets? Welche?

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divy

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Hallo!

Vor gar nicht all zu langer Zeit waren Headsets ja groß in Mode, ich kannte einen Nachrichtenkanal, in dem die Moderatoren damit zu regelrechten Gymnastikübungen in der Lage waren, vor dem Pult hin- und herliefen, mal in die Knie gingen etc.. Offenbar gibt es also auch Sprecherzieher, die empfehlen, Moderationen mit ausgeprägten Körperbewegungen zu unterstützen.

Jetzt scheint diese Welle wieder vorbei zu sein. Allerhöchstens sehe ich noch im Fernsehen Moderatoren mit diesen hässlichen Pickeln an der Backe. Ich muss aber sagen, dass mich beim Kollegengespräch das starre Studiomikro schon etwas nervt. Sind bei Euch noch Headsets im Einsatz? Welche?
 
In meiner Umgebung konnten sie in der Studioumgebung glücklicherweise abgeschafft werden und kommen nur noch zu besonderen Einsätzen auf den Kopf ("fliegende" Übertragung aus einem ruhigen Pressezentrum oder wenn die Produktion besondere Bewegungsfreiheit erfordert). Genutzt wurden/werden hauptsächlich Beyerdynamik DT 297 PV (Niere), das ist tatsächlich gar nicht so schlecht und wäre meine Empfehlung, wenn die Situation ein Headset erfordert.
Auch vorhanden: Beyerdynamik DT 291 PV und Sennheiser HME 25 (Kugeln). Bei den dynamischen HMD-Headsets von Sennheiser war ich über den Frequenzgang des Mikrofons immer enttäuscht.
Ein dynamisches MD 441 an einem ordentlichen Vorverstärker klingt allerdings schon deutlich natürlicher und ermöglicht bessere Gestltungsmöglichkeiten (Nahbesprechung etc.).

Die Headsets der Festinstallationen wurden gegen Neumann Großmembrankondensatoren oder - je nach Raum - teils auch gegen Neumann KMS 105 getauscht.

In besonders lauter Umgebung (Pressesaal etc.) macht anstelle eines Headsets das gute alte MD421 bei uns eine hervorragende Figur, gerne auch vom Stativ genommen und in der Hand gehalten.
 
Ich bin nach wie vor Headset-Freund, weil die Vorteile (große Bewegungsfreiheit, kein eingeschränktes Blickfeld, stets gleichbleibender Sound wg. starrer Mundabstand) etc. m. E. deutlich größer sind, als die Nachteile. Natürlich ist es am besten, wenn man die Möglichkeit hat, zum Normalmikro zu wechseln, wenn mal wirklich ein besserer Sound benötigt wird. Das ist aber selten, weil es für mich im Radio immer auf gute Sprachverständlichkeit ankommt und weniger auf coolen Sound. Gerade bei Call-Ins mit vielen Hörern als Selbstfahrer sind Headsets für mich nach wie vor erste Wahl.
 
Dem Iggrlauben, Headsets lieferten eine ähnlich gute Sprachverständlichkeit wie Studiomikrofone muß mal ein Ende bereitet werden.
Fakt ist: ein Headset ist per Konstruktion aufgrund der möglichen Größe des Mikrofonkapselträgers und des nur mäßig variabel wählbaren Abstands zur Schallquelle immer ein Kompromiss. Da man am Schwanenhals keinen "Riesenoschi" befestigen kann und ihn auch kaum in eine optimale Besprechposition biegen kann entstehen folgende Nachteile:

- bei Nieren kann keine optimale Richtwirkung erzielt werden, da das gesamte Mikrofon zu groß würde, ergo hat man nur eine reduzierte Dämpfung des ungewollt von der Seite einfallenden Schalls.
- Bei den angenehm kleinen Kugeln wird der Raumanteil natürlich gar nicht gedämpft.
- Der Besprechungsabstand ist immer ein Kompromiss und begünstigt die Aufnahme von Speichelfluss und Atemgeräuschen. Ein optimaler Einsprechwinkel ist bei Nieren so gut wie nie einstellbar (oder man muß schon eine ganz besondere Kopfform haben).
- Das meist recht massive Kabel (3 Adern hören, 2 sprechen und Abschirmung) kann mechanische Geräusche auf das Mikrofon übertragen.
- Je nach Sprecher kann kein ausreichender Ploppschutz montiert werden (zu groß), eine elektronische Enzterrung vermindert Sprachverständlichkeit und Klang.
- S-Laute werden aufgrund eines ungünstigen Einsprechwinkels und des nahen Mikrofonabstands hervorgehoben und vermindern die Sprachverständlichkeit und Ästhetik ("die / der lispelt ja!").

Ein vernünftig positioniertes Studiomikrofon (kein Electrovoice RE20, kein Rode Procaster) liefert immer eine bessere Sprachverständlichkeit und einen besseren Klang, da sich die oben genannten konstruktionsbedingten Nachteile hier einfach ausmerzen lassen. Ein "teures" TLM 103 wird nicht zum Selbstzweck angeschafft oder weil es cool aussieht (wir machen kein Fernsehen!), sondern weil mit den günstigeren Headsets (siehe Liste in #2) meist kein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen ist. Ploppen, Zischlaute durch Sibilance, zu großer Raumanteil, seltsame Sprungantworten der Kapsel, je nach Besprechendem waren das alles größere oder kleinere Probleme. Headsets kommen nicht 'umsonst' aus der Mode. Ja, die Messlatte an das Audiosignal liegt hoch, aber deshalb machen wir Radio und drucken die Beiträge nicht in der Zeitung ab.

Wofür die angebliche, tatsächlich aber nur eine Kabellänge reichende Bewegungsfreiheit gut sein soll erschließt sich mir auch nicht. Gerade der Selbstfahrer hat doch wenig Spielraum, wenn der Studiobau einigermaßen taugt und man nicht ständig den Kopf drehen muß. Sendeablaufsteuerung, Pegelmesser (!), Telefonanlage, Uhren, die betreffenden Funktionen des Mischpults etc. sind doch so positioniert, dass man den Kopf nicht groß wegdrehen muß.
Ausnahmen sind natürlich die Sendungen, die gleichzeitig im Fernsehen übertragen werden wie z. B. Domian. Ein für den Raum passendes Mikrofon würde hier die Sicht versperren und ein auf ihn gerichtetes Richtrohr zu viel Raumanteil mit aufnehmen. Wer im Studio unbedingt zappeln will sollte sich überlegen, ob Radio das Richtige ist oder ob man nicht lieber Pantomime geworden wäre.

Über die Aussage über "gute Sprachverständlichkeit" und "coolen Sound" und ob das nicht doch irgendwie zusammenhängt lasse ich andere Urteilen.
Üblicherweise leidet die Sprachverständlichkeit gerade bei vielen AC-Wellen unter dem brutalen und musikorientieren Processing. Ganz abschreckend bei Radio NRW, da klingt jede Station anders kaputt.
 
Danke @Ralle_Köln für den informativen Beitrag.

Ich verwende das beyerdynamik DT 291 da ich auch von Schallplatte spiele und die Plattenspieler rechts von mir auf dem Pult stehen.
Ich habe zwar Faderstart für die Plattenspieler kontrolliere aber immer wieder mit einem Blick zur Seite.
Und mich stört beim Studiomikrofon meine starre Körperhaltung bei der Moderation. Ich bin da permanent angespannt und kann nicht locker moderieren.

...Wer im Studio unbedingt zappeln will sollte sich überlegen, ob Radio das Richtige ist oder ob man nicht lieber Pantomime geworden wäre....

Im normalen Alltags-Gespräch mit meinem Gegenüber bewege ich mich ja auch und gestikuliere, das hat nichts mit zappeln zu tun.
Das ist aus meiner Sicht auch nötig um lebendig zu sprechen.
Darum nutze ich lieber das Headset.

Die Qualität eines Studiomikrofons ist besser, da stimme ich dir zu.
 
Sagt meine Frau auch.

Hat sie dir das Warum auch erklärt?

Es gibt in gesprochenen Inhalten eine Information, die der Hörer nur selten bewusst wahrnimmt: Impuls. Rein physikalisch betrachtet ist der Impuls eine vektorielle Größe. Er hat also einen Wert (m*v) und eine Richtung. Akustisch macht sich das über das Schalldruck, also (teilweise winzige) Pegeldifferenzen, in Beschleunigungsmomenten auch über Laufzeit- und Dopplereffekte bemerkbar. Betragsmäßig alles winzig klein und in Echtzeit praktisch kaum messbar, aber doch vorhanden.

Insofern wir beim Sprechen durch (körperliche) Aktion durchaus auch Impulsivität vermitteln, also nicht nur, indem wir die Stimme modulieren, ist es sinnvoll, diese Information zu erhalten und zu übertragen. Sonst hätten wir uns in der Sprecherziehung auch die entsprechenden Übungen zu Raumbezug, Ansprechhaltung, Atem- und Körperwurf etc. schenken können.

Ein hochwertiges Mikrofon, das "fest" montiert ist, nimmt diese Information mit auf und dem Hörer wird, egal wie sehr ihm das bewusst wird, vermittelt: 'Aha, da agiert jemand!'
Mit einem Headset und somit einem Mikrofon, dessen Abstand immer gleich bleibt, wird eine
starre Körperhaltung
sozusagen schon von vorn herein simuliert, indem Impulsivität nur noch über Phonation und Artiklutation möglich werden und Raum- sowie Hörerbezug sehr viel schwieriger zu realisieren sind.

Ich persönlich finde es angenehmer, ein Mikrofon als "virtuellen Hörer" vor mir zu haben, das bzw. den ich ansprechen, vor dem ich notfalls auch mal "hampeln" kann. Es ist eben immer vorn, also dort, wo der Impuls auch hin muss.
 
Wenn man es von Mikroseite her edel möchte, dann gibt es soetwas hier:
http://www.schoeps.de/de/products/hs
Kenne die aktuellste Variante nicht, anfangs konnte es knarrende Geräusche von der Mikroarmbefestigung geben.
Neben den schon gemachten Anmerkungen zum Thema Psychoakustik habe ich noch eine weitere Überlegung zum Thema. Man sollte bei dieser nun wirklich nicht optimalen Mikroposition nicht außer Acht lassen, dass sich jegliche Form von Kompression ggf. negativ auswirken kann, da man Störungen wie Mund- und Atemgeraeusche im Verhältnis zum Nutzsignal anhebt, was alles andere als natürlich klingt.
Allerdings gibt es natürlich Anwendungen, z.B. Sportkommentator im Stadion, bei denen man am Headset evtl. nicht vorbei kommt.
Beste Grüße
 
:oops:
- S-Laute werden aufgrund eines ungünstigen Einsprechwinkels und des nahen Mikrofonabstands hervorgehoben und vermindern die Sprachverständlichkeit und Ästhetik ("die / der lispelt ja!").
Hallo @Ralle,

ich hab' bei diesem Satz ein Verständnisproblem. Kannst Du dazu noch eine Erläuterung beitragen?
Gruß, TB
 
...Ich persönlich finde es angenehmer, ein Mikrofon als "virtuellen Hörer" vor mir zu haben, das bzw. den ich ansprechen, vor dem ich notfalls auch mal "hampeln" kann. Es ist eben immer vorn, also dort, wo der Impuls auch hin muss.

Wenn du das kannst ist das ok. Die Gefahr ist das man seinem Hörer/in ins Ohr "schreit".

Ich habe ein Bild über mein Mischpult geklebt, in einem Abstand den ich zu meinem Gegenüber bei einem Gespräch habe. Ich spreche also wie zu einem Freund.
Den Tip habe ich aus einem Radiobuch.

Nur so nebenbei: Zur Zeit hängt da Iris Berben. :censored:
 
Hallo B77,
:oops:
ich hab' bei diesem Satz ein Verständnisproblem. Kannst Du dazu noch eine Erläuterung beitragen?
Gruß, TB
Ich habe das aus meiner Erfahrung mit unterschiedlichen Sprechern in unterschiedlichen Aufnahmesituationen (Headset / Großmembrankondensator / dynamischer Wandler) geschrieben. Hier mein Erklärungsversuch für das Auftreten scharfer und zischender S-Laute bei Headsets. Experimentiert und gemessen habe ich diebezüglich besher nichts, lediglich gehört und in der Produktion mit der Kapselposition experimentiert, wenn das Headset unabdingbar war.
Sprechen Personen, die zu diesem "scharfen S" tendieren, formen sie dabei einen gewissen engen Kanal mit der Zunge, der zu einem recht starken Luftstrom führt. Dieser regt die sehr nah besprochene Kapsel des Headsets so an, dass die Membran bei diesem Laut unnatürlich weit ausgelenkt wird. Bei Konstruktionen mit Laufzeitglied ist die Positionierung des Mikrofons besonders heikel, vulgo: "wieviel von dem starken Lusftstrom strömt da wo rein und wie gegen die Membran".
Die scharfe und teils verzerrte Wiedergabe der S-Laute wird dann vom Hörer als "lispeln" interpretiert, erst recht nach Malträtierung durch diverse Kompressoren, Exciter, EQs etc. im jeweiligen Summenprozessing.
 
Ja, sehr gut erklärt. Das ist auch unsere Erfahrung, speziell was die Maltraitierung des Signals mit diversen Zusatzapparaten anbelangt. Bei der Benutzung eines Beyer-291 PV mit wenig Soundprocessing finde ich es aber immer noch erträglich. Man kann nicht einfach in ein normales Mikro sprechen und dabei einen seitlich stehenden Schallplattenspieler einstellen, ohne dass der Sound dabei etwas seltsam wird. Geht zwar trotzdem irgendwie alles, aber mit dem Headset merken die Hörer gar nix.
 
@Guess Who: Ich beantrage für die Spammer in den Threads den "Tremor-Thread". Wer zum Thema nichts beizutragen hat und seine Hände nicht still halten kann schreibt da rein.
 
Dem Iggrlauben, Headsets lieferten eine ähnlich gute Sprachverständlichkeit wie Studiomikrofone muß mal ein Ende bereitet werden.
Benutzen eigentlich Auslandskorrespondenten auch so'ne Dinger für ihre Kommentare?

Die ZDF-Korrespondentin Stephanie Gargosch liefert anscheinend immer Sprachmüll ab. Zuletzt vorgestern erst in der 3sat-Kulturzeit und abends im ZDF-Heute-Journal aus Katar.

Oder gilt solches auch für Kragenmikros?
 
Benutzen eigentlich Auslandskorrespondenten auch so'ne Dinger für ihre Kommentare?
Das ist unterschiedlich und hängt davon ab, welche Anstalt (und dann teilweise sogar welche Techniker) für das jeweilige Auslandsstudio zuständig ist.

Die ZDF-Korrespondentin Stephanie Gargosch liefert anscheinend immer Sprachmüll ab. Zuletzt vorgestern erst in der 3sat-Kulturzeit und abends im ZDF-Heute-Journal aus Katar.
Oder gilt solches auch für Kragenmikros?
Anstecker sind natürlich auch immer ein Kompromiss, bei dem das Mikro möglichst unsichtbar sein soll. Der Besprechungsabstand und der Einsprechwinkel sind alles andere als optimal, "schabende" Kleidung wird auch mit übertragen, da kann man als Tonmann bei Livesendungen manchmal gar nichat anders als fluchen und so gut es geht gegenfiltern.

Bei der Tagesschau sind deshalb auch zwei Kleinmembrankondensatorkapseln elastisch am Tisch montiert.
 
So sieht's inzwischen bei der Frankfurter Börse aus:

Während Valerie Haller weiter ein vernünftiges Mikro benutzt,
was weder ihre angenehme Erscheinung noch ihre Kompetenz mindert,

ValerieHaller.jpg

glaubt Anja Kohl neuerdings mit als Pickel getarntem Backenmikro posieren zu müssen,

AnjaKohl.jpg

was ihre sonst sehr deutliche Stimme unangenehm beeinträchtigt.

Wie so oft siegt die Eitelkeit und das eigentliche Ziel, die akustische Information, wird der Optik untergeordnet.
Das selbe Dilemma wie im Bundestag: Architekten gegen Sprachverständlichkeit.

Eine Scheich-Entwicklung ist das.
 
Zuletzt bearbeitet:
Optik? Dieses Ding sieht aus wie ein Pickel oder sogar ein Furunkel an der Backe. Alles andere als optisch ansprechend. Das Hässlichste seit es Mikrofone gibt.
 
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