Politik inzwischen desinteressiert?

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Wir erinnern uns: Unter Kohl bekam der öffentlich-rechtliche Rundfunk private Konkurrenz, die Opposition hat die Einführung des Privatfunks heftig bekämpft. Es gab Programmauflagen, Medienanstalten wurden zu deren Überwachung gegründet. Mittlerweile sind die Befürchtungen der Opposition sogar übertroffen worden. Die privaten Sender dienen einzig und allein der Gewinnmaximierung ihrer Besitzer. Der Erfüllung ihres publizistischen Auftragers kommen sie nicht mehr nach. Und die Politik schweigt. Warum?
 
Die Politik schweigt nicht. Aber sie stellt nicht (mehr) das System der Privaten in Frage, obwohl es alles andere als die erhoffte Vielfalt und Unabhängigkeit gebracht hat, stattdessen eine nie geahnte Nivellierung und Sinnentleerung.
Dazu schweigt die Politik. Stattdessen hat sie das Öffentlich-Rechtliche System als einen Anachronismus entdeckt, den es zu schleifen gilt. Vorerst mal nur durch Restriktionen bei der Gebührenfestlegung und immer dringlichere Aufforderungen zur Sparsamkeit. Das zielt auf Beifall in der von Zeitungen und Privatfunk angezettelten "Zwangsgebührendiskussion" und stürzt die Öffentlich-Rechtlichen in ein doppeltes Dilemma. Einerseits beteiligen sie sich durch glatte Selbstverleugnung ihres Auftrages an der Quotenhatz der Privaten und tun dies andererseits nicht etwa mit einem Gegenmodell, sondern indem sie die Privaten bis aufs niedrigste Niveau hinunter imitieren. So machen sie sich aber nicht unentbehrlich, sondern zunehmend lächerlich und weiter angreifbar. Die Politik fühlt sich bestätigt und stellt das System der Öffentlich-Rechtlichen zunehmend offensiv in Frage. Es hat ja bereits die ersten Landes-Ministerpräsidenten gegeben, die die Frage nach der Daseinsberechtigung gestellt haben.
Solange in den Funkhäusern der Öffentlich-Rechtlichen das fröhliche "Weiter so" die einzige Antwort ist, wird der Rückhalt durch die Politik hier weiter schrumpfen. Dann hat man sich das eigene Grab geschaufelt. Dieses Unheil hängt am Horizont, aber noch will es niemand von den Betroffenen wahrhaben.
 
Ich frage mich gerade: Auf was für einen publizistischen Auftrag beziehst du dich denn bitte? Den Grundversorgungsauftrag haben die öffentlich-rechtlichen Sender, während der Privatfunk mehr oder weniger einen Freifahrtschein vom Bundesverfassungsgericht bekommen hat. Frage doch lieber mal die Politik, was aus den öffentlich-rechtlichen Sender geworden ist, bei denen die Politiker schon ihre Tentakeln drin haben.
 
Der Erfüllung ihres publizistischen Auftragers kommen sie nicht mehr nach.
Publizistische Vielfalt finde ich im Printmedienbereich und im Internet.

Das Problem in Deutschland ist nicht, dass es nicht genügend anspruchsvolle Wortprogramme gibt, sondern dass die Unterhaltung im Rundfunk inzwischen ein Niveau erreicht hat, dass sich kaum mehr unterbieten lässt.
Ich erwarte nicht, im privaten Rundfunk über Sachthemen informiert zu werden. Dafür sind die öffentlich-rechtliche Programme zuständig. Jedoch möchte ich nicht ständig die gleichen Stücke aus einer 200-Titel-Rotation serviert bekommen und von dümmlichen Sketchen à la "Angie - die Queen von Berlin" genervt werden.
 
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Das war doch von Anfang an klar. Vor allem bei der Struktur im deutschen Hörfunkbereich war das abzusehen. Privatwirtschaftlich betriebener Rundfunk kann durchaus auch publizistisch leistungsfähig sein, siehe Frankreich (RTL, RMC, Europe1) siehe diverse Newsnetworks in den USA, siehe Spanien, siehe Italien, selbst in Ungarn (sofern sie noch senden dürfen). Nur in Deutschland sieht es da so mau aus. Da spielt freilich der leidige Rundfunkföderalismus (ich nenne es lieber veraltete Klenstaaterei) eine Rolle. Zum anderen freilich auch die Übermacht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der tlw. 2/3 der Übertragungskapazitäten besetzt und auch programmlich alle relevanten Felder.
Dass die Politik desinteressiert ist bezüglich privaten Rundfunks, ist zu begrüssen. Die Politik hat sich aus den Medien gänzlich herauszuhalten!!
 
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Also ich meine mich noch daran zu erinnern, dass es Vorgaben zum Wortanteil gab. Aber wie dem auch sei, wer hindert die Politik daran, heute eine Bestandsaufnahme des Privatfunks zu machen um festzustellen, ob er seinen Aufgaben noch nachkommt und am Ende die Lizenzauflagen zu präzisieren und mit Nachdruck durchzusetzen? Oder hat er tatsächlich, wie TS2010 schrieb, vom Bundesverfassungsgericht einen Freifahrtschein bekommen?
Bin ich sozusagen der einzige, der innerlich zusammenzuckt, wenn ein Musiker und seine krankheitsbedingten Skurilitäten bei SAT 1 medial ausgeschlachtet werden?
 
Also ich meine mich noch daran zu erinnern, dass es Vorgaben zum Wortanteil gab. Aber wie dem auch sei, wer hindert die Politik daran, heute eine Bestandsaufnahme des Privatfunks zu machen um festzustellen, ob er seinen Aufgaben noch nachkommt und am Ende die Lizenzauflagen zu präzisieren und mit Nachdruck durchzusetzen?
Die Programme werden doch aber nicht besser, indem man die privaten Hörfunksender zu einem höheren Wortanteil zwingt.

Am besten wäre es, die Politik hält sich, wie von Radiocat zu recht gefordert, so weit es geht aus den Inhalten heraus. Das einzige Zugeständnis, das ich machen würde, liegt in einer formatgebundenen Ausschreibung von UKW-Frequenzen und -Ketten, doch selbst das kann einen Veranstalter nicht daran hindern, bspw. bei einem Classic-Rock-Programm die Rotation nur auf allseits bekannte Stücke zu beschränken und diese rauf und runter zu dudeln.
Wie ich bereits mehrfach schrieb, liegt das Hauptproblem des privaten Rundfunks in Deutschland darin, dass von Anfang an in zahlreichen Bundesländern eine Konkurrenz unterschiedlicher privater Anbieter verhindert wurde.
Hinzu kamen sehr negative Rahmenbedingungen für kleinere Veranstalter: In Belgien und den meisten anderen europäischen Ländern konnten diese ihre Sendeanlagen in Eigenregie betreiben; in Deutschland hingegen waren sie gezwungen, die Sender der Bundespost, später dann der Telekom anzumieten. Erst seit diesem Jahr ist der Markt offiziell liberalisiert.

Wir sollten uns, denke ich, endgültig von der Vorstellung lösen, die Qualität eines Hörfunkprogramms würde sich ausschließlich am Gehalt der Wortbeiträge bemessen.
Ich empfehle Dir einen Blick auf folgenden YouTube-Channel: http://www.youtube.com/user/CaiforniaAircheck/videos - so geil kann Radio klingen!
Leider kommen deutschsprachige Programme da nicht ran.
 
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Warum sollte die Politik desinteressiert sein? Die Politik sitzt bei den Öffis überall dort, wo es etwas zu entscheiden gibt.

Mich würde mal interessieren, wie viele Wellenchefs, Hörfunkdirektoren, Intendanten und deren Stellvertreter NICHT Mitglied einer Partei sind, also NICHT mit einem SPD- oder CDU-Ticket Karriere gemacht haben.

Warum sollte ergo die Politik gegen die eigenen Leute schießen? Schönreden kann man schließlich alles, auch wenn es um öffentlich-rechtliche Frechheiten wie MDR Jump, NDR 2, etc. geht.

Und die Privaten? Auch da wäre es mal interessant zu wissen, welche Programmdirektoren und Geschäftsführer OHNE Parteibuch unterwegs sind. Ich denke, die Finger einer Hand reichen zum Mitzählen aus.
 
@Ansprechpartner: Das würde ich so nicht sagen. Gerade in Berlin gibt es einige sehr interessante Spartensender, z.B. 87.9 Star FM oder JazzRadio und selbst die größeren Anbieter müssen sich inhaltlich mehr ins Zeug legen als bspw. Radio NRW oder ffn.
 
Also hier im Ländle schweigt die Politik nicht, jedenfalls nicht die frühere Dauerregierungspartei. Vom damaligen CDU-Ministerpräsidenten Günther Oettinger² ist das Wort von den "Scheiß-Privatsendern" überliefert. Aber in der Regel gelten Privatsender für die Politik als Wirtschaftsfaktor (schließlich habe manche große sogar eine zweistellige Mitarbeiterzahl), und man übt sich mehr an den öffentlich-rechtlichen ab, die viel zu einseitig berichteten. Der Qualitätsbegriff für (öffentlich-rechtlichen) Rundfunk, den einige hier im Forum, mich eingeschlossen, verwenden, ist in der Politik genausowenig Konsens wie hier unter den Radiomachern - eher noch weniger: Wer an den Fleischtöpfen der Macht sitzt, wird durch einen flachformatierten Rundfunk (egal ob privat oder in öffentlicher Trägerschaft) bei weitem nicht so sehr bedroht, wie dies bei einem aufmüpfigen Medium der Fall sein könnte. Das letzte Mal, als es in der Politik einen allgemeinen medienpolitischen Aufschrei gab, war 2001, als ARD&ZDF erklärten, die Fußball-WM 2002 nicht übertragen zu wollen, weil die Forderungen von Leo Kirch (der die weltweiten Rechte daran fünf Jahre zuvor für 3,4 Milliarden Mark gekauft hatte) zu unverschämt waren - worauf die Politik reagierte und ARD&ZDF zwang, nachzuverhandeln, und für ein suboptimales Rechtepaket (nur einzelne Spiele am Mittag/Nachmittag live; keine Auszeichnungen am Abend) einen völlig überhöhten Preis von 750 Mio. Mark zahlen mussten.

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² außerdem war er Vorsitzender des Bundesfachausschusses Medienpolitik der CDU Deutschland von 1999 bis 2006 und Vorsitzender des medienpolitischen Expertenkreises der CDU Deutschland von 2006 bis 2010.
 
Dazu schweigt die Politik. Stattdessen hat sie das Öffentlich-Rechtliche System als einen Anachronismus entdeckt, den es zu schleifen gilt. Vorerst mal nur durch Restriktionen bei der Gebührenfestlegung und immer dringlichere Aufforderungen zur Sparsamkeit.
Wo siehst du das? Die Politik entdeckt das Oe/R-System immer noch als beste Abspielmaschine fuer ihre Phrasen, die Aufforderungen zur Sparsamkeit sind nichts als beschwichtigende Sonntagsreden, denen noch nie Taten gefolgt sind. Im Gegenteil: Die neue Rundfunkgebuehr ist quasi eine Steuer, von der Politik einfach so durchgewinkt.

Die Oeffentlich-Rechtlichen muessten viel mehr Angst vor der Politik haben, wenn sie wieder mehr das tun wuerden, wofuer sie eigentlich da waeren. Aber da sehe ich keine Gefahr.

Wenn man sich mit etwas Distanz, und die ist meinem Falle buchstaeblich, mal nach Wochen eine Tagesschau anguckt, denkt man oft (bis auf das millionenschwere moderne Design), es ist die Aktuelle Kamera.
 
Dass die Politiker in den ARD-Sendern sitzen weiß ich und davon halte ich auch überhaupt nichts. Aber das ist ein anderes Thema.

Was unsere kommerziellen Sender angeht, kommt an der Stelle die Politik ins Spiel, an der die Rahmenbedingungen definiert und durchgesetzt werden, innerhalb derer sich die Privatsender bewegen sollen. Sollen sie machen können, was sie wollen? Soll die Unterhaltung mehr sein, als ein paar einfältige Gags, simple Gewinnspiele und ein paar aktuelle Schlagzeilen? Sollen sie sich am aktuellen Diskurs beteiligen? An der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken?

Und was machen wir, wenn die definierten Mindeststandards am Markt nicht refinanzierbar sind? Vielleicht ist es ja auch an der Zeit festzustellen, dass der kommerzielle Rundfunk in Deutschland gescheitert ist. Dann könnte man ihn doch auch wieder abschaffen, oder?
 
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Die Medienaufsicht sollte garantieren, dass Standards eingehalten werden. Vorrangig in technischer Hinsicht (Sendeleistungen, Modulationshübe etc.), danach in handwerklicher Hinsicht (wird journalistisch sauber und ehrlich gearbeitet z.B.). Die Inhalte und die Gewichtung haben die Politik nicht die Bohne zu interessieren. Die Medien sollen die Politik kritisieren und korrigieren, ein Stück weit kontrollieren, indem sie Dinge öffentlich machen. Das können sie aber nicht oder nur eingeschränkt, wenn sie selbst von dem, was sie kontrollieren sollen, kontrolliert werden. Leuchtet eigentlich jedem Kind ein. Wird trotzdem anders gehandhabt. Eigentlich ein Skandal, wenn ihr mich fragt.
 
Das sehe ich ähnlich. Solange die Politik nicht die Finger von den Sendern - öffentlich-rechtlich wie privat - lässt, wird das nie was. Die Kontrolle sollte in beiden Fällen schon unabhängig sein.
Daher wundert es mich auch nicht, dass die wirklichen Skandäle nie von den elektronischen Medien aufgedeckt werden. Wie oft hört man im Radio, wie der Spiegel meldet...
 
In Berlin haben wir doch Konkurrenz. Aber dort sieht es ja nicht besser aus.
Das sehe ich anders. In Berlin haben wir mit insgesamt 70 Sendern über UKW/DAB+ nicht nur eine enorme Vielfalt an Musikspartenprogrammen, sondern mit Flux FM und Radio B2 immerhin auch zwei Vollprorgamme, die sich vor den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinesfalls verstecken müssen. Allein aufgrund des Überangebots an öffentlich-rechtlichen Wellen kann man aber von den privaten Rundfunksendern nicht verlangen, dass sie dem Grundversorgungsauftrag in jeder Hinsicht entsprechen – müssen sie auch gar nicht. Viel schwerwiegender ist es da schon, dass dies den öffentlich-rechtlichen Vollprogrammen selbst nicht mehr gelingt.

Und zum Punkt Gewinnmaximierung: In Berlin-Brandenburg gibt es einige Stationen, die gerade mal so den Break-even schaffen oder nicht einmal ansatzweise kostendeckend arbeiten. Wenn man mal von den Top 5 absieht, die durchschnittlich einen Kostendeckungsgrad von 150 % haben, sieht es in den Rängen dahinter schon ganz anders aus. Allein deswegen ist schon die "Gewinnmaximierung" geboten, weil überhaupt erst einmal ein Gewinn erzielt werden muss. Und auch dann ist der Gewinn nicht so groß, dass man damit inhaltlich große Sprünge machen kann.
 
Bei diesem traurigen Gesamtangebot (Masse statt Klasse; Verleger pumpen die bescheidenen Werbeeinnahmen aus 3-4 Ballungsraumsendern; kaum attraktive Alternativen) ist es kein Wunder, dass die Szene am Hungertuch nagt.
 
@TS2010
Nichts gegen die von Dir genannten Sender, nur zwischen 104.6 RTL und Flux FM klafft doch eine gewaltige programmliche Lücke. Weder der RBB, noch die Privaten schließen sie derzeit und bieten ein breit aufgestelltes, aktuelles Mainstreamangebot an. Also ein Hot AC mit 2.000 Titeln, deutlichem Informationsanteil und unterhaltende Elemente, bei deinen man sich nicht vor lauter Fremdschähmen in die Ecke verkriechen möchte.
 
@Grenzwelle
Zumindest die Ministerpräsidenten Beck, Öttinger und Stoiber haben in ihrer jeweiligen Amtszeit die Grundsatzfrage gestellt: Brauchen wir noch ein (dieses) Öffentlich-Rechtliches System? Das wurde nicht weiter verfolgt, aber der Keim ist gelegt, während mir nichts davon bekannt ist, dass irgendjemand aus der Politik die Privaten in Frage stellen würde.
 
Die Herren sind Geschichte, ob da noch mal was nachkommt? Aber es ist schon wahr: Zum desaströsen programmlichen Zustand der Kommerzfunker sagt noch nicht einmal die Opposition was. Merkwürdig oder?
 
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