Hier ein kleiner messtechnischer Nachklapp. Ich erspare mir und uns allen Erläuterungen zum Thema Truepeak- und Loudnessmessung nach R128, diese habe ich an anderer Stelle (
http://www.radioforen.de/index.php?posts/629018/) ausführlich schon geliefert und setze in diesem Forum die Kenntnis darüber voraus.
Freundlicherweise hat mir TB seinen Mitschnitt zur Verfügung gestellt. Wichtig ist hierbei erstmal, dass wir durch die Art der Wiedergabe und Aufzeichnung natürlich keine Aussagen über Bezugspegel mehr haben. Das wäre nur möglich, wenn die BBC im Rahmen der Ausstrahlung den üblichen Line Up Referenzpegelton von -18 dBfs zur Verfügung gestellt hätte. Ach wie war das doch schön, als es im TV noch Sendepausen mit verlässlichen Testsignalen gab...
In dem Mitschnitt liegen die höchsten Truepeakspitzen übrigens bei -5,2 dBfs, was uns ja aber nicht sagt, wie der tatsächliche Pegel in der Produktion aussah. Das Pegelbild der Aufzeichnung zeigt jedoch, dass offensichtlich keinerlei Brickwalllimiting wirkte. Auch das Pegelbild der Moderationsteile zeigt, dass offensichtlich auf jegliche Form der Einflussnahme mittels Kompression verzichtet wurde.
Somit bleiben also weiterhin nur, das Gehörte und eine messtechnische Interpretation auf Peaklevel- und Loudnessmetern. Gemessen habe ich innerhalb der DAW, wodurch eine weitere Beeinflussung durch zusätzliche Schnittstellen ausgeschlossen ist.
Was sagen die Peakmeter?
Die höchsten Truepeaks werden bei der Moderation über den Schlussapplaus erreicht, sie liegen über denen im Kanonenfinale! Allein das spricht schonmal für meine Vermutung, dass der Musikmix der Regie, die die Sendung mit Moderationen und Gesprächen gestaltet hat, in einer anderen Regie hergestellt wurde. Das ist ja auch durchaus üblich.
Was sagen die Loudnessmeter?
Die durchschnittliche Programmloudness der Moderation vor dem Konzertbeginn liegt bei -6LU (also -29LUFS), bildet aber natürlich für den Zuhörer die Referenz zur Einstellung der Abhörlautstärke!
Der sehr, sehr leise Beginn der Overtüre ergibt über die erste Minute gemessen eine Programmloudness von -28 LU.
Das sehr, sehr laute Ende der Overtüre ergibt über die vorletzte Minute eine Programmloudness von +2LU. In der letzten Minute sieht man am Pegelbild sehr deutlich, dass langsam über diese Zeit heruntergeregelt wird! Da hat Jemand (Mensch) oder etwas (Gerät) offensichtlich nicht verstanden, was sehr, sehr laut bedeutet.
Eine I Messung über die komplette Overtüre ergibt Folgendes: Programmloudness --2,7 LU, Momentary Max +5,9 LU, Short Time Max +4,8LU, Loudnessrange 24 LU, TruePeak Max -7,5 dBfs!!!
Die erste Minute der Schlussmoderation ergibt eine Programmloudness von +0,2LU und weist wie schon erwähnt höhere TP Level (-5,2 dBfs) auf, als das gesamte Musikstück! Das Pegelbild zeigt, dass der erwähnte Regelvorgang offensichtlich nur das Musiksignal betroffen hat.
Meine Schlussfolgerungen:
Wenn bei der BBC Radio tatsächlich schon nach R128 produziert wird, dann gibt es hier wie anderswo erhebliche Missverständnisse, die häufig durch zu wenig Fachkenntnis und Bereitschaft zu Neuem erklärbar sind. Denn loudnessbasierte Produktion bedeutet, gezielt nach Loudnesslevel zu produzieren, damit die gewählte Abhörlautstärke für das gesamte Programm funktioniert. Demnach müsste die Moderation im Verhältnis zum Musikstück wesentlich leiser sein, auch die Differenz von ungefähr 6LU zwischen den beiden Moderationsstellen ist überdenkenswert aber durchaus machbar. Allerdings ist die Schlussmoderation eben nur 2LU leiser, als das sehr, sehr, sehr laute Ende der Overtüre, woher die erwähnte Blende in der Musik sogar dazu führt, dass die Moderation höhere Loudnesswerte erreicht als das Ende der Musik. Das hört man ja auch, und es ist auf loudnessbasierte Produktion bezogen vollkommen falsch, denn diese soll ja gezielt laut und leise ermöglichen. Das Ende der Overtüre könnte also in der M Messung durchaus 10-15 LU lauter sein als die Moderationen. Wer will kann ja diesen Offset gern mal herstellen.
Wie schon in anderen Antworten deutlich geworden haben wir es im Musikstück, bis auf den Regelvorgang, mit Original- im Sinne von unbeeinflusster Dynamik zu tun. Ob man am Ende hier und da ein leichtes Pumpen hört sei mal offen gehalten. Der fragwürdige Loudnessverlauf inklusive der Moderationen spricht für falsch angewendete Loudnessmeter, sofern sie verwendet wurden. Fakt ist jedoch, dass das mir vorliegende Audiofile im WAV Format mit 16 Bit und 44,1 kHz selbst bei Stille ( True Peaks unterhalb von -60dBfs) und um mehr als 30 dB angehobenem Abhörlevel keine hörbaren Artefakte zeigen, die auf schlechte Digitalisierung schließen lassen! Das ist umso bemerkenswerter, da es sich ja um den Mitschnitt eines Internetaudiostreams handelt und wir gar nicht wissen, wieviele Wandlungsvorgänge und welchen Datenraten erfolgt sind. Ich habe das File übrigens auch nochmal auf 48k automatisiert verändern lassen, da das meine übliche Samplefrequenz ist. Das zeigt also, dass all das bei digitaler Übertragung machbar ist, vor allem wenn wir mal als Endprodukt den Stream oder auch den direkten, digitalen Empfang zum Beispiel über SAT annehmen. Bliebe noch die Frage, ob die BBC. Das auch derart über UKW ausstrahlt, aber das ist natürlich eine ganz andere Debatte.
Fazit: Digital machbar, Loudnessverlauf im Sinne der R128 und Durchhörbarkeit des Gesamtprogrammes fragwürdig.
Beste Grüße!