Warum kein Vollprogramm in Deutschland?

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Immer wieder stelle ich mir die Frage, warum es in Deutschland kein einziges Radio-Vollprogramm gibt, obwohl das eigentlich die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre.

Einen Sender, der fordert, aber nicht unterfordert oder überfordert. Einen Sender, den man durchaus nebenbei hören kann. Einen Sender, der generationenübergreifend wirklich „echte Abwechslung mit Ihrem Radio Nr. 1“ oder „den besten Mix“ bietet. Ein Sender, der Avicii spielt, der Fritz Kalkbrenner spielt, ja sogar Beethoven, Helene Fischer, Blasmusik, Alternative und Oldies.

Und dazu kompetente Information: Nachrichten, Talk, Magazin und Service, Wissen und Kultur. Tagsüber ins Programm eingestreut (durchaus länger als 2-minütige Beiträge), abends gerne auch konzentrierter – hier könnte man dann auch Spezialsendungen (egal ob Hintergrund, Talk, Feature, Hörspiele oder Musikspecials) ins Programm integrieren. Morgens, mittags und am Nachmittag ein Magazin mit längeren Wortbeiträgen. Wortbeiträge, die auch mal zum Nachdenken anregen, für Diskussionsstoff sorgen. Und dazu regionale Informationen, so wie sie zumindest ansatzweise auf WDR 2 gesendet werden.

Derzeit habe ich nur die Wahl zwischen Extremen: Informationsradios mit nur Wort (B5) oder „leichter Unterhaltungsmusik“ (DLF, WDR5) oder Dudelfunk mit kaum tiefgründiger Information. Sonderfälle wie mich, die gerne mal eine informative Sendung oder ausführlichere Nachrichten mit Hintergründen, aber dabei auch einen aktuellen Hit hören möchten, scheint es nicht zu geben. Leute, die auch mal E-Musik zwischendurch hören möchten, ebenfalls nicht.

Ich hätte keine Lust, den ganzen Tag BIG FM zu hören – auch nicht Deutschlandfunk, SWR4 oder BR Klassik. Aber eine ausgewogene Mischung wäre doch eine tolle Sache? Wobei ich damit auch nicht eine bloße Aneinanderreihung von Charts, Klassik und Schlagern meine – wichtig ist natürlich eine zielgerichtete Heranführung an die unterschiedliche Musik, so dass man dem Bildungsauftrag gerecht wird – und vielleicht den einen oder anderen (jungen und älteren) Menschen an eine musikalische Vielfalt heranführen kann.

Wer Enrico Ostendorf nonstop hören möchte, kann und wird das im Internet tun. Wer eine spezielle Vorliebe für eine bestimmte Musikrichtung hat, wird sich auch im Internet bedienen. Deshalb sehe ich keinen Sinn in Hot-Rotation-Sendern oder Spartenprogrammen für bestimmte Musikrichtungen.

Meiner Meinung nach sollte jede Rundfunkanstalt ein Vollprogramm – eventuell sogar werbefrei – bieten, ein kommerziell und auf die MA ausgerichtetes Begleitprogramm mit Charts und Co. kann natürlich weiter betrieben werden. Zum Beispiel WDR2/1LIVE, SWR1/SWR3, Bayern2/Bayern3, HR1/HR3, NDR2/NJOY usw. Außerdem hätten die LRAs immer noch ihre Spartenprogramme für die jüngere und ältere Zielgruppe, für Kultur und Nachrichten.
 
Gibt es denn einen solchen Sender irgendwo im Ausland!? Ein Programm, wie du das hier vorschlägst, sorgt eigentlich nur für jede Menge Abschaltimpulse.
 
So ein Programm hat kein Erfolg in Deutschland. Die meisten Leute wollen halt Dudelfunk. Deutschlandradio Kultur hatte glaube ich in den Anfangsjahren alles Querbeet gespielt von Pop bis Klassik
 
Zielgruppe = Alle? Funktioniert nicht mehr. Siehe: Kaufhäuser.

Funktioniert früher nur weil es nichts anderes gab. Ältere werden sich noch an den Begriff "Katzenmusik" erinnern den die Eltern gerne verwendeten wenn irgendwas aus der Zeit von und nach den Beatles im Radio lief: "Schalt die Katzenmusik ab!" Dann war das Radio aus.
 
Ich kann mir nicht vorstellen das so ein Gemischtwaren-Radio überhaupt noch funktioniert. Von so was ist man doch schon in die 70er immer mehr weg mit der Gründung von SWF3, Bayern3 und Co.
 
Ich bin anderer Meinung. Gerade das Gemischtwaren-Radio könnte funktionieren. Es muss sich nur frei von kommerziellen Erwartungen machen (das ginge ja beim öffentlich-rechtlichen Grundgedanken), es dürfte sich nicht von MA-Zahlen hetzen lassen, und es müsste mit Geduld und Selbstvertrauen ans Werk, denn es würde natürlich nicht gleich mit dem Sendestart eiunschlagen wie eine Bombe. Vermutlich würde es einige Jahre dauern, bis es mit einem soliden, kompetenten, abwechslungsreichen und überraschenden Programm wachsenden Zulauf und Relevanz bekäme.
 
Wenn unter "Vollprogramm" eine größtmögliche Vielfalt von Programmfarben innerhalb eines Programms verstanden wird, so ist vermutlich Bayern 2 das Maß aller Dinge. Eine Ansammlung von diversen Programmformaten innerhalb eines Programms ergibt allerdings qua Definition ein Einschaltprogramm, kein Tagesbegleitprogramm. Meine Verständnis eines "klassischen" Vollprogramms ist mehr das eines Programms, dass ungefähr auf halber Strecke zwischen Einschalt- und Begleitprogramm liegt. Die hermetische Aufteilung in strenge E-Programme auf der einen und dümmliche U-Programme auf der anderen Seite mit kaum einem Angebot dazwischen ist seit den 90ern eine Besonderheit der Radiolandschaft in Deutschland. Allerdings hat sich hier in den letzten Jahren doch spürbar etwas bewegt.

Es wurde ja schon erwähnt, auch bei den letzten ähnlichen Diskussionen zu diesem Thema - Deutschlandradio Kultur kommt seit der Reform letztes Jahr einem klassischen "Vollprogramm" eigentlich recht nahe. Bei den Landesrundfunkanstalten ist dagegen seit dem Ende von SDR 1 1998 und der hr1-Reform 2000 das Format "Vollprogramm" im Prinzip ausgestorben. Allerdings gibt es die Tendenz bei mehreren Anstalten, die Kulturprogramme im Tagesprogramm zu öffnen und stärker als Tagesbegleitmedium zu konzipieren - mit durchaus unterschiedlicher Strategie. Die fallen dann zumindest formal in die Definition (Begleitprogramm am Tag, Formatvielfalt am Abend), sind aber wegen des Fokus auf kulturelle ("elitärere") Themen keine Vollprogramme im üblichen Sinne.
 
Postings ohne korrekte Grammatik haben keinEN Erfolg bei mir! :D
Der Erfolg von Programmen wie RTL und France Inter in Frankreich, BBC Radio 2 in UK oder RNE 3 in Spanien sprechen dagegen. "Der Deutsche" ist da nicht grundlegend anders und er ist auch nicht von Geburt an Dudelfunk-sozialisiert. Jenen gibt es in allen anderen Ländern ebenfalls und auch dort ist er erfolgreich. Es gibt aber eben auch Alternativen. Das einzige Problem eines Vollprogramms: Es ist teuer und die Zielgruppe ist sehr heterogen. Daher ist es nicht ganz leicht zu vermarkten. Für einen öffentlich-rechtlichen Anbieter sollte das aber kein Hindernis sein.
Ein sehr gutes Vollprogramm war für mich übrigens das alte HR1! Mit den Magazinsendungen tagsüber, der Wortschiene am frühen Abend und den anspruchsvollen Musiksendungen am Abend! HR1 wurde ohne jede Not zu einem Wellnessprogramm für Frauen in den Wechseljahren umformatiert. Shame on you, hässlicher Schundfunk!
 
Ein Vollprogramm -wie von Dir beschrieben- funktioniert nur in wettbewerbsfreien Zonen. Apropos Zone, im Osten hat es stellenweise funktioniert: wer LPs bei "Duett" mitschneiden wollte, pickte sich die Sendung heraus aus dem FDJ-Programm.
In Berlin haben wir ambitionierte Programme wie Radio Eins und Flux, auf die man stolz sein kann. Wie Flux es schafft, (mit wenig Geld) so ein Programm zu stemmen, ist eine andere Frage.
BÄRlin ist eben nicht Braunlage.
 
Wie gesagt, einen reinen Gemischtwaren-Sender kann ich mir nicht vorstellen. Aber was ich mir vorstellen könnte das man gerade bei den ÖR-Popwellen diese strikte Formatierung aufbricht und mit den Programmformat wieder mehr in Richtung 80er und 90er geht (damit ist nicht die Musik gemeint). Mehr Magazincharakter so wie es Radiocat vorschlägt, auch mehr Spezialsendungen. Ich kann mich noch erinnern (ich nehme jetzt Antenne Bayern als Beispiel) da gab es die verschiedensten Sendungen, sei es eine Sportsendung, sei es eine Oldie-Sendung, sei es ein Kinomagazin, sei es eine Spielshow Sendung wie der Vereinsbayer damals, sei es Talk-Sendungen oder die Sendung für den Fernfahrer. Es gab also auch innerhalb des Formates ein buntes allerlei im Programm.

Das es so was bei den Privaten nicht mehr geben wird ist klar, aber warum nicht bei den ÖR? Gerade die hätten doch das Geld und auch das Personal und Potenzial aus diese strikte Formatierung auszubrechen.
 
Ich denke, dass es ein Radio-Vollprogramm heute nicht mehr notwendig ist und in großen Bereichen von Deutschland auch nicht funktionieren würde. Bei der großen Anzahl der Radioprogramme wechselt man je nach Stimmungslage einfach in das entsprechende Programm. Kulturelle und informationsgeladene Informationen bekommt man beispielsweise bei DLF, DLR und SWR info. Stehe ich morgens auf wird kurz SWR3 gehört (ja eine Dudelwelle) und den Rest der Radiohörzeit höre ich je nach Stimmung DRadio Wissen, egofm, ssl, lounge.fm, die neue Welle oder Bob!
Nimmt man jetzt noch Spezialsendungen dazu, hat man doch eigentlich sein Radio-Vollprogramm ohne große Festlegungen auf die Zeiten.

Ein Vollprogramm -wie von Dir beschrieben- funktioniert nur in wettbewerbsfreien Zonen. Apropos Zone, im Osten hat es stellenweise funktioniert: wer LPs bei "Duett" mitschneiden wollte, pickte sich die Sendung heraus aus dem FDJ-Programm.
In Berlin haben wir ambitionierte Programme wie Radio Eins und Flux, auf die man stolz sein kann. Wie Flux es schafft, (mit wenig Geld) so ein Programm zu stemmen, ist eine andere Frage.
BÄRlin ist eben nicht Braunlage.

So schlimm ist Braunlage ja nun auch nicht. Die Auswahl wird doch auch dort künftig schon recht ordentlich sein...
 
Ein Vollprogramm -wie von Dir beschrieben- funktioniert nur in wettbewerbsfreien Zonen.
Ach so, die von mir aufgeführten Vergleiche spielen in wettbewerbsfreien Zonen. Ich vergaß, in Frankreich, Spanien, Großbritannien (ich könnte auch Schweden nennen - SR P3 ist auch ein Gemischtwarenladen) herrscht ja eine regelrechte Radiowüste, dagegen steppt in NRW ja der Bär im Band. :wow:
 
Gibt es denn einen solchen Sender irgendwo im Ausland!? Ein Programm, wie du das hier vorschlägst, sorgt eigentlich nur für jede Menge Abschaltimpulse.

Im Gegenteil, es generiert jede Menge Einschaltimpulse, weil es sich eben nicht als Hintergrundberieselung eignet, sondern man sich ganz gezielt Sendungen zum HINhören aussuchen kann, und diesen dann aber auch wieder ganz anders, nämlich aufmerksam, folgt.

Aber solange 10000 Ohren, die auf Durchzug geschaltet sind, mehr wert sind, als 1000 Ohren, die aktiv zuhören, wird sich bei uns nichts ändern.
 
Bezüglich der Vollprogramme im Ausland könnte man vielleicht noch Radio SRF 1 in der Schweiz nennen: wenn nicht in der Musikauswahl (die Brandbreite von Avicii bis Beethoven fände ich auch etwas übertrieben - wenn so gar nicht nach Tageszeit bzw. Sendung entschieden würde), dann zumindest im Wortangebot. Dank der starken UKW-Frequenzen bleibe ich auch als Überhauptnichtschweizer dort immer mal wieder hängen!

Von den ehemaligen Vollprogrammen hierzulande gefiel mir SDR 1 gerade in seinen letzten Jahren immer noch ein kleines Stück besser als hr1, da "Das Herz des Südens" nach meinem Dafürhalten bei den Wortsendungen noch etwas vielfältiger aufgestellt war und auch im Unterhaltungsbereich mehr passierte. Mein Eindruck zumindest...
 
@Redakteur und @Mannis Fan: Zumal bei SRF1 eben die Musikwünsche der Hörer ins Tagesprogramm mit aufgenommen werden. Das ist durchaus möglich weil mehrfach die Woche Wunschsendungen laufen und damit ziemlich genau ermittelt werden kann, was die Hörer des Senders tatsächlich hören wollen.

Sehr oft werden dort Titel aus den 80ern gewünscht - nur interessanter Weise so gut wie keine die hier im deutschen Radio rauf und runter gedudelt werden. Zwischendurch sind auch (etwas) aktuellere Titel dabei. Aber die Tage an denen ich bisher zuhörte (zuletzt vergangenes WE) lief zum Beispiel kein einziges Mal Helene Fischer.
Der musikalische Schwerpunkt liegt bei SRF1 bei den 80ern und 90ern, wobei Ausreißer in die 60er und 70er, sowie in die 2000er durchaus "erlaubt" sind. Auf den Wortanteil und die deutliche Aussprache - zumindest über den Sender Zh - des Programmes wird SEHR großen Wert gelegt!

Leider ist auch SRF1 kein Vollprogramm, sodass ab 01, respektive 02 Uhr Nachts die Playlist übernimmt und nur der Verkehrsfunk (oder sonstige aktuelle Warnmeldungen) live eingesprochen werden.
 
Wenn unter "Vollprogramm" eine größtmögliche Vielfalt von Programmfarben innerhalb eines Programms verstanden wird, so ist vermutlich Bayern 2 das Maß aller Dinge.
Sehe ich auch so.

Die "Promenadenmischung" Deutschlandradio Berlin war in der Anfangszeit ein prima Vollprogramm, ganztägig genießbar. 2005 wurde dann leider in einer „evolutionären Reform“ (whatever it means) sein Charakter kastriert weil die "Hörerzahl bis dahin" zu "überschaubar geblieben war"?? o_O Ich hatte eher den Eindruck, daß die Landesanstalten darin eine ernste Konkurrenz für ihre eigenen Kulturprogramme witterten.

Bayern2 steht heute als gute Alternative da. Neben seiner Programmgestaltung ist auch sein ermüdungsfreier Klang nicht zu unterschätzen (kaum dynamikgepresst/klangverfälscht).

Dieses Programm könnte als Pilotprojekt 'Radiomachen mit Zukunft' dienen, natürlich ohne lästige Werbung, ohne Quotendruck und ohne sprachverständlichkeitskorrumpierende Musikteppiche.

Howgh.
 
Zuletzt bearbeitet:
SDR1 war ein hervorragendes Vollprogramm, gerade in den letzten Jahren seines Bestehens, als man die volkstümliche Komponente ins vierte Programm verlagert hat. SRF1 ist in Teilen heute noch ähnlich aufgestellt, eines der letzten deutschen "Generalistenprogramme".
 
Einen Sender, der generationenübergreifend wirklich „echte Abwechslung mit Ihrem Radio Nr. 1“ oder „den besten Mix“ bietet. Ein Sender, der Avicii spielt, der Fritz Kalkbrenner spielt, ja sogar Beethoven, Helene Fischer, Blasmusik, Alternative und Oldies.

Das wäre mir zu viel Kontrast. Das ist auch der Grund warum ich SR2 Kulturradio, welches ich ganz gerne wegen der halbstündigen Nachrichtensendungen (Bilanz am Mittag, oder Bilanz am Abend) höre, nach diesen Sendungen gleich wieder abschalte.
 
Entschuldigt, wenn ich so entgeistert frage, aber trifft denn das, was ein tolles Vollprogramm sein könnte, nicht aktuell auf Deutschlandradio Kultur zu?
Dort gab es letztes Jahr eine umfassende Programmreform und dazu noch eine sehr gute Homepage www.deutschlandradiokultur.de

Tagsüber gibt es neben den Informationsendungen Studio 9 (05.07-09.00 und 12.07-13.30 und 17.07-18.30) eine Talksendung (09.07-10.00) eine Büchersendung (10.07-11.00) , zwei Musiksendungen - TonArt (11.07-12.00 und 15.30-17.00 und nachts von 02.05-05.00), Länderreport (13.30-14.00), ein Kulturmagazin (14.07-15.00), eine Kindersendung (15.00-15.30), das Zeitfragen-Magazin (19.07-19.30), Features um 19.30 und 00.05 und abends Klassik und Hörspiele...
Dazu am Wochenende z.B. ein Theatermagazin, ein Filmmagazin, ein Sportmagazin, eine Hörertalksendung, ein Philosophiemagazin, ein Rätselmagazin...

Also wenn das kein Vollprogramm wie gewünscht ist, weiß ich auch nicht.
Ich kann es nur sehr empfehlen, mal wieder reinzuhören. Deutschlandradio Kultur ist nicht mit dem Radio vor einem Jahr vergleichbar.
 
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