Bitraten DAB+ oder "Wie Radiosendern unnötig Geld aus der Tasche gezogen wird"

Status
Für weitere Antworten geschlossen.

Der Radiotor

Benutzer
Ich mache hierzu bewusst einmal einen neuen Faden auf, da es thematisch absolut nicht in den "Wie viel Potential...?"-Thread passt. Endlich steht mal in einem Text schwarz auf weiß, was ich schon lange behauptet habe und dafür von einigen hier am liebsten zerfleischt worden wäre:

Tontechniker erklären, der in weiten Teilen in Deutschland genutzte Codec MPEG-4 HE AAC v1 ist erstaunlich stark bei 48 kbit/s Bitrate. Eine Erhöhung der Bitrate auf 72 kbit/s bringt hingegen kaum eine Qualitätsverbesserung. Erst bei 96 kbit kommt es zu einem Qualitätssprung.

Quelle: http://www.rein-hoeren.de/dabplus/deutschland/2015/klang/1886

72 kbit/s ist ja eine Standard-Bitrate für Privatradios bei DAB+, die meisten Privatradios senden damit. Aber genau genommen zahlen sie zu viel. Eine Reduzierung auf 48 kbit/s würde Kosten sparen und klanglich kaum hörbare Einbußen bringen, was vor allem beim momentanen Entwicklungsstand von DAB+ wichtig wäre, da viele Sender parallel auch noch Geld für die UKW-Verbreitung ausgeben müssen. Bei einer Reduzierung auf 32 CU/48 kbit/s würden auch mehr Sender in ein Ensemble passen. Bei Webradios aus deen USA/Kanada sind 40 oder gar nur 32 kbit/s in AAC eine gängige Größe.

Problem: Die Netzbetreiber wollen Geld verdienen, das ist deren gutes Recht. Interessiert sich ein Programmveranstalter für eine Verbreitung via DAB+, bekommt er in der Regel ein Angebot für 72 kbit/s. Viele streichen dann schon die Segel. Ein Blick nach Berlin zeigt hingegen das Einsparpotential:

72 kbit/s kosten monatlich 1000 Euro, zuzüglich weiteren Kosten (Zuführung, Miete Laptop usw.), 48 kbit würden dagegen nur 650 Euro kosten. In einem Jahr verschlingen 72 kbit/s 12.000 Euro, 48 kbit/s dagegen nur 7.800 Euro.

Freilich sind das alles nur Startlösungen, später ist generell eine Erhöhung auf 96 kbit/s empfehlenswert.

Wie 48 kbit/s klingen, kann man bei Radio Horeb im Bundesmuxx feststellen. In der Tat ist der Unterschied bei Musik zu den Sendern mit 72 kbit/s kaum hörbar. Dass alles auch von Dingen wie Klangeinstellung, Encoding etc. abhängig ist versteht sich von selbst.

Fast schon lächerlich ist, dass die Medienanstalten dem Evangeliumsrundfunk untersagten seine CUs als Qualitätsgründen für zwei anstelle von einem Programm zu nutzen. Dabei hätten auch hier die angedachten 32 kbit/s für das wortorientierte ERF Plus sowie 40 kbit/s für ERF Pop völlig ausgereicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mein Ohr sagt: Höhere Bitrate = angenehmerer Klang = Einschalthilfe. (Dann hängt es nur noch vom Anbieter ab, ob er sich ein inhaltlich ansprechendes Programm leisten möchte, dass ich u.U. sogar erwägen würde einzuschalten.)
 
Mir persönlich ist ein angenehmerer Klang auch wichtiger, gerade als Kopfhörerlauscher. Ich könnte jetzt wieder den Fragesteller heraushängen lassen: Wer definiert das "kaum" bei den klanglich hörbaren Einbußen zwischen 72 und 48 kbps? :p
 
Die Diskussion entwickelt sich wieder wie alle zum Thema. Hat sich einer von euch einmal die Mühe gemacht den Eingangstext zu studieren und sich vor allem auch die Frequenzgänge anzuschauen? Und das mit den 48 kbit/s klingen so gut (oder eher: schlecht) wie 72 kbit/s stammt nicht von mir, sondern von Tontechnikern mit exzellentem Gehör.

@FrankSch: Den Quantensprung von 56 auf 88 kbit/s habe ich sehr wohl mitbekommen. Ab ca. 80 kbit/s wird der Klang bei HE AAC v1 auch deutlich besser (auch das belegen die Frequenzgänge im Text). Einen Quantensprung auf 72 kbit/s hätte dagegen kaum einer bemerkt. Genau darauf zielt der Text auch ab!

Und nochmal: Ich sage ja auch dass es keine Dauerllösung ist, Ziel sollten dauerhaft Bitraten ab mind. 88 kbit aufwäts sein. Aber in der Anfangszeit, wo es darum geht überhaupt die Technik einmal anzuteasen, sind 48 kbit/s betriebswirtschaftlich effektiv und 72 kbit/s eben uneffektiv. Noch Fragen???
 
Hat sich einer von euch einmal die Mühe gemacht den Eingangstext zu studieren und sich vor allem auch die Frequenzgänge anzuschauen? Und das mit den 48 kbit/s klingen so gut (oder eher: schlecht) wie 72 kbit/s stammt nicht von mir, sondern von Tontechnikern mit exzellentem Gehör.
Ja, der Text ist dünn.
- Wer erklärt die Qualitätsdifferenz zwischen 48 kbps und 72 kbps genau? "Tontechniker" ist etwas vage.
- Der erweiterte Frequenzgang gegenüber dem Bandbegrenzten analogen FM ist nicht der klanglich ausschlaggebende Punkt.
- Die im Artikel verlinkte Studie ist nicht wirklich ausschlaggebend, da die Methode ungenau ist. Zur Anwendung kam hier ein Softwarecodec, der natürlich nicht in Echtzeit rechnen muss. Interessant wäre es, wenn das Signal durch einen Hardwarecodec geprügelt wurde, der ohne Lookahead mit kurzer Latenz arbeiten soll.

Persönliche Meinung: auch 88 kbps klingen noch nicht ausreichend angenehm, auch bei 128 kbps AAC-LC und Material mit breiter Stereobasis ist deutlich herauszuhören. CD-ähniche Qualität würde ich ruhigen Gewissens ab 192 kbps AAC-LC behaupten.
 
Bei einer Reduzierung auf 32 CU/48 kbit/s würden auch mehr Sender in ein Ensemble passen.

Problem: Die Netzbetreiber wollen Geld verdienen, das ist deren gutes Recht. Interessiert sich ein Programmveranstalter für eine Verbreitung via DAB+, bekommt er in der Regel ein Angebot für 72 kbit/s. Viele streichen dann schon die Segel. Ein Blick nach Berlin zeigt hingegen das Einsparpotential:

72 kbit/s kosten monatlich 1000 Euro, zuzüglich weiteren Kosten (Zuführung, Miete Laptop usw.), 48 kbit würden dagegen nur 650 Euro kosten. In einem Jahr verschlingen 72 kbit/s 12.000 Euro, 48 kbit/s dagegen nur 7.800 Euro.
Auch wenn ich Deine Ansichten im Hinblick auf DAB+ weitgehend teile, aber 48 kbit/s sind für ein digitales terrestrisches Übertragungsverfahren, das den Anspruch haben soll, mittel- bis langfristig UKW zu beerben, schlichtweg zu wenig.
Wenn ich schon im Internet unter tausenden von Streams mit brauchbar klingenden 128 kbit/s MP3 wählen kann, dann muss die viel geringere Auswahl an Programmen, die via DAB+ zur Verfügung stehen, wenigstens einen Klang aufweisen, der an den eines Webradios mit 128 kbit/s heranreicht.
Die grundlegende Tendenz bei DAB+ sollte also meines Erachtens nicht in Richtung einer Verringerung, sondern vielmehr einer Erhöhung der Bitrate gehen, m.a.W.: Lieber 96 kbit/s, wenn dies den Klang merklich verbessert, als eine Reduzierung auf noch bescheidener klingende 48 kbit/s.

Das Kostenargument ist aber dennoch nicht von der Hand zu weisen.
Vor einigen Monaten habe ich ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der schweizerischen Digris AG geführt: Dort kostet eine CU nur ein Bruchteil dessen, was hierzulande die Media Broadcast verlangt.
Anstatt durch eine weitere Verringerung der Bitraten die Kosten zu senken, sollte dadurch eine Kostenreduktion erfolgen, dass endlich andere Senderbetreiber auf dem deutschen Markt Fuß fassen können. Mit der Liberalisierung des TKG sind die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür bereits gegeben.
Solange ein einziges Unternehmen den Markt beherrscht, kann dieses die Preise diktieren. Dies hat zur Konsequenz, dass die Kosten für die UKW-Verbreitung von Hörfunkprogrammen sogar massiv steigen werden, wenn nicht endlich ein Wettbewerb entsteht, siehe in diesem Zusammenhang folgenden Artikel: http://www.radioeins.de/programm/sendungen/medienmagazin/radio_news/beitraege/2015/ukw_bnetza.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Datenreduktion ist immer Müll, ob DAB+ oder MP3. Und dazu brauch ich keinen Tontechniker. Das hör' ich sofort (und mein Gehör ist wahrlich nicht mehr das Beste). Datenreduzierter Ton grenzt an Körperverletzung.
 
Die Frage, die der Radiotor aufgeworfen hat, ist durchaus berechtigt. Allerdings würde ich mir wünschen, das die Radiosender, zumindest die "Qualitätssender", als Konsequenz nicht auf 48 kbps heruntergehen, sondern das Drittel mehr in die bessere 96-kbps-Qualität investieren.
 
Es kommt auch auf das Ausgangsmaterial für den DAB+-Encoder an. Bei manchen Programmen ist dieses bereits so verunstaltet, daß selbst 192 kbps AAC-LC nicht mehr für Anhörb arkeit sorgen können. Bei Ausgangssignalen, das noch keinen Optimod im Signalweg gesehen hat, kann dagegen mit 48kbps schon gut anhörbares Programm produziert werden.
 
und sich vor allem auch die Frequenzgänge anzuschauen
Jetzt macht er da weiter, wo der Radiowaves beerdigt wurde ...

Bei dem Verfahren der Spektralbandreplikation gibt es überhaupt keine Frequenzgänge mehr. Da ist alles oberhalb einem bestimmten Schwellwert nichts als gerechnetes Blech. Mancher findet diese grell-synthetischen Höhen vielleicht sogar so richtig geil, und wenn dann noch ein fetter Optimod dazu kommt, mag der Edeldudler aus Hamburg eben toller wirken als das Klassikprogramm des Bayerischen Rundfunks, das zur Übertragung des Jugendprogramms unterbrochen wird. Wir setzen das Programm von BR Klassik nach Jugendprogrammende fort.
 
Eine technische Frage, die mich bewegt ist, ohne dass man gleich einen neuen Thread aufmacht:
Ich lese bei Sender-Tabelle.de, dass der Münchner Olympiaturm bei DAB+ 4kW hat, bei UKW 0,32 kW. Wie muss man das umrechnen, denn beim
Wendelstein hat es 10 kW und bei UKW 100 kW.
Wie muss man Sendeleistung DAB+ in Sendeleistung UKW umrechnen?! Oder ist das sendetechnisch völlig anders?!
 
Es gibt zwar die Faustregel, daß 10 KW DAB+ 100 KW UKW entsprechen sollen. Aber das ist sehr grob, weil:
- in einem DAB Sendernetz sich benachbarte Sender (oder Reflexionen an Haus- oder Felswänden) verstärken, während sie bei UKW im besten Fall nicht stören.
- DAB Frequenzen um 200 Mhz benutzt und diese im Vergleich zu UKW (um 100 Mhz) höhere Frequenz eine größere Dämpfung aufweisen, was zu einer etwas geringeren Reichweite führt.
- Digitale Audioübertragungen wie Digital Radio Mondial DRM, Behördenfunk BOS oder Digitalradio DAB bei schwachem Signal ein anderes Verhalten haben, als eine analoge Übertragung wie herkömmliches AM oder UKW. Analog gibt es Schwankungen in Lauthaut, Störgeräusche, Spratzeln, Rauschen, etc. bevor das Nutzsignal ganz weg. Das heißt bei einer leichten oder kurzen Störung kann man noch ein Nutzsignal hören, auch wenn es eben schwerer oder unangenehmer wird. Digital ist dann sofort totale Stille. Das ist wesentlich störender und ich habe noch niemanden kennengelernt der diese Aussetzer akzeptiert. Deshalb müssen (müssten) digitale Audiosignale wie DAB+ deutlich "gründlicher" verbreitet werden, als analoge Signale. Ich habe Hoffnung dass dies dem BR mit seinem Multiplex 11D gelingt. (Der Rundfunkrat hat Lunte gerochen und für die geplante UKW Abschaltung von BR-Klassik zu Auflage gemacht, dass Empfang und Versorgung in DAB+ mindestens so gut sein muss wie mit UKW.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich mache hierzu bewusst einmal einen neuen Faden auf, da es thematisch absolut nicht in den "Wie viel Potential...?"-Thread passt.
Wie 48 kbit/s klingen, kann man bei Radio Horeb im Bundesmuxx feststellen. In der Tat ist der Unterschied bei Musik zu den Sendern mit 72 kbit/s kaum hörbar.....


Radio Horeb ist meiner Ansicht nach der Sender mit dem schlechtesten Sound im Mux. Ob das an der sehr niedrigen Bitrate liegt oder vielleicht auch an der Einstellung des Sound-Processings? Solange gesprochen wird, ist der Klang ja noch okay. Aber wenn Musik gespielt wird, kommt es hin und wieder zu Artefakten bzw. der Sound klingt dann irgendwie recht künstlich fast wie von einem Soundchip eines "China-Spielzeugs".

Auch beim Schlagerparadies schwankt trotz höhrer Bitrate hin und wider der Sound. Teilweise hört man das sogar bei den Moderationen von Sendung zu Sendung. Mal klingt es alles super, mal weniger gut. Mal poppt es sogar in den Moderationen. Als wenn da verschiedene Mikrofone zum Einsatz kommen würden.

100% optimal (ich habe jedenfalls noch nie einen schlechten Sound dort vernommen) kommt der DLF, Radio BOB!, Absolut Radio, ERF und LoungeFM rüber.

Woran sind diese Unterschiede auszumachen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn bei dir Radio Bob! 100% optimal klingt, solltest du vielleicht mal einen Ohrenarzt aufsuchen. Der hat mit Abstand die meisten Artefakte drin.
 
Es gibt zwar die Faustregel, daß 10 KW DAB+ 100 KW UKW entsprechen sollen.

Mit Verlaub, ich kriege einen dicken Hals wenn ich so was lese. Ein 10kW-DAB-Sender reicht nach meiner Erfahrung (wenn der Empfänger nicht eben auf einem Berg steht oder an einer Yagi angeschlossen ist) 30 - bestenfalls 40km. UKW-Reichweiten von 100kW-Sendern sind deutlich höher. Wir brächten für DAB+ entweder ein deutlich dichteres Sendernetz, oder wo das auf absehbare zeit nicht entstehen wird deutlich mehr Leistung. Standorte wie den Schoksberg bei SB könnte man gerichtet bis 40kW fahren, da er defakto eine Insel, und kein Teil eines SFN ist. Alle weiteren Standorte die er stören könnte sind 100km und weiter weg, zumindest bis KL und TR in Betrieb gehen, was beides so schnell nicht passieren wird. Genug Offtopic für heute.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Physik bezwingen können vielleicht MacGyver und Gene Roddenberrys Jünger. Nicht aber Radiowellen. Und deshalb ist es auch nicht möglich, im Frequenzbereich 174-230MHz mit einem Zehntel der Sendeleistung die gleichen Reichweiten wie im Frequenzbereich 86-108MHz zu erzielen. Eher sind sie etwas geringer, da mit sinkender Wellenlänge die Ausbreitung immer lichtähnlicher wird und die Dämpfung höher.
Es gibt nur einen Aspekt, der bei DAB die Reichweite nutzbarer Signale etwas erhöht: Durch die digitale Signalaufbereitung im Gerät gegenüber analoger Wiedergabe können Mehrwegempfänge, die analog zu unschönen Verzerrungen (im Analog-TV früher als "Geisterbilder" bekannt) führen, genutzt werden, indem man die Signale addiert. So hat man in gebirgigen Regionen bei DAB einen kleinen Vorteil. Aber dort fährt man sowieso generell besser geringere Sendeleistungen, um eben die Mehrwegverzerrungen zu minimieren. Im Flachland dagegen braucht es bei DAB in etwa dieselben Sendeleistungen wie auf UKW analog, und nicht ein Zehntel davon!
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück
Oben