Ich kann jetzt nur für Niedersachsen und NRW sprechen, da ich im Grenzgebiet wohne/gewohnt habe. Ich könnte noch zu einzelnen Auszügen Hessens etwas sagen, dies lässt aber keine richtige Entwicklung erkennen.
In NRW war die Lage wie folgt:
1990: Erste private Lokale gingen on air. Das Konzept ist dem heutigen gar nicht unähnlich. Nur hatten die einzelnen Sender mehr Freiheiten bei Themen und Musikauswahl. Dementsprechend bunt war die Landschaft noch.
1991: Weitere Lokale starteten. Der verstaubte WDR wollte durch eine Neupositionierung von WDR 1 mehr junge Hörer anlocken. In Sachen Musikauswahl gelang dies auch. Leider hat die Abendschiene mit Wortprogramm um acht Uhr einen derartigen Bruch im Programm verursacht, dass die nachfolgenden guten Sendungen wie "Scream" (für Hard-Rock- und Metal-Fans) und andere fast wie Fremdkörper wirkten. Aber gerade Hip House und neuer Dance aus den 90ern wurde schon tagsüber gespielt. WDR 2 konnte seine Playlist halten, auch wenn französischsprachige Chansons langsam aus dem Programm verschwanden. 1994 bekamen die Lokalen einen ersten Relaunch und die Präsenz von Radio NRW wurde deutlicher. Progressive 90er gab es im Programm nie.
Ostern 1995: Weitere Reform beim WDR. Aus WDR 1 wurde Eins Live. Sämtliche Sondersendungen verschwanden und wurden in den neu geschaffenen Kult Komplex integriert. Tagsüber gab es schon fast ausschließlich 90er, aber doch um einiges braver als beispielsweise bei N-Joy in Norddeutschland. WDR 2 modernisierte sich behutsam, ohne groß anzuecken. Die Lokalen verbannten die Oldies ganz und setzten seitdem auf Dudelfunk. Die paar 90er waren die gleichen üblichen Verdächtigen wie heute. Seitdem hat sich in NRW - abgesehen vom Qualitätsabfall - nicht mehr viel verändert.
Niedersachsen:
1988: (jetzt nur meine Ansicht, da ich ffn erst seitdem kenne) Der Sender hat anfangs bereits auf eine Servicewelle gesetzt. Die Musik war aber noch recht breit aufgestellt, wenn auch mehr erwachsen als jugendlich. Da der NDR insgesamt verstaubter war (im Gegensatz zum WDR allerdings moderner), setzten die Jüngeren trotzdem auf ffn. Kult war schon damals das Frühstyxradio sonntags.
1991: Der zweite Private, damals hieß er: Antenne. Das Radio, ging auf Sendung. Ich habe ihn dank Lingener Aufschaltung 1992 das erste Mal vernommen. Die Zielgruppe war eine andere. Man setzte mehr auf Schlager, Oldies und gemäßigten neuen Titeln. So gab es eine klarere Abgrenzung zwischen den Privatsendern.
1994: Der NDR startete N-Joy Radio. Von '94 bis '98 war der Sender einer meiner Favoriten. Flott gemacht, die Playlist bestand zu 75% aus Dance (Dr. Alban, Captain Hollywood, Pharao, usw.) und übrigen 90ern. Hier traute man sich was, auch wenn hier schon eine gewisse Rotation (6 Stunden) spürbar war. NDR 2 wurde behutsam moderner.
1996: Antenne wechselte seine Ausrichtung zum "besten Mix der schönsten Hits" und setzte seitdem auf Softpop. Oldies wurden weniger, das Progressivste (!) war Macarena. Trotzdem hatte der Sender Erfolg damit und wurde ein ernsthafter Konkurrent von ffn. Dieser konterte mit "Hits, die brennen" und einer jüngeren Ausrichtung. Die 90er waren aber auch hier übrigend konservativer Art. Die Sondersendungen wie Baseline (Soul), Grenzwellen (heute übrigens auf Radio Hannover), Ultra und Party (auch mit seltenen Stücken) waren aber noch vorhanden und sehr gut gemacht.
1997: Zum Spätsommer krempelte ffn sein Programm völlig um. Der neue Claim hieß "Die Superhits der 80er und 90er", alle besonderen Sendungen verschwanden und es wurde 24 Stunden die gleiche Musik gespielt. Alternativere 90er (um beim Thema zu bleiben) fanden höchstens in der Musik-pur-Schiene freitags und samstags nachts statt. Antenne wurde zum Hitradio mit dem "besten Mix" und auch langsam "neuer", es kam etwas mehr Mut zu den 90ern, dafür fielen zunehmend ältere Hits aus der Rotation.
1999: Antenne hatte die - aus meiner Sicht - beste Zeit. Man traute sich sogar im Tagesprogramm, Dance-Songs wie DJ Tonka "Don't Be Afraid" und Co. zu spielen. Ich hatte den Eindruck, dass der Sender trotz oder gerade wegen einzelner Oldies mutiger war als ffn, der sich nicht mehr groß änderte. Gleichzeitig wurde N-Joy zunehmend konservativer. Bis auf einzelne Trance-Stücke klang der Sender so, wie er sich heute anhört.
2000: Ab da begann die richtige Langeweile: Beide Private spielten nur noch 80er und 90er, ffn "die Superhits", Antenne "die Megahits". Weiter brauche ich es wohl nicht mehr ausführen.