Vorschlag für eine erfolgreiche Migration UKW -> DAB

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Über dieses Thema ist ja bereits sehr viel diskutiert worden. Ihr könnt mich auch gerne einen Wendehals nennen, ich stehe dazu. Bis vor einem Jahr war DAB für mich eine Totgeburt, die sich ohne Zwang nicht entwickeln konnte. Im Vergleich zu vielen anderen in der Branche sehe ich aber nach den jüngsten Zahlen nun doch einiges Potential, wenn es denn richtig angegangen wird und die Rahmenbedingungen stimmen. Nach meiner Einschätzung ist die Branche inzwischen dreigeteilt. Ein Drittel geht das Risiko inzwischen ein und ist über DAB auf Sendung (hier gibt es ein ganz starkes Süd-Nord-Gefälle, im Norden wagt bisher kein einziger Veranstalter den Simulcast, einige beobachten den Markt, andere lehnen DAB kategorisch ab), ein Drittel wäre dazu bereits, wenn entsprechende Bedingungen stimmen und ein weiteres Drittel lehnt DAB völlig ab und möchte einen Sendeplatz nicht einmal geschenkt.

Ich zähle mich inzwischen zur Gruppe 2 und zähle hier einmal ein paar Punkte auf, die ich für eine sinnvolle Migration für unerlässlich erachte:

1. DAB muss für kommerzielle Unternehmen finanzierbar sein und mehr bieten als UKW. Das bedeutet: In den ersten drei Jahren (Aufbauphase) vollständige Übernahme der Leitungs- und Betriebskosten beim Simulcast durch die Medienanstalten (dabei mind. 1:1-Abdeckung des UKW-Sendegebietes inkl. Overspill. Notfalls muß etwa das Hamburg-Bukket auch über Sendeanlagen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen verbreitet werden) plus optional Bereitstellung eines zweiten Sendeplatzes ohne entsprechende Ausschreibung für ein Beiboot, hier Übernahme von 50% der Betriebskosten (diese Übernahme gilt freilich auch für neue Veranstalter, die auf DAB aktiv werden möchten).

2. Gemeinsame Strategien zwischen ARD, Privatfunk, Gerätehersteller, Medienpolitik mit klaren Signalen an die Bevölkerung, daß UKW keine dauerhafte Zukunft hat. Vorbild: Schweiz. ARD erklärt sich dazu bereit, daß der Privatfunk Antennenanlagen mitbenutzen darf. Top-Thema: Strategien für Gattungsmarketing!

3. Ganz wichtig: Keinerlei Zwänge. Weder Diskussionen über Abschaltdaten noch Koppelung von UKW-Lizenzen an verpflichtende DAB-Verbreitung. Die Erfahrung zeigt, daß das alles das Gegenteil bewirkt: Kein Interesse des Privatfunks an DAB und absolute Ablehung trotz durchaus vorhandenem Potential!

4. Multimedia- uznd Multiplattform-Strategien: Infrastrukturförderung nicht nur für DAB-Sendeplätze, sondern auch begleitende Internetdienste (Unterprogramme, Rückkanal, Personalisierung, Apps, Social Media). Generell muß sich Radio neu erfinden. DAB ist dabei das Rückgrat, das Internet bietet die Kür.

5. Entgegenkommen der ARD: Verpflichtung, daß ab sofort keine UKW-Frequenzen mehr von bisherigen Digitalprogrammen belegt oder getauscht werden. Das geht vor allem in den Süden (BR, SWR, HR).
 
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Zuallererst muss das Sendernetz für DAB+ zügig auf das komplette Bundesgebiet ausgedehnt werden. Erst dann wird auch der mobile Empfang ein Niveau erreichen können, auf dem er mit UKW ernsthaft konkurrieren kann. Meiner Ansicht nach ist dies ein essenzieller Schritt für eine erfolgreiche Migrationsbewegung.
 
Ihr könnt mich auch gerne einen Wendehals nennen, ich stehe dazu.
Das sei hiermit geschehen. Und gut ist... Es fiel schon in einem anderen Faden auf.
Was bewirkte denn jetzt den Sinneswandel? Die jüngsten Zahlen? Oder hat Dich das neue Hamburger DAB+ Angebot überzeugt?
(Bei mir war es 2001 das Zusatzangebot per Bundesmux, es waren zwar nur wenige Programme aus diesem Gesamtangebot, aber das reichte als Mehrwert. Mehr als ein Programm gleichzeitig kann ich sowieso nicht hören.)
 
Punkt 1. Kosten.

1. DAB muss für kommerzielle Unternehmen finanzierbar sein und mehr bieten als UKW. Das bedeutet: In den ersten drei Jahren (Aufbauphase) vollständige Übernahme der Leitungs- und Betriebskosten beim Simulcast durch die Medienanstalten

Statt einer Komplettübernahme wäre ich dafür, Darlehen anzubieten, die nur im Falle einer erfolgreichen DAB+-Transformation zurückgezahlt werden müssen. Auf diese Weise wird für die Anbieter das Investitionsrisiko deutlich verringert, und trotzdem hat man die regulatorisch sauberere Lösung. Das Prinzip kennt man ja aus diversen anderen Bereichen, und natürlich gibt es auch etliche andere "ältere" Mediengattungen, die im Falle einer neuerlichen Radio-Subvention auch für sich Subventionen in Anspruch nehme wollten. Und Dein Vorschlag, den Anbietern mit gesicherten UKW-Einnahmen die DAB+-Verbreitung komplett zu bezahlen, die DAB+-Neueinsteiger aber nur zur Hälfte zu bezuschussen, ist auch nicht durchzuhalten.

Multimedia- uznd Multiplattform-Strategien: Infrastrukturförderung nicht nur für DAB-Sendeplätze, sondern auch begleitende Internetdienste
Wieso soll die Öffentlichkeit die Radioverbreitung per Internet fördern? Die Öffentlichkeit fördert bereits mit etlichen Milliarden den Internetausbau vor allem auf dem Land, wodurch die Radioindustrie hier überhaupt erst Geschäftsmodelle entwickeln kann (ähnlich wie das Privatfernsehen sich erst durch die öffentlich subventionierte Kabelanschlüsse entwickeln konnte). Darüber hinaus eine spezifische Internetradioförderung einzuführen ist nicht zu rechtfertigen und angesichts des Ziels, DAB+ voranzubringen, auch widersinnig.

Punkt 2. Verbreitung

dabei mind. 1:1-Abdeckung des UKW-Sendegebietes inkl. Overspill. Notfalls muß etwa das Hamburg-Bukket auch über Sendeanlagen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen verbreitet werden

Meine Rede seit langem. Aber: Wenn die DAB+-Netzverdichtung beschleunigt und künstlicher DAB-"Overspill" erzeugt werden soll, steigen natürlich auch die Kosten schneller, und das widerspricht der eigentlich vereinbarten Strategie, den Ausbau von der Nutzung (und damit den Einnahmemöglichkeiten) abhängig zu machen.

Gemeinsame Strategien zwischen ARD, Privatfunk, Gerätehersteller, Medienpolitik mit klaren Signalen an die Bevölkerung, daß UKW keine dauerhafte Zukunft hat.

Das ist absolut richtig. Allerdings widersprichst Du Dir zwei Absätze später selbst, wenn Du schreibst

Ganz wichtig: Keinerlei Zwänge. Weder Diskussionen über Abschaltdaten noch Koppelung von UKW-Lizenzen an verpflichtende DAB-Verbreitung.

Damit DAB+ ein Erfolg wird, brauchen die auf DAB+ sendenden Anbieter eine klare wirtschaftliche Perspektive. Und für diese Perspektive braucht es ein klares UKW-Ausstiegsszenario. Punkt. Ein solches Ausstiegsszenario ist also im Interesse der Anbieter (vorausgesetzt, sie verlassen ihren UKW4ever-Elfenbeinturm.)

ARD erklärt sich dazu bereit, daß der Privatfunk Antennenanlagen mitbenutzen darf. Top-Thema: Strategien für Gattungsmarketing

Hä? Das ist doch schon der Fall, seit ewig und überall, UKW, DAB, DAB+... Gattungsmarketing ebenso, nur haben sich hier die UKW-Platzhirsche bislang vollends verweigert.

Punkt 3. Programme

Entgegenkommen der ARD: Verpflichtung, daß ab sofort keine UKW-Frequenzen mehr von bisherigen Digitalprogrammen belegt oder getauscht werden. Das geht vor allem in den Süden (BR, SWR, HR).

Die Erfahrung zeigt genau das Gegenteil. Durch die UKW-Verbreitung werden diese Programme überhaupt erst bekannt und erzeugen dadurch den Bedarf an einem Verbreitungsweg, auf dem sie flächendeckend zu empfangen sind. Nicht umsonst ist DAB+ gerade in den Ländern am stärksten, in denen das UKW-Angebot am reichhaltigsten ist. Wenn Du Recht hättest, müsste es genau umgekehrt sein.

summasummarum

Mit einigem hast Du Recht. Allerdings muss Dir auch klar sein, dass viele Probleme, die DAB+ noch hat, eine bewusste und absichtliche Folge des DAB+-Verweigerungshaltung ist, die Du bis vor kurzem verkörpert hast.
 
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Mein DAB-Küchenradio steht knapp 2,7 Kilometer vom Scholzplatz (Sendeleistung 5 kW) entfernt, zum Alexanderplatz (10 kW) sind es etwas mehr als 10 Kilometer. Also in Anbetracht der Sendeleistungen eigentlich kein Problem.

Allerdings wohne ich im 1. OG und das Küchenfenster geht zwar in Richtung Alex, aber leider auf eine, wenn auch recht weiträumige, Hofanlage. Die Folge: Bewege ich mich in der Küche an die falsche Stelle, sind sämtliche Sender weg. Manchmal auch, ohne daß jemand in der Küche ist.

Solange die Empfangssituation selbst in ganz normalen Wohnlagen ohne störende Topographie derart bescheiden ist, kann und wird DAB keine ernsthafte Alternative zu UKW sein. Die UKW-Sender bekomme ich mit dem selben Gerät übrigens allesamt problemlos rein...
 
Inzwischen hat man genug Erfahrungen gesammelt und weiß, dass DAB+ auf dem Land besser geht, als zuvor bei den theoretischen Berechnungen am Computer vorausgesagt, aber in größeren Städten mehr Probleme hat als zunächst erwartet. Hier hilft nur Senderverdichtung und konsequentes Vorgehen gegen Störsender, v.a. Kabellöcher.
 
Vorbild: Schweiz.
Interessant: Du pickst Dir aus dem Kuchen die Rosinen raus die Dir gefallen, der Rest des zerhackten Kuchens bleibt liegen. Warum wohl? Zum "Vorbild Schweiz" gehört zu den von Dir genannten Punkten ein Gerüst. Ich bin mir sicher, das ist Dir bekannt. Für alle anderen, auf dem YouTube-Channel "SwissRadioDay" lassen sich aus den letzten Jahren die "zerhackten Kuchen" im Ganzen anschauen.

DAB muss für kommerzielle Unternehmen finanzierbar sein und mehr bieten als UKW. Das bedeutet: In den ersten drei Jahren (Aufbauphase) vollständige Übernahme der Leitungs- und Betriebskosten beim Simulcast durch die Medienanstalten (dabei mind. 1:1-Abdeckung des UKW-Sendegebietes inkl. Overspill.
Den Wunsch hatten die privaten Anbieter in der Schweiz ebenfalls. Letztlich einigte man sich auf eine Subventionierung, die in mancher Augen noch immer viel zu hoch ist, aber für beide in "erträglichem" Rahmen, anstatt kostenfrei für die Anbieter ausging.

Keinerlei Zwänge. Weder Diskussionen über Abschaltdaten noch Koppelung von UKW-Lizenzen an verpflichtende DAB-Verbreitung.
Beides gab es in der Schweiz. Daher auch bereits die teilweise Abschaltung von UKW (und vermutlich Deine derzeitige Vorbildnahme).

Multimedia- uznd Multiplattform-Strategien: Infrastrukturförderung nicht nur für DAB-Sendeplätze, sondern auch begleitende Internetdienste (Unterprogramme, Rückkanal, Personalisierung, Apps, Social Media). Generell muß sich Radio neu erfinden. DAB ist dabei das Rückgrat, das Internet bietet die Kür.
Für beides sind auch in der Schweiz die Anbieter eigens verantwortlich. Nicht anders als hier in Deutschland.

Entgegenkommen der ARD: Verpflichtung, daß ab sofort keine UKW-Frequenzen mehr von bisherigen Digitalprogrammen belegt oder getauscht werden. Das geht vor allem in den Süden (BR, SWR, HR).
Auch das war mal in der Schweiz Wunschdenken der privaten Anbieter. Auch der Zahn wurde ihnen "gezogen".


Ich meine: Hohe Forderungen zu stellen ist ja in Ordnung, aber bitte such Dir ein realistisches Beispiel, wenn schon ein Beispiel herhalten muss!
 
1. DAB muss für kommerzielle Unternehmen finanzierbar sein und mehr bieten als UKW. Das bedeutet: In den ersten drei Jahren (Aufbauphase) vollständige Übernahme der Leitungs- und Betriebskosten beim Simulcast durch die Medienanstalten

Aber klar doch. Die Medienanstalten sind aus dem Rundfunkbeitrag finanziert. Spätestens wenn mit meinen zwangseingezogenen GEZ-Groschen noch Privat-werbedudel subventioniert wird, steh ich bei denen auf der Matte. Mit ner Klage.

Die MABB hat sich wegen sowas bei DVB-T schon derbe Ärger eingehandelt. Schon vergessen? Ist aber wohl auch 13 Jahre her.

Ich sags ganz klar: niemand hat irgendwelche Gesellschafter gezwungen, Privatfunk zu veranstalten. Sie wollten. Wenn das Geschäft nicht mehr finanzierbar ist wegen irgendwelcher Zeitgeistigkeiten, dann müssen sie sich halt ein neues Geldgenerierungsmodell (oder auch Geldverbrennungsmodell) suchen. Altautoverwertung, Windkraftanlagenbetreiberei oder was auch immer. Ich bin da völlig mitgefühlslos, weil die Privatfunker keine zumindest für mich erkennbare gesellschaftliche Relevanz hätten, die man mit in der Bevölkerung zwangseingezogenen Geldern subventionieren müßte oder dürfte. (Nein, der Umkehrschluß dessen ist nicht, daß alle Öffis eine Relevanz hätten.)
 
Mein C-Netz-Mobiltelefon wird mir langsam zu schwer und unhandlich. Auch ist die Kommunikation über meinen TeLMI, Quix und e*Cityruf-Alphanumerik-Empfänger recht mühsam. Ob aber die Übertragung von Tönen in neueren Technologien (digital statt analog) in Telefonen und Rundfunkempfänern jemals Einzug halten werden...? Kaum wahrscheinlich, oder?
DAB+ wird eben so wenig UKW ablösen wie LTE das C-Netz.
 
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Ich sags ganz klar: niemand hat irgendwelche Gesellschafter gezwungen, Privatfunk zu veranstalten. Sie wollten. Wenn das Geschäft nicht mehr finanzierbar ist wegen irgendwelcher Zeitgeistigkeiten, dann müssen sie sich halt ein neues Geldgenerierungsmodell (oder auch Geldverbrennungsmodell) suchen.

In dem Fall ist es etwas anders. Der Privatfunk sieht keine Notwendigkeit zu einem Technikwechsel. Es ist alleine ein Wunsch der Medienpolitik und neuerdings auch der richtigen Politik und von ein paar wenigen Öffentlich-Rechtlichen. Daher kann der Privatfunk hier sehr relaxt in Verhandlungen gehen und auch seine Forderungen stellen. Nach bisherigen Markterkenntnissen und ohne Hilfestellung wäre UKW noch in den nächsten 30 Jahren klar an der Spitze. Daher ist die Sache so wie sie ist, die (Medien-)Politik muß mit Zuckerstückchen auf den Privatfunk zugehen. Werden Bedingungen nicht erfüllt, na dann kann man getrost auch so weiter machen wie bisher. Inzwischen sehe ich ein paar wenige Chancen bei DAB, da es auch aus dem Markt heraus eine klitzekleine Nachfrage gibt (man muß hier immer bei der Realität bleiben). Aber es ist keine Notwendigkeit panikartig seine bisherigen Geschäftsmodelle aufzugeben. Daher harren wir einfach der Dinge, die da auf uns zukommen.
 
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Wenn in einer Stadt wie Berlin bei solch geringen Entfernungen zum Sender Probleme hat dürften dafür aber einige Füllsender nötig sein, um dort einen vernünftigen Empfang zu gewährleisten.

Ich finde es ja gut, daß hier nun endlich auch einmal die Bedenken aufgezeigt werden, die wir auch teilen. Es mag bescheuert klingen aber UKW funktioniert halt auch bestens in Extremsituationen. Versucht einmal in einer Hamburger Boutique mit Neonröhren DAB Radio zu hören, es scheitert. Bei UKW tritt hier im Stereo Bereich ein Rauschen auf. Durch eine Umschaltung auf Mono Betrieb löst sich das Problem, der Sender ist klar zu hören. Bei Radio Hamburg haben selbst 80 Kilowatt UKW nicht ausgereicht, um überall in Hamburg-City guten Empfang zu gewährleisten, daher hatte die Medienanstalt damals noch eine City-Frequenz für den Nahbereich zugeteilt. Bei DAB ist das Problem, daß Computer in Büros oder eben die genannten Neonröhren das Digitalsignal so schwächen, daß nichts mehr hörbar ist. Aber das ist nur eines der Probleme, die der Privatfunk bei einem Technikwechsel sieht.
 
Ich nehme zumindest für mich in Anspruch, die Probleme von DAB(+) nicht verschwiegen oder verleugnet zu haben, sie allerdings nicht als Anlass für Polemik, sondern als zu lösende Aufgabe betrachtet zu haben.

Was die beschriebenen Empfangsprobleme von DAB+ in Städten betrifft, so scheint mir das drei Ursachen zu haben:
  1. Bei den höheren Frequenz von DAB+ (im Vergleich zu UKW) macht sich die Signaldämpfung durch dichte Bebauung stärker bemerkbar. Das Band 2 dringt "tiefer" in Gebäude ein als das Band 3. Dies muss durch zusätzliche Sender kompensiert werden. Es kann aber eben auch durch zusätzliche Sender kompensiert werden; anders als bei UKW können bei DAB+ zusätzliche Sender bequem in bestehende Gleichfrequenznetzwerke integriert werden. Als das Mobilfunknetz vom analogen C-Netz auf das digitale D- (und später E-)Netz umgestellt wurde, musste das Sendernetz auch deutlich verdichtet werden. Hätte man deswegen auf ewig analog weitersenden sollen? Und: Was bei DAB+ in Städten das Problem der Dämpfung ist, ist bei UKW das Problem der Reflektion. In Städten (wie auch in Gebirgen) ist der Empfang von UKW-Großsendern im Nahbereich (aufgrund von Reflexionen an Hügeln bzw. großen Gebäuden) häufig völlig verzerrt, während der von DAB+ vom gleichen Sender mit dem sogenannten "nassen Finger" möglich ist.
  2. der allgemeine funktechnische Störnebel in der Stadt. Hierunter leider auch UKW (man denke etwa an die Empfangsprobleme der BR-UKW-Sender in München oder der Berliner Scholzplatzprogramme in Ostberlin), aber bei DAB+ scheint das Problem stärker zu sein. Ich weiß nicht genau, woran das liegt; aber ich spekuliere mal, dass UKW hier vom "Capture Effect" durch die Frequenzmodulation profitiert, während die Orthogonalmodulation bei DAB+ zwar besonders resistent gegen Eigenstörungen ist (siehe 1.), aber empfindlicher gegen Fremdstörungen.
  3. der spezielle Störungen durch Kabellöcher. Die Frequenzen im Kabel-UKW sind in der Regel so gewählt, dass sie sich mit den örtlich genutzten terrestrischen Frequenzen nicht überschneiden. Bei DAB+ dagegen wird vollständig in einem Bereich gesendet, der im Kabel bereits belegt ist. Gerade in Städten gibt es erfahrungsgemäß viele unzureichend abgeschirmte Kabelnetze. Hier müssen die Kabelnetzbetreiber zur Abdichtung verpflichtet werden - notfalls muss man ihnen androhen, bis zur Abdichtung auf die durch DAB+ genutzten Kanäle zu verzichten. Das klingt rabiat, ist aber völlig legitim; ein offenes Kabelnetz ist als funktechnischer Störer genauso illegal wie ein Piratensender. Die Kanäle S04 und S05 sind in den meisten Kabelnetzen bereits unbelegt, weil die Kabelnetzbetreiber die Störung des Flugfunks anders nichts ausschließen konnten.
Ganz nebenbei. Ich meine dunkel in Erinnerung zu haben, dass es zum Thema "Probleme beim DAB+-Empfang in großen Städten" mal einen eigenen Thread gab, vor zwei Jahren oder so, in Bezugnahme auf konkrete Messfahrten. Ich finde ihn aber nicht mehr. :oops:
 
Mein DAB-Küchenradio steht knapp 2,7 Kilometer vom Scholzplatz (Sendeleistung 5 kW) entfernt, zum Alexanderplatz (10 kW) sind es etwas mehr als 10 Kilometer. Also in Anbetracht der Sendeleistungen eigentlich kein Problem.

Allerdings wohne ich im 1. OG und das Küchenfenster geht zwar in Richtung Alex, aber leider auf eine, wenn auch recht weiträumige, Hofanlage. Die Folge: Bewege ich mich in der Küche an die falsche Stelle, sind sämtliche Sender weg. Manchmal auch, ohne daß jemand in der Küche ist.

Solange die Empfangssituation selbst in ganz normalen Wohnlagen ohne störende Topographie derart bescheiden ist, kann und wird DAB keine ernsthafte Alternative zu UKW sein. Die UKW-Sender bekomme ich mit dem selben Gerät übrigens allesamt problemlos rein...


Schon mal dran gedacht,dass das Küchenradio nicht Großsignalfest ist!? Bei der Entfernung sollte selbst das L-Band im 1,5 Ghz Bereich was mittlerweile an die Mobilfunker gegangen ist noch Indoor problemlos funktionieren. Ist mal ein anderes Gerät getestet worden ?
 
freiwild, danke für deine wirklich technisch sehr versierten Erläuterungen. Mehr Sender bedeutet aber auch mehr Kosten und stellt generell den immer wieder angepriesenen Vorteil der Kostenersparnis bei DAB in Frage. Erst recht jetzt, wo wir endlich echten Wettbewerb beim UKW-Sendernetzbetrieb bekommen.
 
Bei Radio Hamburg haben selbst 80 Kilowatt UKW nicht ausgereicht, um überall in Hamburg-City guten Empfang zu gewährleisten, daher hatte die Medienanstalt damals noch eine City-Frequenz für den Nahbereich zugeteilt.
War damals nicht eher dieses City-Fenster die Begründung für die 104.0, und gibt es dort überhaupt noch City-Sendungen?
Die City-Frequenz für Alster Radio ist dann vor ein paar Jahren überflüssig geworden.
Ich wundere mich nur warum die Programme des NDR nicht auch noch City-Frequenzen brauchen. Schließlich funken die ebenfalls von Moorfleet mit höchstens 80 KW.

ein offenes Kabelnetz ist als funktechnischer Störer genauso illegal wie ein Piratensender.
Dann wäre es echt mal an der Zeit, dass auch auf diese Art und Weise dagegen vorgegangen wird. Oftmals sind es ja nicht nur kleine Flecken an denen so ein Kabelleck zu empfangen ist, sondern mitunter ganze Straßenzüge.
 
Ich habe ja ebenen in im Forum auf das Thema "Wie viel Potential hat das DAB+-Bouquet?" geantwortet. DAB+ eröffnet neue Wege im Bereich Werbung, Newsfeed, Verkehrsmeldungen alles via Display in Farbe (vorausgesetzt das DAB+ Radio hat ein Farbdisplay eingebaut). Die Sender können durch diese Nutzung doch auch noch Kohle machen.

Ich weis jetzt nicht wie hoch die Kosten für DAB+ im Monat sind, aber ein attraktives Kostenmodell sehe ich auch für sinnvoll. Hier sollten die LMA's oder sogar der Bund spezielle Förderungen anbieten. Eine Art Digitalagenda2020.

Zahlt man z.B. in Hamburg genau soviel wie in Berlin wenn man DAB+ betreiben möchte?
 
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Mein C-Netz-Mobiltelefon wird mir langsam zu schwer und unhandlich.
...
DAB+ wird eben so wenig UKW ablösen wie LTE das C-Netz.

Countie, der vergleich hinkt meiner Meinung nach. Dem Mobiltelefonbesitzer wäre prinzipiell egal, nach welchem Verfahren, ob analog oder digital, dieses Ding zum Reinsprechen funktioniert. Den interessierten lange Zeit andere Dinge:

- kleiner und leichter sollte es werden (die legendären Kisten mit dem brikettgroßen, am Spiralkabel hängenden Telefonhörer, die die Verteter mit sich herumschleppten, dürften uns älteren noch in Erinnerung sein),

- die Netzabdeckung sollte besser werden,

- die Tarife sollten günstiger werden.

All das geschah bekanntlich und da die Geräte an sich selbst ein großer Teil der Unzufriedenheit waren, wurden sie nur zu gerne durch kleinere, leichtere, smartere ersetzt. Damit tat auch nicht weh, daß das plötzlich digital war. Vielleicht interessierte irgendwen sogar, daß das dann auch nicht mehr so leicht von jedermann abhörbar war. Und der einheitliche GSM-Standard machte plötzlich Nutzung im Auslang möglich.

Und ganz nebenbei wurden noch die bekannten Komfortmerkmale eingeführt, die man zu Beginn nicht ahnen konnte. Nach SMS kam MMS kam drahtloses Internet. Also insgesamt eine "biologische" Entwicklung, eine Reife, eine Vervollkommnung, eine massive Steigerung des Nutzwertes. Heute sind die "Handies" für manche Ersatz für jegliche Elektronik von Computer bis Videokamera. Wissen wir alles.

Nun zu UKW - DAB.

Kleiner und leichter als ein billiges UKW-Radio ist ein DAB-Radio auch nicht. Billiger ebenso nicht. Es klingt auch nicht besser, wenn es die gleiche mickrige Endstufe, den gleichen mickrigen Lautsprecher und das gleiche mickrige Gehäusevolumen hat.

Ein DAB-Empfänger für die Stereoanlage soll gar nicht kleiner sein (dann paßt er nicht zu den anderen Komponenten) und ob er leichter ist, ist wurscht. Er klingt bei den meisten DAB-Programmen auch schlechter als UKW, was teils an den miesen Bitraten liegt, die heute meist verwendet werden (dazu kann der Empfänger nichts) oder daran, daß er einen Decoderbug hat, der LC-AAC zu Schrott verwurstet (dazu kann er etwas bzw. sein Hersteller kann etwas dazu). Nur wenige Programme (u.a. DKultur seit der abermaligen Umstellung, diesmal auf 112 kbps HE-AAC oder BR Klassik mit seinen 144 kbps LC-AAC) klingen fast makellos auf allen Geräten und besser als die meisten UKW-Empfänger in den selbst optimalsten Empfangssituationen. Fast alles andere leidet teils erheblich unter dem Geiz der Programmanbieter und klingt damit schlechter als UKW.

Aus diesen Kriterien läßt sich kein Wunsch nach DAB ableiten, abgesehen von dem technischer Freaks, die solche Geräte schon dafür benötigen, mitreden zu können und Erfahrungen zu sammeln.

Die Netzabdeckung von DAB ist je nach Programmwunsch und Ort mal besser, mal deutlich schlechter als die von UKW. Hier leiten sich erste Kaufgründe für DAB ab: wenn ich ein Programm (mobil) empfangen will, das ich auf UKW nicht bekomme, kann das sehr wohl ein Grund sein. Also Bayern 2 in Berlin, Sputnik in Sachsen, BR Heimat in Bayern. Das sind letztlich alles Anwendungen weitab des Mainstreams, den großen Run auf DAB-Geräte muß man da nicht befürchten. Es ist nur nett für die, die diese speziellen Wünsche haben.

Die Kosten für ein mobiles DAB-Gerät im Betrieb sind oft höher wegen des höheren Energiebedarfs. Das ist nun erstmal Kleinkram, aber auch kein Vorteil gegenüber UKW.

Und die Zusatzfunktionen von DAB, also meist briefmarkengroße Texttafeln oder Fotos, die man sich auch bitte nicht auf größeren Displays anschauen sollte, weil sie dann nur noch Matsch sind, sind nett, aber weitgehend unnötig. Ein sauber gepflegtes UKW-RDS liefert auch Titel und Interpret im Radiotext (und bitte nur da!). Journaline, der redaktionell zu pflegende bevormundende Infodienst ist spätestens seit der Erfindung des mobilen Internets im Smartphone komplett überflüssig.

Da bleibt unterm Stich nicht viel, was DAB pushen könnte. Ein nettes Zweitsystem, das kaum einer kennt, weils nicht nötig ist zum Empfang von Hitradio Antenne Jump. Die Freaks alleine bringen das nicht zum Durchbruch. Der ständige Neukauf von "Radios" im Rahmen des Austausches alter, defketer, nicht mehr gefallender etc. (UKW-)Empfänger würde es auch nie schaffen, selbst wenn künftig nur noch DAB-Geräte verkauft würden.

Fazit: das setzt sich nur dann in angemessener Zeit durch, wenn es politisch durchgesetzt wird. Also am Großteil der Radiohörer vorbei, die brauchens fast alle nicht.

Man schafft es ja nichtmal, in den großen Kabelnetzen zusätzlich (!) zu DVB-C-Radio auch DAB-Radio anzubieten für die nun im Handel erhältlichen Mini-, Midi- und Fullsizze-Stereoanlagen mit Antennenanschluß. Oft haben die nur einen Antenneneingang für UKW und DAB. Will man DAB, kann man das UKW-Kabelangebot nicht nutzen. Will man UKW-Kabel (ca- 32 Programme in meist ordentlicher Qualität), bleibt DAB draußen, es sei denn, man investiert nochmal einen zweistelligen Betrag in eine Zusammenführweiche mit gegenseitiger Bandsperre. Immerhin gibt es die inzwischen, kosten aber heftig.

Von DAB-Paketen extra fürs Kabel mit höheren Bitraten bei niedrigerem Fehlerschutz verglichen mit den terr. DAB-Paketen kann man in Deutschland erst recht nur träumen. Man könnte heute aus den Sat-Transpondern von ARD und DRadio durchaus klanglich hochwertige DAB-Pakete basteln, z.B. durch Recodierung auf 112 kbps HE-AAC oder sogar kompatibel zu den Altgeräten bei Recodierung auf 192 kbps MP2 bzw. Beibehaltung der 256 kbps bei DLF/DKultur. Aber nix da... in der Schweiz hat man sowas für ein Kabelnetz gebastelt, gehört fast nix mehr an Hardware dazu. Leider generiert man dort wieder nur abgrundniedrige Bitraten:

https://de-de.facebook.com/dabswiss/posts/1593887364217514
http://www.opendigitalradio.org/2015/05/citycable-offers-80-dab-radio-stations-on-cable

Nee, so dümpelt das weiter vor sich hin und kann nur zwnagsweise durchgesetzt werden.

In dem Fall ist es etwas anders. Der Privatfunk sieht keine Notwendigkeit zu einem Technikwechsel. Es ist alleine ein Wunsch der Medienpolitik und neuerdings auch der richtigen Politik und von ein paar wenigen Öffentlich-Rechtlichen. Daher kann der Privatfunk hier sehr relaxt in Verhandlungen gehen und auch seine Forderungen stellen.

So gesehen ist das freilich sehr richtig, da hast Du Recht. Die Privaten könnten dann tatsächlich Forderungen stellen (und tun es ja auch schon). Die Subventionierung durch Rundfunkgebühren bleibt dennoch heikel, denn für die Befriedigung politischer Eitelkeiten sind sie nicht da (und werden programmlich gewiß schon oft genug dafür mißbraucht). Dann müßte man bundesweit alle DAB-Belegungen aus "Staatsknete" finanzieren und entsprechend den von UKW bekannten Funktionalitäten dann den Anbietern zur Verfügung stellen - öffentlich-rechtlichen wie privaten. Also: wenn private DAB-Ketten aufgebaut werden aus Staatsgeldern (Steuern), dann hat das auch mit den öffentlich-rechtlichen so zu erfolgen, sind also keine Kosten dafür aus den Rundfunkgebühren abzuzweigen. Dann wäre es wieder fair. Oder übersehe ich etwas?

Genaugenommen müßte man nun "nur noch" allen Haushalten die UKW-Radios gegen in Optik, Haptik und Klangqualität gleichwertige DAB-Radios tauschen. Man (die Politik) hat ja schließlich diese Umstellung gewollt, nicht der gemeine Hörer. Aber wo sollte dieses Geld herkommen, wenn nicht irgendwoher, wo es dem gemeinen Hörer dann anderweitig fehlt? Bei der wegen Baufälligkeit gesperrten Schulturnhalle, bei der wegen knapper kommunaler Kassen geschlossenen Bibliothek, bei...?
 
Hi @Radiowaves: vielen Dank für Deine ausführlichen Eräuterungen zum Thema als Antwort auf mein provokant dahingeworfenes Posting oben. Du hast verstanden! Ich selbst bin zu wenig Techniker, um eine zukunfsttaugliche Voraussage abgeben zu können. Aber ich weiß, das neue Technologien sich oftmals schneller verbreiten als allgemein vermutet: vom C-Netz-Telefon zum Smartphone, vom 525-Zeilen-Röhren- zum gebogenen Flachbildfernseher. Vom UKW- zum Digitalradioempfänger. Wieso sollte ich da Unrecht haben?
 
Aber ich weiß, das neue Technologien sich oftmals schneller verbreiten als allgemein vermutet: vom C-Netz-Telefon zum Smartphone, vom 525-Zeilen-Röhren- zum gebogenen Flachbildfernseher. Vom UKW- zum Digitalradioempfänger. Wieso sollte ich da Unrecht haben?

Der Flachbildfernseher (nicht der gebogene, der ist Mode, die Raumlichtreflexionen nerven auf diesen Geräten angeblich massiv) hat deutliche Vorteile gegenüber dem Röhren-TV: flimmerfrei, viel größeres Bild, nimmt viel weniger Platz weg, bei gleicher Größe inzwischen deutlich billiger als eine gute Röhre je war, sehr hohe Bildschärfe. Die Nachteile der Blickwinkelabhängigkeit, des Ruckelns bei Kameraschwenks oder Scrollings in vielen Geräten und des meist hundsmiserablen Tons nehmen die Menschen meist hin, weil ihr Schwerpunkt auf Bildgröße und Brillanz sowie Gehäusegröße liegt. Außerdem ist es Mode, eine große Flachglotze zu Hause zu haben, am besten noch in jedem Raum. Den Ton gehen manche dann separat an - was zu einer völlig neuen Gerätekategorie ("Soundbar") geführt hat und mitunter mehr kostet als der TV, der da oben draufsteht.

Das Smartphone (oder zumindest das Mobiltelefon heutiger Ausführung) hat unverkennbar auch riesige Vorteile gegenüber dem C-Netz-Klopper. Hatten wir weiter oben.

Aber wo sind die Kaufgründe für DAB? "Radio" ist für die meisten Menschen nur etwas, wo bissl Gedudel rauskommt. Kann UKW genausogut. Kann es auf der Baustelle oft sogar besser, weil die Batterien länger halten. Für Minderheiten ist "Radio" ein Kulturbringer oder ein Befriediger sehr spezieller Interessen. Das erfolgt teils nur im Wohnzimmer, da bietet sich Satradio oder digitales Kabelradio an - außer bei Kabel Deutschland in der jeweils maximalmöglichen Qualität und mit allen Kulturprogrammen der ARD. DAB bringt es je nach Ort genau wie UKW meist nur auf zwei, maximal drei ARD-Kulturprogramme zzgl. DKultur und DLF. Damit hat DAB für den Heimempfang auch bei den Hörern "gehobener" Programme bislang schlechte Karten. Nur im Mobilempfang gibt es wie bereits beschrieben das eine oder andere Zusatzprogramm, das man nicht auf UKW bekommt. Zu wenig, um einen Run auf DAB auszulösen.

Und was das "schneller verbreiten als allgemein vermutet" betrifft: DAB wurde anfang der 90er Jahre entwickelt und seit 1992 in Feldversuchen erprobt. Spätestens seit 1995 standen Empfänger bereit und wenns nach Sachsen-Anhaltinischer Landesmediengesetzgebung gegangen wäre, hätten man dort seit 2010 schon kein UKW mehr. Das Gesetz wurde zurückgezogen, als man merkte, daß man die Verbreitung nichtmal auf diesem Wege erzwingen kann. Der Mainstream braucht schlichtweg kein DAB, solange man ihm UKW nicht zwangsweise wegnimmt. Und tut man das, dann, so sagen auch einige Auskenner, wäre es das mit dem linearen, terrestrisch verbreiteten Radio wie wir es kennen halt vorbei.

UKW ist für fast alle Radiohörer das Ziel der Wünsche. Steigerungen in Richtung höhere Klangqualität (die DAB so, wie es meist betrieben wird, ohnehin nicht bieten kann, im Gegenteil) oder mehr Programme sind gar nicht gefragt. Neue Funktionalitäten sind mehrheitlich auch nicht gefragt. Radio mit Minidisplay braucht niemand, jedes Handy hat mehr zu bieten. Und für großes, gutes Bild hat der TV klassischer Prägung ja sogar schon Konkurrenz aus dem Tablet/Internetbereich, wie ein Blick in den Digitalisierungsbericht zeigt. Daß DAB evtl. für die Programmanbieter kostengünstiger sein könnte, ist den Hörern egal, für sie wäre es mit Neukauf verbunden, das zählt.

Ach so, DAB anno 1992, als es gerade losging mit den Feldversuchen:

stereoplay 9-1992.jpg

Kritikpunkt war damals u.a. die geplant mickrige Programmvielfalt, die nicht über die UKW-Öffis der regional zuständigen Anstalt und ggf. einen Privaten hinauskam. Das ist heute teils immer noch so, teils sogar verschärft, teils aber auch gundlegend anders (Bayern, Berlin). Dafür ahnte man damals nicht im Ansatz, was mit der Datenreduktions-Schraube noch an Schaden angerichtet werden würde. Ausgerechnet bei der Stereoplay war man mit den 192 bis 256 kbps MP2, die geplant waren, zufrieden - zu Recht und pragmatisch völlig verständlich. Von dem Müll, der einem heute mit 88 oder 64 kbps entgegenquillt, hätten sie sich nicht zu träumen gewagt. Und es gab keinerlei Internet 1992, also keine Musikabspieldienste, schon gar keine personalisierbaren.

DAB wurde vor 23 Jahren (!) kritisch betrachtet - so lange existiert das System. Von "schnellem Durchsetzen" kann da keine Rede sein. Es fehlten über lange Zeit einer oder mehrere real als solche wahrgenommenen (Mehr)werte gegenüber UKW.
 
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Beim alten DAB sind eine halbe Million Geräte verkauft worden, die meisten davon waren Autoradios von Blaupunkt, die vorrangig nicht wegen DAB gekauft wurden, sondern wegen der damals noch revolutionären MP3-Abspielmöglichkeit über MMC-Karte. Selbst ich hatte damals ein solches Radio im Fahrzeug, weil es auch auf UKW hervorragend war. Eine DAB-Antenne hatte ich nie angeschlossen, das hatte sich an meinem damaligen Wohnort in Westfalen nie gelohnt.

Heute haben wir über 4 Millionen DAB Radios in den Haushalten dank des DABplus Neustartes vor 4 Jahren. Also ist es schon eine gewaltige Steigerung, und der Trend geht ja weiter nach oben. Von daher kann man das eine nicht mit dem anderen vergleichen. Ein Problem ist, daß vor allem die Hamburger Anbieter, die mit dem alten DAB gehörig auf die Schnauze gefallen sind, derart enttäuscht waren, daß dies noch bis in die heutige Zeit reicht. Es müssten schon 20 Millionen Geräte mind. im Umlauf sein, damit sich die Radio Hamburg Gesellschafter zu einem erneuten Einstieg in DAB entscheiden. Und Otto hatte irgendwo gehofft daß wegen seiner Kiss-Station Millionen Kiddies die Märkte einrennen und Radios kaufen und hat nach einem Jahr die Flinte ins Korn geworfen, auch weil er Aktionen beim Gattungsmarketing vermisste.

Aber alles in allem ist es schon so, daß es nun auch aus dem Markt heraus eine Nachfrage gibt. Und es ist gut, daß es nun auch die ifak-Studie gibt, die besagt, daß knapp die Hälfte der Besitzer von DAB Radios auch diesen Verbreitungsweg nutzen. Bislang war immer in Radiokreisen davon die Rede (oder besser: Die Hoffnung), daß es sich um Zufallskäufe handeln könnte, wenn die Radios auch DAB an Bord haben, und doch nur UKW darüber gehört wird.

Die Branche muß sich nun einig werden, was sie will, und die Politik muß attraktive Lösungen vorlegen. Gelingt es seitens der Politik nicht, alle zu überzeugen und finanzierbare Konzepte vorzulegen, na dann machen wir halt wie bisher weiter mit UKW. Ein Druck besteht beim Radio-Business hier nicht, der besteht in ganz anderen Bereichen. Junge Menschen sind es heute gewohnt, das zu hören was sie gerade wollen, und einen gerade unpassenden Musiktitel auch mal weiterzuskippen. Die Frage ist: Wie kann das Radio hier partizipieren, wie viel Radio passt in Streaming usw. ???
 
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