Muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk eigentlich Sendernetzbetreiber sein?
Dazu würde mich sowieso mal eine Aufstellung interessieren: was kommt günstiger? Ein Eigenbetrieb des Sendernetzes oder das Einkaufen der Dienstleistung? Hier gilt es ja auch eine brandaktuelle Entwicklung zu betrachten: die Aufgabe des UKW-Sendernetzbetriebes seitens der Media Broadcast. Wenn ich mir anschaue, wie die Privaten (auch die mit den großen Ketten von zig 100-kW-Senderstandorten) nach Marktöffnung schleunigst zu den Wettbewerbern gewechselt sind, kann MB nicht allzu günstig gewesen sein in Summe der Eigenschaften.
Aus den auf die Schnelle für mich greifbaren Zahlen (ich laufe internettechnisch wieder mal auf GSM-"Speed", einfach mal durchs Netz klicken ist nicht möglich) sind Vergleichswerte nur schwierig abzuleiten. Ein Beispiel: die 3 MDR-Länder haben in Summe ca. 8,5 Mio. Einwohner, Bayern hat ca. 12,84 Mio. Einwohner. Die Einnahmen der Anstalten sind auch etwa im gleichen Verhältnis, vgl.
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/196121/umfrage/gez--einnahmen-nach-rundfunkanstalt/ . Beim MDR gehen je Gebührenzahler-Haushalt monatlich 85 Cent in Ausstrahlung / Technik / IT (
http://www.mdr.de/unternehmen/zahlen-und-fakten/gez-100-downloadFile.pdf), beim BR sind es 83 Cent (
http://www.br.de/unternehmen/transparenz-offensive-rundfunkbeitrag-104.html). Dabei sind die Beträge deutlich anders verteilt, es wäre also erstmal zu schauen, was hier "Technik" ist und was "Ausstrahlung". Das nur als Beispiel. Beim MDR kostet der Betrieb absolut also deutlich weniger, je Gebührenzahler jedoch fast identisch viel - bei einer UKW-Kette weniger als beim BR im Großteil des Sendegebietes. Angesichts völlig unterschiedlicher topographischer Bedingungen mit anderen Sendernetzstrukturen kann am Ende gar nichts über Effizienzen abgeleitet werden, es wäre jeweils das Gebiet der anderen Anstalt mit den "betriebs-finanziellen" Gegebenheiten der einen Anstalt neu zu kalkulieren, sonst kommt da nichts gescheites raus. Gibt es solche Rechnungen extern abrufbar? Ich bezweifle das.
Auffällig ist beim BR ein hoher Posten "sonstiges", den es beim MDR in dieser Höhe nicht gibt. Was steckt da dahinter? Pensionszahlungen?
Wer sachdienliche Zahlen hat, sehr gerne her damit. Die Kosten für den Sendernetzbetrieb sind offenbar ein wohlgehütetes Geheimnis.
Muss er eigentlich Orchesterbetreiber sein (und das nicht nur einmal)?
"Müssen" sicherlich nicht. Er ist es aus historisch gewachsenen Gründen - die öffentlich-rechtlichen Anstalten als Anbieter hochwertiger kultureller Produktionen. Es wäre kultur- und finanzpolitisch zu schauen in den frühen Jahren der (West-)Anstalten, wie es dazu kam und welche Vorteile es also bot. Natürlich könnte man das alles auch abwürgen und sich aufs Konserven-Abspielen von Industrieproduktionen beschränken, wie man es auch meist mit der U-Musik macht. Aber auch bei der Popkultur waren die spannendsten Sachen teils diejenigen, die der Rundfunk produziert hat, wie ein Blick in die DDR (Parocktikum-Produktionen) bzw. erst recht zur BBC (Peel-Sessions) zeigt. Produktionen, die es offenbar von anderer Seite aus nicht hat geben sollen / können.
Außerdem wäre man damit weitgehend auf "verkaufbare" Ware beschränkt und könnte bestimmte Dinge gar nicht realisieren, es sei denn, man arbeitet mit externen Orchestern produktionstechnisch zusammen, wie es z.B. hier geschehen ist:
http://www.deutschlandradiokultur.d...rmordeten.1091.de.html?dram:article_id=305184
Ein Blick in die aktuelle Orchester- und generell auch Theaterlandschaft zeigt, wie die kommunalen Einrichtungen massiv finanziell bedroht sind, wie Orchester und Theater fusionieren müssen, wie Sparten gestrichen werden etc. Von den Ländern kommt also nicht genug Geld, den Spielbetrieb in dem Umfang aufrechtzuerhalten, der aus vergangenen Zeiten bekannt ist. Der Streit um die Kulturstätten ist auf kommunaler und Landesebene nicht zu überhören / zu überlesen. Da empfinde ich es als regelrecht beruhigend, von meinem 17,50 EUR monatlichen Rundfunkbeitrag wenigstens 40 bis 50 Cent (!) in dem Erhalt der Orchester und anderer Klangkörper zu sehen. Das ist etwa der gleiche Betrag, den der "Beitragsservice" für sich selbst frisst, siehe oben verlinkte Aufstellungen. Ich wüßte, wo ich zuerst Einsparungen verlangen würde...
Auffällig ist z.B. auch, daß eine oder zwei werbetreibende Unterhaltungswellen zusammen schon so viel kosten (also offenbar zusätzlich zu den Werbeeinahmen) wie die Klangkörper. Auffällig ist auch, daß die Sportrechte und möglicherweise redaktionelle Kosten (ist mir unklar) zum Thema "Sport" monatlich teurer kommen als die Klangkörper.
Muss er eigentlich viele Bereiche selbst betreiben? Das alles unter dem Deckmantel der Grundversorgung und des Programmauftrags?
Ich kenne Aussagen über outgesourcte Bereiche derart, daß man deren Leistung dann übel teuer und mit Mehrwertsteuer wieder einkaufen müsse und sich damit ins eigene Fleisch geschnitten hätte. Da ich Physiker und nicht BWLer bin, mag ich das nicht kommentieren.
Ich glaube, dass sich das öffentlich-rechtliche System verselbstständigt hat.
Ich glaube es nicht, ich fühle es irgendwie sogar.
Hier noch ein wenig, da noch ein wenig. Warum nicht noch eine Hörfunkwelle dazu.
Vor allem: eine Hörfunkwelle mit Inhalt, den man vorher aus den vorhandenen Wellen zwecks besserer "Durchhörbarkeit" rausgekehrt hat. Und das schiebt man dann ins DAB ab, während zunehmend landesweite leistungsstarke UKW-Ketten kaum noch oder gar nicht mehr von den Privaten zu unterscheiden sind. Da muß dringend eingegriffen werden - besser aus den Reihen der ARD selbst als von außen, denn von außen werden es Zwangsmaßnahmen, die keine Rücksicht auf eine gewisse "Gediegenheit" der Programme nehmen werden. Nur sind leider bei den meisten Maßnahmen in den vergangenen Jahren ausgerechnet die wertvollen Dinge vernichtet worden, während die austauschbaren, die vom Privatfunk abdeckbaren immer mehr Frequenzen und Finanzen bekamen. Budgetkürzungen bei den Kulturwellen, Frequenz-Umverteilung oft zugunsten weiterer Popwellen - so macht sich die ARD aus Befürwortern Feinde und aus Nebenbeihörern keine Befürworter, weils halt nur "nebenbei" läuft.
Na ein Glück! Würden die wertvollsten Inhalte von arte natürlich meinetwegen im Abendprogramm der Dritten laufen, dann wäre freilich auch arte verzichtbar. Aber so, wie es ist, bin ich froh, daß es arte gibt.
Aber wenn es auf die Haushaltsabgabe (nicht mehr Gebühr!) zu sprechen könnt, wechselt bei vielen die Gesichtsfarbe.
Ich kenne allerdings auch niemanden, der glücklich darüber ist, Tankstellen-Rechnungen, KFZ-Werkstattkosten, Wohnungsmiete, Krankenversicherung, Steuern etc. zahlen zu müssen. Zu teuer ist eigentlich immer alles. Für jeden. Auch für die, bei denen so ein Einzelposten gar nicht auffällt. Da keifen dann auch alleinstehende Ärzte mit Festanstellung und Aussicht auf Oberarzt-Stelle: "RAUB!!!"
Und in der breiten Masse gibt es ein Gefühl oder eine Ahnung davon, dass das alles nicht so richtig sein kann - auch wenn man es nutzt.
Auch wenn ich weiter oben selbst von "Gefühl" schrieb: Gefühl ist das eine, nüchterne Betrachtung das andere. Die Welt wäre wesentlich weniger gewalttätig und abartig, würden die "Gefühle" bei Themen, die eine klar bezifferbare Eigenschaft haben, mal rausgelassen. Aber der Mensch läßt sich halt eher vom "Gefühl" als von "Fakten" leiten. Wir haben inzwischen ja nicht nur die "gefühlte Temperatur" und beinahe auch die "gefühlte Uhrzeit", sondern die "gefühlte Bedrohungslage" - und damit sind wie schon wieder irgendwie beim Thema des Threads. Da wird aus Gefühlen Politik gemacht - wer kann es den Parteien verübeln, es funktioniert halt perfekt. "Rattenfänger" fällt mir als Begriff dazu spontan ein.
Klar, ich wünschte mir auch einen niedrigeren Rundfunkbeitrag. Ich zähle mir dann laienhaft zusammen, was "Sturm der Liebe" und anderer sozialethischer Schund sowie lauwarme Vormittags-Gameshows kosten mögen (ohne es zu wissen), ich staune über monatliche Kosten bei werbetreibenden Hörfunkprogrammen (würden die, wären sie privatisiert, überhaupt überleben können?) und ich kann mir die Frage nicht beantworten, wie hoch die Gesamtkosten für die "gehobenen" Programme wären, gäbe es die anderen Angebote der jeweiligen Anstalten nicht.
Insofern ist das ungezügelte Ausbauen der öffentlich-rechtlichen Anstalten am Ende maßgeblich dafür verantwortlich, dass dies der Angriffspunkt für die AfD ist, die letztlich nur verhindern will, dass vermeintlich Politik gegen sie gemacht wird.
Klar, das "Uferlose" der Öffis ist der Angriffspunkt, der sich bietet. Aber was wäre, würden die Öffis nur aus DLF und einer regionalen Welle bestehen, letztere auch mit hohem Wortanteil und der von Humanismus geprägt und nicht von AfD-Visionen? Die AfD müßte sich dann einen anderen Angriffspunkt suchen und es würde schwieriger werden, einen zu finden, der noch einigermaßen verschleiern kann, was man eigentlich bezwecken will: diese Medien, die noch weitgehend "alt" besetzt sind in den Redaktionen, mit üblicherweise hochgebildeten Leuten, die oft wenig anfällig für die eingeengte Weltsicht von Rassisten und Nationalisten sind (und damit zumindest in bestimmten Landesteilen das Volk in seiner Zusammensetzung damit auch nicht widerspiegeln), mundtot zu machen, damit der "Durchmarsch" gelingen möge. Das ist nämlich das, was ich hinter den als "wir schonen den Geldbeutel des Volkes"-Bemühungen der AfD beim Rundfunk vermute.
Ich befürchte nur, dass zu viele Menschen unreflektiert auf die o.g. Sparprogramme nur mit "Richtig!" und "Ja, genau!" reagiert.
Ich auch. Vor allem im Osten des Landes. Den Hass erlebe ich dort bis hinein in die bildungsmäßige, herkunftsmäßige und finanzielle Oberschicht. Immerhin, käme es zu regional unterschiedlichen Lösungen, könnte das z.B. bedeuten, daß mir der BR-Hörfunk (mit Bayern 2) evtl. erhalten bliebe, während der von mir so gut wie nie genutzte MDR-Hörfunk..., ok, lassen wir das.
Schade, liebe Öffis, dass ihr Euch nicht selbst reguliert habt und dass Eure Abnickvereine....äh... Gremien hier ein Komplettausfall waren.
Wenns dann vorbei ist, können die einstigen Insassen dieser Gremien ja mal hier im Forum bissl blättern, was da in den vergangenen Jahren alles an entsprechenden Aussagen und Warnungen geschrieben wurde. Mir wäre es nur sehr, sehr schade um Bayern 2 und ein knappes Dutzend weiterer Hörfunkprogramme, zumindest aufs "Radio" bezogen.