postit
Benutzer
Lieber Steinberg,
Seit Mitte der 80er Jahre hat nicht die musikalische Vielfalt im Radio, sondern die Zahl der Sender drastisch zugenommen. Statt mehr Präsentationsfläche für Unterschiedliches gibt es lediglich mehr Präsentationsfläche für immer dasselbe. Gleichzeitig ist aber die Bedeutung von Musik für die Sender ebenso drastisch gewachsen. Die Musikfarbe ist wichtigster Teil der "Corporate Identity" eines Senders. Musik ist längst Mittel zum Zweck und nicht eigenständiges Element eines auf Vielfalt, Aktualität und Anspruch ausgerichteten Programms. Die eingetretene Entwicklung ist keinesfalls erstaunlich oder unvorhersehbar gewesen. Überraschend ist lediglich die Tatsache, dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten demselben Einschaltquotenzwang unterwerfen, der die privaten Sender motiviert. Das politische Ziel, das mit der Gestaltung des dualen Rundfunksystems verfolgt wurde, war sicherlich nicht, die Angebotslandschaft, deren Vielfalt und Breite, zu verengen, sondern im Gegenteil, sie zu vergrößern. Private und öffentlich-rechtliche Angebote sollten sich ergänzen und nicht zu einer ununterscheidbaren Einheits-Öde werden.
Rainer Cabanis hat mal gesagt: "Früher haben wir den Plattenfirmen die Platten warmgespielt. Heute ist es umgekehrt: Wir spielen die Sachen erst dann, wenn sie sich durchgesetzt haben." Musik interessiert nur noch unter dem Aspekt der "Abspielfestigkeit". Die Verengung der Rotation und die Konzentration auf schon erfolgreiche Titel ignoriert nicht nur die große Vielzahl von Neuerscheinungen und verhindert damit, dass sie Präsentationschancen erhalten, sondern sie führt auch dazu, dass die bereits erfolgreichen Titel viele Male gespielt werden.
Hörfunk und Tonträgerhersteller bewegen sich zunehmend in zwei grundsätzlich von einander getrennten Märkten. Tonträgerhersteller verkaufen Musik, Hörfunksender verkaufen Werbung. Hörfunksender brauchen die Musik, um Werbung zu verkaufen, sie sind also Kunden im Tonträgermarkt oder genauer: Im Markt für Senderechte an der Musik. Den Sendern ist zwar bewusst, welche Bedeutung sie für die Präsentation von Musik im Hinblick auf deren Markterfolg haben können. Die Marktdurchsetzung von Kreativität ist aber Aufgabe der Tonträgerhersteller. Durch Projekte wie "Popstars" kommt das labile System von Angebot und Nachfrage durcheinander. Musik darf heute im Radio nicht stören, nicht aufdringlich sein, keine Aufmerksamkeit erzwingen. Für die Privaten OK, warum aber auch bei hr3? Außerdem frage ich mich, ob sie damit noch einen glaubwürdigen und aktivierenden Rahmen für Werbung bieten kann.
Musik ist zwar selbst kein Medium, aber sie hat eine mediale Funktion. Musik ist Ausdruck von Selbstverständnis, sozialer Orientierung und Lebensgefühl. Wer einen Qualitätsbegriff (auch im Bezug auf Popmusik) in Abrede stellt zeigt nur, dass er von der Materie absolut keine Ahnung hat. Ich hoffe, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk wieder auf seine Bedeutung für die Verbreitung von Musik, ihre Ertragsfähigkeit und damit auf die Existenzfähigkeit musikalischer Szenen und kreativer Ressourcen zurückbesinnt.
Das sage ich dir als Musikwissenschaftlerin ohne Barriere von E und U (ist völlig überholt) im Kopf.
Gruß postit
Seit Mitte der 80er Jahre hat nicht die musikalische Vielfalt im Radio, sondern die Zahl der Sender drastisch zugenommen. Statt mehr Präsentationsfläche für Unterschiedliches gibt es lediglich mehr Präsentationsfläche für immer dasselbe. Gleichzeitig ist aber die Bedeutung von Musik für die Sender ebenso drastisch gewachsen. Die Musikfarbe ist wichtigster Teil der "Corporate Identity" eines Senders. Musik ist längst Mittel zum Zweck und nicht eigenständiges Element eines auf Vielfalt, Aktualität und Anspruch ausgerichteten Programms. Die eingetretene Entwicklung ist keinesfalls erstaunlich oder unvorhersehbar gewesen. Überraschend ist lediglich die Tatsache, dass sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten demselben Einschaltquotenzwang unterwerfen, der die privaten Sender motiviert. Das politische Ziel, das mit der Gestaltung des dualen Rundfunksystems verfolgt wurde, war sicherlich nicht, die Angebotslandschaft, deren Vielfalt und Breite, zu verengen, sondern im Gegenteil, sie zu vergrößern. Private und öffentlich-rechtliche Angebote sollten sich ergänzen und nicht zu einer ununterscheidbaren Einheits-Öde werden.
Rainer Cabanis hat mal gesagt: "Früher haben wir den Plattenfirmen die Platten warmgespielt. Heute ist es umgekehrt: Wir spielen die Sachen erst dann, wenn sie sich durchgesetzt haben." Musik interessiert nur noch unter dem Aspekt der "Abspielfestigkeit". Die Verengung der Rotation und die Konzentration auf schon erfolgreiche Titel ignoriert nicht nur die große Vielzahl von Neuerscheinungen und verhindert damit, dass sie Präsentationschancen erhalten, sondern sie führt auch dazu, dass die bereits erfolgreichen Titel viele Male gespielt werden.
Hörfunk und Tonträgerhersteller bewegen sich zunehmend in zwei grundsätzlich von einander getrennten Märkten. Tonträgerhersteller verkaufen Musik, Hörfunksender verkaufen Werbung. Hörfunksender brauchen die Musik, um Werbung zu verkaufen, sie sind also Kunden im Tonträgermarkt oder genauer: Im Markt für Senderechte an der Musik. Den Sendern ist zwar bewusst, welche Bedeutung sie für die Präsentation von Musik im Hinblick auf deren Markterfolg haben können. Die Marktdurchsetzung von Kreativität ist aber Aufgabe der Tonträgerhersteller. Durch Projekte wie "Popstars" kommt das labile System von Angebot und Nachfrage durcheinander. Musik darf heute im Radio nicht stören, nicht aufdringlich sein, keine Aufmerksamkeit erzwingen. Für die Privaten OK, warum aber auch bei hr3? Außerdem frage ich mich, ob sie damit noch einen glaubwürdigen und aktivierenden Rahmen für Werbung bieten kann.
Musik ist zwar selbst kein Medium, aber sie hat eine mediale Funktion. Musik ist Ausdruck von Selbstverständnis, sozialer Orientierung und Lebensgefühl. Wer einen Qualitätsbegriff (auch im Bezug auf Popmusik) in Abrede stellt zeigt nur, dass er von der Materie absolut keine Ahnung hat. Ich hoffe, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk wieder auf seine Bedeutung für die Verbreitung von Musik, ihre Ertragsfähigkeit und damit auf die Existenzfähigkeit musikalischer Szenen und kreativer Ressourcen zurückbesinnt.
Das sage ich dir als Musikwissenschaftlerin ohne Barriere von E und U (ist völlig überholt) im Kopf.
Gruß postit