Und wenn man mal ehrlich ist: vieles bei DT 64 wäre jetzt überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Die Zielgruppe ist eine ganz andere. „Jugendradio“ ist eigentlich das, was heute die 14-49 jährigen sind, bei DT gabs auch Oldiesendungen und Sendungen, die heute den Rahmen sprengen und eigentlich eher Akademiker ansprechen, wo es um Kunst und Theater ging, wo über Schiller und Shakespeare oder Heinrich Böll gesprochen wurde, das klingt dann wie der Deutschlandfunk 1975 und auch wenn ich nicht ungebildet bin ist mir das ne Spur zu hoch, das wären Inhalte, die mich nicht interessieren und die ich in der Form auch in einem Jungendradio nicht mehr als zeitgemäß empfinde.
So geschichtliche und kulturelle Themen werden auf Dlf Nova heute ausgedehnt und zeitgemäß vermittelt, leider fehlt dort das breit gefächerte Musikspektrum, wie es das bei DT64 gab und die redaktionellen Inhalte im Tagesprogramm. Sowas wie das Parocktikum wäre auch heute noch möglich, kleine Bands ohne Plattenvertrag gibt es massig, nur verboten sind sie nicht, aber man könnte das auf jeden Fall thematisieren und auch 1 oder 2 Songs von damals spielen.
Und wenn ich mir den Morgenrock anhöre ist die Musik stark abhängig vom Moderator, weil die Alle ihr eigenes Ding gemacht haben und je nachdem wer grad moderiert kann die Musikauswahl halt recht gut oder recht mies sein.
Sowas geht heute nicht mehr. In der Morningshow und im Tagesprogramm muss ein ausgeglichenes Musikprogramm laufen, Specials kann man dann nach 18 Uhr machen.
DT 64 wäre kein Programm, das ich mir jeden Tag an der Arbeit anhören kann und auch die lange Silvesternacht, die ich habe, die bis zum nächsten Morgen geht würde ich an Silvester nicht hören wollen, weil ich auf die meiste Musik dort nicht feiern könnte. Das wäre ne Sendung, die ich im stillen Kämmerchen allein hören würde, aber nicht wenn ich dick Party mit Kumpels machen will.
Dann gibt’s aber auch wieder so Inhalte wie Dr. Kaos, der Flachwitzmässig eigentlich schon Richtung heutiger Privatfunk geht. Das wirkt auch, wenn ich an damalige Verhältnisse denke gar nicht so wild und frech wie der Rest von DT. Was macht Karsten Blumental eigentlich heute? Ich hab ja erst im Nachhinein mitbekommen, dass er dort laufen gelernt hat.
Wahrgenommen hat den meine Generation wohl eher im Kinderkanal als Moderator der ersten Stunde und dann als Herr Fabian bei Schloss Einstein. Es gab aber nach Sendeschluss immer eine Schleife wo sich die Moderatoren vorgestellt haben, da fand ich den Einspieler von ihm am coolsten, wo er die ganze Zeit an einer Mauer lang läuft und dann immer sagt „Hinter dieser Mauer...“ und einmal ist da auch ein Foto von DT 64 wo er noch ganz jung ist, aber ich glaub, das hab ich erst später realisiert.
Ich finde also schon, dass der Geist von DT in den coolen Sachen von jetzt weiterlebt, bei radioeins z.B. Wo ja auch einige von damals arbeiten (Meine heimliche Liebe Marion Brasch z.B.
) oder eben auf Dlf Nova und Kultur.
Aber man sieht halt auch an so Aktionen wie der Top 2000 D, dass dort eine ganz andere Schicht angesprochen wird, da sind sehr viele Oldies (logisch dass ich damit nicht die damals aktuellen Titel meine) dabei und das würde so (auch wenn man die damals neuen Titel gegen aktuelle austauscht) heute eher auf SWR1 laufen, als auf SWR3 und SDR3 war ja in dem Sinne auch kein Jugendprogramm, sondern ein Sender für die „junge werberelevante Zielgruppe“, also 14-49, weil es eigentlich noch gar keine reinen Jugendsender gab.
Der Begriff „Jugendradio“ hatte damals eine ganz andere Bedeutung.
Die Masse der Jugendlichen (also 12 bis Anfang/Mitte 20) will und wollte doch nie Oldies hören. Eigentlich sollte Musik, die älter als 10 Jahre ist außerhalb von Specials kaum Beachtung finden, finde ich zwar schade, ist aber nunmal so. Die meisten Teenies interessieren sich nunmal für das, was grad angesagt ist, egal welcher Subkultur sie angehören und DT 64 würde auch jetzt nicht mehr die Sprache der Jugendlichen sprechen.
Auch Dlf Nova spricht eher die Sprache von Studenten und Hipstern, also jungen Erwachsenen, denke das 14 bis 20 jährige, das eher weniger hören und radioeins ist sowieso „Nur für Erwachsene“...
Ich weiß noch wie schlimm das für mich war, als ich in den 90ern keine Identifikation mit irgendwas hatte was neu war. Ich fand fast nur alte Musik geil und Hip Hop mochte ich zwar teilweise, fand aber den Style und die kiffenden Gangstertypen total scheisse. Ich hab schnell gemerkt, dass sämtliche Subkulturen gleich funktionierten, wenn man nicht mit lief wurde man ausgeschlossen, so war ich immer Außenseiter, nur gabs bei mir keine tollen Oldiesender wie Schwarzwaldradio und auch keine Jugendkulturradios.
Als Planet Radio 1997 startete war ich voller Vorfreude, merkte dann aber schnell, dass der Sender offenbar alle versteht, nur mich nicht.
MTV Kitchen war son Ding was ich ganz gut fand, gabs aber nicht lang.
Und auf die Straße gehen wegen einem Radiosender würde heute Niemand mehr, weil das Sprachrohr bei Jugendlichen ganz wo anders liegt. Das war doch nur, weil die Zeit es eben erforderte, weil der Osten zwar offen aber in dem Moment auch perspektivlos war, Niemand hatte Halt, weil keiner wusste wies weiter geht und deshalb war die Politik auch so wichtig. In dem Sinne hat sich auch damals Niemand für Politik interessiert sondern eben für den Umbruch und der war halt zufällig politisch.
Am 11. September 2001 haben auch alle Jungendlichen Angst gehabt, da hat’s aber Niemanden interessiert weils politisch war, sondern weil Alle Angst hatten dass es Krieg gibt.
LG Tobi