Sprachempfinden ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Und so sollte auch mit dem Gendern verfahren werden. Die Nichtnutzung sollte ebenso selbstverständlich sein wie die Nutzung. Auch im professionellen Bereich.
Wir erleben jedoch derzeit, und das sehe ich als Hauptursache für die Gereiztheit in dieser Diskussion, immer stärker die Erwartungshaltung, gegenderte Sprache anzuwenden. Ich gehöre zu dem Personenkreis, der bei "die Hörer" sowohl an Hörerinnen als auch Höreriche sowie jegliche Menschen, die sich weder männlich noch weiblich identifizieren, denkt. Die Idee, dass damit nur Männer gemeint sein könnten, wirkt in meinem Kopf völlig absurd. Und wenn in Studien 70 % der Probanden das anders beantworten, existieren die anderen 30 % und ihr Sprachempfinden trotzdem. Entsprechend alarmiert bin ich über die Erwartung, gegen mein Empfinden gendern zu müssen, um nicht als hinterwäldlerischer Misogynist dazustehen. Aus dem akademischen Umfeld vernahm ich neulich sogar Freude darüber, dass bei einem Meeting selbst die Doktoranden konsequent gegendert hätten. Als wäre das ein objektiver Erfolg und keine persönliche Entscheidung aufgrund des eigenen Sprachempfindens.
Der DLF war hier ja bereits Thema. Dort gab es vor einigen Wochen in der Sendung
Streitkultur eine Ausgabe zum Thema, in der eine interne Handreichung zur sprachlichen Sensibilität erwähnt und auszugsweise zitiert wurde. Während daraus keine Pflicht zur Nutzung gegenderter Sprache hervorgeht, können solche Maßnahmen meiner Meinung nach durchaus zu einem großen psychologischen Druck führen, Sprachformen auch gegen das eigene Empfinden zu nutzen. Und in der Tat, es ist gerade das Programm aus dem Kölner Süden, bei dem ich oft den Höreindruck habe, für das Gendern würden Fleißbienchen verteilt.
Anfangs fiel hier der Begriff gendersensibel. Und vielleicht ist das ein guter Ansatz, denn auch ich bin nicht frei von Zweifeln ob der sprachlichen Gerechtigkeit. Beispielsweise habe ich mir, von Tendenzen im Englischen inspiriert, angewöhnt, im Zweifelsfall den Plural zu verwenden. Statt, um das Beispiel hier aus dem Faden aufzugreifen, von "dem Täter" nun von "den Tätern" zu reden. Vorausgesetzt, die Genauigkeit leidet nicht und wir wissen nicht wie viele Personen an der Tat beteiligt waren. Damit entledige ich mich des männlichen Artikels. Wobei andererseits der Plural im Deutschen wiederum grundsätzlich weiblich ist, denn es sind DIE Bürgermeister und DIE Leser, womit unsere Sprache ja vielleicht doch ausgewogener ist, als wir für gewöhnlich denken.
Ich finde es zudem großartig, wenn Frauen voller Selbstbewusstsein sagen "ich bin Österreicher" oder "ich bin Arzt". In einer gleichberechtigten und emanzipierten Gesellschaft spielt das Geschlecht für die Ausübung und Qualität der ärztlichen Tätigkeit schließlich keine Rolle. Hierin sehe ich persönlich eine Lösung des Problems der Sichtbarmachung: Frauen, erobert die generische Form!
Am Ende dürfen wir das eigentliche Ziel nicht aus den Augen verlieren: Die Gleichberechtigung und Sichtbarmachung von Frauen und geschlechtlichen Minderheiten. Und dafür muss primär und immer wieder über die Mißstände inhaltlich gesprochen und Lösungen gefunden werden! Das :innen mitzuschleppen sowie an ihre logischen Grenzen stoßende Konstrukte wie Studierende zu nutzen, bleibt meiner Meinung nach eine Mode, die in den nächsten emanzipatorischen Entwicklungsschritten wieder abgeschnitten werden wird, weil sie oft weder als ästhetisch noch als praktisch empfunden wird.