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Interessante Musik aus der DDR

Philclock

Benutzer
Hallo Leute,
ich beschäftige mich immer wieder auch mit Musik aus der DDR. Nun ist es nicht so einfach für einen 31 Jahre alten Menschen, da gut was zu finden. Gibt es etwas, was richtig gut war und inzwischen in Vergessenheit geraden ist? Was haben die Leute so früher in der DDR gehört? Ich möchte also hier eine kleine Sammlung eröffnen und mache auch den Anfang.

Sehr lustig fand ich die Musik von der Theo Schuhmann Combo.

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Aber auch Filmmusik aus der DDR, ist wirklich sehr interessant.


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Was haben die Leute so früher in der DDR gehört?
Westradio...

Im Ernst: auch die DDR-Rock- und Popmusik hatte natürlich ihre Hörer. Viele Bands sind inzwischen komplett in Vergessenheit geraten, einige waren natürlich auch nur lokal bekannter. Was davon "gut" ist und was nicht, darüber gehen die Meinungen extrem (!) weit auseinander. Aber das ist ja mit Musik aus dem "NSW" nicht anders.

Spontan fällt mir ein Titel ein, der für mich massiv Bedeutung hat:


Und dann kann es auch episch weitergehen:


Auch das gehört dann leider dazu:



Karat zu nennen, kann einem ja schon übel genommen werden. Für manche ist "Ostrock" ja auf Karat, Cit und Puhdys reduziert. Ich wage es trotzdem, hier in mono (findet sich freilich auch in stereo), dafür der originale "Musikfilm":


Leider wird der Titel heute inhaltlich missbraucht. Was anderes war aber aus dem Osten auch nicht zu erwarten.
 
Und da gab es noch viel mehr:


Bitte beachten: der Clip entstand 1989!


Die folgenden 2 Titel fanden sich auf einer Schallplatte, die 1985 in Ostberlin aufgenommen wurde in einem privaten (und letztlich illegalen) Kellerstudio, das Band gelangte dann in den Westen und erschien dort ohne Nennung der Bandnamen - trotzdem hochgefährlich für die beteiligten Musiker:





"Unsere Leipziger" - Die Art begleiteten uns seit etwa 1987:


(Neuaufnahme, das Original kam schon 1987 auf einem Tape raus)
 
Da gab es einiges was heute noch erwähnenswert wäre, auf den üblichen Compilations aber eher selten bis gar nicht zu finden ist.

Regine Dobberschütz - Solo Sunny (Titelsong des gleichnamigen DEFA-Filmes, der bei der Berlinale 1980 in Westberlin immerhin den Preis der Kritiker und einen Silbernen Bären absahnen konnte)


Rockhaus - Gefühle (Damals noch mit Mike Kilian als Sänger, eine der beeindruckendsten Gesangsstimmen die die DDR hervorgebracht hat. Bei Youtube finden sich einige sehr beeindruckende Live-Schnipsel)


Dirk Michaelis - Stilles Dorf (Sein Song "Als ich fortging" dürfte zu den bekanntesten Ost-Songs überhaupt gehören.)


Und zum Schluß noch 'ne kleine Schnulze.

 
"Interessant" hat viele Facetten ...

Als Wessi fand ich es faszinierend, daß ausgerechnet die DDR die Musik des Klassenfeindes in einer ziemlich lebendigen Blues- (nicht nur eine Blues-Rock-) und Jazz-Szene am Laufen hielt (plus ebenfalls eine Country-Szene).
Gerade die Rubrik "Jazz" hatte da viele innovative Leute zu bieten, von Volker Schlott bis zu Uwe Kropinski, dazu noch mit Klaus Lenz und Günther Fischer ein paar Leute mit gutem Händchen, was die Leitung von Bands bzw. Orchestern angeht.

Liedermacher/Folkies gab's auch in der DDR; zwar liefen die manchmal mit Maulkorb rum, aber mitunter half ihre Popularität im Westen dabei, daß sie trotzdem verhältnismäßig klare Worte fanden, und gar nicht mal so selten wußten sie, wie man mit der Zensur umging, indem sie ihre Botschaften zwischen den Zeilen unterbrachten oder von deutlichen Aussagen ablenkten.
Wie Pension Volkmann anno 1985 eine Zeile wie "Satt zu essen und ein Ausweis in der Tasche, der was gilt" (Lied "Satt zu essen") unterbringen konnten, noch dazu ganz zu Beginn des Liedes, entzieht sich heute noch meiner Kenntnis.
Gerhard Schöne, Barbara Thalheim, Bettina Wegner, Gerhard Gundermann, Stefan Körbel, Stephan Krawczyk, Pannach & Kunert, Kurt Demmler, Reinhard Lakomy, Wolfgang Rieck, Ingo Barz, Hans-Eckardt Wenzel, Salli Sallmann, der viel zu früh, aber halt freiwillig gegangene Norbert Bischoff, Bernd Rump, Maike "Adriana Lubowa" Nowak, Duo Sonnenschirm, Wacholder und halt Wolf Biermann, mit einigen Abstrichen auch den Oktoberklub und Reinhold Andert (mag aber vor allem daran liegen, daß das Stücke/Lieder sind, die größtenteils "aus der Zeit heraus" entstanden sind - und da muß ich als Nicht-Dabeigewesener dann doch manchmal die Segel streichen). Ein wenig außer Konkurrenz natürlich Gisela May und Ernst Busch, die trotz eher eingeschränkten sangestechnischen Möglichkeiten viel Überzeugungskraft auf Platte brachten.

Im rockigen Sektor fand ich solche Gruppen wie Lift, Panta Rhei, Pankow, Silly (je näher am Ende der DDR, desto besser), Electra, Karussell, Monokel, NO 55, die Horst-Krüger-Band, Thomas Natschinski und seine Gruppe, Berluc sowie Karat recht interessant; dazu leider nicht durchgängig: Stern-Combo Meißen, City und Renft.
In gewissem Umfang interessant fand ich auch einige Entwicklungen der 80er wie Reggae Play oder Lutz Kerschowski recht interessant, die sich an der NDW (Reggae Play) orientierten oder sehr nahe an einigen West-Interpreten orientierten (Lutz Kerschowski an Udo Lindenberg). Zur Ehrenrettung wenigstens von Lutz Kerschowski: sein einziges Nach-Wende-Album "Vorbei is vorbei" ist musikalisch eigenständiger und inhaltlich recht beeindruckend.

Die elektronische Szene der DDR fand ich deshalb beeindruckend, weil die Musiker - zumindest die aus dem Pop-Sektor - oft genug nicht die Möglichkeiten hatten, an elektronische Instrumente ranzukommen, insofern mußten sie mitunter ähnlich kreativ werden wie im Westen zu Beginn der Szene beispielsweise Kraftwerk, Tangerine Dream, Klaus Schulze, haben aber im Gegensatz zu diesen für ihre Ideen später keine Lobeshymnen abgeholt. Reinhard Lakomy, Pond.
Hier der ausdrückliche Verweis auf zwei Veröffentlichungen, die 5-CD-Box "Amiga Electronics" sowie den Sampler "Magnetband" (auf Tapete, wahrscheinlich nur noch antiquarisch verfügbar), die erste beleuchtet die etwas mainstreamigere Variante, die zweite geht in den Untergrund.

Die "Klassik" in der DDR im Sinne von Einspielungen älterer Musik war eigentlich konsequent geprägt von wirklich guten bis sehr guten Interpreten, die sich auch einigen Strömungen verweigerten, die der Westen mitsurfte, beispielsweise was das "moderne Aufpeppen" von Chormusik anging. Gefühlsmäßig ist die Klassik besser digital erschlossen als die Rock- und Pop- und vor allem Schlagermusik der DDR, mit der etwas unschönen Einschränkung, daß vieles auf Billig-Labeln verschärbelt wurde und wird. Und mitunter schöne Konzepte auseinandergerissen wurden, um die Laufzeiten von Tonträgern irgendwie aufzufüllen. Peter Schreier, Ludwig Güttler sind teilweise immer noch Referenz, von der Staatskapelle Dresden kenne ich keine einzige wirklich schlechte Einspielung.
Die moderne E-Musik findet sich auf dem NOVA-Label, na ja, eher ein Sublabel der üblichen VEB Schallplatten Berlin, ist ein bißchen Hanns-Eisler- bzw. Ernst-Hermann-Meyer-lastig, was nichts Schlechtes sein muß und sogar irgendwie verständlich ist, da immerhin Aushängeschilder, aber da sind noch ein paar schöne Sachen zum Entdecken drunter, und oft genug sind das Sachen, die man antiquarisch recht günstig bekommt, Ruth Zechlin, Günter Kochan etc. sind mir so über den Weg gelaufen.

Gruß
Skywise
 
Es gab ja einen nicht unwichtigen Unterschied zwischen DDR-Profimusikern und denen aus der Bundesrepublik alt. Um im Osten irgendwas in diesem Sektor zu werden, brauchte man zwingend eine dementsprechende Ausbildung. So haben im Osten so ziemlich alle Sänger vom Schlagerfuzzi bis zur Opern-Diva eine klassische Gesangsausbildung, was man hier und da durchaus auch hört.
Und was die Liedermacher und auch den späten Rock/Pop-Bereich ab Mitte der 80er betrifft, so sind das tatsächlich Texte die aus ihrer Zeit heraus entstanden sind. Der Ostdeutsche war geübt im Interpretieren ausgeklügelter und bewußt zweideutig geschriebener Textzeilen. Tamara Danz hat das nach der Wende in einem Interview mal so erklärt, dass man ganz bewußt einen großen "blauen Elefanten" in die Texte eingebaut hat, damit die Zensur sich auf diesen stürzen kann und dabei die vielen "kleinen Elefanten" übersieht. Oftmals hat das wohl auch funktioniert. Heute braucht man das nicht mehr, da so ziemlich alles von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Texte wie das erwähnte "Satt zu essen" oder auch "Wellensittich und Spatzen" von Gerhard Schöne, sind absolute Perlen ihrer Zeit. Und einiges davon hat auch heute noch seine Richtigkeit.


Musik war damals auch eine Art Rückzugsort und Ventil. Deshalb hatte sie auch einen anderen Stellenwert, insbesondere wenn es um die Nieschen geht, sprich Liedermacher oder die erwähnte Bluesszene. Und unter anderem auch deshalb wurde sie im Westen oft verkannt oder auch missverstanden.

Und manche Songs sind heute noch richtiger als damals ...

 
Zuletzt bearbeitet:
Ich empfehle die LP "Wenn der Abend kommt" von Holger Biege. Wenn es etwas leicht absurdes sein soll, dann spiel doch etwas von der Puhdys-LP "Rock'n'Roll Music" - Klassiker wie "Johnny B. Goode" in einem Englisch, das keines ist. Verkauft hat sich die Platte wohl aber richtig gut.

Als Kind hörte ich ganz gern Jürgen Walter. Man nannte ihn den Gilbert Becaud des Ostens. Etwas spöttisch auch Mr. 1000 Volt, während das französische Original mit Mr. 100 000 Volt bezeichnet wurde.
 
Einblicke in die Szene in einem lesenswerten Buch:

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Ein wirklich lesenswertes Buch!


Jürgen Walter. Man nannte ihn den Gilbert Becaud des Ostens. Etwas spöttisch auch Mr. 1000 Volt, während das französische Original mit Mr. 100 000 Volt bezeichnet wurde.
Immerhin hat sich bei diesem "Mr. 1000 Volt" einst Harald Juhnke rotzfrech und ungefragt bedient und etwas als Weltpremiere ausgegeben, was letztlich doch nur ein Plagiat war, aus meiner personlichen Sicht heraus übrigens eher schlecht als recht interpretiert.

 
Und umgekehrt:

Gerd Christian: So bist du:

Chris Doerk: Die Bouzouki klang durch die Sommernacht:

oder Kreis: Ein Bett im Kornfeld

und mehr:
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Stimmt, aber das hat man ja eher gemacht, um die Kosten für das Spielen der westlichen Lizenzmusik zu umgehen. Stichwort 60/40 etc.
Übrigens, weil du Gerd Christian erwähnt hast. Wie war das doch gleich mit Codo von DÖF? Geklaut war die Melodie bei jenem Gerd Christian aus dem Osten, was Annette Humpe nach der Wende in Interviews wohl auch mal bestätigt haben soll.


 
Boah, ich bin total platt, da sind ganz tolle Sachen dabei ! Gerade den Ost-Punk finde ich super interessant. Eine ehemalige Kollegin von mir ist eine Verwandte vom Schleimkeim-Sänger Otze, die Geschichte dieser Band hat mir schon ordentlich eine Gänsehaut beschert.


@lg74


Einem Arbeitskollegin hab ich" Ich such die DDR" vorgespielt und er hat laut gelacht, dann hat er mir gezeigt, wo der Song herkommt:


Der Albatros von Karat ist ganz toll, den werde ich auf jeden Fall mal spielen.

@Radiokult @CosmicKaizer
Vielen lieben Dank Jürgen Walter weder ich mir besorgen.

@Skywise
Die Silly-Platte mit den Gundermann Songs, hab ich schon da, die werde ich auf jeden Fall spielen, die Platte finde ich ganz toll! NO55 hab ich auch da, die werde ich auf jeden Fall spielen.

@count down
Das Buch werde ich mir mal besorgen und "Die Bouzouki klang durch die Sommernacht:", ist echt ein Knüller.

Vielen lieben Dank an alle für eure Beteiligung! :thumbsup:
 
Zuletzt bearbeitet:
@Philclock

Und gerade für den "dreckigsten Dreck" interessierst Du Dich. :D

Ich hatte nach den anderen Meldungen zu diesem Thema schon ein schlechtes Gewissen, diesen Aspekt abgehandelt zu haben und nicht den wohl künstlerisch eindeutig wertvolleren, um den sich dann @Radiokult und @Skywise in einer Form gekümmert haben, die mich nur noch mit Respekt vor soviel Kenntnis zurücklassen konnte (nein, ich hätte das nicht gekonnt). Vor allem bei @Skywise bin ich nur noch ratlos, wie er als "Wessi" diese Kompetenz bei Ostmusik erwerben konnte. Mensch, da wäre doch eine Dissertation drüber möglich gewesen!

In einem Gespräch mit Jörg Wagner hatte Olaf Leitner soweit ich mich erinnere mal angedeutet, dass er nachträglich sauer wäre, dass aus seinem Buch "Rockszene DDR. Aspekte einer Massenkultur im Sozialismus." keine Dissertation wurde. Kann aber auch scherzhaft gemeint gewesen sein.

Eine ehemalige Kollegin von mir ist eine Verwandte vom Schleimkeim-Sänger Otze
Ach du sch... ja, die Geschichte von Otze ist in der Tat eine Geschichte mit Schock- und Gruselfaktor. Und eine, die mysteriös endet. Ich sammelte zu Zeiten, in denen Otze noch lärmte, solche Musik auf Vinyl (da isses wieder, das Vinyl). Steht am anderen Wohnort, sind teils limitierte Platten, wo handschriftlich die "Seriennummer" auf der Hülle eingetragen wurde.

Es gab da 1991 eine Meldung bei Lutz Schramm im Parocktikum, wonach ein gewisser Andreas Höhn aus Niedersachsen einen DDR-Punk-Sampler rausgebracht habe. 20 Mark in einen Brief und ... Ich wagte es - und habe seitdem ein Exemplar des Samplers


zu Hause. Auf einem der kleinen Fotos auf der Rückseite der Original-LP sieht man vermutlich einen ex-Mitschüler von mir beim Pogo-Tanzen in einem inzwischen abgerissenen Kulturhaus in Jena. Der Mann ist inzwischen Informatik-Professor. Ich weiß von einem zweiten Informatik-Professor, der ähnliche musikalische Vorlieben hatte, vielleicht nicht ganz so krass, eher in die Richtung, die John Peel so spielte.

Auch diverse Veröffentlichungen von SchleimKeim stehen bei mir im Original. Ich habe sogar irgendwo noch das T-Shirt dazu, das ist mir aber deutlich zu groß. ;)

Kannst Du Dir vorstellen, dass Schleimkeim mit "Ich liebte sie die ganze Nacht" bei DT64 in der Nacht auf den 24.12.1991 lief? Das kannste heute nicht mehr bringen, da droht Lizenzentzug, falls es ein Privatsender wäre bzw. der nächste Shitstorm gegen die ARD liefe durchs Land, wenns ein ARD-Programm gebracht hätte. :D

Deine Version von "Ata, Fit, Spee" ist aber nicht die härteste. Die ist hier:



Otze hat nach dem Punk auch Electro gemacht, mit auffällig tiefgehenden Texten. Diese Schaffensphase ist allgemein weniger bekannt. Ob es daran liegt, dass das nach dem Ende von DT64 als Jugendkulturprogramm geschah - und lange vor der Zeit, als man im Internet seine Kunst selbst verbreiten konnte? Es klafft da seit 1992 einfach eine riesige Lücke, um nicht zu sagen: nach DT64 war es mit eigenständiger Ost-Jugend-Subkultur in überregionalem Maßstab weitgehend vorbei.




Ich fahr auf einer Schlitterbahn den Hang herunter
das Ende ist nicht abzuseh'n.
Oh Gott da oben sag mir ist das ein Wunder?
ich kann dies alles nicht versteh'n.
Am Rand des Weges sehe ich Macht und Geld
und stehen bleiben fällt mir schwer
Ist das wirklich der Lauf der Welt?
Man läuft hinter sich selber her?!
Irgendjemand stellt dir ein Bein,
du drehst dich um und glaubst es nicht.
Wie kann denn so etwas nur möglich sein,
du siehst dein eigenes Gesicht. (2x)
Am Rande leben,
In der Mitte des Flusses
eine Liebe auf dem Grund wartet er. (4x)
wartet er


und er hat laut gelacht, dann hat er mir gezeigt, wo der Song herkommt

Jaa - das macht Laune, oder? Die Cover-Version erschien aber erst auf dem zweiten Feeling-B-Album 1991, also nach der DDR. Wie wohl der "Tastenficker" heute zu "ich such die DDR" stehen mag? Gibt sicher irgendwo eine Äußerung dazu.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Philclock

Vor allem bei @Skywise bin ich nur noch ratlos, wie er als "Wessi" diese Kompetenz bei Ostmusik erwerben konnte.
Och, dazu hat der Osten kräftig beigetragen. Vor allem die DDR-Bürger, die "rübergemacht" haben und sich im Rhein-Main-Gebiet erst mal glückstrahlend von ihren Schallplatten (und zwar allen, nicht nur von der Lizenzware) getrennt haben. Der Second-Hand-Plattenhändler meiner Wahl hatte da keine Berührungsängste, also waren da einige Sachen verfügbar, meist für wenig Geld, da im Westen wenig Nachfrage, also standen bei mir schon vergleichsweise früh Sachen von St. Diestelmann, Karat, W. Protze, R. Andert, C. Doerk, A. Lacasa, E. Busch, B. Kellerbauer, G. Schöne, M. Krug, V. Fischer, Panta Rhei, F. Schöbel, J. Walter, Puhdys, City, Electra (hab' ich jemanden aus meiner "Anfangszeit" vergessen?) oder später noch J. Hart, Dialog, Formel 1 oder H. Hahnemann sowie diverse Bruderländer-Schlager, Jazzer und Klassiker im Schrank, wenn auch manchmal in schlimmem Zustand (die "Sixtinische Madonna" hab' ich erst mehrere Jahre später ohne Sprünge hören können, als sie auf CD aufgelegt wurde ... ab einem bestimmten Zeitpunkt wollte sich anscheinend keiner mehr von dem Album trennen). Und dann war da noch Naivität meinerseits, als ich beim Fall der Mauer tatsächlich geglaubt habe, daß wenigstens die Ost- und die Westkultur halbwegs auf Augenhöhe zusammenwachsen würden, wenn's schon wahrscheinlich die Wirtschaft nicht täte, also dachte ich, der damals damit anfing, bei Partys Platten aufzulegen, daß es klug wäre, sich in die Materie reinzuarbeiten. Der Glaube an die Gleichberechtigung Ost/West hat sich dann zwar kurz nach der Wiedervereinigung vergleichsweise schnell zerschlagen, aber gerade die Zeit der Wende hat nochmal enorm viele Ost-Platten in meinen Bestand gespült. Obwohl die Sachen auf Partys keiner hören wollte wohlgemerkt. Vielleicht mal abgesehen von "Du hast den Farbfilm vergessen" oder "Alt wie ein Baum" und solchen Geschichten.

Gruß
Skywise
 
Na dann graben wir doch gleich nochmal die "Backschischrepublik" von "Herbst in Peking" aus, womit wir dann auch gleich noch einen Radiobezug hergestellt hätten. Sänger Rex Joswig ist bis heute als Moderator tätig. Nach DT64 und Sputnik seit einigen Jahren bei "reboot fm" als Programmfenster auf der 88.4 in Berlin.

 
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@Radiokult
Ja Cool, das ist für mich immer der Song von Jürgen Kuttner und Marion Brasch. Die Bakschisrepublick hab ich auch auf Vinyl da, die werde ich auf jeden Fall mal spielen.

Ich hab gestern mal was recht Abgedrehtes im Radio gespielt. Es ging um die Verabschiedung von Franciose Cactus und da hatte ich eine Sendung über Berliner Powerfrauen gemacht.

Folgende 2 Songs kamen drin vor:

Helga Hahnemann - Big Helga

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Ein Gespenst geht um - Silly

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@lg74

Hey vielen lieben Dank für deine tollen Beiträge hier! Ja ich interessiere mich immer auch für "scharfkantige" Sachen. :p Also im Punkbereich hab ich echt große Lücken, da werde ich in den kommenden Monaten mal für meine Sammlung nachlegen.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, was da alles bei DT64 nachts lief, das muss Anfang der 90er Jahre die beste Zeit im Radio gewesen sein, Kein Format, keine Grenzen, freie Liebe und freie Kultur für die Gehirnzellen. Sowas müsste es mal wieder geben. Lutz Schramm, der jetzt beim RBB im Hintergrund versumpft, das ist total schade. Mich macht es immer fassungslos, denn das alles wäre noch möglich, viele Leute sind gar nicht so alt und man könnte mit Ihnen noch was machen aber keiner ruft diese Möglichkeit ab. Sollen die doch mal beim RBB nachts eine Radiosendung bringen! Ich würde die Sendung " Der Wilde Osten! nennen und dann das Ganze unter Selbstverwaltung stellen. Dann kann jeder mal dran kommen, von Lutz Schramm bis Maruscha sollen alle mal einfach machen können, was sie wollen und dann das Ganze als Podcast zum Nachhören, datt wäre mal was!

Oh ho, AG Geige knallt aber!
 
Zuletzt bearbeitet:
hatte ich eine Sendung über Berliner Powerfrauen gemacht
Mit Tamara Danz ist es wahrscheinlich wie mit Herbert Grönemeyer. Den verbinden auch alle mit Bochum und dem Ruhrpott, obwohl er streng genommen Niedersachse ist. Tamara Danz hat ihre ersten Lebensjahre im heutigen Thüringen verbracht, wo sie auch geboren wurde, und einen Teil ihrer Kindheit in Rumänien und Bulgarien.
 
@Radiokult

Das ist schon richtig, was Du da schreibst. Für Anette und Inga Humpe, könnte man das dann auch sagen.
Aber die Musik ist in Berlin entstanden und zu dieser Zeit waren das alles Frauen die mit der Stadt verwachsen waren.
 
@Radiokult
Ja Cool, das ist für mich immer der Song von Jürgen Kuttner und Marion Brasch. Die Bakschisrepublick hab ich auch auf Vinyl da, die werde ich auf jeden Fall mal spielen.

@lg74

Hey vielen lieben Dank für deine tollen Beiträge hier! Ja ich interessiere mich immer auch für "scharfkantige" Sachen. :p Also im Punkbereich hab ich echt große Lücken, da werde ich in den kommenden Monaten mal für meine Sammlung nachlegen.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, was da alles bei DT64 nachts lief, das muss Anfang der 90er Jahre die beste Zeit im Radio gewesen sein, Kein Format, keine Grenzen, freie Liebe und freie Kultur für die Gehirnzellen. Sowas müsste es mal wieder geben. ... Sollen die doch mal beim RBB nachts eine Radiosendung bringen! Ich würde die Sendung " Der Wilde Osten! nennen ...
"(der Song von) Jürgen Kuttner und Marion Brasch" - ist damit etwa gemeint, dass da mehr war als nur "eine Bakschischrepublik" ;)

Zur "Bakschischrepublik" gehört dann auch "Born in the GDR" von Sandow, die @lg74 dankenswertwerweise mit anderem Material schon erwähnte. Um noch kurz in dieser Ecke zu bleiben:
  • Pizza Brain
  • Müller Beat (aus Lauchhammer, eine Bands die sich in Richtung The Smiths oder Go-Betweens bewegte (damals einer meiner Favoriten der DDR-Bands))
  • Messer Banzani
  • Michele Baresi (beide "MB"-Bands eher in Richtung Ska, Reggae gehend)
  • (neulich zufällig gefunden) Jade - Sky (aus Fürstenwalde, wunderbares Dark-Pop-Stück)
  • (irgendwie auch) Die Vision (die sich leider auf Grund eines ziemlich widerwärtigen Verhaltens des Sängers für mich disqualifiziert hat)
  • Die Firma (auch hier gab es Kontakte zum MfS)
  • Tina has never had a Teddybear (dito, dennoch coole Songs)
  • Santa Clan (wem Feeling B nicht reicht)
  • Das Auge Gottes (Schweriner Band, "Du hast Jesus Christ an das Kreuz genagelt" oder "Das Ding das durch den Wind geht"...)
...und natürlich bei mir bis heute auch Die Art.

Im Hintergrund trällern bei mir gerade Die Sputniks - von 1964 (!) und es könnten auch die Die Lords oder The Beatles sein.

Toll, dass Du @Philclock schon auf Walter Kubiczek hingewiesen hast. Das habe ich zu Ost-Zeiten überhaupt nicht wahr- bzw. ernst genommen, heute höre ich das ganz anders.

Zu DT 64: wieso "nachts"? Das war, insbesondere ab Mitte 1991, Tagesprogramm. Ansonsten scheint mir als "Ohrenzeuge" das Ganze - mit Verlaub und hohem Respekt - zu westdeutsch-sozialromantisch. Es gab schon Formate, es gab auch Grenzen, es gab (soweit ich weiß) keine freie Liebe.
Was mir heute am meisten fehlt, sind eigentlich die (wort-)journalistischen Inhalte und Formate, die programmatische Vielfalt, die Fähigkeit des "sich-selbst-zurücknehmen-könnens", kleine Aufmerksamkeiten, Präzision, Authentizität, das Ernstnehmen der Hörer*innenschaft... (Musikalisch komme ich heutzutage durchaus ganz gut über die Runden, aber dieses selbstverliebte und abgewandte Geschnatter, auch teilweise auf Radio 1, geht mir einfach nur auf die Nerven.)

Was sich in gewisser Weise schon kurz vor 1989, dann massiv zwischen 1989 und 1992 in (ost-)deutschen Medien abspielte, war in Teilen qualitativ von einem Kaliber, das ich so nach der Abschaltung von Radio Brandenburg (August 1997) nicht mehr wahrgenommen habe. Ich muss da auch ganz offen sagen, dass ich heutzutage mit dem oberflächlichen Geplapper einer Marion Brasch oder dem ewig gut gelaunten und stets etwas kieksigen Andreas Ulrich nichts mehr anfangen kann. Insofern könnte für mich Deine Idee vom "Wilden Osten" zum Horrortrip werden. Manchmal ist es besser, die Dinge so zu belassen wie sie in der Erinnerung geblieben sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
@astereix

Vielen lieben Dank für deinen Tollen Beitrag.
Bitte nicht falsch verstehen, ich bin Niemand, der die Musik nur separat spielen würde und dann
eine " Der Wilde Osten Show" daraus machen würde. Vielmehr möchte ich einfach diese Musik
einfach mit würdigen. Es gibt ja wirklich interessantes aus der DDR und da versuche ich immer
wieder was von zu spielen.

Eine Marion Brasch ist an sich keine oberflächliche Person nur gibt es ja inzwischen gewisse Vorgaben,
wie etwas zu sein hat und Sie braucht diese Arbeit, um bis zur Rente auch hin zu kommen.
Was Du da mit dem nicht Ernst nehme der Hörerschaft schreibst, das verstehe ich genau. Es war einst der Grund, warum man überhaupt selbst aktiv geworden ist. Leider hab ich, durch mein Alter nicht so die Vergleichsmöglichkeiten. Was ich bei Marion Brasch schade finde, ist das sie in den letzten Jahren nur das eigene Familienerbe verwertet hat, dabei könnte Sie bestimmt auch gut einen eigenen eigenständigen Roman schreiben.

Was hat deiner Meinung nach, diese Qualität der Medien damals ausgemacht, diese wirkliche echte Freiheit,
die viele Radiomacher damals hatten?

Pizza Brain finde ich toll!

Die Firma und Frank Tröger ( Trötsch )
Er hat sich mal dazu erklärt:


Die Art gefällt mir sehr gut!
 
Was ich bei Marion Brasch schade finde, ist das sie in den letzten Jahren nur das eigene Familienerbe verwertet hat, dabei könnte Sie bestimmt auch gut einen eigenen eigenständigen Roman schreiben.
Was sie aber auch schon gemacht hat. "Lieber woanders" und "Wunderlich fährt nach Norden" würde ich als Romane einordnen. Das sie irgendwann auch mal ihre nicht uninteressante Familiengeschichte niederschreibt, war eigentlich nur eine Frage der Zeit.

Was hat deiner Meinung nach, diese Qualität der Medien damals ausgemacht, diese wirkliche echte Freiheit,
die viele Radiomacher damals hatten?
Ja, genau das. In der DT64-Doku von 1993 wird das auch ganz konkret angesprochen. Die absolute Freiheit im Grunde alles machen zu können, war der eigentliche Punkt. Speziell im Osten hatte man ohnehin nichts zu verlieren, das alte (Rundfunk-)System war am Ende und das neue noch nicht da. Die Umwandlung in ÖR-Anstalten zog sich ja hin bis 1992. Man hatte daher jeden Freiraum der Welt sich auszuprobieren, was man in dieser Form in der gesamten Bundesrepublik davor und auch danach nie wieder hatte. Da die Hörer das alles wohlwollend mitgemacht haben, schien man auch manches schlicht richtig zu machen.
Nun muss man hier zwingend dazu sagen, dass es freilich kein Internet gab und selbst die Zahl der mobilen Telefone zum damaligen Zeitpunkt sehr überschaubar war. Die Informationsquellen waren also äußerst beschränkt. Ob das daher in der heutigen Zeit alles noch einmal so funktionieren würde, ist die große Frage. Mit Gewissheit beantworten kann das keiner, es ist aber wahrscheinlich eher mit nein zu beantworten. Davon abgesehen änderte sich vor allem in der Wendezeit in einem rasenden Tempo quasi täglich alles mögliche, so das man insbesondere im Osten ganz anders an Tagespolitik interessiert war als es heute der Fall ist. Und zeitnahe Informationen transportierten zum damaligen Zeitpunkt halt hauptsächlich Radio und Fernsehen. Was in der Zeitung stand, waren Ereignisse von gestern. Eine Rolle spielte dabei auch der unbeabsichtigte regionale Faktor, dass auch in den Ost-Medien unzählige Leute durch die Umwandlung bzw. Abwicklung vor dem Aus standen. Das traf den Bereich TV und auch etliche Zeitungsblätter genauso. Man teilte also das Schicksal unzähliger Hörer, Zuschauer und Leser, was letztlich nochmal in besonderer Weise zusammenschweißte.

" Der Wilde Osten Show"
Da hätte ich noch zwei Links für dich, die vielleicht nicht uninteressant sind. Zum einen gibt es tatsächlich eine Art Wiki für Brandenburger Punkbands.
Und zum anderen solltest du dich hier mal umschauen. Da findet sich manches, an das man heute zum Teil überhaupt nicht mehr rankommt, weil es teils nur in Kleinstauflagen oder im musikalischen Untergrund erschienen ist.
 
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