AW: 20 Jahre Lokalradio NRW
In den frühen neunziger Jahren hatte ich als Jugendlicher mal das Studio von Hellweg Radio in Soest besucht. Es war schon recht spannend, zu sehen, wie eine Sendung produziert wird. Bereits damals wurde die Titelliste per Fax von Oberhausen aus an die einzelnen Stationen versandt. Begründet wurde dies damit, dass man es vermeiden wollte, dass sich die Musik grundlegend ändert, wenn jemand von einem Kreis in einen anderen fährt und dort ein anderes Lokalradio einschaltet.
Was mir noch als Anekdote in Erinnerung blieb, ist die Antwort des Moderators, als ich mich nach der Sendeleistung erkundigt hatte: Er wüsste es nicht genau, aber es seien wohl „
um die 100 Kilowatt“.
Da es die Lippstädter 103,7 noch nicht mal bis nach Geseke störungsfrei schaffte, hatte ich da gewisse Zweifel, die ich natürlich aus Höflichkeit nicht äußerte.
Zu der Zeit war auch im Kreis Paderborn Hellweg Radio ein gern gehörter Sender, ungeachtet der Tatsache, dass dieser nicht störungsfrei reinkam, aber das war man sowieso von hr 3 und NDR 2 gewohnt.
Auf nicht wenigen Häuserdächern befanden sich mehrelementige Yagis, die entweder auf den Hohen Meißner oder auf Osnabrück ausgerichtet waren.
Die vier Programme des WDR waren so extrem langweilig, dass man sie gerade als junger Mensch nicht lange anhören konnte, die 96,2 von Hilversum 3 kam nur bei Tropo rein, ebenso die 88,5 vom BRF.
Die freien Radiostationen aus Ostbelgien schafften es in der Regel überhaupt nicht bis nach Ostwestfalen und die 97,0 von RTL war nur ein einziges Mal dort zu empfangen (dafür jedoch erstaunlicherweise recht brauchbar): Anfang 1985, als der Sender auf dem Bielstein einstürzte.
Der Start des Lokalfunks war somit schon etwas Besonderes: Endlich eine Abwechslung zur Langeweile des WDR!
Im Regierungsbezirk Detmold wurde er als allerletztes eingeführt; ausgerechnet dort, wo es keine Konkurrenz aus den Nachbarländern gab und gibt.
Bezeichnender Weise hat es in NRW nie eine echte Vielfalt im Radio gegeben: Der WDR hat mit Einslive als einer der allerletzten öffentlich-rechtlichen Anstalten eine Jugendwelle eingeführt und der private Rundfunk wurde nur auf Druck des Auslandes ins Leben gerufen.
Wäre es allein nach der SPD gegangen, hätte es überhaupt keinen Privatfunk gegeben: Schon damals kursierte in diesem Kontext der Begriff „Dudelfunk“, obwohl ausgerechnet der Westdeutsche Rundfunk selber mit WDR 4 einen „Dudelfunksender“ betreibt.
In NRW war man „cleverer“ (im negativen Sinne) als bspw. in Österreich, wo der ORF bis zuletzt auch an seinem Monopol festhalten wollte: Man hat einfach den WDR an den Privaten beteiligt, genauso die namhaften Zeitungsverlage, den Mediengiganten Bertelsmann über die Pressefunk Nordrhein-Westfalen GmbH, als Produzent des Mantelprogramms, RTL über die UFA; auf lokaler und regionaler Ebene die Zeitungsverlage, sowie die Kirchen und diverse kleine Vereine.
Kartellrechtlich war das System damit in trockenen Tüchern.
In Österreich dagegen hatte man auf Biegen und Brechen versucht, sich dem Druck der EU zu wiedersetzen und ist daran schließlich gescheitert, mit der Folge, dass es dort inzwischen eine breitgefächerte Auswahl an Programmformaten und Sendern gibt.
Es wird höchste Zeit, dass in Sachen „Privatfunk in NRW“ die EU wieder auf den Plan gerufen wird: Das Ruhrgebiet ist zusammen mit dem Köln-Bonner Raum der attraktivste Markt in Sachen Rundfunkwerbung, noch vor Paris, London, Amsterdam oder Berlin, welcher noch immer komplett für andere Anbieter verschlossen ist.
Was die zweite Kette angeht: Diese geht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht an NRJ, sondern ebenfalls an einen Ableger der Zeitungsradios. NRJ wird ab August über das bundesweite DAB+-Bouquet zu empfangen sein.
Meiner Meinung nach stellt dieser Anbieter sowieso keine wirkliche Bereicherung für die Radiolandschaft dar.
Wenn, dann lieber ein Sender, wie ich ihn oben beschrieben habe, der sich vorrangig an ein Zielpublikum älter als 30 richtet: Diese Generation kennt noch „echtes“ Radio von früher; damit stehen die Chancen gut, dass das ganze in kommerzieller Hinsicht zu einem echten Renner wird und sich allgemein das Niveau des privaten Rundfunks in Deutschland verbessert. Auch die Lokalradios in NRW werden dann gezwungen sein, ein besseres Programm zu machen, als bisher.