An die Freunde der "Deutschquote" im Radio

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Medienfreiheit:
Wider die Pein im Präsidentenohr!

Von unserem Korrespondenten THOMAS ROSER (Die Presse) 15.01.2005

Immer stärker schottet Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko sein autoritär regiertes Land ab. Nun geht es ausländischer Musik im Radio an den Kragen.

Bei der Umsetzung ihrer Vorgaben kennt das gestrenge weißrussische Informationsministerium keinen Spaß. Gleich drei heimische Radio-Stationen erhielten in dieser Woche einen offiziellen Verweis. Die Entscheidungen des Ministeriums müssten "respektiert" werden, droht Informationsminister Uladschimir Rusakiewitsch den Sendern "Hit-FM", "Unistar" und "Nowe Radio" mit dem unfreiwilligen Abschied vom Äther: "Wir geben ihnen noch Zeit. Aber wenn sie sich nicht bessern, werden wir ihnen das Senderecht entziehen."

Dieses Mal ist es nicht die politische Berichterstattung der Stationen oder gar Kritik am allmächtigen Staatschef Aleksander Lukaschenko, die die Machthaber des autoritär regierten Landes erzürnt. Es ist die in weißrussischen Radios ausgestrahlte Musik, die das Präsidentenohr schmerzt.

Im Westen würden weißrussische Kinder "verführt", hatte der strenge Landesvater bereits im vergangenen November das geplante Verbot der Erholungsreisen von strahlungsgeschädigten Tschernobyl-Kindern im Ausland begründet, den Minsk erst nach heftigen internationalen Protesten vorläufig wieder fallen ließ. Doch auch im eigenen Land scheinen dem einstigen Kolchose-Chef seine Schutzbefohlenen vor den musikalischen Segnungen ausländischer Dekadenz nicht sicher. Zur Begrenzung ausländischer Hits und der Förderung weißrussischer Barden hat Minsk die heimischen Radios mit einem rigorosen Quotensystem beglückt: Drei Viertel ihres Programms haben die Radio-Macher nun mit heimischem Liedgut zu bestreiten.

Die Staatssender preisen mittlerweile das neueste Tollstück von Lukaschenkos Abschottungskünsten mit dem Slogan "Höre das Eigene auf allen Sendern des Landes!". Den meisten der privaten Stationen macht indes nicht nur der Mangel an qualitativ ausreichendem Musikmaterial, sondern auch die Sorge vor dem Verlust von Hörern und Werbekunden zu schaffen. Missachten sie die Behörden-Vorgaben, droht ihnen der Lizenzverlust; erfüllen sie diese, rechnen sie mit dem Bankrott. Wie die Nachrichtenagentur Belapan berichtet, mühen sich die meisten Radiosender, die noch nicht endgültig ausformulierte Behörden-Vorgabe mit Tricks zu umschiffen. So lassen die Programm-Macher in der Nacht hundert Prozent weißrussische Volkslieder über den Äther schmettern, um wenigstens die Sendezeit am Morgen mit überwiegend internationalen Hits bestreiten zu können. Bei den auch in Weißrussland sehr populären Popstars aus dem benachbarten Russland fahnden die Radio-DJ's unterdessen nach weißrussischen Wurzeln, um deren Schnulzen als "eigene" zu deklarieren.

Solchen "Schummeleien" will das Informationsministerium jedoch bald einen Riegel vorschieben: Es werde "erörtert", wie weißrussische Musik genau definiert und deren "gleichmäßige Verteilung" im Programm gewährleistet werden könne. Obwohl die Quotenregelung angeblich der Unterstützung der weißrussischen Musiker dient, bleibt vielen der populärsten Bands des Landes der Zugang zum Radio verwehrt. Seit Gruppen wie Palac oder Drum Ecstasy im Vorjahr an einem Protest-Konzert gegen Lukaschenko teilnahmen, sind ihre Songs aus dem Radio verschwunden.
 
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