Zu der verlinkten Presseschau aus dem ARD/ZDF-Vormittagsprogramm möchte ich noch ein paar Jugenderinnerungen beisteuern, weil ich als "Schülerpraktikant" (damals gab es das noch nicht offiziell) oft bei der Aufzeichnung der Sendung im Studio D des SFB-Fernsehzentrums dabei war. Das war damals wirklich immer eine Höchstleistung der Beteiligten. Alles Handarbeit. Die Zeitungen wurden vorher fein säuberlich ausgeschnitten und dann nach einem speziellen Schema auf zwei Staffeleien verteilt. Eine Kamera war auf den Sprecher oder die Sprecherin (neben Andreas Thieck auch Günter Wiatrek, Ortwin Speer, Joachim Pukaß, Regine Mahler, Ruth Diehl und Jana Louka) gerichtet, eine Kamera auf die erste Staffelei und eine Kamera auf die zweite Staffelei. Die vierte Kamera war auf eine Stellwand gerichtet, auf der die Schriftzüge der Zeitungen (wie hier die Badische Zeitung) aufgeklebt waren. Die konnte man dann per Luminanz-Key hinter den Sprecher stanzen. Der Hintergrund mit dem Blauverlauf wurde per Chroma-Key gestanzt.
Die Bildmischerin (waren damals alles Frauen) hatte also die Aufgabe, innerhalb kurzer Zeit sehr viel mit den verschiedenen Mischebenen zu hantieren, also hinten die Titel einzublenden, und vorne immer zwischen den richtigen Kameras umzuschalten, zum Teil auch in kurzer Folge mit Rollschnitten. Zwei Assistenten mussten die Zeitungspappen umlegen, so dass immer das passende Blatt zu sehen war. Die Kameraleute haben dann jeweils genau den Teil des Blattes eingefangen, den der Sprecher oder die Sprecherin vorgelesen hat.
Und jetzt kommt der eigentliche Knüller: Damals war es noch nicht möglich, mal eben so einfach die MAZ anzuhalten, zurückzufahren, und an einer passenden Stelle neu anzusetzen, wenn irgendjemand gepatzt hat. In einem solchen Fall ging es dann wieder ganz von vorne los. Die Sendung hatte jeden Tag eine leicht unterschiedliche Startzeit, die zwischen 12.53 und 12.55 Uhr variierte. Somit musste sie auch in der Länge genau stimmen. Meist wurde nach der Umschau (das war eine Sendung mit recycleten Beiträgen aus den regionalen Nachrichtensendungen der ganzen ARD-Anstalten und dem ZDF-Länderspiegel) gegen 12.15 Uhr mit dem Aufzeichnungsversuch begonnen. Wenn es beim ersten Mal geklappt hat, fiel allen ein Stein vom Herzen. Wenn zu spät begonnen und mehrmals gepatzt wurde, dann konnte es auch mal passieren, dass die Zeit so knapp wurde, dass live gesendet werden musste. Komischerweise hat es dann meistens fehlerfrei funktioniert...
1988 kam dann ein Technologiesprung: Mit Umzug ins Studio E hatten die Staffeleien ausgedient und es gab einen ersten digitalen Bildspeicher, das DLS-System von Quantel. So konnten die Zeitungen vorab in der Paintbox vorbereitet werden. Aber die Sache mit der fehlenden Anschnittmöglichkeit blieb. Also weiterhin volle Konzentration für alle Beteiligten.
Anfang der 90er Jahre hatten Umschau und Presseschau ausgedient. Primäre Zielgruppe waren ja die Menschen in der DDR, denen man damit einen gewissen Zugang zu "West-Medien" ermöglichen wollte. Für mich bleibt es bis heute erstaunlich, wie gut das mit der damaligen Handarbeit funktioniert hat. Heute macht man das mit ein paar Mausklicks...
Matthias