Bewerbungen und wie Programmchefs ihre gute Kinderstube vergessen

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Nach einigen Jahren des Füßestillhaltens will ich ein Thema ansprechen, das mir seit langem auf dem Herzen liegt. Es geht um Bewerbungsverfahren und allem, was damit zu tun hat: Bewerbungen, Reaktionen auf Bewerbungen, Ablauf von Vorstellungsgesprächen, Verhandlungen.

Um es mal auf den Punkt zu bringen: Als Bewerber habe ich immer wieder das Gefühl, wie der letzte Dreck behandelt zu werden. Dabei bin ich keineswegs ein Anfänger. Ich bin seit knapp 20 Jahren in dieser Branche und habe auch schon anständige Chefs kennengelernt und saß in Gesprächen, die wenigstens ein Mindestmaß an Respekt mir gegenüber aufzeigten. Das scheint mittlerweile aber die Ausnahme zu sein, denn die Regel sind nach meiner Beobachtung folgende Dinge:

- gar keine Reaktion auf Bewerbungen (teilweise nichtmal, wenn es um Ausschreibungen geht)
- sehr späte Antwort auf Bewerbungen (drei, vier Monate sind beinahe schon die Regel)
- Fahrtkosten zu Gesprächen werden nicht mehr übernommen, nichtmal mehr bei ÖR
- überhebliches Auftreten von Programmverantwortlichen in Vorstellungsgesprächen
- unhöfliche und teilweise echt freche Antwortschreiben

Ich könnte noch konkrete Beispiele auflisten oder von Gesprächen erzählen, die jeder Beschreibung spotteten.
Ich könnte von völlig überzogenen Tätigkeitsvorstellungen erzählen, die dann für ein lächerliches Honorar (teilweise < 100 EUR/Tag) vergütet werden sollten, während der Bewerber ALLES gemacht haben soll von Mikro über Schreibtisch, Kamera, Social Media und was weiß ich noch was alles.
Ich könnte von Absage-Schreiben berichten, die mit der Bewerbung, die vorausgegangen war, nicht viel zu tun hatte. Was mich wiederum zu der Überlegung bringt, ob die Bewerbung überhaupt richtig gelesen (und verstanden) wurde.

Ich bin fast schon versucht, Namen zu nennen.
 
Viele dieser Leute sind so was von total busy, ungeheuer wichtig und müssen außerdem dauernd innovative Contents erfinden. Schließlich ist man ja in den Medien tätig. Hahaha
Denk dran: 'What goes Up Must c o m e d o w n'. Glaub mir: genau in diesem Jammertal erwachen sie gerade. Einer nach dem anderen.

Wieso willst du denn ausgerechnet dahin? Es gibt doch soooo viele andere Branchen, wo man viel mehr bzw. überhaupt Geld verdienen kann.
 
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Viele Chefs verdienen den Titel "Programmchef" nicht mal. Früher saßen da mal kreative Köpfe, die auch gearbeitet haben. Heute sind es fast ausschließlich verlängerte Arme von Beratern, die meist nicht mal selbst aktiv Programm gemacht haben. Das Traurige: Viele Sender haben Geschäftsführer und PDs, die, um es auf deutsch zu sagen: Von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. Hören wir ja auch an vielen Programmen. Oftmals sind Moderatoren und Redakteure sogar qualifizierter, als ihre Chefs.
 
Natürlich haben viele Programm- und Personalverantwortlichen den Titel "Programmchef"/"Programmdirektor" nicht verdient, keine Frage. Faktisch sind es aber diese Leute, die (aus welchen Gründen auch immer) in den entsprechenden Entscheidungspositionen sitzen.

Ich weiß nicht, ob es in anderen Branchen auch so üblich ist, daß auf Bewerbungen zum Teil gar nicht erst eingegangen wird oder daß Bewerber hingestellt werden, als seien sie ja nur kleine Kinder, die gar nichts zu melden habe.

Im übrigen sind es nach meiner Erfahrung gerade die Kleinen, die den Hals am weitesten aufreißen. Wenn sich ein Sender wie der Deutschlandfunk oder WDR2 ihrer Bedeutung bewußt sind und einen gewissen Arroganz-Bonus ausspielen, finde ich das zwar auch nicht nett, kann es aber noch einigermaßen akzeptieren.
Wenn sich aber Hitradio Antenne Dorfklitsche aufführt als sei sie der DLF, dann frage ich mich doch ernsthaft, was in den Köpfen dieser Leute vor sich geht. Aktuell habe ich solche Erfahrungen mit Regionalsendern aus Bayern gemacht.


LIEBE PROGRAMMCHEFS!

Macht euch bitte mal klar, daß ein (Initiativ-)Bewerber auch nur ein Mensch ist und euren Schrieb tatsächlich liest. Würdet ihr mir das, was ihr da schreibt, auch ins Gesicht sagen?
Von mir als Bewerber wird erwartet, daß ich mit offenen Karten spiele.
Ihr wiederum hüllt euch bestenfalls in Standard-Formulierungen oder (schlimmer noch) laßt euch zu Frechheiten herab, die einfach ungehörig sind.

Es würde mich mal sehr interessieren, was andere für Erfahrungen gemacht haben. Vielleicht können wir hier sogar eine Best of-Liste der interessantesten Absage-Briefe erstellen.
 
Ich bin jetzt lange bei den öffentlich-rechtlichen, da ist das wie im Konzern automatisiert: Eine routinemäßige Absage bekommt man immer, weil es der Prozess einfach vorsieht. Zwar mit Standardformulierungen, aber das war aus meiner Sicht immer in Ordnung. Bei manchen Stellenausschreibungen gab es auch persönliches Feedback im Büro vom Chef.

Die schlechtesten Erfahrungen hab ich bei Bewerbungen im Bereich Unternehmenskommunikation/Pressesprecher gemacht (ist schon einige Zeit her). Da habe ich nicht mal eine Absage bekommen, obwohl ich zu einem ganz kleinen Kandidatenkreis auf Grundlage persönlicher Empfehlung gehörte. Einfach nie wieder was gehört nach dem Vorstellungsgespräch. Das fand ich in der Tat merkwürdig.

Scheint also kein spezifisches Radio-Phänomen zu sein.
 
In den meisten Firmen filtert die Personalabteilung die meisten Bewerbungen, sodass es nur die Auslese bis zum Chef schafft. Mit "Vitamin B" kann es aber auch recht unbürokratisch abgehen und man hat eine Stelle fast sicher.

Daher sollte man hier nicht pauschal die Geschäftsführer anprangern, sondern viel mehr die Personalbüros als Vorstufe.
 
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Nach einigen Jahren des Füßestillhaltens will ich ein Thema ansprechen, das mir seit langem auf dem Herzen liegt.....

...die dann für ein lächerliches Honorar (teilweise < 100 EUR/Tag) vergütet werden sollten, während der Bewerber ALLES gemacht haben soll von Mikro über Schreibtisch...


Damit stehst du nicht alleine da. Ich habe daraus schon lange Konsequenzen gezogen. Medien können ein schönes Hobby mit Trinkgeld sein - mehr nicht. Mit anderen Worten: Journalismus-Jobs und Medien verkommen immer mehr zur brotlosen Kunst. Ist leider so. Gut bzw. angemessen bezahlte Jobs sind sehr rar und gehen meist nur an Inhaber von "Vitamin B". Sehr oft kommt man auch nur mit Vitaminen an einen Medienjob. Teilweise sind Stellen hinter Ausschreibungen auch schon vorher "besetzt". Man schreibt halt nur aus, weil man muß. Oder es wird nur der Markt beobachtet und gar keiner eingestellt. Die Personaler machen sich dann einen Spaß draus, arbeitswillige Interessenten für Umme antanzen zu lassen und zu ver..... Chancen für sehr gut talentierte Medienmacher finden sich oft nur mit Glück bei sehr kleinen Läden, die nicht nach Tarif zahlen. Da geht es dann auch ohne Vitamie, wird aber oft sehr unterirdisch bezahlt. 100 Euro / Tag sind da schon echter Luxus...
Das es zudem genug "Mediengeile" gibt, soll es sogar schon Sender geben, die davon die Besten für umsonst funken lassen.


Könnte hier auch vieles niederschreiben. Aber ich glaube, ich schreibe irgendwann mal ein Buch.
 
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Habe mich vor kurzem beworben, leider vergeblich - aber der Umgang mit mir als Bewerber war korrekt.
 
Das ist erfreulich. Natürlich habe ich auch schon gute Erfahrungen gemacht, ganz klar. Aber leider überwiegen die schlechten.

Ich erinnere mich an ein Vorstellungsgespräch bei einem großen Privatsender in Thüringen. Damals suchte man einen Redakteur für die Morning-Show. Ich hatte mir etwas Anständiges angezogen, weil ich das für guten Stil halte. Der damalige PD hing halb sitzend, halb liegend, auf dem Sessel im Konferenzraum, er trug ein schlabberiges und stinkendes Helly Hansen-T-Shirt, das sich über seine Plauze spannte. Neben ihm saßen ein paar andere Wichtigtuer, eher steif, aber er ergriff sofort das Wort, und das erste, was er sagte, war: "Laufen Sie immer so rum?"

In einem anderen Fall (es ging um einen mittelgroßen Privatsender aus Baden-Württemberg) empfing mich der stellvertretende PD mit den Füßen auf dem Tisch und der Kippe im Maul. Beides blieb auch für den Rest des Gesprächs so.

Von unverschämten Formulierungen in Absage-Schreiben will ich erst gar nicht anfangen. Aber vielleicht scanne ich mal welche ein und veröffentliche sie hier.
 
@Moderator mach das doch bitte, da wäre ich sehr gespannt.

Ich wurde immer sehr nett behandelt, beispielsweise hatte ich mich vor dem Studium für ein Volo beworben. Rund einen Monat nach dem Studiumsbeginn kam ein netter Brief "das wir davon ausgehen, dass eine Beschäfitgung in unserem Hause im Moment nicht interessant ist" und ich mich "gerne zu einem späteren Zeitpunkt wieder bewerben" könne.
Auch sehr nett bei einem anderen Sender "Bitte sehen Sie diese diese Absage nicht als Bewertung Ihrer Qualifikation".
 
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