Big Brother im Irak - Der Krieg wird diesmal live übertragen!

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radiobayern

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mal wieder eine meinungsumfrage:

durch das big-brother-posting ist mir was aufgefallen.

eigentlich ist der krieg im irak diesmal auch eine form von big brother! dank der reporter mit ihren kameras und mikrofonen, welche die soldaten ja 24 stunden auf ihrem feldzug begleiten, sind wir als "medienkonsumenten" sozusagen live dabei.

und um kritikern vorzugreifen, die der meinung sind, daß dieses thema hier nix verloren hat...
es sind auch einige radio-reporter dabei!

was ist eure meinung zu dieser form der berichterstattung?

ich finde, das ist ein interessantes thema für eine (bitte sachliche) diskussion. bin auf eure kommentare gespannt!

<small>[ 30-03-2003, 21:00: Beitrag editiert von radiobayern ]</small>
 
was hat der Krieg mit einer Unterhaltungssendung zu tun? Verstehe nicht wie man da Prallelen ziehen kann?

<small>[ 30-03-2003, 21:26: Beitrag editiert von Off Air ]</small>
 
@ Off Air

nunja, mit unterhaltung hat das natürlich nichts zu tun, da gebe ich dir recht. aber eigentlich geht es mir letztendlich um die doch neue form der berichterstattung. live dabei - die reporter direkt an der front - zusammen mit den kämpfern....und das ganze auch noch 24 stunden live!

vielleicht noch ganz interessant in diesem zusammenhang - eine aktuelle umfrage:

Der Krieg im Irak bestimmt auch den Alltag vieler Menschen in Deutschland. Nach einer repräsentativen Umfrage des Münchner Meinungsforschungsinstituts polis im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur (DPA) verfolgen 87 Prozent der Deutschen regelmäßig die Kriegsberichterstattung in den Medien.

also...was ist eure meinung zu dieser form der berichterstattung?

<small>[ 30-03-2003, 22:12: Beitrag editiert von radiobayern ]</small>
 
Hallo Radiobayern,

interessantes Thema.

Vor mehr als 30 Jahren kam Paulchen Watzlawick zum dem Schluss, dass man "nicht nicht kommunizieren" kann.

In der gegenwärtigen Welt habe ich das Gefühl, dass die Medien nicht nicht berichten können.

Die Protagonisten wollen ständig im Gespräch bleiben: bringen Themen, besetzen Images, bauen positive Assoziationen auf.

Die Medien wollen ständig die Handlung weiterdrehen: Entwicklungen präsentieren, unbekannte Hintergründe auftun, Vergleiche anstellen.

Die Rezipienten wollen wissen, wer die Guten und wer die Bösen sind und wer schuld ist, wenn Autofahren jetzt noch teurer wird. (Genauer gesagt, sie wollen hören, dass die, die sie für die Guten halten, auch heute wieder die guten waren und auch morgen noch sein werden - Informationen zu den Bösen analog).

Erfahrungen aus vorangegangenen Kriegsberichterstattungsweisen (Vietnam: verbrannte Kinder und zerfetzte GIs erstmals via TV in der guten Stube der US-Amerikaner. Golf-Krieg I: sterile Technikbilder von Onkel Sam + grünes Abwehrgeschützflacken auf CNN-Screens) haben zum Umdenken geführt. Die Medien wollen nicht mehr alles glauben/übernehmen. Die Armeen reagieren mit Freetickets für die Kreuzfahrt nach Bagdad. Der Zuschauer wiegt sich in bester Wonne-Angst vorm Fernseher. Jeden Tag gibts Info-Happa-Happa und zu eklig wird's schon nicht werden.

Und es bleibt wie es war: Komplexe Erklärungen überfordern die Beteiligten des Kommunikationsprozesses. Zuviele Informationen auf einmal verhindern einen langfristig geplanten Ausverkauf einer Story. Der Klimax kommt in Scheiben, Informationen als strategisches Mittel. Alles Alter Hut, wußte Sun Tsu vor 2000 schon.

Das mediale (un-)Kulturverhalten hat sich in der (zumindest in der ersten) Welt durchgesetzt. Wir schauen alle gerne hin, wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt, denkt sich die Jasemine

<small>[ 30-03-2003, 23:09: Beitrag editiert von Jasemine ]</small>
 
Genau, Jasemine, die Medien können natürlich nicht "nicht berichten". Die Medien nehmen nun mal die Art der Berichterstattung, die sie bekommen können. Wären keine Reporter unter Zensur im Land, gäbe es gar keine Bilder von "westlichen" Medien. Deswegen hat man zwar noch längst keine Ausgewogenheit, aber ansonsten hätte man ausschließlich arabische Quellen.

Wobei ich es für besonders wichtig halte, dass eben auch die Seite der Menschen gezeigt wird, die Seite des von Krämpfen geschüttelten Vaters, der verzweifelt versucht zu verhindern, dass sein getöteter Sohn in einen Sarg gelegt wird. Sähe man diese Bilder nicht, dann bestünde wirklich die Gefahr, das Ganze mit einem Reality-Videospiel in Fersehform zu verwechseln. Es wird gerne als voyeuristisch verschrieen, Menschen in Trauer zu zeigen, Verletzte und Tote zu zeigen - aber gerade diese Bilder bewirken doch, dass Zuschauer merken, dass Opfer egal welcher Herkunft Schmerzen und Trauer empfinden - und dadurch dann plötzlich eben gar nicht mehr so anders sind. Ich finde, es sind die wichtigsten Bilder des Krieges.

In diesem Fall sind es nur irakische Opfer, die gezeigt werden, auf der Koalitionsseite werden diese Bilder ja nicht zugelassen. Allerdings gibt es in diesem Krieg auch bislang nur irakische Opfer auf der zivilen Seite - abgesehen von den Angehörigen der militärischen Opfer.

Das Radio hat dabei naturgemäß ein Problem: Kein noch so guter Radioreporter kann diese Bilder im Kopf der Menschen entstehen lassen. Das Radio muss sich auf die Weitervermittlung der trockenen Fakten beschränken, wenn es nicht unmittelbar Meinungsmache betreiben will - und die trockenen Fakten sind in diesem Fall nicht überprüfbar.

Nochmal zum TV: Interessanter Unterschied zwischen CNN und Sky news: CNN weist ganz sporadisch mal darauf hin, dass die Berichte der "embedded reporters" der Zensur unterliegen - Sky sagt konsequent vor jedem Beitrag eines Eingebetteten: "We want to remind you that this report is subject to military restrictions". Immerhin.
 
Edit: seh gerade, dass sich meine Aussagen in wesentlichen Punkten mit denen von berlinreporter decken....( hab das Schreibfenster zu lange offen gehabt ). Also gegebenenfalls einfach überlesen :)

Mal eine winzig kleine Anmerkung zum Thema "live dabei":

die Bilder, auch und gerade die "Live-Bilder" der "embedded journalists" unterliegen der Militärzensur.....

Also mit dem "live dabei" isses nicht wirklich so weit her.

Zur Erläuterung:
die Live-Bilder aus Bagdad ( die nächtlichen Panoramen mit u.U. den sichtbaren Bombardements ) stammen von Kameras, die fest "installiert" sind. ( Bzw.: die ausserhalb der erlaubten und überwachten Korrespondenten-Arbeitszeiten einfach permanent auf den Satelliten-Uplink geschaltet sind, während die Korrespondenten sich im Hotel aufhalten müssen ).

Die evtl. Live-Bilder von der "Truppe", die von dem o.g. embedded journalists stammen ( via Videophone, gelegentlich auch per Satellit ) sind ebenfalss nur "geduldete" Bilder, sprich: die jeweiligen Reporter müssen sich einigen Regeln unterwerfen. Dies betrifft vor allem Objekte, die sie nicht zeigen dürfen.

Dies alles nur als kleiner Hinweis in Sachen "live dabei"...

<small>[ 31-03-2003, 01:29: Beitrag editiert von radiolebt ]</small>
 
Ach übrigens, wer es noch nicht mitbekommen hat: Die Live-Dabei-Kamera:
rtsp://live1.stream.aol.com/farm/*/encoder/cnn_webcast2_high

Man erwischt sich irgendwie dabei, drauf zu gucken und zu warten, dass endlich eine Bombe fällt.....

Falls der Link nicht im Browser funzt, dann direkt in den Realplayer eingeben.

<small>[ 31-03-2003, 01:50: Beitrag editiert von berlinreporter ]</small>
 
</font><blockquote><font size="1" face="Verdana, Arial">Zitat:</font><hr /><font size="2" face="Verdana, Arial"> Das Radio hat dabei naturgemäß ein Problem: Kein noch so guter Radioreporter kann diese Bilder im Kopf der Menschen entstehen lassen. Das Radio muss sich auf die Weitervermittlung der trockenen Fakten beschränken, wenn es nicht unmittelbar Meinungsmache betreiben will - und die trockenen Fakten sind in diesem Fall nicht überprüfbar. </font><hr /></blockquote><font size="2" face="Verdana, Arial">Es gibt da jemanden, der verabschiedet sich regelmäßig mit der Ansage Meine Damen und Herren, hören Sie den Rundfunk, denn die Bilder lügen!

Was hat denn das Fernsehen zu bieten? Natürlich, die Bilder. Und weiter? Meine Glotze ist immer noch nicht vom akuten Hochspannungsmangel an der Bildröhre kuriert, weshalb ich es nicht selbst beurteilen kann und auf das Urteil von jemandem angewiesen bin, der konstatiert, daß wie immer in ARD-Brennpunkten nach zehn Minuten nur noch irgendwelche Nebenaspekte an den Haaren herbeigezogen werden.

Was hat das Radio nicht zu bieten? Richtig, die Bilder. Für den einfach gestrickten Rezipienten, die Zielgruppe der Sender mit dem abwechslungsreichsten Superfiftyfiftyhitmix aller Zeiten also, mag dies ein Ausschlußkriterium sein. Jedoch: Es gibt auch ein anderes Publikum. Nicht in gleichem Umfang, aber durchaus existent. Dieses Publikum möchte es unter Umständen genauer wissen. Wer kann dem abhelfen? Der Fernsehheini, der sich am Ende veranlaßt sieht, "ich ziehe die dumme Frage zurück" zu sagen (geschehen an keinem geringeren Ort als bei ARD-Aktuell)? Oder nicht doch eher der Deutschlandfunk, der zuverlässig mit den Informationen am Abend zur Stelle ist und dann einen Hintergrund Politik nachschiebt, nach dessen Anhören sich der geneigte Hörer endgültig fragt, ob diese Tölpel in Washington von allen guten Geistern verlassen sind?

Ich behaupte: Dies ist gerade die Hochzeit des Radios. Eben weil die Bilder lügen.

Damit ist zu den eingebetteten Reportern, nach denen ursprünglich gefragt war, im Grunde auch schon alles gesagt.
 
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