Hm ... okay ...
Bettye LaVette - Talking Old Soldiers
Elton John und Bernie Taupin sind für das Lied verantwortlich. Auch wenn es zum Zeitpunkt des Entstehens schon gut war - auf "Tumbleweed Connection" war John einfach noch zu jung, um die Rolle des alten Veteranen glaubhaft zu verkörpern, der zum einen aus der Zeit gefallen ist und Stück für Stück aus der Gesellschaft ausgeklammert wurde, weil sein Anker, die Beziehung zu seinen alten Gefährten, sich mehr und mehr gelöst hat, als sie wegstarben ("[Die Leute] wissen nicht, wie es ist, einen Friedhof zum Freund zu haben"). Die gereifte Bettye LaVette nahm sich das Lied, nahm ein paar kleine Änderungen vor und übertrug die Rolle des Veteranen auf eine alte Frau. Das Lied hat mich irgendwann mal im Nachtprogramm erwischt, ein paar Tage zuvor war ein Kollege auf der Arbeit einfach mal umgefallen und tot geblieben, kein halbes Jahr vor Antritt des Ruhestands. Anlaß und Lied gaben mir irgendwie zu denken ...
Ludwig Hirsch - Komm großer schwarzer Vogel
Das Lied war auf einem Sampler, den ich mir ausgeliehen hatte ("Das große Liedermacher-Album", Polydor), und der sich in den drei Wochen damals oft gedreht hat. Keine Ahnung, warum ich es trotzdem praktisch erst am letzten Tag entdeckt habe, bevor ich den Sampler zurückgab. Hat mir klargemacht, daß hochoptimistische Lieder manchmal richtig weh tun können. Mit dem Lied verbinde ich bis heute mein schönstes Konzerterlebnis, nämlich genau die sechs Minuten, die Ludwig Hirsch auf der Bühne das Lied sang, und in der im Publikum eine Ruhe herrschte, daß die berühmte fallende Stecknadel bestimmt jeden zum Zusammenzucken gebracht hätte - und anschließend die ruhigen Sekunden, in denen das Lied "nachwirkte", und in denen sich einige Besucher noch schnell die Tränen wegwischten, ehe es ans Applaudieren ging.
Judy Dench - Send In The Clowns (aus "A Little Night Music")
Das Musical kann man sich gut antun, auf den Inhalt will ich nicht groß eingehen, dazu gibt's andere Quellen. Ein Handlungsstrang sei trotzdem angerissen: Desirée war einst eine erfolgreiche Schauspielerin mit zahlreichen Affären, darunter auch Fredrik. Als dieser ihr jedoch seine Liebe gesteht, zieht sie einen Schlußstrich. Nun sind Jahre vergangen, Fredrik ist mittlerweile verheiratet und Familienvater, da gibt die Theatergruppe rund um Desirée, um die es mittlerweile deutlich stiller geworden ist, ein Gastspiel in Fredriks Wohnort. Die beiden begegnen sich wieder und es scheint sich wieder etwas anzubahnen. Als Desirée nun allerdings wiederum Fredrik gesteht, daß sie ihn damals auch geliebt habe und sie nun bereit für ihn sei, macht dieser wiederum einen Rückzieher, weil er mittlerweile zu dem Schluß gekommen ist, daß er seine Frau, allen Komplikationen zum Trotz, dennoch liebt. An dieser Stelle setzt das Lied ein, in dem Desirée - ganz Theaterdame - darüber nachsinnt, daß sie in ihrem persönlichen Leben offenkundig Probleme mit dem richtigen Timing hat, daß das Leben manchmal hochironisch ist ... und daß bei ihr doch gerade etwas mächtig schief läuft. Im Theater zu ihrer Zeit würden bei einem derartigen Patzer Clowns auf die Bühne geschickt werden, die das Publikum von diesem Hoppla ablenken. "Send In The Clowns" ist eigentlich ein Lied, das je nach Auslegung Resignation oder das entschlossene Eingestehen einer Niederlage ausdrückt. Bei Judy Dench überwog die Bitterkeit, was dem Komponisten Stephen Sondheim wahrscheinlich nicht gefallen hätte. Aber umgekehrt wird er sicher zufrieden gewesen sein, daß man das Lied auch interpretieren kann, wenn man über keine gute Gesangsstimme verfügt, ähnlich wie Glynis Johns (die Mutter Banks aus "Mary Poppins") bei der Uraufführung, für die das Lied damals geschrieben wurde. Na ja, Niederlagen wegen eines unpassenden Timings, auch im persönlichen Leben, dürfte wahrscheinlich jeder erlebt haben ...
Herman van Veen - Nicht allein
Na ja, ich kannte Leute wie "sie", und auch ihre Eltern. Auch die Begründungen von beiden Seiten, und irgendwie waren sie alle so schrecklich nachvollziehbar. In der Realität endete es in einem Fall aber nicht mit einem Weg über die Treppe nach oben, sondern mit einem Spaziergang an den Bahngleisen, aber ich glaube, das spielt keine Rolle ...
Allison Crowe - Hallejuah
Okay, den Leonard-Cohen-Song dürften die meisten vermutlich eher in der Version von Jeff Buckley kennengelernt haben, der sich mit seiner Interpretation eng an die Idee von John Cale angelehnt hat (Album "Fragments Of A Rainy Season"). Seither ist das Lied für meinen Geschmack zu oft nachgesungen worden. Und auch nicht immer wirkungsvoll. Und erst recht nicht im richtigen Zusammenhang. Mir wurde zugetragen, "Hallelujah" würde häufig bei Hochzeiten gewünscht. Kann man machen, man sollte aber wissen, daß hierin eine mittlerweile etwas schal gewordene Beziehung besungen wird, die just dabei ist, in die Brüche zu gehen. Genauere Interpretation ist abhängig von der Auswahl der gesungenen Strophen. Soll ja eine ganze Reihe davon geben, John Cale soll mehrere Seiten gefaxt bekommen haben, als er Leonard Cohen um den Text bat.
Die Kanadierin (hey, Cohen!) Allison Crowe hat 2003 bzw. 2004 ein Album aufgenommen namens "Tidings" mit Liedern, die Weihnachtslieder sind ... oder sein könnten. "The First Noel" fand ebenso den Weg auf das Album wie Joni Mitchells "River", dazwischen durfte natürlich ein Halleluja nicht fehlen. Nur, daß "Hallelujah" in diesem Fall nicht unbedingt hoffnungsvoll und nach Erlösung klingt. Der Interpretation nach gebe ich der Beziehung zumindest keine Chance mehr.
Gruß
Skywise