Der große Knall

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Und so wird vielleicht in Zukunft das bisherige AC-Format auf ein kleines Niveau schrumpfen und irgendwann genauso eine kleine, aber auch bei U30 beliebte Nische
Wenn du mit dem AC-Format das typische Allerwelts-Dudelfunk-Format meinst, dann ist dies bereits bei U30 eine Nische, wenn auch keine sehr beliebte ;).
Ich glaube das "Problem" ist nicht was auf den meisten "Jugendsender" läuft sondern, das der lineare Rundfunk sich bei jungen Leuten, auf dem absteigenden Ast befindet.
Und durch die fortschreitende Individualisierung durch das Internet, werden die Musikgeschmäcker bei den U30 Leuten auch immer verschiedener, und allein deshalb lässt sich schon kein universelles "Jugendradio" mehr aus dem Ärmel zaubern.
Wenn man sich die heutigen Charts so anschaut, da sieht man fast alles, also ein reiner Chartsender würde heute überhaupt nicht mehr funktionieren.
 
Bei meinem Zahnarzt lief immer ich mit den Hinweisen zur Zahnpflege. Garniert mit Musik. Da hat es offenbar schon vor Jahren fürs Radio geknallt.
 
beim Zahnarzt häte zumindest ich die Erwartung,daß dort "themenbezogene" Musik gespielt wird.

Also "Bohrer,Bohrer" von Tony Marshall - passenderweise,wenn der Zahnarzt mit selbigem Gerät gerade in Aktion ist. :wow:

An einen "großen Knall" glaube ich auch nicht,sondern eher an einen schleichenden Niedergang.
Finde ich dennoch bedauerlich.
 
[OT]
Also "Bohrer,Bohrer" von Tony Marshall
Nein, nur damit :D und mit All I Want For Christmas Is My Two Front Teeth ist das nicht wartezimmerfüllend.
[/OT]

Ernsthaft: Radioprogramme in Wartezimmer einzuschalten, finde ich eh fragwürdig. Da plädiere ich eher auf Ruhe.

Im Rollercoaster mit Aerosmith zugedonnert zu werden, dann eher schon. Das ist aber ebenfalls, sorry, ganz weit OT :D
 
Jetzt hat es doch, ich zitiere, einen "Knall" gegeben. "Eins ohne drive" hat in fünf Jahren 26% Hörer verloren:

"Im Sommer 2017 folgte ein Knall, von dem sich 1Live bis heute nicht ganz erholt hat...Gerade in der für 1Live interessanten Zielgruppe zeigt sich, wie schwer es Radio hat. Binnen fünf Jahren verlor der Sender rund 26 Prozent an Reichweite in der Durchschnittsstunde...Die Zahlen folgen dem allgemeinen Markttrend"

http://www.quotenmeter.de/n/117743/wdrs-problem-mit-den-jungen-radiohoerern-sinkflug-bei-1live
 
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Quotenmeter... Schuster, bleib bei deinen Leisten. Das ist im Fall Quotenmeter bestimmt nicht Radio. Kernzielgruppe von 1LIVE ist die Zielgruppe von 14-49. Hier hatte 1LIVE von 2014 896.000 Hörer, heute sind es 624.000 Hörer. Insofern liegt Quotenmeter richtig. Diese Marke ist bislang der Tiefpunkt des Senders. Der eigentliche Einbruch kam - anders als Quotenmeter behauptet - in dieser Zielgruppe schon in der MA 2016 II auf MA 2017 I. 110.000 Hörer Verlust.

Eines der größten Probleme der sog. "Jugendradios" ist (was weder 1LIVE noch NRJ ist), dass auf Grund der biologischen Uhr die geburtenstarken Jahrgänge derzeit über die vermarktungsrelevante Altersgrenze von 49 hüpfen bzw. gehüpft sind. Ich kann also versuchen "mitzualtern" oder mein Programm zu verjüngen. Verjünge ich, verliere ich in der Gesamtreichweite (also der 49+) stärker, in der 14-49 Zielgruppe kann ich versuchen das Niveau zu halten. Das ist in Ermangelung des geringeren Anteils an der Gesamtreichweite natürlich schwierig. Ich verliere also auch hier; Ziel ist indes, dass ich versuche die Verluste hier einzudämmen. Mein Ziel muss also bei einer solchen Flottenstrategie sein, dass ich mit WDR 2 und WDR 4 versuche, möglichst viel der alten Abgänge "aufzufangen" (u.a. mit dem Wechsel von Mods von 1LIVE zu den "alten" Programmen).

Was Quotenmeter nicht beleuchtet: Es kann durchaus Sinn machen, dass ich die zu Lasten der alten Zielgruppe mich verjünge. Innerhalb der Vermarktung ist 1LIVE auf die nationale Vermarktung fokussiert. Hohe TKPs und ausschüttungsrelevante Zielgruppe 14-49 sorgen für entsprechende nationale Erlöse aus der Deutschlandkombi. Strategisches Ziel muss also sein, dass mein Verlust in der ausschüttungsrelevanten Zielgruppe 14-49 möglichst geringer sein muss als der Verlust der innerhalb der Deutschlandkombi miteinander konkurrierenden Wellen in derselben Zielgruppe. Alles klar?

In der Tat hat 1LIVE auch da Federn gelassen. Immerhin rund 28% der Reichweite ist seit 2014 I, also in 6 Jahren schlicht und ergreifend "futsch".

Damit befindet sich 1LIVE in bester Gesellschafter mit dem Wettbewerber, den Lokaldudlern in NRW. Auch die haben satte 25% in der vermarktungsrelevanten Zielgruppe 14-49 verloren.

Aber Knall? Nein, ich verweise auf meinen ersten Post hier: Es ist eine schleichende Entwicklung. In rund sechs Jahren. Bezieht man die erste Welle von 2014 I ein, dann sogar sieben Jahre. Das ist kein Knall, aber eine schleichender Niedergang.

Übrigens liegt WDR 2 seit 2014 I weitgehend stabil, in der Gesamtreichweit hat WDR 2 sogar leicht zugewonnen. Insofern die Flottenstrategie auf, da müssen sich eher die Verantwortlichen der Lokaldudler fragen, was bei ihnen komplett falsch läuft. Wenn ich 25% als direkter Wettbewerber verliere gegen einen eher schwachen Wettbewerber WDR 2 (so sehe ich ihn), dann mache ich grundsätzlich was falsch.
 
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Kann ich alles wieder nur unterstreichen. Brilliante Zustandsbeschreibung. Es ist spät. Ich fasse mich kurz.

Wir haben in NRW ein dahinwurschtelndes, von der Politik parteiunabhängig seit Jahrzehnten komplett abgeschirmtes Duopol. Die stellen sechs Programme zur Verfügung, die in der Fläche mangelhaft sind.

Schick die Kreativen von denen aus unserem deutschen Radio-Bundesland "Nordkorea" für ein halbes Jahr Anschauungsunterricht in die Niederlande. Wenige KM entfernt. Dann wissen diese Herrschaften ganz genau, wie man junge Zielgruppen adressiert und altersgerecht bespaßt, ohne daß sich das Ergebnis nach Chantalle und Kevin anhört.

Was allgemein gilt: Dort wird auf den erfolgreichen Stationen nachts durchmoderiert, ist vom Tag kaum zu unterscheiden. Bei den Öffis UND den Kommerziellen. Das Top 40-Format 538 und das 2. Programm der NPO (Öffi) streiten sich seit Jahren um die Marktführerschaft. Ging immer hin und her. Es gibt keinen mir bekannten Sender, der so grottenschlechte Jingles am Start hat wie WDR 1,2 und 4. Die Liste läßt sich unendlich fortführen.

Oder wir machen es wie in den NL doch per Knall: Alle UKW-Frequenzen neu verteilen, mehr landesweite Sender, weniger Klein-Klein. Und erzählen nicht, das ginge in Deutschland nicht. Der Hörer sei so anders und speziell, und all diese ganzen Lügen, die ich nicht mehr hören kann.
 
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Im Sommer 2017 folgte ein Knall, von dem sich 1Live bis heute nicht ganz erholt hat...Gerade in der für 1Live interessanten Zielgruppe zeigt sich, wie schwer es Radio hat. Binnen fünf Jahren verlor der Sender rund 26 Prozent an Reichweite in der Durchschnittsstunde...Die Zahlen folgen dem allgemeinen Markttrend"
So ein Schmarrn. Das hat doch nichts mit der Zielgruppe zu tun. Der Fehler liegt ganz klar bei 1LIVE selbst. Wären die mindestens so progressiv wie bigFM oder Bremen Next, hätten sie es auch nicht so schwer. Alles nur rein auf die Zielgruppe zu schieben ist der falsche Ansatz.
 
Was mich am Radio stört, dass die meisten kommerziellen Programme von der Musikauswahl viel zu viel durcheinander haben, weil jeder immer alle ansprechen möchte.

Da läuft dann AC/DC zusammen mit Dua Lipa und Ed Sheeran und Haddaway und die einzige Gemeinsamkeit dieser Titel ist, dass sie halt gut testen. Und doch läuft dann auf jedem Programm der gleiche Einheitsbrei. Wenn ich da z.B. nach München schaue, unterscheiden sich Gong, Energy, Charivari, Arabella, Antenne und Bayern 3 nur in Nuancen. Anders in Nürnberg: N1 und Charivari mit aktuellen Hits, Gong mit Classic Rock, Radio F mit Schlagern, Pirate Radio mit Alternative Rock, im Funkhaus Nürnberg hat man sehr viel mehr Mut zur Sparte. Vorteil: man weiß, was man auf jedem dieser Programme erwarten kann. Und die Quoten sind dort nicht schlechter.

Man sollte sich auch bei der Einteilung von Musik von diesem Dekaden-Denken lösen. Zu aktuellen HipHop passt doch Oldschool-Hiphop aus den 80ern sehr viel besser als ein Ed Sheeran.
egoFM macht das m.E. ganz gut, die zu modernem Indie-Pop dann eben auch alte Titel von The Cure und Nirvana mischen, was m.E. ein sehr viel stimmigeres Gesamtbild ergibt. Natürlich erreicht man so dann nicht mehr "alle". Deshalb braucht man dann auch mehrere solcher Boote im Wasser.

FFH wurde mal genannt. Da war das auch so: FFH war das softere Mainstream-Hauptprogramm, planet das eher progressive Format für die Jugend (Dance/Black) und Harmony als Oldie-Welle, schön ausdifferenziert mit wenig Überschneidungen. Heute gleichen sich die Inhalte der Programme schon wieder viel zu sehr an.
 
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Das, was Du hier beschreibst, ist es, was wir als Ende der Popmusik erleben. Die letzten Dekaden haben viel zu wenig langfristig sendbares Material geliefert. Derweil sind Rock und R&B ausgestorben. HipHop wurde deutsch und damit für alle Hörer verstehbar. Deren "schmutzige" Inhalte sind nicht sendefähig. Ab ca. 2010 hat die Musikindustrie durch streaming und downloads ihre finanzielle Grundlage verloren. Heißt: Noch viel weniger sendbares Material.

Was wir zu erwarten haben, zeigt ein Blick z.B. nach Los Angeles. Da kannst Du Classic Rock von Classic Hits oder Adult Hits ("Jack FM") nicht mehr unterscheiden. Die einstige Ausdifferenzierung des Marktes erodiert, weil der gesamte Titelpool (aller Sender) immer kleiner wird.

FFH ist für mich ein schlechtes Beispiel: Bei gut gemachtem Wortanteil hatten die bereits viele Jahre vor Antenne Bayern ihren Titelpool radikal verkleinert.
 
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Da läuft dann AC/DC zusammen mit Dua Lipa und Ed Sheeran und Haddaway
Und auf welchem Sender laufen, die oben genannten Interpreten zusammen? Also mir ist kein Dudelfunker in Deutschland bekannt, der noch AC/DC in der Hot-Rotation hat.
HipHop wurde deutsch und damit für alle Hörer verstehbar. Deren "schmutzige" Inhalte nicht sendefähig.
Was vollkommen nachvollziehbar ist, weil was so an Deutsch Rap in den Cahrts läuft, ist für die jüngsten Zuhörer definitiv nicht angemessen.
 
Real halten die sich aber nicht daran. Je "schmutziger" die Texte, umso mehr flippen die aus.

Anderes Beispiel: Meine Nichte und mein Neffe haben bereits als beginnende Pubertierende im Netz Pornos konsumiert. Der Kleine bereits mit 13 oder 14 Drogen ausprobiert. Gut behütete, finanziell bestausgestattete Kids aus einem sehr begütertem Wohnviertel.
 
Ab ca. 2010 hat die Musikindustrie durch streaming und downloads ihre finanzielle Grundlage verloren.

Und noch schlimmer, die Musikrichtungen, die noch CDs verkauften, wurden aus den Massenmedien verbannt, weil sie ein zu altes Publikum bedienten. Das gab dann eine schöne Abwärtsspirale: Ohne Bewerbung durch Massenmedien gingen die Verkäufe und Gewinne zurück, und ohne die notwendigen finanziellen Mittel konnte entweder gar nicht, oder nur noch sehr billig produziert werden, was sich abermals negativ auf die Vekäufe auswirkte. Binnen 10 Jahren wurden damit ganze Musikgenres mehr oder weniger ausradiert.
 
Das würde ich Titel für Titel entscheiden wollen. HipHop und insbesondere Rap US-amerikanischer Prägung war ja auch nie "clean".
 
Die Entwicklung und ihre Ursachen wurden oben doch ganz gut analysiert. Ich sehe wenig Gründe, warum (UKW-)Privatradio nicht den Weg der Tageszeitungen nehmen sollte. Geschäftsmodell, Veränderungsdruck und Eigentümer samt Mentalität sind verblüffend deckungsgleich. Definitiv am Ende ist die Sache, sollten dereinst noch DuMont und Funke zwecks Geldverbrennung bei schwächelnden Ketten einsteigen. Bei den ÖRs ist die Sache entspannter. Die haben schon Bewegtbild und Text im Haus, die haben ernsthafte Inhalte im Haus, die haben Gebühreneinnahmen, die haben so viele Wellen, dass man mal ne Spielwiese zum Ausprobieren schaffen kann. Daraus könnte was werden, wenn man die Leute lässt. Das Privatradio mit den heutigen Playern sehe ich ganz woanders. Sind da Leute mit den nötigen Visionen, sind da Leute mit dem nötigen Talent in ausreichender Zahl, sind da die nötigen Inhalte, ist da das nötige Geld, ist da die nötige Geduld? Wenn ja, verstecken sie sich gut! ;) Nach meinem Eindruck von außen scheint man überwiegend die Zitrone bis zum letzten Tropfen ausquetschen zu wollen und hüpft anschließend fast zwangsläufig zu den Eltern aus dem Print ins wirtschaftliche Grab.

Ab ca. 2010 hat die Musikindustrie durch streaming und downloads ihre finanzielle Grundlage verloren.

UMG macht mit Musikzeug um die 8 Milliarden USD Umsatz/Jahr. Neben Streaming - wie viel zahlende (!) Kunden haben allein Spotify, Amazon Music & Co. so? - sah vor Corona der Konzertmarkt irre nach Boom aus. Wenn du noch die "größeren" Festivals nimmst, da komme ich allein in Niedersachsen auf über 170.000 Leute, die sich pro Jahr n Wochenende Musik und Matsch für 160 € und mehr geben, ist die Musikindustrie alles andere als tot. Hurricane (70.000), Deichbrand (60.000), Mera Luna (25.000), Summer's Tale (12.000), dann noch die kleineren wie Appletree Garden (5.000) und so weiter.

"Radio" findet da vielleicht irgendwie als CampFM oder als Medienpartner statt, das wars.
 
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Die letzten Dekaden haben viel zu wenig langfristig sendbares Material geliefert.
Haben sie das? Ich finde schon, daß es genügend sendbares Material gab und gibt, auch langfristig. Nur a) verträgt es halt einiges Material nicht, sieben Tage die Woche bis zu zehn Mal durch den Wolf gedreht zu werden, und b), und das ist eigentlich eine in der Radiowelt nicht völlig unbekannte Weisheit, bedeutet "sendbares Material" nicht automatisch "Chart-Material".

Derweil sind Rock und R&B ausgestorben. HipHop wurde deutsch und damit für alle Hörer verstehbar. Deren "schmutzige" Inhalte sind nicht sendefähig.
Das weiß ich nicht. Ich glaube schon, daß es einige sendefähigen Sachen, auch im HipHop gibt, aber da muß halt die Aufmerksamkeit des Hörers vorhanden sein, und ich weiß nicht, ob er es toll findet, im Büro, wo er gerade am Telefon oder tippenderweis' am Rechner hängt, mit deutschen Reimketten zugeschallt zu werden, und oft genug muß man ja mitunter komplette Seifenopern an Hintergrundinformationen haben, damit man über das Image des Interpreten oder seine Fehden Bescheid weiß ... Für grundsätzlich "schmutzig" halte ich den HipHop nicht, auch den deutschen nicht, höchstens oft genug für arg fehlgeleitet.

Ab ca. 2010 hat die Musikindustrie durch streaming und downloads ihre finanzielle Grundlage verloren. Heißt: Noch viel weniger sendbares Material.
Ich kann mich auch noch an Zeiten erinnern, als Künstler im Radio gespielt wurden, die weder große Hits noch angesehene Labels im Rücken hatten. Und ich kann mich auch an Zeiten erinnern, als das Radio die Hits und die großen Namen nicht nur spielte, sondern sogar machte.

Gruß
Skywise
 
Ich glaube schon, daß es einige sendefähigen Sachen, auch im HipHop gibt, aber da muß halt die Aufmerksamkeit des Hörers vorhanden sein, und ich weiß nicht, ob er es toll findet, im Büro, wo er gerade am Telefon oder tippenderweis' am Rechner hängt, mit deutschen Reimketten zugeschallt zu werden
Das halte ich für den Hauptgrund, wenn im Dudelfunk auf Hip-Hop verzichtet wird. Deutschsprachige Musik ist generell nicht großartig kompatibel mit dem Anspruch eines Radiosenders, ein Begleitmedium wobei-auch-immer zu sein. Da wundert es mich auch schon etwas, dass die Leute sich bereitwillig im Alltag von Max Giesinger und Timmi Bendzko auf die Tränendrüse drücken lassen.

Für grundsätzlich "schmutzig" halte ich den HipHop nicht, auch den deutschen nicht, höchstens oft genug für arg fehlgeleitet.
Der deutsche Skandal- und Gangster-Hip-Hop ist genauso industrialisiert wie der deutsche Weichspül-Pop, siehe dazu auch das Y-Kollektiv über gekaufte Klickzahlen im deutschen Hip-Hop. Da steckt Geld dahinter. Sonst wären die Chartpositionen vermutlich nicht ohne Weiteres möglich. Damit allein verdient sich diese Art von deutschem Hip-Hop für mich schon das Prädikat "fehlgeleitet". Genauso wie im Pop-Bereich leiden darunter besonders die vielen mehr oder weniger unabhängigen Künstler, die so kaum in den Medien stattfinden. Es gibt viel deutschen Independent-Hip-Hop, den auch tatsächlich noch das ausmacht, wofür Hip-Hop eigentlich mal stand: Eine klare Message.

Ich kann mich auch noch an Zeiten erinnern, als Künstler im Radio gespielt wurden, die weder große Hits noch angesehene Labels im Rücken hatten. Und ich kann mich auch an Zeiten erinnern, als das Radio die Hits und die großen Namen nicht nur spielte, sondern sogar machte.
Volle Zustimmung, so sieht auch meine Erinnerung aus. Radiosender als Abspielstationen von getesteten Hits haben leider den Radiosender als redaktionelle Aufbereitungsinstanzen für den Output der Musikszene abgelöst.
 
Das, was Du hier beschreibst, ist es, was wir als Ende der Popmusik erleben. Die letzten Dekaden haben viel zu wenig langfristig sendbares Material geliefert. Derweil sind Rock und R&B ausgestorben. HipHop wurde deutsch und damit für alle Hörer verstehbar. Deren "schmutzige" Inhalte sind nicht sendefähig. Ab ca. 2010 hat die Musikindustrie durch streaming und downloads ihre finanzielle Grundlage verloren. Heißt: Noch viel weniger sendbares Material.
Leider ist intelligente Pop-, Rock- und Soulmusik im Radio ausgestorben. Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass so komplexe Stücke wie von Toto oder Earth, Wind + Fire in den Charts waren! Wie banal ist das geworden, was die Generation Sheeran/Bieber + Co. heutzutage zu hören bekommt. Für einen Musiker wie mich so unerträglich, dass er Läden mit dieser Beschallung meidet - geschweige denn die Sender. Leider sind es gerade die Stationen für "Erwachsene so ab 50", die jeden 5. Titel aus diesem Chart-Pool beziehen.
Und noch schlimmer, die Musikrichtungen, die noch CDs verkauften, wurden aus den Massenmedien verbannt, weil sie ein zu altes Publikum bedienten.
Richtig. In den letzten Jahren wurden in Sendern wie etwa SWR1 BW neue (und durchaus gute) Titel altgedienter Künstler wie etwa Bryan Ferry, Mark Knopfler oder David Gilmour ein, zwei Mal gespielt und das war's dann auch. Weiter ging's dann mit tausendmal gespielten Queen-Titeln oder etwas neuem aus der Sheeran-Ecke. Da lief und läuft viel schief ...
 
Es ist viel zu einfach, auf Musiker wie Sheeran oder Dua Lipa einzukloppen. Wenn man sich mal mit den Kompositionen beschäftigt, müsste man eigentlich erkennen, dass sie konventioneller Popmusik aus den 80ern in nichts nachstehen. Mehr noch, sie zitieren sie ja allzu gerne. vgl. "Physical"

Klar, eine Verflachung gibts schon, weil alles streamingtauglich auf 2.30 Min getrimmt wird, und nach 10 Sekunden möglichst schon der Refrain knallen soll. Aber auch vor 25 Jahren hat das Privatradio schon damit angefangen, Songs um elementare Bestandteile wie Intros und zweite Strophen zu berauben, damit die Länge passt. Nun sagen sich die Künstler halt: Was solln wa länger machen, wenn wir uns dadurch Nachteile verschaffen.

So zu tun, als hätte Rap alles übernommen, ist ja auch Blödsinn. Es ist ein Mainstream-Phänomen, das jetzt eben gerade Oberwasser hat. Es hat eine Dynamik entwickelt, woraus sich zum Teil durch Manipulation, Hype und Verkaufstricks ein messbarer tatsächlicher Erfolg entwickelt hat. Es wird aber auch wieder ein Gegentrend kommen.

Da wird hier der Deutschpop abgeschrieben, und er chartet zwei Jahre lang tatsächlich nicht mehr im oberen Bereich...weil fast nur noch Hip Hop sich breit macht....und dann kommt der Forster mit ner 80-er-Pop Nummer namens "Übermorgen" um die Ecke und geht doch wieder Top Ten.

Was haben sie vor 10-11 Jahren zum Teil auf Lady Gaga rumgehackt, die kann ja nix, schon gar nicht singen. Wer sich ihre Karriere und Vielseitigkeit in ihrer Dekade aber mal anschaut, der müsste eigentlich zu einem anderen Schluss kommen.

Ebenso jemand wie Harry Styles und sein "Adore you": Eine Peter Gabriel Nummer hat in den 90ern ähnlich geklungen, und ein künstlerisches Video hat der Ex-One Direction auch geliefert.

Das Rad wird natürlich nicht mehr neu erfunden, aber kann man das dieser Musiker-Generation verdenken?

Abschließend: Diese angeblich so offenen Jazz-Jugendlichen würde ich schon gerne mal sehen. Kann mir allerdings nur schwer vorstellen, dass es die gleichen sind, die Capital Bra, GZUZ und Co feiern.
 
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