Die spannende Frage ist, wie weit der Hass der Republikaner auf Trump geht. Wenn sie ihn ganz schlimm hassen, dann könnten sie noch vor der Convention der Demokraten für eine Anklage von Hillary Clinton sorgen (FBI-Direktor ist Republikaner). Dann könnte Clinton doch noch als Nominierte stürzen und Sanders hat die große Chance Trump zu besiegen. Er schlägt in allen Umfragen Trump mit Abstand, spricht teilweise eine ähnliche Wählergruppe an und wäre mit Unterstützung der Demokraten auch für die Moderaten wählbar. Chance: gering! Eher werden die Ermittlungen klammheimlich eingestellt und man unterstützt insgeheim Clinton, da sie in wirtschaftspolitischer Hinsicht den Republikanern in nichts nachsteht und außenpolitisch in bester Bush-Tradition für militärische Interventionen eintritt. Wahrscheinlichkeit: möglich - aber in der GOP hasst man die Clintons mindestens genauso stark, wie Obama.
Daher wird man sich wohl letztlich mit Trump anfreunden, versuchen ihm einen Wachhund als Vize zu verpassen und hoffen, dass es während und vor allem nach der Wahl im Weißen Haus schon gut gehen wird. Die Ermittlungen gegen Clinton würden dann wohl zum Höhepunkt des Wahlkampfes medienwirksam zu einer Anklage verdichtet werden.
Aber auch ohne Anklage halte ich Clintons Siegchancen bei der Hauptwahl für gering. Sanders ist zu anständig für eine Schmutzkampagne, hat aber allein mit den Fakten Clinton in große Bedrängnis gebracht. Trump interssiert sich nicht für Fakten und hat genug Angriffspunkte, die er höchst medienwirksam bis zum Äußersten überspitzen wird.
Nicht ausgeschlossen sind aber noch zwei weitere Szenarien:
Erstens: Die Republikaner stimmen bei der Convention dafür, die bestehenden Regeln zu ändern, übergehen Trump und ernennen etwa Kongresssprecher Paul Ryan zu ihrem Kandidaten. Wahrscheinlichkeit: Niedrig bis Mittelhoch!
Zweitens: Bei den Demokraten bekommen weder Sanders noch Clinton die Mehrheit der gebundenen Delegierten und in einem zweiten oder dritten Wahlgang wird etwa Joe Biden als Kandidat gekürt, entweder weil Clinton bereits unter Anklage steht oder weil man die Möglichkeit, dass es doch noch zur Anklage kommt zu sehr fürchtet und man Sanders als erklärten Establishment-Gegner um jeden Preis verhindern will. Wahrscheinlichkeit: niedrig, Clinton scheint beim Parteiestablishment unumstößlich, Überraschungen aber keineswegs ausgeschlossen.
Eines scheint jetzt schon klar: Bei künftigen Vorwahlen wird es wohl bei beiden Parteien zu deutlichen Regeländerungen kommen.