Die Kulturradio-Debatte nervt nur noch

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K 6

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Wie ich zufälligerweise gesehen habe (dies, weil man halt nicht regelmäßig auf eine Internetpräsenz schaut, die so gut wie nichts zu bieten hat), widmet sich epd Medien mit Gastbeiträgen der Kulturradio-Debatte. Neulich veröffentlicht:

1.) Wolfgang Schmitz

2.) Johannes Weiß

3.) Gerhart Baum

Einen Blick darauf geworfen und den Kopf geschüttelt, so wie ganz generell und in ständig zunehmendem Maße bei den medienpolitischen Debattenbeiträgen der ganzen hypocrites that murder act. Ich will das nicht mehr hörn!! [Die alten Fans wissen, was gemeint ist.]


Aber trotzdem aus dem Off einige Anmerkungen zu diesen drei Artikeln (die noch älteren mögen hier gleich außen vor bleiben), weil nun doch einige recht bemerkenswerte Grundsatzfragen bei rumkommen. [Nicht daß ich hier noch mit sinnvollen Antworten rechne.]


Zu 1.):

Warum hören vier von fünf Menschen in Deutschland täglich Radio? Weil sie bei keinem anderen Medium so mühelos auf ihre emotionalen und intellektuellen Kosten kommen. Weil Radio ein unaufdringlicher Begleiter durch die Wechselfälle des Alltags ist, informiert, unterhält, bildet, amüsiert, tröstet, anregt und gelegentlich auch aufregt.

15 Jahre später kann man es sicher ausplaudern, was eine Mitarbeiterin des in den letzten Zügen liegenden Radio Brandenburg sprach: „Na, wollt Ihr nochmal richtig schräg sein, bevor das dann alles schön klingen muß?“

Mittlerweile kann man ja auch in den Tagesprogrammen der ARD-Kultursender studieren, wohin die Prämisse, „unaufdringlicher Begleiter“ zu sein, so führt. Da ist es z.B. schon so weit, daß man zu einer Instrumentalversion greift, wenn man mit dem Blumenduett hausieren gehen will, weil die Formatvorgaben ganz offensichtlich klassischen Gesang ausschließen. Sowas ist doch nur noch lächerlich.


Denn, um WDR 3 als Beispiel zu nehmen, die Hälfte seiner Hörerinnen und Hörer besitzt keine akademischen Weihen, viele davon sind ohne Abitur.

Jaaaaa, und wenn man unter genau diesen Vorzeichen dann bemerkt, für wie blöd man gehalten wird, und zwar eben auch im Bereich der Kulturradios, führt das zunehmend zu Verärgerung.


Limitiert werden die Reichweiten von Kulturprogramm, nicht zuletzt beim jüngeren Publikum, auch durch seine häufig starke Orientierung auf die sogenannte Hochkultur.

Jetzt geht's ans Eingemachte, jetzt kriegt auch das Fußvolk auf die Lampe: Welchen Beitrag leisten die Kulturradios denn dazu, Odenwaldschule zu machen (an der Hand nehmen und einführen...), wenn es um die sogenannte Hochkultur geht und damit um ein Gebiet, dem Klischees und – man muß der Sache wohl ins Auge blicken – Vorurteile in einem extremen, kaum irgendwo sonst anzutreffenden Ausmaß anhängen?

Eine ganz persönliche Erfahrung: Nichts. Nicht mehr, seit Radio Brandenburg die Havel runtergegangen ist. Eigentlich habt Ihr es überhaupt nicht verdient, daß man Euch hört. Zumal man oft genug dabei den Kopf schütteln muß (allein schon über das Rezensionswesen könnte man sich ohne Ende ereifern, im übrigen auch im Printbereich; manchmal fällt einem da nur noch Kurt Beck zu ein). Auch über Sendungen á la „Klassik für Einsteiger“. Fraglos gut gemeint, aber in einer Weise an untaugliche Versuche von Musiklehrern erinnernd, daß es einen selbst dann noch schüttelt, wenn man inzwischen doch noch in den Genuß gebracht wurde.

Gern als Totschlagargument herangezogen wird der Elfenbeinturm. Ich fürchte nur: Da ist tatsächlich was dran. Da ist keinerlei Gespür für Menschen wahrnehmbar, die eben nicht schon als Kinder die sogenannte Hochkultur lieben lernten, bei denen womöglich herumtrampelnde Elefanten verbrannte Erde hinterließen, wo niemand es für möglich hielt, daß da tatsächlich nochmal Gras wachsen könnte.

Das mag natürlich zunächst einmal den Programmkonzepten geschuldet sein. Ganz so einfach stellt sich einem die Sache dann aber doch nicht dar, wenn man die Erfahrung gemacht hat, daß auch im persönlichen Kontakt kein Gedanke daran war, den, der sich nun schon so ausführlich an der Materie abarbeitet, mal kurzerhand vorzuladen. Da bleibt es dann eben den Tempeln der Hochkultur vorbehalten, die Sache allein in die Hand zu nehmen und für „meine Damen und Herren, Sie haben es bemerkt, wir haben uns hier geirrt“ zu sorgen. Ohne daß der Rundfunk auch nur einen Fitzel dazu beigetragen hätte. Die Ansätze, die es da tatsächlich mal gab, waren – wie gesagt – 1997 abgewürgt worden.

Auf den Elfenbeinturm als Ausgangsthese passen sogar beide Phänomene, die man ganz generell beobachten kann. Zum einen das, zu senden, ohne erkennbare Überlegungen anzustellen, wer das in welcher Situation überhaupt hört. Das ist Deutschlandradio Kultur, das es in bestimmten Regionen schafft, eine volle UKW-Abdeckung mit einem Marktanteil von einem Promille zu verbinden (auch wenn das nicht zuletzt auch etwas über jene Regionen aussagt). Mit dem Elfenbeinturm läßt sich aber auch unschwer die um sich greifende Methode erklären, seine Rettung im Rat aus der kommerziell geprägten Ecke zu suchen. Bei den alten Feinden der DT64-Kinder also. Gehen Sie weiter, hier ist nichts zu holen ...


Zu 2.):

Als Programmchef von SWR2 kann ich dazu nur wenig sagen.

Hauptsache, was geschrieben (gab ja sicher ein Honorar dafür) und unter Beweis gestellt, was für ein vorbildlicher Hierarch man ist. Einer, der wohl noch unendlich dankbar dafür ist, nur überdurchschnittliche 25 Prozent seines Etats gestrichen und den Laden nicht gleich ganz zugemacht zu bekommen, während die ARD immer obszönere Beträge für Brot und Spiele raushaut.

Fällt einem auf, wenn man gerade davon las, wie in WDRhausen eine aufbegehrt, von der man das garnicht erwartet hatte: http://www.ksta.de/kultur/mittel-umverteilung-operndirektorin-meyer-empoert,15189520,20939380.html


So wie ich den Ton etlicher sogenannter "Orchesterretter", die gegen die Fusion der Sinfonieorchester des Südwestrundfunks protestieren, höchst irritierend finde.

Wie ist denn der Ton auf Seiten der ARD? Nach den vorgenommenen Programmänderungen bei MDR Sputnik waren in diesem Forum Einträge zu lesen, die allem Anschein nach aus der Hörfunkzentrale in Halle kamen und die man nur noch als dumpfes Gepöbel charakterisieren kann. Und da erlaube ich mir bei der Einordnung auch, auf eine Differenzierung zwischen den Etagen des Glashauses zu verzichten.



Zu 3.):

Bravoooo!!!

Das war jetzt natürlich vorhersehbar, aber ganz besonders hervorzuheben ist eine Anmerkung aus diesem Artikel, die in nahezu identischer Form auch schon von den DT64-Kindern kam, was die hypo... aber das nannte ich schon... natürlich schonmal garnicht interessiert:

Vielleicht wachen die Sender erst auf, wenn Brüssel die staatliche Finanzierung hinterfragt. Man ist versucht, einen solchen Prozess anzustoßen, auch auf die Gefahr hin, dass das ganze System infrage gestellt wird.
 
Was ist Kultur? Was ist Kulturgenuss? Oder die Fähigkeit zum Kulturgenuss? Belächelt den Opa im Lehnsessel, der sich mit Kopfhörern den Sonntagvormittag ein Violinenkonzert von Brahms gibt. Mit glückseligen Momenten!
Belächelt den Menschen, der sich wochenlang auf die nächste Premiere das Staatstheaters freut - für den der Besuch einer Ballettaufführung ein größerer Höhepunkt ist, als das Derby Schalke:Dortmund.
Wundert euch über den Menschen, der sich mit drei dicken Büchern -von denen die meisten schon den Titel nicht verstehen, geschweige den Inhalt - in sein Zimmer einschließt und 48 Stunden nicht mehr herauskommt.
Wie Menschen miteinander kommunizieren - schreibend, sprechend, singend, musizierend, tanzend, gestikulierend, zeichnend - all dies ist Kultur - und manche bringen es darin nicht einmal zu den minimalsten Ausdrucksformen, sind und bleiben stammelnde, dumpfe Toren, hängengeblieben auf dem "boah geil"-Niveau und dort prima bedient von - zum Beispiel - dem Gros der deutschen Radiosender oder unserer grandiosen B-Zeitung, musikalisch bereits mit Lady Gaga und David Guetta zufriedengestellt, Juli und Naidoo schion gar als philosophische Hochkaräter bewundernd, in der bildenden Kunst auf Cartoons und Media-Markt-Plakate reduziert, körpersprachlich gerade mal zu einer tumben Choreografie im Fußballstadion oder zu epileptischen Zuckungen auf der Tanzfläche der Dorfdisco fähig. Das ist das Kulturniveau, gegen welches sogenannte "Kulturprogramme" verzweifelt und chancenlos ansenden.
Die GEZ-Mittel, die man ihnen dafür in die Hände gibt, und die eigentlich gedacht sind, dieses elende Niveau zu heben, werden stattdessen aber in den unverholenen Wettlauf mit den privaten Quoten- und Kommerzsendern gesteckt, der das beklagte Niveau nicht hebt, sondern permanent bedient.
Und deswegen ist es keine Gefahr, sondern es wäre ein Segen, "wenn Brüssel die staatliche Finanzierung hinterfragt."
Somit ist Gerhart Baum beizupflichten, wenn er im Hinblick auf dieses Brüsseler Damoklesschwert über unserem öffentlich-rechtlichen System räsoniert:
Man ist versucht, einen solchen Prozess anzustoßen, auch auf die Gefahr hin, dass das ganze System infrage gestellt wird.
 
Neulich veröffentlicht:
...
3.) Gerhart Baum
....
Bravoooo!!!
Da hat er doch recht, der Minister a.D. Wie manni bereits bemerkte: wenn der der ÖR die Kurve nicht von selbst kriegt wird's unangenehm.
Schleichender Erosionsprozess

Auch der Versuch, das kulturelle Niveau im Ö.R. Radio durch "Loudness" und vor allem teure "Sound Design Competions" zu ersetzen, kann m.E. keine Lösung sein.
von einem Radio-Guru schrieb:
Früher war der Sound eines Radioprogramms Sache der Hörfunktechnik.
Richtig.
von einem Radio-Guru schrieb:
Erst Anfang der 90er haben Programmmacher erkannt, daß ein guter Klang entscheidend für den Marktanteil eines Programms ist.
Und, war er früher schlecht?
von einem Radio-Guru schrieb:
So hat ein Klassikradio nichts davon, viel Dynamik zu senden, dafür aber im Rauschen unterzugehen.

Wir haben Lösungen, die Dynamik kaum zu erhöhen, aber dennoch für einen besseren Signal-Rauschabstand zu sorgen - und damit für mehr technische Reichweite und größere Akzeptanz beim Hörer.
Aha, der Retter naht. Mit solchen populistischen Pauschalbehauptungen soll das Kulur/Klassik-Radio gerettet werden? o_O

Ich bitte zu bedenken dass:

- Die UKW-Sender des Ö.R. ausreichend stark sind um ihre Bundesläner zu nahezu 100% abzudecken.

- es im Digitalradio kein Kanal-Rauschen gibt, welches die Akzeptanz verringern würde. DAB, DVB

Desweiteren bin ich der Meinung, dass Programme wegen ihres attraktiven Inhalts gehört werden würden und nicht weil sie "rosa", "lila" oder "knallbunt" klingen :cool:.

mfg. TB

--
P.S.: Ich selbst höre Radio zuhause (rauschfrei) über DVB-S und es würde mich interessieren wieviele Hörer diesen Service nutzen (?).
 
Den Beitrag von
4.) Johannes Grotzky
fand ich auch ganz interessant, zumal mir auch nicht klar ist, was mit "Kulturradio" eigentlich gemeint ist. Die oben verlinkten Beiträge liefern mir ein eher diffuses Bild: irgendwas mit klassischer Musik, Jazz und Literatur, hoher Qualität, Besinnung und Bereicherung des Alltags. Was im Radio unter dem Etikett "Kulturradio" zu hören ist, reicht vom Gemischtwarenladen bis hin zur Klassikwohlfühlwelle mit Service- und Unterhaltungselementen, während in Wirklichkeit aber eigentlich alles Kultur ist, was auf allen Sendern der Republik läuft.

Und, ist ja klar, auch die "Kulturradios" betrachten das relativ hohe Durchschnittsalter ihrer Hörer nicht als Auszeichnung, sondern als Problem. Senioren wird beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk einfach nichts mehr gegönnt... ;)
 
@stereo:"Senioren wird beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk einfach nichts mehr gegönnt..." Ich darf doch bitten. Wir sind aber die Zielgruppe. Unsere Jugend hat mit den "Kulturradios" nichts mehr am Hut. Da kommt alles von "Youtube" und so. Sagt mein Enkel immer.
 
Da hat er doch recht, der Minister a.D. Wie manni bereits bemerkte: wenn der der ÖR die Kurve nicht von selbst kriegt wird's unangenehm.
Schleichender Erosionsprozess

Auch der Versuch, das kulturelle Niveau im Ö.R. Radio durch "Loudness" und vor allem teure "Sound Design Competions" zu ersetzen, kann m.E. keine Lösung sein.
Richtig.
Und, war er früher schlecht?

Aha, der Retter naht. Mit solchen populistischen Pauschalbehauptungen soll das Kulur/Klassik-Radio gerettet werden? o_O

Ich bitte zu bedenken dass:

- Die UKW-Sender des Ö.R. ausreichend stark sind um ihre Bundesläner zu nahezu 100% abzudecken.

- es im Digitalradio kein Kanal-Rauschen gibt, welches die Akzeptanz verringern würde. DAB, DVB

Desweiteren bin ich der Meinung, dass Programme wegen ihres attraktiven Inhalts gehört werden würden und nicht weil sie "rosa", "lila" oder "knallbunt" klingen :cool:.

mfg. TB

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P.S.: Ich selbst höre Radio zuhause (rauschfrei) über DVB-S und es würde mich interessieren wieviele Hörer diesen Service nutzen (?).
Ich höre "meinen" Deutschlandfunk notgdrungener Weise auf Mittelwelle, wie übrigens rund 20 Prozent aller DLF- und DKultur-Hörer.
Rachmaninow kommt natürlich abends mit einen Country-Sender im Hintergrund nicht so düster und athmosphärisch dicht herüber, wie in UKW-Stereo, aber man arrangiert sich damit. Die meisten Stammhörer verzichten wegen dieser "Lapalien" nicht auf ihr Dradio. Und dieser Umstand spricht doch eigentlich Bände! ;)
 
@Leukozyt: In Düsseldorf ist DLF auf UKW doch kein Problem? Vernünftiger FM-Receiver vorausgesetzt.

Leider doch, da bei mir hier in der Talstraße (Friedrichstadt) die Sender Nordhelle auf 102,7 und Wesel auf 102,8 mit etwa gleicher (hoher) Feldstärke einfallen. Das Ergebnis ist auch bei Mono-Betrieb ein nervtötendes Spratzeln, welches sich entweder nur mit einer Rchtantenne oder mit einem Empänger mit Super-Narrow-Schaltung einigermaßen in der Griff bekommen ließe. :(
Einige Schritte die Straße rauf, etwa in Höhe Aderstraße spielt die 102,8 MHz aus Wesel wieder tadellos.
Das "Wesel/Nordhelle-Problem" verärgert aber bereits seit vielen Jahren die DLF-Hörer in Düsseldorf, Mettmann, Wuppertal und Umgebung.
Früh am Morgen fahre ich nicht extra den Rechner hoch, um den DLF via Internetstream zu empfangen. Ich werde mir aber demnächst mal ein zweites Webradio für zu Hause zulegen. Diese tollen und vielfältigen Kisten leisten mir bereits seit etwa drei Jahren an meinem Arbeitsplatz und zu Hause im Schlafzimmer (ich habe die ganze Nacht leise Radio an) hervorragende Dienste. Dafür benötigte ich aber dann auch wieder zwei weitere Radios, da ich den größten Teil am Morgen als notorischer Dauerduscher im Bad verbringe und danach in der Küche ausgiebig frühstücke. Und bevor ich mir zig Webradios zu je über € 100.- anschaffe, bin ich mit der Mittewelle dann doch recht zufrieden. :)
 
DLF höre ich auch auf MW. Seit dem ich aber ein Multimediagerät habe sucht mein Enkel mir immer die Seite raus. Nur die Musik verhindert, dass wir wahnsinnig werden. Man sollte sich zwei Radios oder zwei Multimediageräte anschaffen. Falls eines kaputtgeht. Kamerad Leukosyt muss ich mit den zwei Webradios recht geben. Ein drittes noch für die Dauerdusche, und noch eins für den Garten mit Kavallerie, Battery meine ich...
 
Hier meldet sich noch ein weiterer DLF-Hörer, wobei es mir aber in erster Linie um die interessanten Wortprogramme geht (Europa heute, Informationen am Morgen/Mittag/Abend, Forschung aktuell, Hintergrund etc.). Und obwohl hier in Köln DLF auf gleich zwei UKW-Frequenzen hervorragend spielt (89,1 Bonn und 102,7 Hohe Warte), steht bei mir noch ein Uralt-Radio aus dem Jahr 1954, welches mir den DLF auf Langwelle 153 in für Wortprogramme völlig ausreichender Qualität zu Gehör bringt. Auf den Langwellen werden z.B. abgetrennt vom übrigen Programm Bundestagsdebatten übertragen.
 
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