Die letzten 30 Minuten von DT64 auf UKW am 30.06.1992

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AW: Die letzten 30 Minuten von DT64 auf UKW am 30.06.1992

Man sollte in Bezug auf den Hitglobus beachten, dass das ein Abbild der aktuellen Charts war. Die Berlin Charts im Rias mit Gregor Rottschalk haben damals nichts anderes gesendet. Die E.A.V. kam ansonsten im DT64-Programm eher nicht vor. Und das dir ein paar Titel in dem Mitschnitt "gegen den Strich gehen", obwohl sie ausnahmslos alle nur angespielt wurden, zeigt eigentlich, wie abgestumpft oder von mir aus auch intolerant wir alle inzwischen sind gegenüber "anderer" Musik.
Ob das Programm heute noch so funktionieren würde, dass es sich auch wirtschaftlich tragen könnte, kann ich nicht sagen. Aber ich behaupte mal, dass weite Teile des damaligen Programms heute noch eine große und feste Anhängerschaft hätten. Natürlich müßte man es ans heute anpassen.
Heute hört man sich Mitschnitte von damals natürlich anders an als noch vor ein paar Jahren. Aber je mehr Mitschnitte mir in die Finger kommen, um so öfter komme ich zu dem Schluß, dass es kein anderes deutsches Radioprogramm gab, dass jemals so nah am Hörer war wie DT64. Vielleicht wurde es gerade deshalb ausserhalb von Neufünfland so argwöhnisch betrachtet.
 
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Ganz schwierige Sache. Ich mag auch nicht aus der Zeit von vielleicht 1989 - 1991 auf 2007 extrapolieren. Zu viele Varianten wären möglich. Bitte beachten: allgemein hat Radio an Stellenwert verloren, ist nicht mehr der Begleiter für einsame Stunden bzw. teilt sich diesen Platz mit unendlich vielen Möglichkeiten, die es (zumindest im Osten) so in den Wendejahren noch nicht gab. Welcher 18-jährige hatte damals ein Auto, um seinen Abend nicht bei den Eltern aufm Dorf verbringen zu müssen? Internet gab es schon gleich gar nicht - weder als Medien-Ersatz (für die einsamen Stunden) noch als Mittel, einsame Stunden gar nicht erst entstehen zu lassen.

Die Wege, die junge Menschen gehen können, sind heute vielfältiger als damals, das Zusammengehörigkeitsgefühl - und sei es das, daß man einfach nur "in der gleichen sozial beschissenen Lage" ist (Zitat Lutz Bertram) - ist nach meinem Empfinden deutlich geringer ausgeprägt. Man "braucht" heute normalerweise das Radio als Begleiter nicht mehr. Die damaligen Hörer sind heute alle im erwerbsfähigen Alter und dürften, so sie denn einen Job haben, kaum noch zum Radiohören kommen. Der Nachwuchs hätte sicher kaum den Sender seiner Eltern gehört. Hätte sich DT64 an den Nachwuchs angepaßt, würde es heute freilich deutlich anders klingen als damals. Ob das Programm mit langen Wortstrecken, kritischen Wortbeiträgen und schräger Musik Nachwuchs hätte binden können - keine Ahnung. Mir scheint sogar so, als ob inzwischen allgemein eine gewisse Unlust eingesetzt hat, überhaupt noch in der für die Wendejahre typischen Schärfe journalistisch auf gesellschaftliche Mißstände hinzuweisen. Die meisten haben ihre Nische gesucht, in der sie ohne allzuviele Schmerzen irgendwie halbwegs erträglich existieren können. Das war 1990/91 anders.

FM4 zeigt vermutlich, wie es im besten Falle hätte ausgehen können. N-Joy und über lange Zeit Sputnik zeigt, wie der schlimmste Fall aussieht. Sputnik heute zeigt, wie schwer es ist, mit Inhalt zu punkten (gut, bei Sputnik passen andere Dinge nicht so recht).

Der abenteuerliche Musikmix aus dem Hitglobus war zwar Charts-geschuldet, aber die Sendung hätte es nicht gegeben, wenn sie nicht beabsichtigt gewesen wäre. FM4-Charts klingen deutlich anders und belegen, daß das ganze Programm anders ausgerichtet ist. Bei DT64 gab es allerdings damals nur ein Gesamtkonzept: Individualisten machen abends Radio, Tags "mäßigt" man sich und spricht bereitere Schichten an. Ich hatte je nach verantwortlichem Musikredakteur (!) tagsüber 1991 manchmal absolute Glücksgefühle (viel Indie) und manchmal dachte ich, als ich aus der Schule kam und das Radio anmachte, "scheiße, die sind abgeschaltet worden und da ist ein anderer Sender drauf." DT64 war kein "Indie-Radio" oder "Alternativ-Radio" und schon gar kein "Rock-Radio", zu dem es die Marketingleute des MDR nachträglich erklärt haben, um Sputnik zu rechtfertigen. Es gibt einen Mitschnitt (AFAIR von 9/1990), in dem Lutz Bertram das damals noch existierende Radio 100 in Berlin als "oberschräg" bezeichnet und sehr wohl durchblicken läßt, daß man sich als Alternative dazu verstehe, keinesfalls als Konkurrenz.

Man sollte in Bezug auf den Hitglobus beachten, dass das ein Abbild der aktuellen Charts war.
Die erste Stunde schon, aber selbst die war aufgrund der wenigen gespielten Titel doch eine Redaktionsauswahl aus einem dreistelligen Titelpool. Die zweite Stunde waren Hörercharts, und wenn die Hörer das so nicht gevotet hätten... New Kids on the Block, Army of Lovers, in den 80ern auch Sandra und all der andere Charts-Kram waren somit Hörerwunsch! Schau Dir dann noch die "Top 2000D"-Liste vom August 1990 an und die doch erheblichen Unterschiede im Wahlverhalten zwischen Ost und Südwest. DT64-Top10: Depeche Mode, Sinead O'Connor, New Kids on the Block, Sandra, Snap, Depeche Mode, Depeche Mode, New Kids on the Block, Nick Kamen, Roxette. SDR3-Top10: Dire Straits, Led Zeppelin, Pink Floyd, Sinead O'Connor, Billy Joel, Phil Collins, Rolling Stones, Alannah Myles, Alice Cooper, Phil Collins. Klarer Fall - bei DT64-Hörern fehlte komplett die Erinnerung an Titel, die nicht innerhalb der letzten paar Monate in den Charts waren. Bei SDR3 gab es einen Mix aus gemäßigten Charts-Titeln und Rock-Klassikern.

Die E.A.V. kam ansonsten im DT64-Programm eher nicht vor.
Stimmt, das Tagesprogramm war Redakteurs-verantwortet und konnte aber massiv schwanken. Abends waren sowieso Spezialsendungen, die für mich den musikalischen Reiz von DT64 ausmachten. Tagsüber lag der Reiz für mich 1990/91 eher im "seht her, ich höre DT64!" In meinem Lebensumfeld hatte RIAS2 dann keinen Platz mehr, ich definierte mich anders, gehörte zu einer Gruppe mit anderem Lebensgefühl. Ich wollte nicht mehr "in" sein wie mit 14 (da war ich RIAS-2-Hörer), sondern eher anecken. Das wäre mit RIAS 2 nicht mehr gegangen. So einfach ist das manchmal...
Es gab damals durchaus schon Probleme innerhalb der Hörerschaft mit dem Musikprogramm und der Gruppenzugehörigkeit. Irgendwann 1990 machte DT64 eine Live-Disco in Dresden mit Übertragung im laufenden Programm. Der Club, in dem das stieg, war eher der Antifa-Ecke zuzuordnen - eingepackt hatten die ahnungslosen Redakteure allerdings viel aktuelle Charts. Die Grabeskälte der dortigen Atmosphäre war on air deutlich zu hören. Als dann "ein Titel von Rio Reiser" anmoderiert wurde, ging endlich Johlen durch die Masse, welches ganz schnell wieder verstummte, da es eine Coverversion eines Reiser-Titels war...
Es geht bei jungen Leuten doch fast immer stark um Abgrenzung und Zugehörigkeit, nicht um absolute "Qualität" (so es die überhaupt gibt). Die "Qualität wird vielmehr zu einem großen Teil nach der "Lebensumfeldskompatibilität" oder "Abgrenzungseignung" individuell definiert. Also: Nirvana ist gut, Thake That ist scheiße - dazu gehört dann auch das entsprechende Outfit (zumindest im Kopf). Umgekehrt freilich genauso. Und dabei war völlig egal, daß Kurt Cobain nicht singen konnte...

Und das dir ein paar Titel in dem Mitschnitt "gegen den Strich gehen", obwohl sie ausnahmslos alle nur angespielt wurden, zeigt eigentlich, wie abgestumpft oder von mir aus auch intolerant wir alle inzwischen sind gegenüber "anderer" Musik.
Also gegen Army of Lovers und Maffay bin ich nicht abgestumpft, sondern eher so scharf wie das Messer, das dabei in meiner Tasche aufgeht... :D
Interessant ist allerdings die Frage nach einer eventuellen Intoleranz. Wo kommt die Abneigung gegen bestimmte Musik her? Daher, daß man sie zu oft aufgezwungen bekommen hat? Daher, daß man sich wehren will, aufgrund seiner nicht-Ablehnung bestimmter Musik in bestimmte Image-Schubladen gesteckt zu werden? Ich gerade dauernd in solche Schubladen, weil ich einen Stapel Punkplatten im Schrank habe, aber auch gerne House und Electro höre und z.B. die Flowerpornoes oder Joni Mitchell mag...

Aber ich behaupte mal, dass weite Teile des damaligen Programms heute noch eine große und feste Anhängerschaft hätten.
Haben sie doch auch - weiterentwickelt, aber von den gleichen Leuten verantwortet in Form von Radio Eins: Marion Brasch, Holger Luckas, Knut Elstermann, Jörg Wagner, ...

Aber je mehr Mitschnitte mir in die Finger kommen, um so öfter komme ich zu dem Schluß, dass es kein anderes deutsches Radioprogramm gab, dass jemals so nah am Hörer war wie DT64.
Das mag sein. Vielleicht aber auch, weil es im Annektionsgebiet einfach nur eine riesige Verwirrung und Unsicherheit unter den Menschen gab, verbunden mit der Suche nach einem vereinenden, übergreifenden Etwas, das man in Form von DT64 fand.
Andererseits: wenn der Wilde Süden Sechstageradio machte, waren da unten auch ganze Dörfer dermaßen von was auf den Beinen...

Vielleicht wurde es gerade deshalb ausserhalb von Neufünfland so argwöhnisch betrachtet.
Ich hatte eher das Gefühl, es wurde von innerhalb argwöhnisch betrachtet. DT64 hatte seine Feinde im eigenen Land - alljene, die hinter jedem noch nicht abgewickelten und entsorgten Ostdeutschen einen Kommunisten oder Stasi-Folterer sahen. Diese ostdeutsche Neurose, zu der ich bislang kein westdeutsches Gegenstück gefunden habe, ist bis heute in Politik und Gesellschaft, aber auch im gemeinen Volk im Osten tief verankert. Da rennen immer noch CDU-Leute herum, die damals Jugendpolitik machten und für die Sputnik (!) all die Jahre (!!) immer noch "Kommunistenradio" (!!!) geblieben ist - auch in der Zeit, als man ausschließlich RnB-Soße mit dummen Lifestyle-Sprüchen servierte. Da tritt ein 32-jähriger auf ner alternativen Liste zur Kommunalwahl für den Stadtrat an, für den jeder, der heute noch Arbeit hat und im passenden Alter ist, "Stasi" war und ist. Als er hätte von der Stasi bedroht werden können, war er 14 oder maximal 16 und bekam von alldem in seiner unbekümmerten Kinderzeit erwiesenermaßen nichts mit. Da gehen wirklich sehr schräge Dinge in den thüringer Kleinstädten.
 
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Mir scheint sogar so, als ob inzwischen allgemein eine gewisse Unlust eingesetzt hat, überhaupt noch in der für die Wendejahre typischen Schärfe journalistisch auf gesellschaftliche Mißstände hinzuweisen..
Man will ja nicht polarisieren... :rolleyes:
 
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Oder man darf nicht mehr. Die Wendezeit war auch im Rundfunk herrlich frei: die alten Herren waren verjagt, die neuen noch nicht etabliert. 1992 wurde es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen schlagartig gähnend langweilig im Funk. Befriedete Erde, eine Zeitung witzelte gar "Maßvoll Demokratelnder Ruhigfunk". In Berlin/Brandenburg ging aber weiter gewaltig die Post ab - erst mit Rockradio B, dann mit den frechen Fritzen der Anfangszeit und mit Radio Brandenburg sowieso.
 
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...zum Thema alte Herren verjagt,den kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen:Gibt es eigentlich Neuigkeiten über den Tyrannen in der halleschen Gerberstraße? Der Grund meines Beitrages ist jedoch der traurige Anlass des 15.Jahrestages der DT-UKW-Abschaltung am 30.6.1992,höre gerade die letzte Sendung Dancehall,Partyzone u.Deutsche Dancecharts mit Marusha u.Marcos Lopez und fertige davon eine DAT-Kopie.Aufnahme in Super-Qualität,damals mit 3-Element-UKW-Antenne von 102,9 MHz Leipzig-Wiederau und auf 120erSuper-CrO2-Kassette von BASF,als Empfänger ein ST-GT 650 Tuner von Technics,dieser ist heute noch in Betrieb und dient unter anderem der Kontrolle der Signalqualität der in unserem Kabelnetz eingespeisten UKW-Sender.Werde auch die anderen noch qualitativ sehr hochwertigen Mitschnitte,die bei mir noch so vorhanden sind,bei Gelegenheit digitalisieren und eine Übersicht aller vorhandenen Sachen mal posten,damit Grüße in die Runde und Schönes WE...
 
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der traurige Anlass des 15.Jahrestages der DT-UKW-Abschaltung am 30.6.1992
Au Backe, stimmt, das war ja genau vor 15 Jahren, als für DT64 UKW-technisch das Licht ausging. Ich war damals auf Abschluß-Klassenfahrt in der Hohen Tatra. Auf dem Hinweg noch ausm Zug in Dresden via 102.4 DT64 gehört, auf dem Rückweg dann via 1044 die traurigen Reste vernommen. War eine scheiß-Zeit, irgendwie das Aufwachen aus dem Traum, dieses Land warte auf uns. Es wartete nicht, es signalisierte uns, daß wir unwichtig sind.

Werde auch die anderen noch qualitativ sehr hochwertigen Mitschnitte,die bei mir noch so vorhanden sind,bei Gelegenheit digitalisieren
Na dann weiß ich ja, was demnächst bei mir aufn Tisch flattert, um CDs daraus zu machen. Übergabe bitte mal in EF bei nem Eis mit den anderen Wahnsinnigen, aber nur, wenn Anne dabei ist. ;)

Und wer noch keins hat, hat jetzt die Chance: DT64 - Das Buch zum Jugendradio. Schon wieder völlig von der Zeit überholt.

Gut' Nacht, heut' Nacht...
 
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Mich würde in dem Zusammenhang mal interessieren, ob von dem Filmchen (siehe Anhang) noch irgendwo eine Kopie zu bekommen ist. Aus heutiger Sicht wäre das sicher nicht uninteressant.
 
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Frag doch mal bei denen, die den Film herausgebracht haben:

Werkstatt für Interkulturelle Medienarbeit WIM e.V.
Crellestr. 19/20
1000 Berlin 62 ;)

Die bieten den tatsächlich noch an - zum Kauf und zum Ausleihen, wohl auch als DVD.

Nette Details am Rande: in seiner Westberliner Zeit hat Michael Schiewack beim WIM e.V. gearbeitet (derzeit finde ich dafür als Quelle nur das Zitat einer MDR-PM hier). Unterbild-Sprecherin des Videos ist übrigens Karla Schlender, die auch mal längere Zeit bei DT64 gearbeitet hat.

Und hinter mir im Schrank steht das Video nebst Bestellcoupon für eine Kopie: "35 DM + Versandkosten" - heute 50 Euro. Ist doch ein fairer Preisangleich, oder? ;)
 
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Ich habe da gerade noch was interessantes entdeckt: "DT64-Story - Die Geschichte eines Jugendsenders", ca. 55-minütiges Feature, Teil1 Teil2.
Da jegliche Datumsangabe fehlt, ist schwer zu sagen wann das Feature entstand. Dem Ende der Sendung nach muß es aber noch zu DT64-Zeiten gewesen sein. Anhören lohnt sich!
 
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"Zum Tanzen gehören vier Beine..."

Köstlich! ;)
 
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Guckst bzw. hörst du dazu auch hier. (rechte Maustaste, Ziel speichern unter / m4a-Datei, keine mp3!)
 
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Das waren noch Zeiten. Nichts für Maikatso. :wow:

Besch****** neue angepasste, gierige und langweilige Welt...



:eek:
 
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Die Wege, die junge Menschen gehen können, sind heute vielfältiger als damals, das Zusammengehörigkeitsgefühl - und sei es das, daß man einfach nur "in der gleichen sozial beschissenen Lage" ist (Zitat Lutz Bertram) - ist nach meinem Empfinden deutlich geringer ausgeprägt.

War es das seinerzeit denn?


Hätte sich DT64 an den Nachwuchs angepaßt, würde es heute freilich deutlich anders klingen als damals.

Das beste praktische Beispiel mag da Fritz sein. In den 90er Jahren war es die Stimme der brandenburgischen Landjugend. Das hat sich inzwischen in einer Weise in Wohlgefallen aufgelöst, die jemand (könnte sogar die Intendantin selbst gewesen sein) mal als „brutal“ beschrieb.


Bei DT64 gab es allerdings damals nur ein Gesamtkonzept: Individualisten machen abends Radio, Tags "mäßigt" man sich und spricht bereitere Schichten an.

Warum habe ich jetzt so ein oranges Flimmern vor den Augen?


Ich hatte je nach verantwortlichem Musikredakteur (!) tagsüber 1991 manchmal absolute Glücksgefühle (viel Indie)

Nur wieder so'ne Hottentottenmusik!!


DT64 war kein "Indie-Radio" oder "Alternativ-Radio" und schon gar kein "Rock-Radio", zu dem es die Marketingleute des MDR nachträglich erklärt haben, um Sputnik zu rechtfertigen.

Das Gegenstück zur Hochkultur, dabei genauso elitär wie diese. Aber das habe ich wohl schon öfters genannt.


Interessant ist allerdings die Frage nach einer eventuellen Intoleranz. Wo kommt die Abneigung gegen bestimmte Musik her?

Daher, würde ich mal sagen.


Vielleicht wurde es gerade deshalb ausserhalb von Neufünfland so argwöhnisch betrachtet.
Ich hatte eher das Gefühl, es wurde von innerhalb argwöhnisch betrachtet. DT64 hatte seine Feinde im eigenen Land

Würde ich auch so sehen. Wobei der fragliche Personenkreis nach meinem Eindruck eher von der Art ist, die „Haltet den Dieb!“ schreit. Auf andere Leute zeigen, um von dem Dreck abzulenken, den man am eigenen Stecken hat. Und zwar andere Leute, die nicht einfach nur die Fahne ausgewechselt haben und unverdrossen weiter im Gleichschritt mitmarschieren.



Ich habe da gerade noch was interessantes entdeckt: "DT64-Story - Die Geschichte eines Jugendsenders", ca. 55-minütiges Feature, Teil1 Teil2.
Da jegliche Datumsangabe fehlt, ist schwer zu sagen wann das Feature entstand.

Der Beschreibung nach müßte das eine Produktion von Jörg Wagner sein, die im April 1993 lief.
 
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Hier irrt des Kontrollraums Intuition. Das Feature ist von Britta Schulze. Jörg Wagner war aber an der Recherche beteiligt. Da das Feature mit der Abschaltung von Meck-Pom endet, muß es vermutlich irgendwann zwischen Januar und Juni 92 entstanden sein.
 
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Das könnte passen, da nahezu zeitgleich (Mai 1992) eine Doku zu DT64 erschien (siehe hier – Rubrik: Medien http://de.wikipedia.org/wiki/DT64 , die nach meiner vagen Erinnerung auch mit dem gleichen Event endete. Auf jeden Fall nicht später als 1993, da nach meinem Kenntnisstand Jörg Wagner der Herausgeber des Buches DT64 – Das Jugendradio ISBN: 3980334600 (http://www.amazon.de/dp/3980334600/?tag=radioforende-21 ) war. Darin wird sowohl der Mittelwellenwechsel als auch die bevorstehende Umbenennung in Sputnik erwähnt.
 

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Hier irrt des Kontrollraums Intuition. Das Feature ist von Britta Schulze. Jörg Wagner war aber an der Recherche beteiligt.

Man erwartet nichts unbekanntes, wenn der Schlager Zum Tanzen gehören vier Beine für Heiterkeit sorgt ...
 
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War es das seinerzeit denn?
Was zumindest uns (mein Umfeld und mich sowie viele, die ich beobachten konnte) damals verbunden hat, war völlige Ahnungslosigkeit, was kommen wird. Werden unsere Abschlüsse anerkannt werden? Wird unsere Schule (eine Sonderschule für naturwissenschaftlich Begabte) abgewickelt werden? Werden unsere Eltern demnächst noch Arbeit haben? Einige solcher Fragen sind auch heute an der Tagesordnung, nur ist die Generation, die jetzt vielleicht so 16-17 ist, damit aufgewachsen und steht nicht geschockt, aber möglicherweise ähnlich hilflos davor. Womit bekommst du heute spontan paar Tausend junge Leute auf die Straße, zu Mahnwachen, zu Hungerstreiks? Mit einer Erhöhung der Semestergebühren? Es wird etwas gegrummelt, ein wenig abgekotzt und dann wird es brav geschluckt. Mit der Schließung eines Radiosenders? Gut, paar Leute haben sich wegen Project89.0 aufgeregt, das verstummte ganz schnell, der angekündigte Protest blieb aus. Ich kann beim besten Willen heute nicht Identitätsstiftendes mehr erkennen. Jeder flickt sich seine (Über)lebenswelt aus einer riesigen Menge verfügbarer Puzzlesteine zusammen. Das war 1990 nach meinem Gefühl definitiv anders. Möglicherweise liegt es auch daran, daß viele Angebote, die das Leben bietet, zu beliebig, zu auswechselbar sind und qualitativ einfach keinen Protest im Falle des Verschwindens rechtfertigen. Oder - ganz provokante These - waren die DT64-Proteste seinerzeit noch der DDR-Mentalität "ich bin hier, nun versorg mich auch gefälligst" geschuldet? Heute weiß (fast) jeder, daß er sich selbst versorgen muß, sich verkaufen muß, um zu überleben. Dazu braucht man keinen Radiosender.

Das beste praktische Beispiel mag da Fritz sein. In den 90er Jahren war es die Stimme der brandenburgischen Landjugend. Das hat sich inzwischen in einer Weise in Wohlgefallen aufgelöst
Dafür, wie ich gerade in einem Nachbarthread lesen konnte, reagiert man aber recht spät mit den bei anderen Jugendwellen gut bekannten Ausdünnungen und Gleichschaltungen einzelner Sendeschienen...

Warum habe ich jetzt so ein oranges Flimmern vor den Augen?
Ja, nur waren die bei DT64 nicht so scheiße arrogant wie einige Protagomisten des schwarz-orangen Senders. Und wie nicht wenige seiner Hörer. Die sind nach meiner, letztens gerade verifizierten Meinung teilweise das Unangenehmste am Sender.

Das Gegenstück zur Hochkultur, dabei genauso elitär wie diese. Aber das habe ich wohl schon öfters genannt.
Verstehe ich jetzt nicht...

Daher, würde ich mal sagen.
Woher?

Würde ich auch so sehen. Wobei der fragliche Personenkreis nach meinem Eindruck eher von der Art ist, die „Haltet den Dieb!“ schreit. Auf andere Leute zeigen, um von dem Dreck abzulenken, den man am eigenen Stecken hat. Und zwar andere Leute, die nicht einfach nur die Fahne ausgewechselt haben und unverdrossen weiter im Gleichschritt mitmarschieren.
Paßt perfekt!
 
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Was zumindest uns (mein Umfeld und mich sowie viele, die ich beobachten konnte) damals verbunden hat

Das ist z.B. ein Umfeld, mit dem ich ziemlich genau garnichts zu tun hatte.


Womit bekommst du heute spontan paar Tausend junge Leute auf die Straße, zu Mahnwachen, zu Hungerstreiks? Mit einer Erhöhung der Semestergebühren? Es wird etwas gegrummelt, ein wenig abgekotzt und dann wird es brav geschluckt.

Nun ja, soweit das ganz am Rande zu sehen war hatte es in Hessen aber doch einigermaßen gegärt. Interessanterweise auch in Richtung HR; es gab da eine Protestaktion, weil die Studierenden mit dessen Berichterstattung über dieses Thema nicht einverstanden waren. Ich hatte anderes zu tun, als das weiter zu beobachten, aber diese Anmerkungen passen durchaus dazu.


Gut, paar Leute haben sich wegen Project89.0 aufgeregt, das verstummte ganz schnell, der angekündigte Protest blieb aus.

Die Demonstration vor dem Funkhaus von Radio Brocken hätte ich aber gern mal gesehen ...


Das Gegenstück zur Hochkultur, dabei genauso elitär wie diese. Aber das habe ich wohl schon öfters genannt.
Verstehe ich jetzt nicht...

Nach meinen Eindrücken nehmen sich die Freunde der E-Musik und die jener Spielarten der U-Musik, die mit Schlagwörtern wie Independent oder Alternative oder Progressive usw.usf. bezeichnet werden, nicht viel, wenn es darum geht, sich wegen des persönlichen Musikgeschmacks über andere, „gewöhnliche“ Leute zu erheben.

Das soll nun um Gottes Willen nicht heißen, daß jeweils alle davon so wären. Dort, wo es das Phänomen gibt, kann ich aber keine grundsätzlichen Unterschiede erkennen. Ganz besonders eben auch, was die Intoleranz betrifft.

Kann übrigens sein, daß die Schubladen E und U inzwischen aus der Mode gekommen sind. Falls sie keiner mehr kennt: „Ernste Musik“ vs. „Unterhaltungsmusik“.
 
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ich mag ja keine ahnung haben, aber nach meinem dafürhalten konnte kurt cobain ganz ordentlich singen. dass er live öfter mal etwas fertig war,hat nichts mit der fähigkeit ansich zu tun.

e.a.v. habe ich durchaus öfter im "normalen" dt64-programm gehört. "märchenprinz" und "küss die hand" liefen schon gelegentlich.

wäre toll, wenn die letzte halbe stunde nochmal irgendwo hochgeladen werden könnte - die bisherigen uploads sind leider alle geplättet worden.
 
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Welche der letzten 30 min auf UKW hättest du denn gern? Da gabs mehrere... MeckPom 31.12.91, 24 Uhr, Brandenburg 30.06.92, 19 Uhr und das Sendegebiet des heutigen mdr 30.06.92, 24 Uhr.
 
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ich mische mich mal ein und möchte die letzte aus mv.

ich war übrigens auch ein glühender dt64-fan, hörte damals das ende in rostock und war am silvesterabend total gefrustet. dann die kurzzeitige rettung auf mw, die ich im autoradio hörte und auch der sputnikstart über astra. und dann besucht ich herrn schiewack im neuen hallenser studio und machte eine reportage für ein rostocker kulturmagazin. dat warn noch zeiten...
 
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Hallo zusammen!
Ich bin ganz neu hier, nachdem ich die Feier- und sonstigen frein Tage damit verbrachte, ein paar alte DT64-Mitschnitte, die ich im Netz gefunden hatte, hoch und runter zu hören.
Ach, war bzw. ist das schön!!! :)
Und damit meine ich sowohl die Musik als auch die Textbeiträge!
DT64 hat mir damals massiv geholfen die - so genannte - "Wende" zu überleben. Das werde ich den Machern nie vergessen!
Seit der Abschaltung (Ich weiß noch, wie ich damals heulend in's Bett ging ... Auf Mittelwelle habe ich den Sender leider nie richtig rein bekommen ... :() ist das Thema Radio für mich gestorben.
Ich probiere es immer mal wieder - sei es beim Abwaschen oder im Auto - habe bisher aber leider nichts finden können, das bei mir nicht nach ein paar Minuten bestenfalls Langeweile und schlimmstenfalls Übelkeit auslöst. Sorry!
Da habe ich mich ja bei dem, was Lutz Schramm am Schluss der letzten "Pa-Rock-tikum"-Sendung sagte, ganz schön ertappt gefühlt ... :rolleyes:

Schade, dass der erste Link nicht mehr funktioniert ... :(
Was gab's denn da zu sehen?
Und kann man das evtl. direkt im Deutschen Rundfunkarchiv anschauen?

Guckst bzw. hörst du dazu auch hier. (rechte Maustaste, Ziel speichern unter / m4a-Datei, keine mp3!)
Die Datei ist leider auch nicht mehr verfügbar ... genau wie dies:


und die ganzen auf uploadyourfiles.de hochgeladenen Schätze ... :(
Gäbe es evtl. die Möglichkeit, diese noch einmal zur Verfügung zu stellen? Bitte?!
Ich bin sicher, dass ich diesbezüglich bei Weitem nicht der einzige Interessent bin.
Apropos, gibt es eigentlich irgendwo eine Sammlung all der genialen DT64-Jingles?
Ist z.B. auf den "DT64 Story"-CDs von "Amiga Musik" diesbezüglich was enthalten? :confused:

Frag doch mal bei denen, die den Film herausgebracht haben:

Werkstatt für Interkulturelle Medienarbeit WIM e.V.
Crellestr. 19/20
1000 Berlin 62 ;)

Die bieten den tatsächlich noch an - zum Kauf und zum Ausleihen, wohl auch als DVD.
Das habe ich im letzten Jahr getan, und es hat super geklappt (Herr Hällfritzsch meinte, der Film würde immer noch ziemlich oft nachgefragt!). Der Film ist echt toll geworden, finde ich. Ich habe mich allein schon darüber gefreut, endlich mal (bewegte) Bilder zu den bekannten Stimmen zu sehen! :)
Schade, dass es nicht noch eine Fortsetzung mit einem Rückblick, der das ganze mit zeitlichem Abstand perspektivisch einordnet.

Und hinter mir im Schrank steht das Video nebst Bestellcoupon für eine Kopie: "35 DM + Versandkosten"
Das hatte ich mir damals leider nicht leisten können ... OK, wir hatten eh' keinen Videorecorder!
Aber das von Andreas Ulrich und Jörg Wagner herausgegebene Buch hüte ich seit über 14 Jahren wie einen Schatz!

Ich habe nur 25 für meine DVD bezahlt und ein signiertes Video-Cover dazu bekommen! :)

Guten Tag Ihr alle. Bin durch Zufall auf das Forum hier gekommen.
Ich habe ca. 2000 Stunden Sendemitschnitt von DT64 1991 / 1992 auf Tape. Vielleicht kann man daraus was für Interessierte machen?
Wahnsinn! Ich wünschte, ich hätte damals Kassetten zur Verfügung gehabt ...
Leider habe ich weder die hardware- noch die softwaretechnische Voraussetzungen um das zu digitalisieren ... Aber falls ich diesbezüglich auf eine andere Weise behilflich sein kann, würde ich das mit Freuden tun!
Abschließend möchte ich noch meine Bewunderung darüber zum Ausdruck bringen, wie gut sich einige hier so in der Materie auskennen! Darauf werde ich fragetechnisch bestimmt mal zurückkommen.
 
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