Die menschenunwürdige Bezahlung im Radio

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@Julchen: Ja, dann mach mal. So lange ich mir das nicht anhören muss, juckt es mich nicht. Denn es ist ja wohl offensichtlich, dass bei dieser Einstellung auch "nix dolles" on air gehen kann.
 
Das Problem ist halt, dass die meisten Mitarbeiter im Lokalfunk von Schule oder maximal Studium kommen (um dann in zweijähriger Intensivstarbeit im Sender verbrannt zu werden). Und 800 Euro netto sind nun mal besser als 100 Euro Taschengeld im Monat. Genau mit solchen Mitteln gehen den Sendern nie die Arbeitswilligen aus, aber die Fluktuation ist auch entsprechend hoch.
 
Gegen teilzeitarbeitende Freie, die sich da mal was dazuverdienen, ist ja auch nix einzuwenden. Es wird halt dann prekär, wenn damit über 50% des Programmes bestritten wird und es für diese Leute auch keine Perspektive gibt, irgendwann in eine besser bezahlte, dauerhafte Vollzeitstellte übernommen zu werden. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Das hat wie gesagt mehrere Negativeffekte: Das Programm wird schlechter, der Input wird auch schlechter, da die Branche uninteressanter wird für potentielle Arbeitskräfte und so manövriert man sich in eine wunderschöne trading-down-Spirale.
 
Die schlechte Bezahlung rührt halt auch daher, dass Sender mit „Strategie“ nichts anderes tun außer Musik zu verkaufen. Das Ewige auf und ab getexte von Claims hat meiner Meinung nach ja auch nichts mit Radio machen zu tun. Die Kapitalgeber sind da andere Meinung – verständlich.

Innovative Programmideen sind schon lange nicht mehr willkommen, es wird zu sehr an Regeln festgehalten die irgendwer mal irgendwann aufgestellt hat beispielsweise, dass ein Bericht maximal 1:30 lang sein darf, egal wie interessant er ist.

Dann kommen da noch schlechte Gags der Morningshow hinzu über die die Moderatoren selber nicht einmal lachen. Die Gags müssen aber gebracht werden, weil der Gag-Autor eine Empfehlung der Programmberaterin ist. Es werden viele Dinge getan, die irgendeine vermeintliche Größe, irgendwann einmal so gesagt hat. Warum selber denken? Es wurde ja schon alles einmal gemacht.

Ich warte auf den Tag, an dem sich Gina Wild Live bei irgendeiner Morningshow auf eine Dildo setzt, solange bis sie einen Orgasmus bekommt. Hier ist das nächste Problem: Deutschland. Der Radiomarkt ist einfach nicht liberal genug und diese fehlende Marktfreiheit ist der Zaun, der die Kreativität einsperrt.

Es müsste einfach jeder Radio machen dürfen. Jeder müsste Frequenzen kaufen können und jeden Scheiß verbreiten. Irgendwann würde sich der Markt bereinigen, aber bis dahin wären jede Menge neue Ideen aufgekommen, von der die Ein oder Andere auch brauchbar wäre.

Aber solange in Deutschland ein „Semi-Adel“ gezüchtet wird, entweder durch Subvention oder Prestige, wird sich hierzulande nichts ändern. Weder an den Gehältern noch am Programm.

Jeder Scheiß wird in diesem Land reguliert! Aber dann über Zensur in China jammern. Wie haben hier doch ähnliche Verhältnisse. Die Landesmedienanstalt ist doch nichts anderes als eine staatliche Zensur Behörde.
 
Vielleicht hat Julchen es besser, weil sie auf Gleichberechtigung verzichtet ("Hey, Kollege, sei mal so lieb - kannste nich' ma' für mich ...")? Immerhin müssen "kleine" Privatradiomoderatoren während einer Live-Sendung noch schneiden, telefonieren, im Internet recherchieren, redigieren und delegieren!
 
Das Problem ist aber heute auch, dass in den Betrieben eine fast schon sektenartige Dynamik entstehen kann. Ich habe mal für ein Unternehmen im Internetbereich gearbeitet, bei dem zahlreiche Mitarbeiter bei täglichen Arbeitszeiten von 10 Uhr früh bis 3 Uhr nachts auf ihr Gehalt verzichtet haben und sich mit Aktien haben auszahlen lassen. Die Chefs versprachen, dass sich die Quälerei lohne, nach drei Jahren seien alle Millionäre. Das Unternehmen expandierte blind, bis nach zwei Jahren der große Crash kam - Insolvenz!. Das Resultat: Zwei besonders sensible Mitarbeiter des Unternehmens erhängten sich. Diese Gruppendynamik ist erst so ungeheuer, wenn man drin ist. Ich wurde damals fast als Judas behandelt, da ich den Weg wählte mein Honorar ausgezahlt zu bekommen. Viele, die heute für wenig Geld in einem solchen Umfeld arbeiten, machen sich gar keine Gedanken darüber.
 
Mal konkret:
Was habe ich denn nun monatlich brutto wenn ich zbs. bei FFN den Franky ablöse :) und mit Lea moderiere: Mo-Fr von 5:00 - 10:00 Uhr?
und:
Zum einen wäre da der aktuelle Beitrag im "Journalist" wonach ein Nachrichtenredakteur einer der größten Radioanbieter Deutschlands trotz unzähliger Überstunden mit indisktablen 2100 Euro im Monat brutto abgespeist wird, obwohl der Tarifvertrag ein Gehalt zwischen 3.300 und 3.600 Euro vorschreibt.

Wieviele Stunden arbeitet ein Radioredakteur einer der größten Radioanbieter Deutschlands für 2100 Euro brutto im Monat?

Mit den Gehältern kann ich wenig anfangen wenn ich die Arbeitszeit nicht kenne.
 
SH1977 schrieb:
Die Landesmedienanstalt ist doch nichts anderes als eine staatliche Zensur Behörde.
Ich stimme Deinen Ausführungen in Teilen zu, und ich darf mich wirklich einen Gegner der LfM nennen, aber das ist nicht wahr. Von Einflußnahme der LfM auf das Programm eines Senders in Form einer Zensur ist mir nichts bekannt. Besser wäre: Die Landesmedienanstalt ist doch nichts anderes als eine Medien- bzw. Vielfaltverhinderungsbehörde .

Mannis Fan schrieb:
Radiator schrieb:
Ich wurde damals fast als Judas behandelt​
Der ließ sich sein Honorar auch bar ausbezahlen

LOL :D
 
Meine Meinung: Auch dieser Thread wird keine neuen Erkenntnisse oder gar Lösungen bringen. Und ich habe obendrein das dumme Gefühl, daß sich hier gerade "ToWa jr." ganz frisch im Forum angemeldet hat und sich jetzt "einen Ast lacht". Ich kann meine "Schreibe" auch "anpassen".


Sollte ich jemanden mit meiner Einschätzung unrecht tun, dann muß er leider damit leben. Ich sage hier im Thread jedenfalls nichts "wichtiges" mehr.

EOD und liebe Grüße
Zwerg#8
 
Worüber ich mich aber weit mehr aufrege ist, dass Medienwächter kuschen und sich das Treiben munter mit ansehen. Und ich frage mich echt: Wozu haben wir Landesmedienanstalten?

Landesmedienanstalten sind nicht dafür da, Entlohnungen auszuhandeln. Ein Arbeitnehmer nimmt - sofern er geschäftsfähig ist - ein Arbeitsangebot an und akzeptiert die Entlohnung, oder er lässt es bleiben.

Wer Dumping-Löhne akzeptiert, wird persönliche Gründe dafür haben. Mitleid verdient er deshalb jedenfalls nicht.
 
Hiob`s Botschaften schrieb:
Ein Arbeitnehmer nimmt - sofern er geschäftsfähig ist - ein Arbeitsangebot an und akzeptiert die Entlohnung, oder er lässt es bleiben.

Wer Dumping-Löhne akzeptiert, wird persönliche Gründe dafür haben. Mitleid verdient er deshalb jedenfalls nicht.

Das sind echte Hiobsbotschaften!:D
 
Das sind echte Hiobsbotschaften!:D

Menno, is' doch aber so! Gerade im Medienbereich. Einsteiger schuften für wenig Pinke-Pinke und hoffen auf bessere Zeiten. Deswegen machen die das doch! Entweder kommen die besseren Zeiten, oder sie kommen nicht. Und wenn die nicht kommen - Winke-Winke und ciao-ciao. Wir haben schon uffzich Ministerien in diesem Land. Manchmal glaubste echt, es fehlt als einunduffzichstes Ministerium noch das "Gerechtigkeitsministerium". Amen!
 
Also ich verstehe das nicht. Ich mache meine Stunden beim Sender, bekomme die vereinbarte Pauschale und gut is. Ja dasis nix dolles, aber besser als bei Aldi und nicht wirklich Stress.

Dein Syntax lässt vermuten oder gar erkennen, dass du evtl. viel weniger mit aktivem Radio zu tun hast, als du es vorgibst. Und eine Vollzeitkraft verdient bei Aldi übrigens überdurchschnittlich gut! Aber was soll´s...

Man sollte hier auch nicht erwarten, dass sich jemand so weit aus dem Fenster lehnt und über sein Gehalt oder das Gehalt anderer Kollegen spricht. Schätzungen gibt es ja schon, und die reichen von 10€ bis scheinbar 300€ pro Sendestunde. Und 300€ Brutto müssen am Ende nicht viel sein, zieht man Krankenversicherung, Steuern und Sozialbeiträge ab. Viele Moderatoren verdienen noch anderweitig gutes Geld (wie schon erwähnt wurde), sei es durch Bühnenauftritte, Synchronsprechen, moderieren von Veranstaltungen, herausgeben von Fachliteratur (Musik, Moderationscoaching, etc).

Auch wenn Polen und Rumänen gerne als billige Fachkraft in Deutschland genommen werden; beim Radio habe ich (noch) Hoffnung, dass diese Machart nicht fruchtet. ;)
 
Julchen, Du bist naiv! Und es gibt mir sehr zu denken, wenn jemadn halt in einen Sender geht, weil es dort wärmer als bei Aldi ist, und der Streß wohl geringer sei. Radio ist eigentlich eine Sache, wo man eher nicht stupide Stunden abreißt. Aber offenbar ist mittlerweile vielen völlig egal, wie sie ihr Geld verdienen. Hauptsache die Kohle kommt und man kann ne ruhige Kugel schieben. Ob Aldi, Müllabfuhr oder Radiosender - pft, ist doch schnurz ... hm ;(
 
Es gibt eben sehr viele sehr unprofessionelle private Betriebe, es gibt professionelle Private und es gibt die Öffis. Ich weiß, es ist polemisch, aber das ist fast immer auch die Qualitätsleiter und meist eben auch die der Bezahlung, sieht man mal von ein paar Stars bei den Privaten ab. Jeder, der bei einer Klitsche arbeitet, sollte sich mal überlegen, was er mit seinem Leben so anstellen will und auch den Mut haben, Ansprüche zu stellen. Wenn er die dort, wo er tätig ist, nicht umsetzen kann, sollte er dort aufhören. Man sollte sich den Wert der eigenen Arbeitskraft vergegenwärtigen und dann auch einfordern. Es kann sein, dass man dann tatsächlich erfährt, dass man an dieser Stelle nicht weiter kommt. Aber ganz sicher ist, dass niemand ernst genommen wird, der sich selbst nicht ernst nimmt. Wer meint, "besser als bei Aldi und nicht wirklich Stress" bekommt das, was er verdient, meist ein Leben lang. Wenn er/sie das irgendwann ändern will, ist es oft zu spät. Ansonsten wurde hier von gewerkschaftlicher Vertretung gesprochen. Natürlich, das gehört dazu, unbedingt.

Übrigens, zu der Zeit als manche von uns noch in den Semesterferien in den Fabriken gejobbt haben, gab es dort noch den Akkord. Wenn man zu schnell für den Stundenlohn X zu schnell war, (was uns Studenten so gut wie nie passiert ist :D ), wurden die festen Kollegen dort auch schnell mal handgreiflich. Ähnliches könnte man mit den Leuten in den Medienberufen machen, die eben nicht von ihrer Arbeit leben müssen, für die es nur ein Zubrot ist, und die dem Rest aber die Preise kaputt machen. Aber irgendwie sind die Zeiten für solche disziplinierende Maßnahmen auch vorbei. Weiß nicht, was besser ist oder war.
 
@divy: Das Problem beginnt dann, sich von der individuellen Ebene zu lösen, sobald diese Haltung, die sich durch das legendentaugliche Zitat "besser als bei Aldi und nicht wirklich Stress" ganz anschaulich manifestiert, zu einer Massenhaltung wird. Denn dann bekommt nicht nur derjenige, der so denkt, sein Leben lang, was er verdient. Nein, auch all jene, die NICHT so denken, bekommen dann, was jener verdient. Und das dürfte beträchtlich weniger sein, als diesen Menschen zusteht. Will heissen: Er demoliert den Arbeitsmarkt auf verantwortungslose Weise.
Vor 15 Jahren beschwerte sich bei mir einmal ein Reisebusfahrer über seine osteuropäischen Kollegen. Diese würden nach Dienstschluss (und bereits maximal ausgereizter Lenkzeit) auch noch freiwillig den Bus selbst putzen. Was war die Folge? Die Putzfrauen wurden abgeschafft und die deutschen Busfahrer durften ohne Lohnerhöhung auch noch gratis die Busreinigung an ihre Arbeitszeit dranhängen, womit dei vorgeschriebenen Ruhezeiten tlw. schon überschritten wurden. Die Polen etc. hatten die Stellung aller Arbeitnehmer in diesem Betrieb verschlechtert. Und genau das machen diese Julchens in unserem Radiobusiness auch! Schande über sie!!
 
Um etwas konkreter zu werden: Welches Honorar sollte ein freiberuflicher Moderator pro Stunde erhalten?

Zum Vergleich: Im Bildungssektor betragen die stündlichen Honorare i.d.R. zwischen 17 und 25€ brutto.
Wäre das eurer Meinung nach angemessen, zu hoch oder zu niedrig?
 
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