"Ansprechen der Probleme" geht meines Erachtens nach anders als das, was Elmar Hörig da macht. Es geht zwar nur ohne jegliche "political correctness" (die konnte ich noch nie leiden und alles was "politisiert" wird, ist danach sowieso nicht mehr der Realität entsprechend, ist verzerrt, ist bevorzugt oder unterdrückt und dient also nicht der Wahrheitsfindung und damit nicht der Problemlösung, sondern bedient nur politische Lager in ihrer Sucht nach Macht). Es geht aber auch keinesfalls mit Spott, Hohn oder Verachtung. Die Themen und Probleme, mit denen wir zu tun haben, sind zu ernsthaft, um daraus Comedy zu machen. Und sind zu ernsthaft, um sie zum Politikersprungbrett zu machen, egal welcher Art. Politik ist dazu da, Macht aufzubauen und nicht, um Probleme zu lösen. Das politische Trittbrettfahren auf aktuellen Ereignissen ist widerlich, egal von welcher Seite.
Ein Großteil der tatsächlichen Probleme der Menschheit sind auch keine politischen Probleme (sonst hätte man sie längst lösen können). Es sind auch keine finanziellen Probleme (Geld ist genug vorhanden, materieller realer Gegenwert ist auch genug vorhanden), es sind auch keine religiösen Probleme. Ein Großteil der tatsächlichen Probleme sitzt, davon bin ich inzwischen überzeugt, deutlich tiefer und an einer Stelle, zu der wir bewußt kaum bis keinen Zugang haben: es sind letztlich spirituelle Probleme und sie haben mit Angst zu tun. Ich habe dazu vor 2 Jahren eine wunderbare Gruppenübung im "Selbstversuch" erlebt, mit Menschen, von denen man annehmen würde, die wären alle "Gutmenschen". Voll reingefallen, ohne Ausnahme. Volltreffer, versenkt. Das Thema sitzt in fast jedem, auch in mir.
Und mir ist es scheißegal, ob ein totes, an den Strand gespültes Kind nun als Flüchtling unterwegs war oder nicht. Ich hatte erst letzte Woche wieder mit richtig lebendigen Kindern zu tun, ich weiß, wie göttlich und wertvoll Kinder sind. Sie sind unsere Zukunft. So wie wir sie behandeln, wird die Menschheit künftig auf diesem Planeten leben, wenn sie noch eine Chance auf Leben haben sollte. Damit macht man weder Witze noch Hetze noch "Politik". Kind ist Kind. Und Mensch ist Mensch. Sind alles göttliche Geschöpfe auf dem gleichen Planeten. Punkt.
Ich muß mich auch mit niemandem anlegen, dazu reicht meine Energie nicht, wenn ichs mit jedem täte, der anderer Meinung ist als ich. Ich muß sehen, wie ich meinen Beitrag zur Problemlösung leisten kann. Ich hatte gerade letzte Woche wieder mit jemandem zu tun, der vor Ort (Afrika, und zwar bettelarme Gegend) bleibt, um dort etwas zu bewegen - mit freiwilliger finanzieller Unterstützung europäischer (deutscher, österreicher, schweizer, portugiesischer, ...) Privatleute. Ein paar 100 EUR und viele Stunden unbezahlte Arbeit stecken auch von mir da drin (ich bin deswegen nicht verhungert), von anderen sinds tausende oder zehntausende (!) EUR oder CHF. Ohne daß irgendwer deswegen in Deutschland Hunger leiden muß, ohne daß jemand befürchten muß, statt der ihm täglich begegnenden dauergefrusteten deutschen Hackfressen womöglich noch dunkelhäutige Gestalten ertragen zu müssen, ohne daß jemandem in Deutschland der Job weggenommen wird. Mir reicht mein bisheriger Beitrag nicht, ich kann kein weiteres Geld reinstecken (da derzeit nicht gegen Bezahlung arbeitend), ich bin also am Eruieren, was und wie ich mich trotzdem weiter einbringen kann.
Es sollte völlig klar sein, daß Deutschland oder die wohlhabenden EU-Staaten zzgl. Schweiz oder wer-auch-immer nicht die Bevölkerung z.B. Afrikas komplett aufnehmen oder ernähren kann (das geht schon bevölkerungsdichtetechnisch nicht, dazu genügt einfache Bruchrechnung, da muß man weder Politiker noch irgendwelche Wissenschaftler fragen) und auch nicht die komplette Bevölkerung Syriens, auch wenn das "nur" 20 Millionen sind. Und ich erwarte, daß man das auch sagen darf, ohne von profilneurotischen "Linken" in eine "rechte Ecke" gestellt zu werden. Es ist die Wahrheit, dazu braucht man keine Politik und keine politischen Lager, denen man sich mangels eigener Substanz angehörig fühlen müßte.
Ebenso sollte klar sein, daß ein solches Ansinnen für die Betroffenen selbst eine Demütigung darstellen würde: "ihr seid nichts und ihr könnt nichts, kommt zu Muddi, die füttert euch durch". Das wäre auch ein psychisch und spirituell fatales Signal, wenn sich solche Ansichten durchsetzten / durchgesetzt würden und dann in diese Regionen kommuniziert würden. Es käme das gleiche dabei heraus wie die psychischen Symptome von langfristig (!) "Kurzarbeit Null" bei arbeitsfähigen und arbeitswilligen Menschen z.B. in Ostdeutschland kurz nach dem Zusammenbruch der DDR. Man nimmt den Menschen damit langfristig jede Würde.
Reale Hilfe heißt also im Falle von "Wirtschaftsflüchtlingen" ganz klar: Deutschland und die anderen wohlhabenden Staaten müssen zusehen, wie sie Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort hinbekommen. Eine Finanzierung des kompletten Lebens dieser Menschen ist Europa unmöglich. Wenn aber die Kreativität, Kraft und Ausdauer dieser Menschen gefördert wird, erfolgt vor Ort eine Wertschöpfung, es ist wesentlich weniger finanzieller Einsatz von außen nötig und es entsteht neben (bescheidenem) Wohlstand vor allem Stolz auf selbst Erreichtes und damit eine wichtige Energiequelle. Die Würde der Menschen bleibt dabei gewahrt bzw. kann überhaupt erst entstehen - sie entsteht nicht bei Ansiedlung in deutschen oder österreichischen Zeltlagern und "Vollversorgung" bei gaffenden und geifernden Anwohnern vor dem Zaun.
Die Menschen in vielen Regionen Afrikas brauchen z.B. erstmal sauberes Trinkwasser (das ist nicht überall realisierbar, aber mitunter erstaunlich einfach), sie brauchen Land und Wasserrückhaltemöglichkeiten (die sie nach entsprechender Anleitung / Bildung selbst anlegen können) und sie müssen gezeigt bekommen, wie man auf diesem Land eine Vielzahl an Nahrungsmitteln anbauen und eine Mikrowirtschaft daraus entstehen lassen kann. Sowas läuft im Schneeballprinzip vor Ort, von außen brauchts da nur wenig Investition. Der, mit dem ich zu tun habe, läßt nun in seinem Dorf Ziegel aus Lehm pressen, Häuser bauen und richtet Bildungsstätten für die Nachbargemeinden ein. Diese Arbeitskräfte muß niemand aus Europa finanzieren. Ab und an geht mal jemand hin für paar Wochen und hilft (ohne staatliche Finanzierung aus Europa), damit ist dann die nächste Etappe möglich.
Zur bei uns notwendigen "Arbeit" gehört auch, sich bewußt zu machen, wie wir vom Elend vieler Menschen profitieren. Sei es von den Kindern, die unter Tage nach seltenen Erden schürfen, damit wir dotierte Halbleiter für CPUs, Speicher und Displays zur Verfügung haben, sei es, daß wir uns nach der Herkunft des Rosenstraußes aus dem Discounter fragen, den wir "eben mal schnell" mitnehmen und der z.B. aus Kenia kommt, wo auch deswegen Wasser und Land fehlt, um die Bevölkerung mit einheimischen Nahrungsmitteln zu versorgen.
In Kriegsregionen sieht es schlimmer aus. Wie da im Einzelfall sinnvolle Hilfe aussehen kann, vermag ich nier nicht aufzuschreiben, dazu fehlt mir bislang die tiefere Befassung mit dem Thema. Hier sind mit Sicherheit auch Einflußnahmen gefragt, um erst einmal zu einer Befriedung zu kommen. Danach sind Perspektiven zu schaffen, dann bleiben die Menschen auch vor Ort. Das betrifft auch "Kriegsregionen", die offiziell keine sind. Letzte Woche wurde mir ein Video gezeigt, das die einst von der UNO als "gefährlichste Favela der Welt" bezeichnete Favela in Brasilien portraitierte. Da steht eine alte Frau auf der Straße und sagt sinngemäß, die Favela hier rockt, ich bin stolz darauf, hier zu leben. Was ist passiert? Mit europäischen Spendengeldern (ebenfalls Privatleute) wurde Kultur in die Favela gebracht. Wer z.B. mit seiner Band probt, live auftritt in Gemeindezentren oder Videoclips produziert, dealt derweil nicht mit Drogen. 20 Jahre Arbeit an diesem Ort der "umsonstgeborenen" Menschen und schon kommt bei nur gering gestiegenem Wohlstand Stolz auf. Einer der Aktivisten (vor Ort, also Brasilianer, spielt Gitarre) sagte, letztens habe ihn einer der berüchtigsten Drogenbosse der Nachbarfavela angesprochen: er wolle aussteigen und seiner Favela vergleichbares gutes tun wie hier geschehen. Der Mann ist nicht mit deutschen Geldern bestochen worden...
Wenn akut Flüchtlinge vor der Tür stehen, deren Leben im Herkunftsland tatsächlich bedroht ist, sei es durch Krieg oder "nur" durch Hunger, dann sage ich ganz klar: denen muß geholfen werden als Akuthilfe. Das ist aber nur Herumschustern an den Symptomen. Die reale Problemlösung - siehe weiter oben, auch wenns in manchen Fällen derzeit aussichtslos aussieht.
Bitte auch vor allem in Ostdeutschland immer daran denken: vor 25-26 Jahren entschied sich ein ganzes Volk, sich zu Wirtschaftsflüchtlingen zu machen. Einen anderen Fluchtgrund gab es für die meisten nicht, denn niemand hungerte in der DDR und niemand riskierte, daß nachts eine Granate im Schlaf- oder Kinderzimmer einschlägt. Nur wenige hatten tatsächlich real unter dem DDR-Regime zu leiden (was es nicht besser macht, aber es waren nur wenige). Nach heutigen Kriterien waren die Ossis also fast ausschließlich Wohlstandsflüchtlinge. Das haben sie teils sogar auf Transparenten selbst offenbart ("Kommt die D-Mark, bleiben wir. Kommt sie nicht, gehn wir zu ihr." - findet die Google-Bildersuche). Erst waren es die ca. zweihunderttausend (soviele, wie Asylanträge in Deutschland im Jahre 2014 gestellt wurden!) Ostdeutschen, die 1989 bis zum Mauerfall "rübermachten", dann im März 1990 per Wahlentscheid die restlichen 17 Millionen, die sich bequem annektieren ließen. Es gab Begrüßungsgeld und Milliarden-Transferzahlungen. Heute hat der Osten bis auf wenige Ausnahmen, die ich nicht totschweigen will, auch viel vom vermeintlichen Wohlstand des Westens. Was viele aber nicht haben: Menschenwürde und lebenswerte Perspektive. Die ist dabei komplett verlorengegangen. Auch deshalb dürfte es vor allem im Osten des Landes so bevorzugt brennen. Diesen Fehler darf der "Westen" mit den aktuellen Flüchtlingen nicht noch einmal machen.
Reicht das,
@Zwerg#8 ?
(Meine Fresse, was ich heute eigentlich noch alles schaffen wollte an diesem Schreibtisch. Das kam jetzt etwas unvorbereitet...)