AW: Entwicklung von Ö3?
Ich gebe Fredo recht, wenn er sagt, dass das Programm von Ö3 sich dem Niveau z.B. von Antenne Bayern angenähert hat. Außerdem gebe ich ihm recht, dass gerade das vielleicht für Ö3 das ist, was man heute unter Cash machen bedeutet.
In den letzten Jahren hat sich der Anteil der Ö3-Hörer von den 20jährigen auf die 40-45jährigen verschoben. Das sagt eine Studie der Uni Graz in Zusammenarbeit mit dem medienpsychologischen Dienst des Landes Steiermark. Vor 20 Jahren, das gebe ich zu, war Ö3 in Südbayern ein Alternativprogramm für das langweilige BR-Gedudel. Seit etwa 5-10 Jahren bemerke ich, dass sich Ö3 einem Adaptionsprozess an die privaten Sender in der BRD unterzieht. Das mag vielleicht auch damit zusammenhängen, dass Ö3 von der Argentinierstraße (also wo Ö1, ORF Wien und alle anderen Hörfunksender sind) an die Heiligenstädter Lände gezogen sind. Diese leichte Unkontrollierbarkeit (ich betone leichte Unkontrollierbarkeit) mag vielleicht ein Grund sein. Ein weiterer Grund für die Verschlechterung bzw. Veränderung des Ö3-Programms ist die im Jahre 1995 getroffene Vereinbarung, private Radiostationen zuzulassen. Ö3 war alarmiert und hat in nur innerhalb 3 Monaten zwei Mal das Programm umgestellt, also adaptiert. Der österreichische Medienhistoriker, Prof. Burkhardt Scholz von der Medienzentrale Steiermark sagte in einem arte-Gespräch über die Entwicklung der österr. Sendelandschaft, der ORF habe jahrelang sich auf seinen Lorbeeren
ausgeruht, und nichts getan, um Hörer wiederzugewinnen. Das spiegelt auch die Studie der Uni Graz wider, wenn sie sagen, die Hörerzahl ist im Großen und Ganzen gleich geblieben, nur die Zuhörer selbst sind älter geworden. Das sind vor allem die, die mit Ö3 aufgewachsen sind und auch das Programm als Stammhörer verfolgen. Ö3 hat aber, nach Aussage des Salzburger Medieninstitutes, dessen Vizechef ich persönlich kenne, zur Zeit ein Problem: die eigentliche Stammhörerschaft. Sie wechseln - wie Fredo indirekt angedeutet - auf elektronische Medien, auf iPod, mp3, etc. als Alternativen. Die Musiklandschaft hat sich in den letzten Jahren sehr zu einem "Einheitsbrei" entwickelt, sagte der Vizechef, Dr. Horst Förster. Damit man dem ganzen entgegenwirkt, versucht man, durch 70er-Shows, 80er-Shows, etc., Hörer zurückzugewinnen.
Problem dabei ist, diese Shows haben auch einen eigenen Charakter des Merchedisings. Der Präsident von Radio Europe, ein französischer Top-Journalist, sagte bereits vor 30 Jahren, dass die Programmeinfärbung einen großen Fehler darstelle. Zum Thema Werbung: Ö3 hat die zweithöchste Werbeschaltung eines Eurovisionspopsenders. Laut Aussage der Eurovision gab es schon ein Mahnverfahren, das aber 2006 gegen Kaution von 100.000 € eingestellt wurde.
2007 wurde festgestellt, 21% des Ö3-Programms ist reine Werbung. Und warum? Weil Ö3 die schwächelnden Sender FM4 und Ö1 unterstützen muss.
Ö3 finanziert praktisch diese Sender mit. Warum, so frage ich mich, musste Radio Österreich International oder ein Blue Danube Radio schliessen? Weil kein
Geld mehr da war, diese Sender zu unterhalten. Ein ehemaliger Radiomacher aus Österreich, der nun in Südtirol lebt, sagte mir, das Problem sei, Ö3 vergeude teilweise die Vergütungen des ORF, so dass die beiden anderen Programmen aus "Kostengründen" geschlossen werden mussten. Das Problem ist aber, BDR und ROI waren durchaus Kostenbringer. Salzburgs Medieninstitut hat zwischen 1998 und 2004 Messungen durchgeführt, wie viele Leute (im In- als auch im Ausland) BDR und ROI hörten. Der Anteil lag so zwischen 12 und 15%. Vor allem Leute aus dem Ausland, die deutsche Nachrichten hören wollten, griffen auf dieses Programm (ROI) zurück. Aber auch bei besonders angloamerikanischen Touristen war BDR beliebt. Damit tat sich der ORF auch keinen Gefallen, diesen für den Tourismus so wichtigen Sender einfach aufzuheben. Nach SMI (Salzburger Medieninstitut) habe der sich der ORF die letzten Jahre auf Kosten der Qualität gesund gespart. Ein Auswuchs davon ist auch die Programmreform im ORF-Fernsehen. 2007 sollte ja der große Wurf werden, weil die Programmreform anstand. Dabei ist aus einem großen Sturm ein laues Lüftchen geworden. Weniger Zuschauer vermeldet vor allem ORF 1, das die Programmreform kaum unbeschadet überlebt. Mein Eindruck ist, dass der ORF gegenwärtig versucht, durch kleine Tricks wieder Zuschauer retour zu holen. Nicht umsonst hat Österreich in einer Art Schnellverfahren das DVB-T eingeführt, obwohl die Regierung Schüssel noch bis 2008 warten wollte.
Quintessenz: Ö3 und auch der ORF werden immer Baustellen bleiben, auch den perfekten Sender mit der Befriedung aller Musikgeschmäcker (jeder ist da individuell eingestellt) wird es nicht geben. Gut, man kann es so machen, wie es der serbische Rundfunk getan hat: eine Hörerumfrage starten. "Was wollen die Zuhörer/Zuschauer?" wurde da in einem 10seitigen Fragebogen an fast 90% der serbischen Haushalte verschickt. Das täte dem ORF und Ö3 auch ganz gut, zu wissen, wie der Hörer/Zuseher über den Radio/Fernsehsender denkt. Vielleicht ändert das dann die Programmgestaltung.