Gendern im Radio

Soll das jetzt Satire sein? Wenn dann Buslenker!
Der Begrif Busführende existiert nicht und bringt es außerdem auf gerade mal 13 Suchergebnisse. Da sind also noch nicht einmal Genderforscher und Sprachwissenschaftler drauf gekommen.

Lokführer oder Triebfahrzeugführer heißt es deshalb, weil es ein schienengebundenes Fortbewegungsmittel ist, das nur auf seinem Rollweg geführt wird.

Der Begriff Fahrer im Straßenverkehr heißt offiziell Lenker. Der Kraftfahrzeuglenker bedient das Lenkrad und sitzt auf dem Fahrersitz neben dem Beifahrer. Aber nicht auf dem Führersitz neben dem Beiführer!

Zeig mir doch mal eine Stellenausschreibung für den Beruf des Busführers. Gibt es denn auch Rollstuhlführende? Und Fahrradführende? Und Mopedführende? Und Rollerführende?

 
Konfuzius sagt: Die ganze Kunst der Sprache besteht darin, verstanden zu werden. Und daher ist es völlig schnurz ob ich nun Studierende sage oder Studenten. Es ist völlig klar wer bzw. was gemeint ist. Ob man nun das Partizip Präsens "richtig" verwendet oder nicht, spielt genausowenig eine Rolle. Seit der letzten Rechtschreibreform hat unsere Sprache ohnehin einen Knacks weg. Warum man diesen jetzt allerdings auch noch mit Gewalt vom Schriftlichen ins Akustische übertragen muss, erschließt sich mir nicht so recht. Der Rest dieser hier teils durchaus erheiternden Diskussion zeigt eher auf, das manche schlicht zuviel Zeit haben. Die übergroße Masse der Leute interessiert das doch nicht die Bohne. Noch weniger verständlich machen kann man das Leuten, die des Deutschen nicht mächtig sind oder nur gebrochen deutsch sprechen. Entscheidend ist, dass man versteht was gemeint ist. Und der größte Teil dieser Ver(ge)schlechterung unserer Sprache schreibt sich nicht nur furchtbar, sie hört sich auch furchtbar an. Niemand braucht das ernsthaft und wer das tatsächlich in der Alltagssprache verwendet, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Ja, auch Sprache entwickelt sich weiter. Das macht sie schon solange es sie gibt. Diese Entwicklung passiert aber von ganz alleine und funktioniert nicht von "oben herab". In ein paar Jahrzehnten werden die Generationen nach uns höchst verwundert auf die merkwürdigen Ansinnen mancher Sprachakrobaten von heute blicken und sich amüsiert an den Kopf greifen. Da bin ich mir sehr sicher!
 
Wird denn in den Studien auch schon dann häufiger an Frauen gedacht, wenn man z.B. Studenten durch das neutrale Studierende ersetzt, oder erst dann, wenn man explizit "Studenten und Studentinnen" sagt, bzw. Student*Innen? Also wie sehr hängt es auch noch von der konkreten Wahl des gendergerechten Ausdrucks ab?
Ich habe wie gesagt keinen vollen Überblick und kenne da nur die Studien, die quasi "immer" genannt wurden - bei Deiner Frage hat es gleich geklingelt, genau das ist untersucht worden, aber ohne die Sternchenvariante. Also drei Arten der Fragestellung: generisches Maskulinum, neutral und Beidnennung. Das war bei bei "Können Geophysiker Frauen sein? Generische Personenbezeichnungen im Deutschen".

Den Versuchspersonen wurden einmal ein Wissenschaftlerkongress und ein Sportverbandstreffen beschrieben und sie hatten die Aufgabe, den Frauenanteil zu schätzen (natürlich nicht als einzige Frage, da war eine ganze Latte von Fragestellungen zum Text drumherum, damit es nicht offensichtlich ist).

Dazu das Fazit:
Der Verdacht der Sprachkritikerinnen, daß das generische Maskulinum männliche* Assoziationen verstärkt, hat sich in der empirischen Überprüfung als berechtigt erwiesen. Dieser Zusammenhang sollte jedoch differenzierter formuliert werden, da diese Wirkung nicht in jedem Fall und nicht bei allen Rezipierenden auftritt. Immer wenn eine Wirkung festzustellen ist, führt die Beidnennung zu einer stärkeren Einbeziehung von Frauen. Eine neutrale Formulierung stellt dagegen keine Alternative zum generischen Maskulinum dar, da sie kaum eine Steigerung der Assoziation , weiblich' bewirkt. [...] Da aber ein ständiges Wiederholen von feminin-maskulinen Bezeichnungspaaren in der Beidnennung Texte schwerfällig und schwer verständlich macht, sollte mit Entlastungsstrategien gearbeitet werden.
Das meinte ich auch vorher hier im Thread, als ich darauf hingewiesen habe, in den Überlegungen abzustufen, wie wichtig einem das gendern im Zusammenhang ist - wo es einem wirklich wichtig ist, ist die Beidenennung am besten.

Ich weiß, Dir ging's eigentlich um den Genderstern, aber ich bin mir sicher, dass das auch so interessant für Dich ist.
 
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@Beyme:
Danke. Wenn das Ersetzen des generischen Maskulinums durch eine neutrale Form letztendlich nichts bringt, bestätigt das aber doch eigentlich die Vermutung, dass es eher vor allem an einem real existierenden Ungleichgewicht liegt, was man assoziiert.
 
Diese Entwicklung passiert aber von ganz alleine und funktioniert nicht von "oben herab". In ein paar Jahrzehnten werden die Generationen nach uns höchst verwundert auf die merkwürdigen Ansinnen mancher Sprachakrobaten von heute blicken und sich amüsiert an den Kopf greifen. Da bin ich mir sehr sicher!
Das Ärgerliche an der Sache ist, dass sich Öffentlich-rechtliche dazu hergeben. Diese Stationen können einem den "größten Mist" vorsetzen, brauchen sich keinem Konkurrenzdruck aussetzen. Das Personal braucht sich über die Alimentierung keine großen Sorgen zu machen, sie bekommen ja das Geld von dem zwangsweise, nötigenfalls per Gerichtsvollzieher eingetriebenen Rundfunkbeitrag ARD, ZDF, DLF. Und der Hörer und Zuschauer wird nicht gefragt, ob ihm das Verstümmeln der deutschen Sprache gefällt oder nicht.
Die tollste Begründung liefert DLF: Ein sogenannter "Gleichstellungsbeauftragter" habe diese Sache beim Intendanten durchgeboxt. Es handelt sich also um eine reine Personalie und Postenverteidigung. Von diesem sogenannten Gleichstellungsbeauftragten wissen wir noch nicht einmal das Geschlecht, weil der Name "top secret" gehalten wird. Vielleicht weiß der DLF ganz genau, dass er in diesen Schwindel eingeweiht ist, und hält schützend seine Hand davor.
 
Ahh. Danke für den Link.
Und ich dachte, das "Gremium Gleichstellungsbeauftragter" müsste streng dem Grundsatz 50/50 mit je einem Mann und je einer Frau besetzt sein. Sonst ist es ja nicht gleich.
 
Es geht hier nicht um Zahlenparität, sondern die Gleichstellung der Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen in betrieblichen Belangen.
 
Eher ob die und die Posten mit so und soviel Leuten besetzt sind. Und Ausländer, ääh. Personen mit internationaler Berufserfahrung, was ist damit?
 
Dieses Gremium hat sehr wohl mit dem Gendern zu tun, da dies ja sicherlich nicht nur vor dem Mikrofon passiert und damit eine Frage der Gleichstellung von Männlein und Weiblein im Betrieb darstellt.
 
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Es geht hier nicht um Zahlenparität, sondern die Gleichstellung der Frauen gegenüber ihren männlichen Kollegen in betrieblichen Belangen.
Ja schon, aber genauso auch umgekehrt, zumindest kenne ich das aus der betrieblichen Praxis so. Denn es gibt genausogut Berufsfelder, in denen Männer unterrepräsentiert sind.
Deshalb der Titel Gleichstellungsbeauftragte(r) und nicht wie früher oft üblich Frauenbeauftragte(r).
Randnotiz: Beim NDR ist diese Aufgabe tatsächlich neuerdings paritätisch besetzt.
Und Ausländer, ääh. Personen mit internationaler Berufserfahrung, was ist damit?
Das ist Aufgabe der Personalsachbearbeiter/-verantwortlichen.
 
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Dass dieses Gremium sehr wohl etwas mit Gendern zu tun habe, sehe ich nicht als Hauptaufgabe. wie @ Radiotroll dies im Post#739 meinte. (Direktzitate mag der Mod. nicht.)
Was in diesem Thread unter Gendern gemeint ist - in 99,9 Prozent der Äußerungen-, bezieht sich auf die akustisch wahrnehmbaren Veränderungen der Sprache, wie Gap-. etc. Man nenne mir bitte einen Beitrag im Radio oder Fernsehen, wo dies direkt Bezug nimmt auf die Tätigkeit eines derartigen Beauftragten.
Das ist ja gerade meine These, wieso der DLF die Interaktion des Gleichstellungsbeauftragen als Begründung für Gap etc. angibt. Das eine hat mit dem andern nichts aber auch rein garnichts zu tun. Das eine bezieht sich auf die Einstellungspraxis und Jobvergabe, das andere auf die Manipultion der deutschen Sprache. Sicherlich kann jemand, der sich Gleichstellungsbeauftragter nennt, zu bestimmten Themenbereichen seine ganz persönliche Meinung vertreten, vor allem, wenn sich Bereiche scheinbar zu überschneiden scheinen. Das gibt ihnen aber immer noch nicht das Recht, Dinge miteinander zu vermischen und ganz konkret Empfehlungen durchzupushen, wie man was in Beiträgen auszudrücken hat. Das sollte immer noch der freien Entscheidung des Redakteurs überlassen bleiben.
 
@Beyme : Vielen Dank für die Verlinkung des Artikels von Braun et al. (1998)! Sehr interessant, und endlich einmal Fakten in dieser sonst sehr meinungsfreudigen Diskussion. Bereits in der Einleitung dieses Artikels bin ich fasziniert am Referat der Publikation von Irmen & Köhncke (1996) hängengeblieben:
> Irmen, L., & Köncke, A. (1996). Zur Psychologie des "generischen" Maskulinums. Sprache & Kognition, 15(3), 152–166.
Dieser Aufsatz ist nicht elektronisch veröffentlicht, doch es findet sich dieses abstract dazu, das die verwendete Methodik im Wesentlichen wiedergibt:
Studied the influence of the generic masculine (GM, the convention of using masculine nouns and pronouns to refer to both women and men in certain contexts) on mental representations (MRs) of gender. Human Ss: 45 normal male and female German adults (aged 22–51 yrs) (primarily university students) (Exp 1). 43 normal male and female German adults (aged 19–33 yrs) (university students) (Exp 2). In both experiments, the Ss were asked to read a list of GM and gender-specific sentences and to categorize the subjects of the sentences according to their gender. The Ss' MRs of gender were assessed with verbal questions in Exp 1 and with pictures in Exp 2. Yes or no answers to gender category questions and reaction time (RT) served as operationalizations of the availability of the concepts "male" and "female" after reading the target sentences. Results for GM and gender-specific sentences were compared.

Braun et al. (1998) referieren aus dieser Studie:
Um einen Einfluß des kontrastierenden Stimulusangebots (fem.-mask.) auszuschließen, führten Irmen/Köhncke das zweite Experiment mit Versuchsgruppen durch, die jeweils nur einen Stimulustyp angeboten bekamen. Darüber hinaus unterschied sich dieses Experiment vom ersten darin, daß die Vpn [= Versuchsperson] anhand von Bildern, die eine Frau bzw. einen Mann zeigten, eine Übereinstimmung von sprachlichem Begriff und gezeigtem Geschlecht beurteilen sollten. Auch hier betrug der Anteil an Vpn, die Frauen als Instantiierung für generisch maskuline Personenbezeichnungen gelten ließen, nur 49%.

Nur 49 %? Man stelle sich vor, dieses Experiment sei mit Versuchspersonen durchgeführt worden, die des Deutschen kein bißchen mächtig sind, also z. B. überhaupt nicht wissen, was die Worte „Ärztin“, „Arzt“ „Ärztinnen“ und „Ärzte“ bedeuten. Aufgefordert, eine Ja/Nein-Antwort zu geben, bleibt diesen Versuchspersonen nichts anderes übrig, als zu raten. Der Erwartungswert für die Antwort „Ja“ ist 50 %.

Wieso liegt das Resultat des o. g. zweiten Experiments von Irmen & Köhncke (1996) so nahe an diesem Erwartungswert? Weil die deutschsprechende Versuchsgruppe im Experiment ebenfalls raten mußte: Ein Wort, das im generischen Maskulinum steht, kann sowohl eine ausschließlich männliche als auch eine gemischtgeschlechtliche Personengruppe bezeichnen. Was von beidem tatsächlich gemeint ist, sagt das Wort allein nicht. Dies kann gegebenenfalls aus dem Kontext hervorgehen. Im Experiment gibt es aber einen solchen Kontext erst gar nicht. Wenn also im vorliegenden Versuch eine Personengruppenbezeichnung im generischen Maskulinum vorgelegt wird (z. B. „Ärzte“) und mit dem Foto einer in ihren nichtgeschlechtlichen Eigenschaften passenden weiblichen Person (im Beispiel: eine Ärztin) auf Übereinstimmung geprüft werden soll, so bleibt der Versuchsperson für eine im Sprachverständnis korrekte Antwort nur die Möglichkeit, zu raten. Ob die Antwort rein zufällig auf Ja oder Nein fällt oder an alltagsweltlich erlernten Wahrscheinlichkeitskriterien erfolgt, bleibt offen. Ein Fraueninstantiierungsanteil von 49 % kann im vorliegenden Versuch zumindest als Indiz sowohl für einen sauberen Versuchsaufbau als auch für eine in der Summe zufällige Entscheidung gedeutet werden.

[…] die ermittelten Reaktionszeiten. Sie waren deutlich kürzer, wenn auf den Stimulus generisch maskuline Personenbezeichnung das Antwortangebot „Mann" folgte.

Klar, denn hier muß gar nicht erst überlegt werden. Die Zuordnung von Wort und Bild ist eindeutig möglich, auch wenn der Leser nicht weiß, ob das Wort eine gemischtgeschlechtliche oder eine ausschließlich männliche Gruppe meint.

Eine weitere Schwierigkeit ergab sich bei den allgemein femininen Formulierungen, da nicht klar wurde, ob sie für weibliche Personen gelten sollten oder ob Geschlechtsabstraktion angestrebt war.

Diesem Satz müßte hinzugefügt werden: „Eine weitere Schwierigkeit ergab sich bei den allgemein maskulinen Formulierungen, da nicht klar wurde, ob sie für männliche Personen gelten sollten oder ob Geschlechtsabstraktion angestrebt war.“
 
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Doch natürlich. Wer nicht will, der muß nicht. Allerdings sollte schon eine gemeinsame Linie gefahren werden, wenn denn gegendert wird.
 
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Man sollte nur aufpassen, dass man vor lauter korrektem Gendern nicht vergisst, was man eigentlich sagen will. Bei manchen perfekt gegenderten Texten kommt mir der eigentliche Inhalt manchmal zu kurz, bzw. ich kann ihn überhaupt nicht entdecken.
 
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