Das RTL-Programm wird jetzt erstmals so richtig von den Folgen der selbstverschuldeten Programmdegeneration in Gestalt der vielen Reality- und Voting-Billigformate erwischt, mit denen man in den vergangenen zwei Jahrzehnten dank geringer Investitionen noch eine ansehnliche Rendite erwirtschaften konnte, die sich angesichts der neuen Konkurrenz aus dem Netz und der nachhaltigen Veränderung der Sehgewohnheiten aber zunehmend als nicht massentauglich erweisen.
In Amerika, wo das Streaminggeschäft das klassische Fernsehen schon seit ängerem hinter sich gelassen hat, laufen Reality- und Dokusoap-Formate auf zahlreichen, meist hochspezialisierten Spartensendern. Die großen Networks produzieren werthaltigen, fiktionalen Content und verbreiten ihn plattformübergreifend im Internet und linear. Das sichert Marktanteile und Abonnenten gleichermaßen.
Aber wo bitteschön sind bei RTL und Pro7/Sat1 die starken eigenproduzierten Marken, mit denen man auch im Internet und im Lizenzgeschäft Geld verdienen kann? RTL gibt so gut wie keine Filme mehr in Auftrag, die wenigen Primetime-Serien müssen mit schmalem Budget auskommen und ermangeln deshalb echter Schauwerte. Bei Pro7/Sat1 wurde die einst wichtige fiktionale Säule geschleift und übrig blieb wie bei RTL nur schwachmatischer Reality-, Voting- und Dokutrash, der online keine nennenswerte Reichweite erzielt.
Eine Zeit lang wird man sich damit noch über Wasser halten können, aber dann folgt unweigerlich der Abstieg in die dritte und vierte Liga der Medienanbieter. Die beiden einstmals großen Fernsehkonzerne fanden keine Antwort auf die Herausforderungen der digitalen Transformation und setzten, statt vorausschauend multimedial zu investieren, seit Jahren lediglich auf Renditesteigerung (Gewinnausschüttung), Kostensenkung und Programmausdünnung. Den internationalen Streamingplattformen haben sie mittel- und langfristig nichts entgegenzusetzen, oder wer denkt ihr lässt sich von Sendungen wie "Blaulicht-Report" und "K11" zu einem Abo verführen?
Lizenzware hingegen kostet Geld und wird vermutlich schon sehr bald nur exklusiv bei den Deutschland-Ablegern der Markeneigentümer zu sehen sein.