Warum funktioniert beim Fernsehen, was beim Radio nicht funktioniert? Sprich die Analogabschaltung? Liegt's am Mehrwert?
Ja. Es
lag am Mehrwert. Analoger TV-Empfang auf dem "flachen Land" hieß oft: ARD, ZDF, Drittes. In Grenznähe ggf. ein oder zwei weitere Dritte, oft dann mit erhöhtem Antennenaufwand (Anpeilen mehrerer Empfangsrichtungen mit unterschiedlichen Antennen, kanalselektive Zusammenschaltung ("Mastweiche"), Verstärker, undichte Dacheinführungen, ...). Anfang der 1990er kamen die Privaten - und nur in absoluten Ballungsräumen (Berlin, FFM, HH, ...) teilweise auf Antenne. Damals heißbegehrte Programme wie MTV gab es nirgendwo auf Antenne. Deshalb dübelten sich bereits Anfang der 90er die Land- oder Einfamilienhausbewohner eine Satschüssel an die Wand und in den Mietwohnungen zahlte man grummelnd zugunsten von 20 oder später auch 30 und noch mehr analogen Programmen den Kabelanschluß. Sowohl Sat als auch Kabel waren damals analog, hatten aber mehr Programme und oft bessere Qualität (über die weißen "Fische" in roten Flächen beim Sat-TV hüllen wir mal den Mantel des Schweigens).
Als das analoge terrestrische Fernsehen dann zwischen 2003 und 2008 in Deutschland abgeschaltet wurde, nahm fast niemand mehr Anteil daran. Das System war längst tot - ersetzt durch was besseres und vor allem: aersetzt auf individuellen Wunsch der Nutzer, die mehr Programme und gutes Bild wollten. DVB-T operierte dann weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit, außer in Berlin, wo es knapp 30 Programme darüber gab und viele "klamme" Menschen froh warne, so ohne Kabelkosten an TV zu kommen. Dazu kam damals noch etwas, das heute auch nicht mehr geht: keine verräterische Außenantenne und dmait wenigstens die Hoffnung, keine GEZ-Eintreiber anzulocken.
Nun vergleiche mit UKW: bis heute absolut vital bei bislang nur geringfügig geschmälerten Nutzungszahlen aufgrund des "Kannibalisierens" durch DAB und Internetradio. "Radio" heißt für die meisten Deutschen immer noch "UKW" und solange es in mono rauschfrei dudelt, ist das für Betonmischer, Friseursalon und Bügelkeller ausreichend. Dann ein Blick auf die Ergebnisse der (gewiss in ihrer Methodik nicht unumstrittenen) media Analyse: ca. 50% der gehörten Radiominuten gehen auf die Privaten und die anderen 50% auf die Öffis. Die Privaten machen letztlich fast ausschließlich Unterhaltungsfunk, also Popdudel. Von den 50% Öffis gehen auch nochmal so 35% auf Popdudel unterschiedlicher Schattierungen, also auf die Privatfunk-Kopien. Bleiben ca. 15% übrig, von denen geht nochmal etwa die Hälfte auf die Infoprogramme (regionale ARD-Infowelle, DLF), da reicht sogar mono. Die Zuhörwellen, die von bester Empfangsqualität und hoher Klangqualität profitieren und die zumindest teilweise entsprechend fordernde Zuhörerschaft haben, belaufen sich regional unterschiedlich auf ca. 3-8% der Radionutzung. Das sind die Menschen, die zuerst klagen würden, wenn UKW rauscht. Da die bewusste, gezielte Nutzung von Hörspiel und Klassik wohl eher im Wohnzimmer stattfindet, halfen und helfen da Kabel-UKW oder DVB-C oder DVB-S.
DAB wäre, wenn stabil empfangbar, immerhin "rauschfrei". Aber klanglich z.B. beim MDR (88 kbps HE-AAC auf der Kulturwele) katastrophal. BR und hr gönnen der Kulturwelle 144 kbps LC-AAC, das ist mit ordentlichen Empfängern sehr ordentlich (BR Klassik durfte ich mir so anhören, für einen mobil genutzten Übertragungsweg sehr geile Qualität). SWR hat für SWR 2 letztens die Bitrate erhöht (und danach wieder etwas gesenkt). WDR 3 läuft auf nicht-verbuggten Empfängern auch noch recht ordentlich, sagte man mir. Radio bremen könnte auch noch recht ok sein (128 kbps LC-AAC, zumindest bei Empfängern ohne Bug). Die anderen laufen bei der ARD mit meist 96 kbps HE-AAC, das ist zuwenig für anspruchsvolle Programme, ggf. ists noch mobil ohne Beanstandung, aber zu Hause nicht. Dafür hat man (noch) DVB-S/C mit hoher Bitrate und MPEG 1 Layer 2).
Für die 85% Popwellen-Nutzung ist UKW aber fast immer mit "wunschlos glücklich" verbunden. Die Radios sind seit Jahren eingerostet auf der Frequenz des bevorzugten Programms, es wird da nur sehr selten gewechselt. DAB brächte keinen Mehrwert, sondern nur klangliche Nachteile, da bei den Popwellen oft an der Bitrate gespart wird, bis es quietscht (64 kbps HE-AAC).
Die Öffis setzen auf DAB, weil sie a) müssen (die KEF will ihnen die UKW-Kosten streichen), b) können (sie können den Parallelbetrieb eine zeitlang finanzieren, sie bekommen Gebühren) und c) weil sie dort um die Begrenzung der Programmanzahl herumkommen. Deutschlandradio hofft auf DAB, weil sie für beide Programme je ca. 150 (!!!) UKW-Frequenzen betreiben müssen und nichtmal damit flächendeckend sind, sich aber halbtot daran zahlen. Die Privaten haben ihre etablierten Marktführer regional auf UKW - warum sollten sie DAB befürworten?
hier im Südwesten ist SWR Aktuell außerhalb Stuttgarts nicht auf UKW empfangbar (die meisten anderen Infowellen haben mehr UKW-Sender!) und das UKW-Netz des DLF hat auch große Lücken
Genau das sind die genannten "Hoffnungspunkte" der Öffis. Ist anderswo ähnlich: MDR Aktuell startete als MDR Info auf Mittelwelle und bekam erst nach und nach einen UKW-Flickenteppich. Eine der MDR-Aktuell-Frequenzen hat 30 kW, eine andere 5 kW, dann einige 2 kW, einige 1 kW und viele nur wneige 100 Watt. Das geht bis zu 20 Watt (!) in Hauptstrahlrichtung runter. 77 Frequenzen für MDR Aktuell stehen 23 Frequenzen für MDR Jump gegenüber. Dabei hat man Jump fast überall 3 mal und MDR Aktuell vielerorts gar nicht.
Wie wäre es denn, die Fußballkonferenz am Samstagnachmittag nur noch auf DAB+ zu senden? Könnte man ja gut argumentieren mit: "Halbe Stunde Wort am Stück passt nicht ins Format, ...".
Auf diese Weise hat man ja schon viel "Minderheitenprogramm" in DAB-Kanäle abgeschoben: BR Heimat, teils engagierten Jugendfunk, inzwischen auch den Schlager. Und was passiert z.B. in Ostthüringen: da schreibt der Seniorenbeirat an den Ministerpräsidenten (!), er möge sich doch für Schlager auf UKW einsetzen. Auf DAB akzeptieren ihn die Senioren nicht, dazu braucht man ja neue Geräte. So einfach funktioniert es offenbar also nicht. Und ehe sich Kiddies ein DAB-Radio kaufen für irgendwelche Inhalte, die man für sie zu gestalten denkt, wischen sie lieber paarmal aufm Display und holen sich etwas aus völlig anderen Quellen. Oder sogar das gleiche: 20-jährige in Ostthüringen, MDR Sputnik via Smartphone ausm heimischen WLAN. Fertig.