@ Jasemine, ich gebe Dir prinzipiell recht. Der Wurm muß dem Fisch schmecken nicht dem Angler.
Das ist erst die halbe Miete !
Auch der Angler muß Freude haben und vom Wurm was verstehen !
Radio ist mehr als eine Ware, die man "zielgruppengenau" programmieren kann, wobei ich behaupte, daß in dem Einheitsbrei niemals eine Zielgruppe genau angesprochen wird.
Das ganze ist nur ein erträglicher Kompromiß, ein größtmöglich gemeinsamer Nenner der angeblichen werberelevanten Zielgruppe.
Radiomachen ist auch ein künstlerisches, menschlich-persönliches Unterfangen wie etwa Schauspielerei.
Eine Schauspieler, der ständig nur Rollen spielen müßte, die ihm nicht passen, bei der er nicht mit Herzblut dabei ist, der wird auf Dauer auch nicht überzeugend sein.
Ein Moderator, der auch mal "seine" Musik auflegen darf, der ist doch mit ganz anderer Freude und Kompetenz dabei. Seine ECHTE Begeisterung färbt dabei auch auf den Hörer ab.
Stattdessen müssen Moderatoren heute immer Begeisterung HEUCHELN. Sicher muß ein professioneller Moderator sich selbst an die Zügel nehmen können und sich sagen, es gibt auch andere Musik, als die, die mir gefällt.
Was das Problem heute ist und ich habe vor Jahren auf diese Entwicklung hingewiesen:
Radio hat den "Human Touch" verloren, das Herzblut der Moderatoren und damit auch der Hörer.
Auf Senderseite ist das Radio zu einem vermeintlich perfekt programmierten Produkt entstanden.
Die ehemals echte menschliche Komponente: Freude der Moderatoren an der Musik, an der Hörer-Reaktion ist gewichen einer aufgesetzten, gefakten Super-Begeisterung.
Auf der Hörerseite wird das Radio daher nicht mehr ernstgenommen und hat nur noch den Rang einer Hintergrund-Geräuschkulisse. Wegen der geringen WAHRNEHMUNG des heutigen Dudelradios durch die Rezipienten kommen auch immer mehr Werbetreibende drauf, daß es sich nicht mehr rechnet: Man müßte den Werbespot hundertemal öfter spielen, als noch in den 80er Jahren. Trotzdem haben die Hintergrund-Nutzer immer noch nicht mitbekommen, wo es nun die beste Pizza gibt während die wenigen noch aufmerksamen Hörer genervt werden, wenn sie neben der ewigen Musikwiederholung auch noch die penetrante oft wiederholte Werbung hören müssen.
Radio nervt ganz einfach die Hörer und sie vermissen die menschliche Wärme in dem Medium.
Diese menschliche Wärme kann man aber auf Dauer nicht vortäuschen. Ich habe mal nachgezählt, ich habe 158 mal in 4 Jahren den Titel "Monday, Monday" jeden Montag "gut gelaunt " anmoderieren müssen. Mich hat da mal ein Hörer privat fragend angesprochen: " Sie meinen das aber wohl nicht ernst, daß das so toll ist, daß sie wirklich JEDEN Montag "Monday, Monday" spielen!"
Das ist nur ein Beispiel.
Während Schauspielern sogar Rollen auf den Leib geschrieben werden, wird einem Moderator nicht mal zugestanden, daß er wenigstens eine Stunde mal am Tag selbst mit Musik füllen darf.
Ich weiß schon: Jetzt kommt wieder ihr Oberformatierer und sagt:
Würden wir das einem Moderator zugestehen, dann spielt der nur seine Lieblingslieder und haut uns die ausgewogene Programmierung zusammen.
Eine ausgewogene Programmierung ist LANGWEILIG und nervt auf Dauer ! Der Mensch will immer was neues und Überraschungen !
Wenn dem Moderator an seiner Stimme, an seiner Ausdrucksweise erkenne, daß er mit Herzblut dabei ist, daß ich merke, daß er wirklich soo begeistert an dem Song ist: Dann hört man diese Musik auch an, wenn es nicht unbedingt die eigene Stilrichtung ist und wenn diese nicht 10 Minuten dauern.
Also: Der Wurm muß dem Fisch schmecken und nicht dem Angler, aber dem Angler muß man auch Freude gönnen und nicht immer nur verlangen, diese zu heucheln.
Ein Koch, der das Gericht zubereitet, das auch selbst sein Lieblingsgericht ist, wird dieses Gericht viiiieeel besser und mit Liebe zubereiten, als ein aufgezwungenes Rezept.
Der Schauspieler, der auch mal seine Lieblingsrolle spielen darf, der überzeugt vielmehr, als wenn er nur immer seine verhaßte Nebenrolle spielen muß.
Damit wird er Freude an seinem Beruf haben und schöpft dann auch mal Kraft für weniger geliebte Rollen.
Der Moderator, der auch mal seine Vorliebe, seine Begeisterung für "seine" Musik zeigen darf, der hat eine ganz andere Kompetenz in der Stimme und überzeugt den Hörer vielmehr.
Ich weiß, daß mich wieder mal viele nicht verstehen werden. Aber die "Entmenschlichung" und die technokratische Programmierung und aufgesetzte programmierte Begeisterung macht das Radio an sich kaputt !
Unter diesen Bedingungen werden noch viele Moderatoren dem Radio den Rücken kehren. Unter heutigen Bedingungen wäre auch kein Thomas Gottschalk entstanden. Der hätte seine Sendung "Pop nach Acht" in B3 damals nicht zu so einem Kult-Erfolg machen können, wenn er durch ein heutiges Formatradio entmündigt worden wäre.
Mir hat auch nicht jede Scheibe gefallen, die Thomas damals aufgelegt hat, trotzdem habe ich die gesamte Sendung angehört, weil sie INSGESAMT Begeisterung, Kompetenz und ganz einfach ECHTEN Spaß ausgestrahlt hat !