AW: Hausarbeit "Radio"
Mal zur Sache (Am Beispiel eines ÖR Senders mit sehr hohem Wortanteil, Kurzfassung):
Bis vor etwa 10 Jahren:
Der Programmaustausch erfolgte zu großen Teilen per Dauerleitungsnetz über den ARD Sternpunkt. Die Beiträge wurden von Tonband abgespielt, und auf der anderen Seite wieder auf Band aufgenommen. Start und Stop der Überspielung erfolgte teilautomatisiert über die berühmte Dreitonfolge. Die Überspielzeiten wurden schon über Rechner verwaltet.
Daneben gab es noch Postleitungen, die z.B. für Außenübertragungen gebucht wurden. Diese mußten mit langem Vorlauf bestellt werden und waren sehr teuer.
Die Bänder wurden von der Redaktion abgeholt und in ein Studio getragen. Dort wurden sie von Technikerinnen geschnitten, so richtig mechanisch mit einer Schere, und mit Klebeband wieder zusammengeklebt. Vorne kam ein Vorspannband dran, die Farbe kennzeichnete die Bandgeschwindigkeit und ob es Stereo oder Mono war. Hinten, und als Trenner zwischen einzelnen Takes wurde Gelbband angeklebt (im DDR Rundfunk waren die Farben anders, ich glaube da war das grün).
Das geschnittene Band wurde meist noch mal abgehört, dabei wurde die Spiellänge gemessen. Das fertige Band kam in einen Bandkarton, zusammen mit einem Zettel (Bandpaß), auf dem Titel, Autor, Dauer, Anfang, Ende notiert wurden, und der eine einmalige Bandnummer hatte.
Bandnummer und Titel, evtl. noch Autor wurden noch auf dem Bandkarton vermerkt.
Wenn das Band nicht sofort gesendet wurde, ging es erst einmal ins Schallarchiv. In allen Studios gab es Ein- und Ausgangswannen für Bänder und Schallplatten, CDs etc.
Ein Mitarbeiter vom Schallarchiv ging mehrmals täglich durch alle Studios und sammelte die Tonträger ein, brachte aber auch andere aus dem Magazin mit, die von der Redaktion für einen Bearbeitungstermin bestellt worden waren.
Zur Sendung mußten dann alle erforderlichen Tonträger im Schallarchiv anhand der Sendelaufpläne zusammengestellt und ins Sendestudio angeliefert werden. Aktuelle Bänder brachte die Redaktion selbst mit.
Die Sendetechniker mußten dann die Bänder und Platten rechtzeitig auf die Bandmaschinen und Plattenspieler auflegen. Musikbänder (E-Musik) mußten oft vorgespult werden, wenn ein bestimmter Take gesendet werden sollte. Platten mußten eingestellt werden, so daß der erste gewünschte Ton beim Reglerstart ertönte. Bänder mußten anschließend noch zurückgespult werden.
Damit das bei kurzen Bändern nicht zu eng wurde, gab es in jedem Sendestudio 4 Bandmaschinen, jede auf einem eigenen Mischpultkanal. Die Sendefahrer mußten dabei immer aufpassen daß sie auch den richtigen Regler aufziehen.
Der Mensch am Mikrofon hatte dabei nur einen getippten Laufplan, und konnte nicht sehen, welches Band wo auflag, geschweige denn noch schnell reinhören.
Heute:
Der Austausch von Beiträgen innerhalb der ARD erfolgt fast komplett per Filetransfer über ein Hochgeschwindigkeitsnetz (Hybnet). Dabei werden die beschreibenden Daten (Autor, etc.) gleich mit übertragen und in die Hauseigene Datenbank importiert.
Ein gerade neu hereingekommener Beitrag kann von mehreren Leuten gleichzeitig bearbeitet werden (jeder bekommt eine Kopie des Ausgangsmaterials).
Statt Postleitungen wird heute oft nur noch ein ISDN Anschluß bestellt. Die Übertragung erfolgt dann über ISDN Codecs, die mittels Datenreduktion eine recht gute Audioqualität über die Leitung quetschen. Alternativ gibt es Satellitenübertragungsfahrzeuge, die z.B. bei Großveranstaltungen angemietet werden.
Die Beiträge werden am Rechner geschnitten, meistens vom Redakteur selbst. Die Audios liegen in einer zentralen Datenbank und sind idR auf Festplatten gespeichert (Raid Arrays, früher auch mal auf Bandroboter). Beim Abspeichern werden die beschreibenden Daten vom Redakteur ergänzt.
Es gibt einen zentralen Sendeplan, in den die Audios als Verweis eingeplant werden. Im Sendestudio wird dieser Sendeplan in der Sendeabwicklung geöffnet. Die Verweise werden ausgelesen, und die dazugehörigen Audios vom zentralen Speicher auf den Sendeserver kopiert.
Über Faderstartkontakte bekommt schließlich die Sendeabwicklung den Befehl das Audio abzuspielen. Die Sendeabwicklung legt alle Audios in chronologischer Reihenfolge auf zwei Ausspielkanäle. Dadurch können die Sendepulte heute wieder etwas kompakter werden, es werden weniger Mischpultkanäle für Zuspieler benötigt. Außerdem erlauben digitale Mischpulte eine relativ einfache Mehrfachbelegung von Kanälen.
Beiträge können an mehreren Punkten zeitgleich vorgehört werden, auch der der gerade gesendet wird. So kann z.B. ein Moderator das Ende des gerade laufenden Beitrags vorhören. Er hat dazu einen Beobachtungsbildschirm für die Sendeabwicklung und kann seinen Abhörcursor über eine eigene Tastatur navigieren.
Die abgewickelten Sendeelemente werden protokolliert, davon werden z.B. die Daten für die Gema Abrechnung generiert.
Das wärs in Kürze, ich denke für mehr Tiefgang müßte man eine Führung mit ein paar praktischen Demonstrationen machen.
Bei anderen Sendern gibt es sicherlich auch andere Workflows, speziell die Einführung des Selbstfahrbetriebs hat die Technikerzunft fast arbeitslos gemacht oder in die IT getrieben.
Von Voicetracking habe ich persönlich keine Ahnung, das möge jemand beschreiben der sich damit auskennt.
Gruß
dira