hr2 wird zur Klassikwelle

Ich hatte es in diesem Thread schon einmal geschrieben – ich verstehe es nicht. Ein Programm, das unter dem Motto „Bleiben Sie neugierig!“ firmiert, schafft alles ab, was mich auf das Programm noch neugierig machen könnte. Es herrscht kein Mangel an meinstreamigem Brei. Alles, was ein Hörfunkprogramm heute noch enger macht, noch langweiliger, noch ähnlicher wie alle anderen, treibt die Hörer weg vom Radio und hin zum Webradio und zu den Streamingdiensten. Der Hörfunk schafft sich ab. Und, ganz ähnlich wie Settembrinis Satz im Zauberberg über das Politische an der Musik, denke ich auch hier, dass die Folgen politisch motiviert und gewollt sind. Wir erleben einen reaktionären Turn im hr, für den der Generationswechsel im Programm und auch darüber hinaus in der Organisation des ganzen Senders genutzt wird, und mich macht das als Hörer unendlich traurig, denn ich habe eigentlich immer gern Radio gehört. Ich habe über viele Jahre hinweg einen wesentlichen Beitrag zum Portal Hörfunk in Wikipedia geleistet, und auch das Radio als Gerät war mir immer wichtig. Aber ich habe mich gerade – auch angesichts dieser Entwicklungen hier – gegen ein neues Radio, gegen DAB+ und für das Web entschieden und mir stattdessen lieber ein Tablet gekauft. Das spielt Livestreams, Podcasts, Mediatheken und Streamingdienste, aber nicht nur lokal, sondern weltweit (Bonjour, Radio France), und dient mir außerdem als Lesegerät abseits vom Desktop-Rechner. Insgesamt ist es ein Abschied vom Radio, wie wir es kannten, aber auch eine Abwendung vom hr, der nicht nur mein Haussender ist, sondern auch eines der letzten verbliebenen Kulturprogramme produziert hatte, die ich noch gerne gehört habe. Bin nicht mehr ganz so neugierig auf das, was sich da im hr demnächst tun wird. Die Abstimmung mit den Füßen geht weiter. Und tschüss.
 
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Danke für diesen Beitrag, Schneeschmelze! Er spricht mir aus dem Herzen! Trotzdem will ich mich nicht in die Weiten des Netzes vertreiben lassen müssen, um noch ein Krümelchen gut gemachtes Kulturradio zu erhaschen. Es muss doch auch im linearen Hörfunk noch Leutchen geben, die den Mumm haben (und den Einfluss!), dieser elenden Mainstreamisierung die Stirn zu bieten. Aber die Sender landauf landab sind mit anderen Dingen beschäftigt. Wichtiger als Programme sind offensichtlich Fishbowl-Diskussionen und Scrummanagementkickoffseminare...
 
Mal ins Unreine formuliert: Ich glaube, es liegt einfach daran, dass wir zuviele Sender haben. Deshalb zerstreut sich die Hörerschaft, statt sich zu sammeln, und so gibt es keine Anreize mehr für Vielfalt, was an sich paradox ist, aber der Hörerzählerei geschuldet ist, und so streben alle in die Mitte, um möglichst viel abzubekommen von dem winzigen Kuchen, der für das Kulturradio verbleibt, und bieten damit weniger Varianz und Eigensinn als die großen landesweiten Sender BBC oder Radio France. Paradox, aber so zeigt es sich. Föderalismus kills radio.
 
Mal ins Unreine formuliert:
Der Verfall der Radiosender in den letzten Jahrzehnten liegt einerseits daran, dass die Hörerschaft keine Ansprüche an die Programme der Sender formuliert und diese lautstark kundtut und andererseits an der Bequemlichkeit der Sender (auch aus Finanznot heraus) seiner Kundschaft ein anspruchsvolles Programm zu bieten, das diesen Ansprüchen entspricht.
Seit ihren Anfängen hat die
den Dialog mit den Hörern und Zuschauern gesucht. Eine Sendung wie "Feedback", heute regelmäßig am Freitag auf Radio 4 (im Fernsehen staffelweise sonntags "Points of View"), in der auf die Wünsche und die Kritik des Publikums an die/den Programme(n), für die sie Gebühren entrichten, eingegangen wird, geht ganz auf die Anfänge des Senders zurück und findet sich schon in den 1920er Jahren in den Programmankündigungen. In diesen Sendungen ist auch ganz deutlich zu sehen, dass die Gebührenzahler ein anspruchsvolles Programm vom Sender einfordern.
Die Verantwortlichen in den deutschen Sendern haben hingegen jeden Anspruch an sich selbst und an ihren Programmausstoß sowieso verloren. Es ist schlicht die Schuld des deutschen Gebührenzahlers, dass er die Leute in den Chefetagen so dilettantisch schalten und walten lässt und sie nicht viel stärker mit der Verantwortung für ein anspruchsvolleres Programm, die sie mit ihren Posten übernommen haben, konfrontiert.
 
Föderalismus kills radio.
Liebe schneeschmelze, das sehe ich ein wenig anders. Insbesondere im Falle hr2 sind die Gründe greifbarer: Kostendruck in Verbindung mit Quotenalarm führen zur (geplanten) Verflachung. Insbesondere beim (zwar kulturtragenden) zweiten Programm sieht man einerseits die ohnehin schon kleine Hörerschaft wegsterben, andererseits kommen von außen Fragen nach Rechtfertigung einer solch vergleichsweise teuren Welle für so wenige Hörer.

Also hat man beschlossen, konzentriert die „jungen“ Hörer zu gewinnen, insgesamt „jünger“ zu werden. Das hat insofern schon funktioniert, als daß der Intendant jetzt Turnschuhe trägt. Und man hat festgestellt, daß die „jungen“ Hörer angeblich gar nicht mehr am linearen Radio interessiert sind (wieso wohl, hatte man doch unlängst den Kinderfunk ersatzlos abgeschafft?!), sondern sie nur noch, mit dem Tablet in der Hand, am Sofa sitzen oder iPhonehaltend U-Bahnfahren. Ergo verlagert man alle Inhalte mit kulturellem Tiefgang nach dem Online-Auftritt, was offensichtlich mehr Geld kostet als man bislang dafür aufwendete.

Bleibt fürs Lineare nicht mehr so viel übrig, man stuft das Programm zum Klassikdudler herab. (Was mir allerdings nicht so ganz einleuchtet, denn die Inhalte sind ja da! Ob ich sie zusätzlich zum Online-Angebot auch noch linear ausstrahle, macht meiner Meinung nach den Kohl nicht wesentlich fetter.) Man pfeift auf die überalterte Hörerschaft, um die „jungen“ zu gewinnen. (Sollte es, wenn überhaupt, nicht umgekehrt sein? Daß ich die Alte Garde erst dann loswerde, wenn ich die „jungen“ schon habe?!)

Der Föderalismus könnte insofern der Vielfalt eher Vorschub leisten, indem andere Sender es trotz allem besser machen. Könnten. (Hoffentlich.)
 
Und dann kippt man ausgerechnet ein Format das jüngere anspricht ("Night Voyager"), passt eigentlich nicht zusammen, zumal das ja auch abends auf einer Fläche die sich auch künftig nicht nur der Klassik öffnet lief...
 
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Der Kollege, der die Sendung macht, kommt ja eigentlich von You FM und hat dort vorher die Clubnight gemacht. Die Sendung wurde damals auch irgendwie als Ersatz für die Clubnight beworben. Sie fing ja mehr oder weniger exakt heute vor sechs Jahren an. Manche Buchhalter hier wissen das sicher besser. Deshalb dachte ich ja immer, das wäre eine You-Sendung, an der 2 dran hängt, bis mir irgendeiner hier mal erklärt hat, dass die Sendung auch die Fortsetzung einer alten eingestellten 2-Sendung war. Alleine deshalb, Roots im Jugendprogramm, Geber ist das Jugendprogramm und das andere hängt nur dran, hätte man die Sendung im Jugendradio lassen können. Das neue You-Sonntagsprogramm ist dann ja völlig lame: 8-13 und 13-18 Moderationsschicht, sonst Musik pur, 0 Uhr Übernahme Eins Live. Bruder, was haben die früher mal Programm gemacht! :oops: (Opa redet vom Krieg...)
 
Vielleicht wollte aber auch genau jenes Jugendprogramm welches ja auch dessen Clubnight abgesetzt hat diesen Bruch nicht mehr und möglichst durchgehend "Music like me" am Sonntag (diesen noch recht jungen 2-stündigen Podcast hat man neulich ja auch heimlich, still und leise eingestampft), nicht weniger wahrscheinlich oder vielleicht sogar wahrscheinlicher als dass die Inititative von hr2 ausging.
 
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Geber ist das Jugendprogramm und das andere hängt nur dran, hätte man die Sendung im Jugendradio lassen können.
Komisch, warum ist es dann auf You FM ca 2 - 4 Minuten verzögert im Gegensatz zu hr2? Zappt man von hr2 rüber zu You dauert es nicht lange und man hört dieselbe Stelle gleich nochmal. Die Moderationen kann man dann sogar fast mitsprechen. Ich vermute das ist eh alles aufgezeichnet gewesen und wird dann zufällig zur selben Zeit, sowohl auf der You FM Festplatte als auch auf der hr2 Festplatte abgefeuert.
 
Bleibt fürs Lineare nicht mehr so viel übrig, man stuft das Programm zum Klassikdudler herab. (Was mir allerdings nicht so ganz einleuchtet, denn die Inhalte sind ja da! Ob ich sie zusätzlich zum Online-Angebot auch noch linear ausstrahle, macht meiner Meinung nach den Kohl nicht wesentlich fetter.) Man pfeift auf die überalterte Hörerschaft, um die „jungen“ zu gewinnen.
Mir leuchtet überdies nicht ein, wie man mit einem verstärkt auf klassische Musik focussierenden Programm überhaupt Hörer, geschweige denn jüngere Hörer dazugewinnen will. Zumal auch die Hörerverluste kompensiert werden müßten, die durch die Verdrängung von Jazz, Pop, Kulturberichterstattung usw. erfolgen würden.
 
Es wird doch schon seit Jahren mit diversen Maßnahmen versucht, hr2 so unattraktiv wie möglich zu machen, weil man die Hörer zu den Werbedudlern drängen will, damit man mit ihnen da mehr Geld verdienen kann.

Was diese Entscheidungsträger, die so offensichtlich keine Liebe zu ihren Programmen haben, in einem öffentlich-rechtlichen Sender zu suchen haben, erschließt sich mir nicht.
 
Es wird doch schon seit Jahren mit diversen Maßnahmen versucht, hr2 so unattraktiv wie möglich zu machen,
Doof nur, dass das so einfach nicht geht. Geschmäcker lassen sich nicht einfach "umstimmen". Es wird immer genügend Leute geben, die den Sender einschalten, eben genau weil er so ist wie er ist. Und Stammhörer machen in der Regel noch so kleine Veränderungen mit.
 
Weshalb der Hessische Rundfunk Geld dafür bezahlt damit ein Kulturprogramm (ein werbefreies, noch dazu) überhaupt in der (nur für die Werbewirtschaft relevanten) Mediaanalyse auftaucht weiß auch nur Gott.
Wäre mal interessant was das den HR kostet wenn es nebenan schon heißt dass die Erhebung für die privaten Sender so teuer ist.
Und die brauchen die MA weil sie von der Werbung leben. HR 2 nicht.
Warum das Ganze?
 
Bei Auswahl von "weitester Hörerkreis" finden sich in den MA-Zahlen alle werbefreien ARD-Programme. Zuminsest auf reichweiten.de
 
Auch bei Tagesreichweite. Ich halte diesen Wert ohnehin für sinnvoller als die sogenannten Studennettoreichweiten.
 
Weshalb der Hessische Rundfunk Geld dafür bezahlt damit ein Kulturprogramm (ein werbefreies, noch dazu) überhaupt in der (nur für die Werbewirtschaft relevanten) Mediaanalyse auftaucht weiß auch nur Gott.
Ein paar posts weiter oben habe ich doch geschrieben warum das dennoch gemacht wird . Ist doch nix schlimmes.

Amüsant sind auch diese Überschriften, direkt hier auf der SeiteScreenshot_20200716_131946.jpg
 
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