Hallo, da muss ich mich als hr3ler doch gleich dazu äußern:
Besten Dank und Respekt, mit Klarnamen und von dort, wohin gerade Kritik gerichtet wird.
Alles weitere... ich habe bei sowas immer ein Déjà-vu. Ich kenne das aus der Zeit, als ich noch glaubte, man könne durch Engagement als Hörer etwas am Verfall eines Radioprpogramms aufhalten oder verhindern. Das war bei mir eine andere Zeit (die 90er Jahre) und ein anderes Programm (DT64, MDR Sputnik), aber der Ablauf und die Argumentationskette ist wohl immer die gleiche.
Und ich kann das ganze bislang nur dann in ein schlüssiges Gesamtkonzept bekommen, wenn ich eine (für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ungeheuerliche) Unterstellung vornehme:
Berechtigte kulturelle Bedürfnisse der Hörer eines Programms sind egal und nicht relevant, wenn es um die Programmentwicklung geht.
Relevant sind ausschließlich strategische Entscheidungen, in welche Richtung sich ein Programm entwickeln muß, wenn man sich davon eine Erhöhung der Einschaltquote verspricht. Das wäre ja nichtmal ein Drama, wenn die Bevölkerung in ihrer Mehrheit kulturell einigermaßen anspruchsvoll wäre (was bei einer Pop-Unterhaltungswelle kaum mehr bedeutet als "nicht ständig die gleichen getesteten Titel", "nicht ständig die gleichen lustig-wirken-wollenden Sprüche" und "nicht ständig diese aufgesetze 'gute Laune'") und ein entsprechend hochwertige(re)s Programm honorieren würde. Da dem aber nicht so ist, gibt es nur eine klar erkennbare Entwicklung bei den öffentlich-rechtlichen: niveaumäßig bergab, monotoner, künstlicher, lebloser, liebloser.
Natürlich kann man die Kritik aussitzen, das funktioniert gut, ich weiß auch von mir, daß irgendwann der (masochistische) Hörer aufgibt und zum nicht-Hörer wird. Solange weniger Hörer abspringen als neu hinzukommen, geht das Konzept auf und ist genau so von Anfang an geplant. Es hat auch schon andere Ergebnisse gegeben: nicht mehr Hörer, aber Programm ruiniert, so geschehen in Thüringen bei einem Privaten.
Man kann freilich auch die moderne "wir geben uns ganz offen und fair, bleiben aber bei dem, was wir ohnehin beabsichtigen"-Methode verwenden: Hörer einladen, um ihnen dann vor Ort nochmal alle ihre Kritikpunkte als Qualitätsmerkmale des tollen Programms zu verkaufen - oder, falls die Hörer nicht allzu leicht einzulullen sind - ihnen zu erklären, daß sie irrelevant sind und man auf die "Mehrheit" schauen muß. Würde der hr diese Methode anwenden (ich kann dazu nichts sagen, das einzige mal, daß ich in den vergangenen vielleicht 5 Jahren hr gehört habe, war letztens das Dota-Konzert auf hr 2), wäre er auch nicht die erste Anstalt. Das kennen wir vom MDR, bereits vor Sendestart am 1.1.1992. Das ist auch nicht auf den Rundfunk begrenzt, diese Methode der "psycho-Folter" ("die kriegen wir schon klein oder still") wird auch gern in der freien Wirtschaft angewendet. Das muß von irgendwelchen Beratern stammen: wiederhole wenn es sein muß immer und immer wieder die kritisierte Argumentation, bis die Kritiker aufgeben. So schafft man sich nicht nur lästige Hörer, sondern auch unbequeme Mitarbeiter vom Hals. Auch (ich behaupte: vor allem) wenn sie eigentlich die besseren ("ethischeren") Argumente haben.
Das ganze System gleicht einer Gummizelle: man prallt von den Wänden immer ab und ist automatisch dort, wo man von den Entscheidern gesehen werden will.
Die Ergebnisse der gesamtdeutschen Gummizelle sehen wir zunehmend eindrucksvoll in der Gesellschaft. Zu behaupten, daß West-Anstalten mit ihren Programmentscheidungen dazu maßgeblich beigetragen haben, wage ich mangels Detailkenntnissen nicht. Daß der MDR durch seine stupiden Programme seit Anbeginn, durch die offene Argumentation gegen Vielfalt, durch die Zurschaustellung der Massenideologie, durch die Demütigung der noch halbwegs kulturvollen Menschen in Ostdeutschland einen wesentlichen Beitrag zur Situation geleistet hat, halte ich hingegen für recht sicher.
Natürlich sind die Hörer, die ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigt bekommen, zuerst zur Handlung aufgefordert: nicht mehr einschalten. Solange der Rundfunkbeitrag ungeachtet dessen eingezogen wird, mag das in den Anstalten sogar zur Erleichterung führen. Ich behaupte aber: wenn die Öffentlich-Rechtlichen nicht mehr von den Privaten zu unterscheiden sind, haben sie sich ihre Existenzberechtigung verwirkt. Es reicht nicht, kritisierende Hörer (so die Kritik aus kulturellen, intellektuellen, ethischen Gründen erfolgt und von diesen Positionen aus nachvollziehbar ist) einzuladen um ihnen dann nochmal zu erklären, warum das Kritisierte künftig so zu sein habe, wie es nun ist. Es könnte sein, daß diese Hörer als Gebührenzahler berechtigte Ansprüche an die sie versorgende Rundfunkanstalt geltend machen können: hochwertiges Programm für ihr Geld. Und dieses hochwertige Programm wird - nicht nur beim hr - wenn, dann überhaupt nur noch auf der sogenannten "Kulturwelle" angeboten. Dort fehlen aber oft nicht nur Nischen, sondern große Bereiche der (Pop)kultur völlig, manchmal beschränkt es sich nicht einmal nur auf die Pop-Kultur. bei manchen Anstalten sieht es auch beim Thema "Gesellschaft" sehr finster aus: außer lauwarmen Kulturtipps nichts gewesen.
Die Popkultur hatte früher ganz selbstverständlich ihren Platz auf der Popwelle (außer beim MDR, versteht sich). Heute ist sie weg.
Oder provokant gefragt: warum sollte man Rundfunkgebühren zahlen müssen, wenn man am Ende doch nur ByteFM hört, wo Klaus Walter und Volker Rebell nun halt ehrenamtlich ihre Sendungen gestalten? Beim hr kann man ja, soweit ich mich erinnere, seit Jahren nichtmal mehr gelesene Nachrichten hören, dazu muß man auch auf den DLF oder den BR umschalten.
Irgendwas läuft doch da gewaltig in die falsche Richtung. Und ist nicht mit einer Gummizelle für die letzten, die noch etwas mitbekommen, zu beheben.
(Eigentlich ist die hier investierte Zeit wirklich völlig vergeudet. Es handelt sich ja
nur um eine Popwelle. Da geht man als halbwegs anspruchsvoller Mensch doch heute einfach dran vorbei, weil man eh nichts mehr erwartet.)