Kampf dem Konjunktiv?

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James

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Hallo, Szene.
Oft genug wird hier ja über NDR2 diskutiert. Hier eine Sache, die mir in den NDR2-Nachrichten besonders auffällt: Es gibt keinen Konjunktiv und somit auch keine indirekte Rede (zumindest keine grammatikalisch richtige). Habe jetzt keine Zitate auf Lager, aber grammatikalisch hört man dann Sätze wie, "Bundeskanzler Schröder forderte, dass die Mehrwertsteuer erhöht wird." Oder: "Außenminister Fischer sagte, die Situation im Irak ist unbefriedigend." Und es sind eben die News-Sprecher (nicht z.B. Korrespondenten), die das so bringen. Findet ihr das nicht bedenklich - immerhin nimmt der Sprecher so doch schon fast die Position desjenigen ein, den er eigentlich nur verlautbaren sollte?!
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

@James

Wo ist jetzt das Problem? Beide Beispiele sind grammatikalisch absolut korrekt.
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

Naja, der Feinsinnige möchte das: Außenminister Fischer sagte, die Situation im Irak ist unbefriedigend. natürlich so: Außenminister Fischer sagte, die Situation im Irak sei unbefriedigend. sehen. Andernfalls müsste es so: Außenminister Fischer sagte, "die Situation im Irak ist unbefriedigend". aussehen. ;) db
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

@ db > Da bin ich jetzt schon gespannt, wie die in die News klitzekleine O-Tönchen reinschnipseln und dann den Außenminister bitten gleich im Konjunktiv zu sprechen ... =)

Zurück zum Thema:
Wenigstens von den ÖR möchte man korrekte Deutch erwatten. :rolleyes: :p
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

@ keek: Wie schon der beobachter und auch denyo geschrieben haben: Wenn schon indirekte Rede, dann bitte mit dem Konjunktiv. Ansonsten eben mit "XY sagte wörtlich, bla bla bla".
@ denyo: Wieso muß bei O-Tönen der Außenminister beim O-Ton um den Konjunktiv gebeten werden? Dann isses doch korrekt, weil die der Außenministers mit eigener Stimme den Indikativ verkündet!
Im übrigen erwarte ich den Konjunktiv nicht nur von den ÖRs, sondern auch von den Privaten. Man sollte doch von Menschen, die mit Sprache arbeiten, erwarten können, daß sie auch einigermaßen sicher damit umgehen können. Und kommt jetzt nicht damit, daß bei den Privaten nur Volos und Praktis "das Wort haben". Oder ist PISA nur die Spitze des Eisbergs!?
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

Hmmm, hatten wir eine so ähnliche Diskussion hier nicht schon vor ein paar Monaten? Na egal.

Zunächst einmal: Die NDR2-Kollegen machen das natürlich nicht ohne Grund so. Dahinter steckt wohl die Überlegung, dass Konjunktiv nicht der Alltagssprache entspricht und deshalb auch im "Gespräch" mit dem Hörer zu vermeiden ist.

Diese Überlegung halte ich für richtig.

Ich persönlich benutze gerne Umschreibungen, mit denen sich die indirekte Rede vermeiden läßt. In Deinem Beispiel wäre das: "Außenminister Fischer hält die Lage im Irak für unbefriedigend." Das ist absolut Dudenkonform.

Ich weiß: Streng genommen ist es aus journalistischer Sicht aber auch nicht korrekt. Immerhin gibt es ja folgende Möglichkeit: Fischer findet in Wirklichkeit alles im Irak ganz toll - aber weil er weiß, dass das nicht gut ankommt, will er eine andere Meinung veröffentlicht haben.

Den Konjunktiv benutze ich in absolut grenzwertigen Situationen, sozusagen bei "Propaganda"-Verdacht: Bei Streit-Themen, bei denen man davon ausgehen kann, dass die Zitierten ein unverhältnismäßig großes Interesse daran haben, dass die Lage genau so wie von ihnen beschrieben wahrgenommen wird. (Wahlkampf-Statements z.B.)
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

Über bestimmte Sprachtermini zu sagen, sie würden nicht nicht der Alltagssprache entsprechen, halte ich für schwachsinnig. Und zugegebenermaßen kann ich mit dem Begriff "Alltagssprache" auch überhaupt nichts anfangen! Was fällt unter "Alltagssprache" und was nicht? Direkt übersetzt: Äußerungen, die (nicht) im alltäglichen Leben verwendet werden. Welche sind das denn genau?

Sorry, aber davon halte ich überhaupt nichts.

Schau meinen ersten Satz an, und du siehst, dass der Konjunktiv allgegenwärtiger ist als du denkst. Auf indirekte Rede (und da sind wir beim eigentlichen Thema) trifft das allerdings nicht zu. Aber wie der Begriff schon verrät, handelt es sich dabei um die Wiedergabe eines Standpunktes, der wahr oder falsch sein mag oder auf die Meinung des Redenden referiert. Die Aufgabe der Medien ist es, diese Rede/Meinung so wiederzugeben, dass sie als Meinung bzw. als Standpunkt auch so erkannt wird.

Ich finde es daher sehr schade, dass die indirekte Rede (in den frühen Schuljahren gelernt) von ausgebildeten Redakteuren nicht (mehr) verwendet wird. Wofür haben wir sie dann? Natürlich erkennt der Hörer den Inhalt auch bei solch einem "Gemisch" wie <i>Er meinte darauf, er ist sehr müde"</i>, aber a) wie klingt das? b) ist es einfach falsch und c) bestätigt es den Niedergang der deutschen Sprache. Schade.
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

Meiner Meinung nach ist die Antwort völlig korrekt in den Statements von Beyme und Der Beobachter zu finden.
Wen ich den im Umgangston nicht so gebräuchlichen Konjunktiv meiden will, dann muß ich die Sache anders formulieren. Ich glaube, daß man in den Nachrichten schon auf solche Feinheiten achten sollte. Bei Moderationen ist es wohl nicht so zwingend. Am besten ist man übrigens raus, wenn man die Otöne hat. Dann muß man nichts irgendwie zitieren. Ich persönlich verwende die Konjunktiv-Formulierungen am liebsten bei sehr einseitigen Statements von Politikern oder anderen Interessenvertretern, damit wird wenigstens klar, daß es sich um eine Sicht (von mehreren!) auf eine Sache handelt. Ansonsten kann man nach Quellenlage entscheiden. Spricht die Polizei in einer PM nach einem Unfall von einem Toten, dann kann man ruhig darauf verzichten zu sagen "...es habe einen Toten gegeben" hier ist m.M.n. die Formulierung "...es hat einen Toten gegeben" schon okay

tschööö :cool:
 
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Nomos, passt. Allerdings ist Coldplays Bemerkung nicht ganz unwichtig: Indirekte Rede und Konjunktiv sind Unterschiedliches, auch wenn ihre Bildung identisch ist. db
 
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Also, der Gebrauch des Indikativs in der indirekten Rede ist nach der Rechtschreibreform zulässig, deshalb sind die o.g. Beispiele auch korrekt. Ich gebe allerdings zu, dass auch für mich diese Form etwas gewöhnungsbedürftig ist (zumal man ja auch möglicherweise vorhandene Anführungsstriche nicht hören kann).
 
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Wo er recht hat, der Keek...

Allerdings ist das mal wieder ein Grund, das Mannheimer Großwerk in die Tonne zu kloppen. :D db
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

Keek: Ui, das wusste ich nicht... aber klingen tut's schon schräg :D

Nomos: Stimmt alles, ich hab meine ganze (Schreib-)Wut auch nur darauf beziehen wollen, was dieses "Gemisch" (das laut Keek korrekt <b>sei</b> :p) angeht - das klarzustellen ist mir nicht so gut gelungen, ich geb's ja zu... Ich fände es allerdings wirklich schade, wenn sich eine solche Form durchsetzen würde.
 
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Ich finde diese Form nicht mal so unlogisch (auch wenn sie noch so ungewohnt für unsereins ist, weil in den "frühen Schuljahren gelernt" :p )

Letztlich ist ja mit der Einleitung "xy sagte" bereits die Einordnung des Nachfolgenden als Zitat erfolgt, egal ob das nun in Anführungsstrichen steht oder nicht. D.h. die von uns erlernte Form, dies noch in den Konkjunktiv (oder in Schriftform eben in besagte Strichchen) zu setzen, ist im Grunde genommen doppelt gemoppelt.

Da die Rechtschreibreform allerdings beide Möglichkeiten zulässt, fände ich den Gebrauch des Konjunktivs (gerade wenn es sich um gesprochenes Wort handelt) in der Tat eleganter.

Sehen wir uns aber besser als aussterbende Spezies an: In 50 Jahren wird niemand mehr so schöne Verben wie "gelänge", "träfe", "fürzte", "schlüge" oder "sähe" kennen. ;)
 
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Also, der Gebrauch des Indikativs in der indirekten Rede ist nach der Rechtschreibreform zulässig
DAS würde mich allerdings sehr wundern, denn wie der Name schon sagt, ist es eine RECHTSCHREIBreform und keine solche der Grammatik. Kannst Du das belegen, Keek?

Generell sind Nachrichtenmenschen in Deutschland leider gern bereit, Äußerungen als Tatsachen hinzustellen. Wenn einer zum Beispiel meldet, "Der Bundeskanzler gab seiner Erleichterung darüber Ausdruck, ...", dann nimmt er es als gegeben hin, daß der BK tatsächlich erleichtert ist. Dabei muß das doch gar nicht stimmen...

In den angelsächsischen Ländern wird man solche Vermischungen nicht finden, da wird viel genauer differenziert und selbst die indirekte Rede findet kaum statt. In den meisten Fällen sagt man dort, "Chancellor Schroeder said, quote, "I am relieved, ...".

Das mag im Deutschen unnötig sperrig klingen, muß man durchaus nicht so machen, aber auf die indirekte Rede darf meines Erachtens keinesfalls verzichtet werden.
 
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@makeitso

Kaum zu glauben, aber wahr: Obwohl die Rechtschreibreform laut ihrer Bezeichnung sehr eingeschränkt wirken mag, wurden auch Teile der Grammatik reformiert, z.B. auch Zeichensetzung, Silbentrennung etc.

Hab jetzt gerade nochmal rumgeforscht, aber leider den Link nicht mehr gefunden, unter dem die Konjunktiv-Regeln so schön beschrieben waren.

Allerdings streiten sich Sprachwissenschaftler darüber, ob denn die o.b. Regel lediglich für die Schriftform zu gelten habe, da sie im gesprochenen Wort misverständlich sei. Und wie gesagt, richtig elegant klingt es in der Tat nicht.
 
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@ nomos: Schon ein wenig her, Dein Statement, aber noch was zur PM der Polizei: In solchen Fällen behelfe ich mir mit Formulierungen wie "Nach Polizeiangaben gab es xy Tote".
Auf diese Weise wird die indirekte Rede/ der Konjunktiv umgangen. Es wäre auch möglich zu sagen, "nach Ansicht von Außenminister Fischer ist die Lage im Irak unbefriedigend."
Dagegen finde ich "Außenminister Fischer sagte, die Lage im Irak ist unbefriedigend" klingt so, als unterstütze der News-Redakteur die Meinung Fischers.
Das Argument "mehr Alltagssprache in die Nachrichten" kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Gerade die Nachrichten sollten sich in sprachlicher Hinsicht von der Alltagssprache (der Moderatoren) abgrenzen.
 
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@James:

Alltagssprache garantiert Verständlichkeit. Warum soll es da einen Unterschied zwischen News/Moderation geben?

Die SprecherROLLE sollte natürlich eine andere sein - großer Unterschied. (Nebenbei verhindert die Wahl der richtigen Rolle ein Abgleiten in Gossen-Slang.)
 
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@ Beyme: Ich hatte eine News-Kollegin, die alles wirklich auf die Alltags- (Umgangssprache) reduziert hat. Bei ihr hätte das Beispiel Fischer/ Irak so gelautet:
"Jeden Tag sterben im Irak weiter Menschen bei Anschlägen, auf den Straßen regiert das Chaos. Auch Außenminister Fischer äußerte sich in Berlin zu den Zuständen in dem arabischen Land. Tenor: Er findet die Lage alles andere als gut..."
Ich beobachte auch, daß die ZDF-heute-Sendung mehr und mehr diesen Stil übernimmt. Die Meldung wird dadurch länger, ein Nachteil gerade bei Radio-Nachrichten (die ja kurz sein sollen, um die Musik möglichst wenig mit störendem Wort zu unterbrechen).
Und ich denke schon, daß der Hörer auch ein "gehobenes" Sprachniveau noch verstehen wird, solange es keine ausufernden Sätze oder unnötige Fremdworte gibt.
 
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@Beyme: 100% Support. Hatte heute viel Spaß damit dem Hörer den Begriff "Schmauchspuren" alltagsverständlich näher zu bringen... laut Polizeiaussage sogar richtig.Wow!
 
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@ James:
Es wäre auch möglich zu sagen, "nach Ansicht von Außenminister Fischer ist die Lage im Irak unbefriedigend."
Damit würde dann allerdings eine Aussage von Fischer als Tatsache dargestellt. Wer weiß denn schon, ob er die Lage tatsächlich unbefriedigend findet, oder ob er das nur sagt? Siehe dazu mein Postoing weiter oben zu den Gepflogenheiten in GB und USA.
 
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Nachrichten auf NDR2 oder Bayern3 sind abgespeckt auf die begrenzte Aufnahmefähigkeit der Hörer solcher Wellen: RICHTIGE ausführliche und grammatisch korrekte Nachrichten gibt es bei NDR info, B5aktuell oder ganz klassisch beim guten alten Deutschlandfunk - bis zu 10 Minuten am Stück vom Sprecher OHNE inhaltliche, sprecherische und grammatische Fegler.. altmodisch aber richtig gut.. und sogar MIT KOnjunktiv " Aussenminister Fischer sagte, die Lage im Irak sei seines Erachtens unbefriedigend"!!!
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

Sehr richtig, Makeitso. Das mag grammatisch durchgehen, aber wenn wir uns so sehr an den Hörgewohnheiten orientieren, wofür ich viel übrig habe, dann müssen wir auch berücksichtigen, dass ein solcher Indikativ beim Hörer eben weniger als Meinungsäußerung Fischers hängenzubleiben droht, als vielmehr als Tatsache. Gerade in solchen Dingen kann man mMn gar nicht vorsichtig genu sein und eine solche Äußerung überdeutlich als Meinung darstellen. "Außenminister Fischer ist der Meinung, die Lage im Irak sei unbefriedigend". Sollte das zudem wirklich unverständlich sein? Erwartet der Hörer vom Nachrichtensprecher "seine" Sprache? Wenn wir auch sprachlich Erwartungen des Hörers erfüllen sollen, dann ist die hundertprozentige Entscheidung für seine Alltagssprache möglicherweise ja auch eine Fehlentscheidung. db
 
AW: Kampf dem Konjunktiv?

der beobachter schrieb:
Sollte das zudem wirklich unverständlich sein? Erwartet der Hörer vom Nachrichtensprecher "seine" Sprache? Wenn wir auch sprachlich Erwartungen des Hörers erfüllen sollen, dann ist die hundertprozentige Entscheidung für seine Alltagssprache möglicherweise ja auch eine Fehlentscheidung. db

Dazu Wolf Schneider, Journalist und Sprecherzieher:
"...Wir alle mögen Sprachprodukte, die selber herzustellen wir uns nicht zutrauen können. Wer Gedichte liebt, kann sie meist nicht schreiben. 98% derer, die über Harald Schmidt lachen, wären ihm sprachlich nicht gewachsen!..." Letzteres manifestiert sich häufig gerade in diesem Forum!
 
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