Kirchliches Internetradio

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Hallo! Mein Name ist Daniel, ich bin 19 Jahre alt und arbeite zur Zeit als Volontär beim Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland, mit Sitz in Düsseldorf.

Der Medienverband plant einen Internetradiosender ins Leben zu rufen, der Jugendliche und junge Erwachsene mit News von "Gott und der Welt" versorgt. Das heißt es geht um christliche Werte und den Glauben im allgemeinen. Ich bin damit beauftragt worden zu recherchieren, ob ein solches Projekt eine Zukunft hätte.

Jetzt also meine Frage:
Was müsste ein solcher Sender anbieten, damit er gehört wird?
Welche Musik müsste gespielt werden? Müsste es einen Live-Moderator geben?
Ist zur Zeit des Web2.0 ein 24h Programm Pflicht?

Ich kann jedes Statement gebrauchen!
 
AW: Kirchliches Internetradio

24h Programm dürfte mit einem Automaten das geringste Problem sein. Die Frage ist, ob 24/7 moderiert sein soll.

Folgende Fragen sind sicher schon durch die Leitungsgremien (Synode, Oberkirchenrat...) der ekir geklärt:
Was wollen wir mit diesem Webradio erreichen? Wen wollen wir erreichen?
Wie ist das Nutzerverhalten der bereits existierenden Sender (z.B. in Astra Digital fallen mir spontan 3 deutschsprachige und 1 englischsprachiges 24/7 TV-Programm und einige Radiosender ein) oder der Strecken in anderen Sendern (ERB bei bw.family oder die entsprechenden Angebote in Zusammenarbeit mit den ÖR?). Wie werden die asynchronen Angebote wahrgenommen (Podcast-Zusammenfassung der EKD, eigene Angebote der Gliedkirchen der EKD)?

Ich schließe jetzt aus der aktuellen Diskussion, die ich hier innerhalb einer anderen EKD-Gliedkirche mitbekomme und Deinem Alter, dass die Zielgruppe die Menschen sind, die man zwischen Konfirmation (wenn überhaupt) und Trauung nicht mehr in der Kirche sieht. Sicher ist ein solcher Websender NICHT dafür gedacht, die bereits gut organisierten Jugendlichen (Jugendgruppenmitarbeiter, Bandmitglieder, CVJM...) zu erreichen - die sind ja auch für die "traditionellen" Angebote der Kirche erreichbar bzw. werden durch ihre Einbindung erreicht.

Also begibt man sich mit einem solchen Projekt in die selbe Zielgruppe wie viele ÖR- und Privatanbieter. Herzlich Willkommen im Haifischbecken. Mit Sinus-Millieus hast Du Dich schon beschäftigt?

Man hat die Wahl zwischen einem bewusst kichlichen (dann aber wieder konservativ? liberal? missionarisch? bildungsorientiert?...) Angebot, das dann aber sicher nicht die "Dauernebenherhörwebradiostation" wird und damit dann wohl als asynchrones Angebot (Podcasts...) sinnvoller sind oder einem Mainstreamprogramm, in dem die kirchliche Prägung unterschwellig, homöopathisch u.s.w. eingestreut wird.
Allein die Frage der Musikauswahl - was bedeutet kirchlich orientiert? Nehme ich die Charts um an der Stelle so zu sein wie alle anderen im Becken - nehme dann aber in Kauf, dass einiges, was da so läuft sich mit kirchlichen Botschaften nicht verträgt. Oder suche ich mir Material aus, bei dem ich irgendwie einen kirchlichen Bezug herstellen kann? (Und sei es das Taizé-Kreuz um den Hals unserer ESC-Siegerin). Manche Dinge sind sicher auch gut hörbar, aber vieles ist auch Sakro-Pop, wo bei Dauerbeschallung die Grenze zwischen der Akzeptanz des freien Christenmenschen und einem vorsätzlichen Versuch von Gehirnwäsche zur Verbreitung der frohen Botschaft eindeutig überschritten ist.

Die Mitarbeit der Kirchen in den existierenden Medien halte ich für viel sinnvoller. Glaube (Kirche) soll ja auch nicht als ein Ding neben Beruf, Hobby... stehen, sondern das ganze Leben durchziehen.

Ich halte so ein Unterfangen für zum Scheitern verurteilt. Die Dinge, die gut und hörenswert sind, sind es Wert, als Podcast über die bekannten Kanäle zur Verfügung gestellt zu werden, den Rest kriege ich bereits jetzt 24/7 frei Haus per Satellitenschüssel ins Haus.
 
AW: Kirchliches Internetradio

Hallo Daniel,

das ist ein schwieriges Unterfangen - wenn ihr es macht, ist es mutig, wenn ihr es nicht macht, realistisch. Das ist zwar hart, aber - wem schreibe ich das - so ist das Leben nun mal. Für einen Christen sicherlich leicht nachvollziehbar: Die Leiden Christi in den Zeiten des Web 2.0, wenn ich das mal etwas locker formulieren darf.

Im wesentlichen möchte ich mich dem StageManager75 anschließen: 24/7 ist, rein technisch betrachtet, nicht das Problem. Und Live-Moderation kommt grundsätzlich immer besser als vorproduzierte Beiträge. Betrachte hier den Begriff "podcast" ruhig mal als Damoklesschwert: Warum etwas live einschalten, wenn ich es mir runterladen kann (und dann muss ich es erst mal überhaupt wollen!).

Auch die Ausrichtung und die Inhalte betreffend, musikalisch wie redaktionell, sehe ich ähnliche Probleme wie StageManager75. Der hat das schon ganz gut ausgearbeitet. Die Bandbreite ist derart groß, dass ein Spagat unmöglich (und auch nicht empfehlenswert) ist, und bei einer - mutigen! - Positionierung kann man sich ganz schnell mal verrennen.

Die Frage ist: Wen wollt ihr wie erreichen? "Jugendliche und junge Erwachsene".
Hm. Dazu ein paar gegensätzliche Erfahrungen von mir.
  1. Ab der Konfirmation, die den Jugendlichen noch sehr stark an die Kirche bindet, über die Volljährigkeit bis zur (kirchlichen) Trauung nimmt nach meinen Beobachtungen die kirchliche Aktivität und der gelebte Glaube progressiv ab. Die Menschen tragen den Glauben vielleicht noch in sich, aber sie wenden sich von der Kirche generell und, sorry, von der "Amtskirche" im speziellen, ab. Im günstigsten Fall werden sie von der so genannten freien Kirche bzw. freien Gemeinden aufgefangen. Ob für die ein EKD-Internetradio cool wäre? Wohl kaum. Das braucht mindestens eine Konfirmanden-Generation, die am Radio kleben bleibt (und das ist in den heutigen Zeiten sehr schwierig).

  2. Ich wurde mal Zeuge einer Internetradio-Talksendung mit Zuhörerbeteiligung, die sich um christliche Fragen drehte. Das Interesse war groß, die Beteiligung rege. Es waren überwiegend junge Menschen, aber von dem, was ich raushörte, war keiner ein "EKD-Christ" (wenn man das so bezeichnen darf) - sie hatten ihren Glauben woanders gefunden, wenn auch christlich.

  3. In der eigenen Familie der gleiche Fall: Aus der Kirche ausgetreten, aber später seinen Glauben in einer freien evangelischen Gemeinde gut aufgehoben gewusst, und dort ist er aktiver denn je.
    Der Witz daran ist: Die haben schon ein Radio mit einem Programmschema und einer -vorschau. Das wird gehört, teilweise auch in minderer Qualität. Für einen Teil der potenziellen Schäfchen ist dieses Feld also bereits besetzt.

  4. In meiner Umgebung lese und höre ich etwas von Sparzwängen. Gut, wer hat die nicht? Dennoch: Wenn ich als evangelischer Christ auf der einen Seite in der Zeitung über die geplante Schließung von Gotteshäusern bzw. Zusammenlegung von Gemeinden sowie der etwas unkonventionellen Vermietung von Gotteshäusern zum Zwecke der Kostendeckung lesen muss und auf der anderen Seite ein Internetradio angeboten wird, um mich als Christ zu erreichen, dann fühle ich mich, gelinde gesagt, hinters Licht geführt. Vor Ort muss die Kirche (räumlich, durchaus, ja!) Abstand zu mir nehmen, andererseits sucht sie den Kontakt zu mir durch das Internet.
    Nun muss ich zugeben, kein Jugendlicher bzw. junger Erwachsener zu sein, aber ist der Rückzug in die virtuelle Welt tatsächlich das, was die Konfirmanden heute lernen? Ist es das, weshalb sie nach der Konfirmation den Anhänger mit dem Kreuz mit Stolz tragen? Vielleicht komme ich da etwas altbacken rüber für einen 19-jährigen, aber für mich bedeutet "Gemeinde" immer noch "reale Gemeinschaft". Ein Webradio kann hier unterstützen und hinführen - aber nicht, wenn sich die reale kirchliche Gemeinschaft zugunsten der virtuellen Präsenz auf dem Rückzug befindet. Das ist für mich unglaubwürdig. Die jungen Menschen mögen das anders sehen, vielleicht, ja. Ich nicht. Und das, obwohl ich noch nicht einmal Christ bin (nicht mehr, aber das schon seit sehr langer Zeit)!
Das angedachte Webradio kann eine großartige Chance für eine neue Generation sein - oder grandios scheitern. Ihr müsst wissen, wo ihr euch positionieren wollt. Bedenke auch, dass gewisse Teile schon recht erfolgreich besetzt sind; es wäre also ein Kampf um die Hörergunst und einer muss dabei zwangsläufig verlieren.

Mit einem Mischmasch erreicht ihr niemanden. Mir persönlich gefällt die Idee von den "homöopathischen Dosen" recht gut - wer ständig mit christlichen Botschaften konfrontiert werden möchte, findet meiner Meinung nach sein Angebot bereits.

Hörtipp: Kennst Du den Thread "Aircheck bzw. Streamcheck für Internetradio-Moderatoren"? Da hat sich mal ein Kollege von Radio Bethel mit einem Aircheck vorgestellt. Hör da mal rein und frag' Dich dann nach Deinem Empfinden. Wäre mal spannend zu wissen, wie das bei einem jungen Erwachsenen ankommt. ;)
 
AW: Kirchliches Internetradio

Eine loebliche Idee und dank mitteilungsfreudiger Interviewpartner und der vielen Facetten christlicher Musik und des christlichen Lebens ist solch eine Station auch relativ einfach mit Inhalten zu fuellen. Aaaber... die Zukunftsaussichten sind mau! Realistisch waere eine Zusammenarbeit mit dem ERF!
 
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Steht doch im Eingangsposting: Jugendliche und Junge Erwachsene.
Da das Christentum auch missionarisch ausgerichtet ist, kommen nicht nur Millionen Internetuser mit christlichem Hintergrund infrage, sondern auch jeder andere Jugendliche, der sich fuer Webradio interessiert!
 
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Steht doch im Eingangsposting: Jugendliche und Junge Erwachsene.
Da das Christentum auch missionarisch ausgerichtet ist, kommen nicht nur Millionen Internetuser mit christlichem Hintergrund infrage, sondern auch jeder andere Jugendliche, der sich fuer Webradio interessiert!

Ok, aber dann ist es doch so ziemlich dieselbe Zielgruppe wie alle anderen Webradios auch. Und allein mit christlichem Inhalt lockt man doch wohl die wenigsten jungen Leute vors Radio. Das sollte klar sein. Somit wird dieses Projekt mit allen bereits vorhandenen Webradios konkurieren. Und Qualität siegt. Deshalb würde ich sagen: Ausprobieren!
 
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  2. Ich wurde mal Zeuge einer Internetradio-Talksendung mit Zuhörerbeteiligung, die sich um christliche Fragen drehte. Das Interesse war groß, die Beteiligung rege. Es waren überwiegend junge Menschen, aber von dem, was ich raushörte, war keiner ein "EKD-Christ" (wenn man das so bezeichnen darf) - sie hatten ihren Glauben woanders gefunden, wenn auch christlich.
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  3. In meiner Umgebung lese und höre ich etwas von Sparzwängen. Gut, wer hat die nicht? Dennoch: Wenn ich als evangelischer Christ auf der einen Seite in der Zeitung über die geplante Schließung von Gotteshäusern bzw. Zusammenlegung von Gemeinden sowie der etwas unkonventionellen Vermietung von Gotteshäusern zum Zwecke der Kostendeckung lesen muss und auf der anderen Seite ein Internetradio angeboten wird, um mich als Christ zu erreichen, dann fühle ich mich, gelinde gesagt, hinters Licht geführt. Vor Ort muss die Kirche (räumlich, durchaus, ja!) Abstand zu mir nehmen, andererseits sucht sie den Kontakt zu mir durch das Internet.
    Nun muss ich zugeben, kein Jugendlicher bzw. junger Erwachsener zu sein, aber ist der Rückzug in die virtuelle Welt tatsächlich das, was die Konfirmanden heute lernen? Ist es das, weshalb sie nach der Konfirmation den Anhänger mit dem Kreuz mit Stolz tragen? Vielleicht komme ich da etwas altbacken rüber für einen 19-jährigen, aber für mich bedeutet "Gemeinde" immer noch "reale Gemeinschaft". Ein Webradio kann hier unterstützen und hinführen - aber nicht, wenn sich die reale kirchliche Gemeinschaft zugunsten der virtuellen Präsenz auf dem Rückzug befindet. Das ist für mich unglaubwürdig. Die jungen Menschen mögen das anders sehen, vielleicht, ja. Ich nicht. Und das, obwohl ich noch nicht einmal Christ bin (nicht mehr, aber das schon seit sehr langer Zeit)!

Zum Sparzwang: Der Trick ist einfach: Um 10 k EUR einzusparen wird in der Fläche 20 k eingespart und dafür ein zentrales Projekt für 10 k EUR gestartet. Dann packt man noch Schlagworte wie Web 2.0 dazu und fertig.
Ich stimme Dir vollständig zu. Ein Rückzug in die virtuelle Welt kann nicht die Lösung sein. Doch sind es die Jugendlichen, die da etwas lernen? Sind es nicht die Erwachsenen, die beim den Jugendlichen auf den Mund Schauen sich beim Lippenlesen verlesen haben? Glauben wir denn, dass es Maßstäbe, Vorbilder, Ziele setzt, wenn man sich in Inhalt und Form dem anpasst, was man bei den Jugendlichen vorfindet? Und dabei auch noch recht einseitig überzeichnet?
Meine Theorie für den Beobachtungsfehler mag abstrus sein; Erwachsene unterhalten sich den ganzen Tag höchstens mal in der Kaffeepause über Privates - im Beruf ist man selten ganz sich selber. Viele würden sogar von sich behaupten, dass ihr Leben weitgehend außerhalb der Arbeitswelt stattfindet. Und weil Jugendliche sich in der Zeit gerne zurückziehen und mit dem Internet hantieren extrapolieren wir Erwachsenen, dass auch bei Jugendlichen das Leben (nur) dort stattfindet. Aber für einen Schüler findet das Leben zunehmend in der Schule statt (wir sind ja gerade dabei, die Ganztages-Schule als das alleinseligmachende Mittel hochzustilisieren). Und den Bereich erreiche ich mit Webradio und TV überhaupt nicht. Aber mit guten Religionslehrerinnen und -Lehrern, die auch das Vertrauen als Schulseelsorgerinnen und -Seelsorger wahrnehmen und wahrnehmen können. Die ihren Platz im Schulalltag haben.

Das mit der Talksendung würde ich übrigens nicht als Beleg verwenden, dass die "EKD-Christen" (Deiner Definition nach gehöre ich zu diesen und bin beileibe keine Karteileiche) sich da nicht so zu Wort melden. Die Bandbreite von persönlichen Frömmigkeitsstilen und damit zusammenhängender Mitteilsamkeit in persönlichen Glaubensdingen ist riesig. Das bildet sich ja auch in der sehr vielfältigen Landschaft der evangelischen Kirchen ab. Es gibt Menschen, die sind mitteilsamer - und vielleicht kommt denen der Stil von evangelikalen freikirchlichen Gemeinden mit der starken Betonung der eigenen Glaubensleistung eben eher entgegen. Daher halte ich es für einen rein statistischen, aber nicht ursächlichen Zusammenhang. Noch eher sehe ich einen Zusammenhang zwischen Hörerstruktur einer solchen Sendung und den entsprechenden Anrufern.

An Chapri: Alle ev. Landeskirchen arbeiten mit dem ERF in irgend einer Weise zusammen. Und gerade deshalb finde ich die Idee Murks. Was wäre denn das Alleinstellungsmerkmal eines Webradios der EKIR gegenüber Bibel.tv und dem ERF mit seinem TV- und Radioprogramm? Noch mehr Strecken mit Automat? Ein Projekt, das ins Leben gerufen wurde mit dem Versprechen, dass es nur einmalig Projektmittel benötigt und dann entweder sang- und klanglos einschläft oder dann doch wieder reguläre Haushaltsmittel braucht, die nach der oben skizzierten Formel in der Fläche wegfallen?

An Meister Roehrich: Ich muss dir Recht geben. Christliche Inhalte sind selten geeignet als Dauerunterhaltung - und dazu werden wohl die meisten Radiosender eingeschaltet werden. Warum sollte der Medienverband der EKIR seinen Radiosender besser machen? Die EKIR hat doch genug Möglichkeiten, sich im ERF einzubringen. Dann kann das Bessere in vorhandener Infrastruktur umgesetzt werden. Es braucht keinen 1000sten Internetsender, der ggf. noch weniger Hörer in der Woche hat als in zwei schlecht besuchten Sonntagsgottesdiensten sitzen.
 
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