Knistern Schallplatten beim Rundfunk nicht?

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Meine Aussagen betreffen nur den NDR, das hätte ich vorausschicken sollen. Ich war zum Beginn meiner Ausbildung im Rahmen einer Führung einmal im Archivkeller mit dem Archivleiter, der hat uns erklärt dass Vinylplatten durchaus im Archiv gelagert werden, allerdings unkatalogisiert. Das heisst, Recherche ging nur per Pedes, die Regale ablaufend. Hat kaum einer gemacht.
Im DLF waren alle Platten von Anfang an in einer Handkartei katalogisiert; etwa Mitte bis Ende der 80er gab es dann eine große Digitalisierungsaktion, bei der die Karteidaten in ein EDV-System übertragen wurden. Ungefähr 1992 sagte jemand aus dem Funk zu mir, die große Digitalisierung sei „jetzt abgeschlossen“. Singles lagerten übrigens in speziellen Drehschränken, LPs ganz normal in Regalen. Irgendwo habe ich noch ein Interview aus der zweiten Hälfte der 80er, in dem Christel Kappen vom DLF-Archiv über den seinerzeitigen Bestand (Anzahl Platten/Bänder) und über die Recherchemöglichkeiten (Beginn der Karteidigitalisierung) berichtet.
 
Allerdings könnte der Grund dafür auch sein, dass das Archiv die ursprünglich vorhandenen Senkel sukzessive durch CDs ersetzt hat. Der Unterschied im Platzbedarf ist ja nicht unerheblich - Bandkarton mit Einzeltitel gegenüber CD mit dem kompletten Album.
Anekdote am Rand: auf manchen CDs die das Archiv ausgab, klebte noch ein Preisetikett eines örtlichen Elektronikfachmarktes.
Sehr richtige Bemerkung, was das Archivwesen angeht. Genau ab dieser Zeit schlichen sich dadurch unzählige Re-Recordings und industriell auf CD "gemasterte" Umschnitte von Vinyl samt Knistern in die Programme. Etliche davon werden leider bis heute gesendet. Wer kennt schon noch das "Original". Aber diese Thematik hatten wir an anderer Stelle schon ausführlich.
 
@count down auch eine sehr richtige Bemerkung - im Archiv beim Stern sind von vielen Tonträgern tatsächlich auch die unterschiedlichen Veröffentlichungen (um nicht Pressungen zu schreiben) vorhanden. Es macht sich aber in den Wellen kaum einer die Mühe, alte Versionen durch neue auszutauschen, selbst wenn letztere eine technisch bessere Qualität haben.
Ich tausche im Einzelfall schon mal einen Titel im Wellensystem aus, wenn der mir ohrenfällig "spanisch" vorkommt und eine bessere Fassung zu haben ist.

Die Musikbestände in den Wellensystemen sind, was den Quellträger angeht, sehr heterogen. Da es keinen automatisierten Abgleich mit dem Archiv gibt, existieren z.B. digital zugelieferte Oldies einer Neuveröffentlichung neben originär neueren Titeln, die seinerzeit selbst von CD ins System (analog!) eingespielt wurden, und da tauchen vereinzelt technische Fehler auf die man eigentlich nicht erwartet - Stereotitel in mono, Phasenlagenfehler, Frequenzgangsfehler sind mir schon untergekommen.
 
Zu den Anteilen einzelner Tonträger in der Sendung hier einmal ein wahlloses Beispiel einer für die damalige Zeit typische Wort-Musik-Sendung:

Hessischer Rundfunk, 1. Programm, „Guten Morgen allerseits“ vom 18. Dezember 1985, 6:10 bis 8:00 Uhr (110 Minuten brutto).
  • 37 Titel insgesamt (mit Standby), davon
    • 27 vom Band, davon wiederum
      • 5 Eigenproduktionen,
      • 6 Übernahmen von Eigenproduktionen anderer ARD-Anstalten und
      • 16 Industriebänder,
        • 2 davon nicht aus dem GVL-Repertoire,
    • 10 von Industrieschallplatte, alle GVL-Repertoire:
      • 1 Single, 9 Langspielplatten.
Diese Verteilung ist natürlich völlig zufällig, der Schallplattenanteil konnte durchaus zwischen null und neunzig Prozent variieren. Trotzdem spiegelt das aber in etwa so eine durchschnittliche Sendung jener Zeit wider.

Nettospielzeit ohne Standby (2'35") ist 103'36", allerdings gab es dazwischen noch Moderationen, Werbefunk, eine Rundschau aus dem Hessenland, zweimal Nachrichten mit Wetter und einen Frühkommentar.

[Leerzeilen gehen hier wohl nicht. Na, Ihr werdet’s schon lesen können.]
 
Wer heute noch nostalgisches Knacken und Knistern hören möchte, sollte mal Radio Rebelde aus Havanna einschalten. Dort gibt es jeden Morgen zwischen 06:00 und 07:00 Uhr, während der Sommerzeit zwischen 07:00 und 08:00 Uhr, eine Sendung mit traditioneller kubanischer Musik - dort knistert und knackt es mächtig, so dass man das Gefühl hat, es könnte vom Grammophon kommen. Ist aber wahrscheinlich doch eher Schallplatte. Beim ebenfalls aus Havanna stammenden "Radio Progreso" ("Radio Fortschritt") gibt es ebenfalls solche Sendungen, z.B. morgens ab 09:00 Uhr mit traditioneller mexikanischer Musik, da knackt und knistert es ebenfalls mächtig :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Man könnte auch für Sendungen zu Nostalgiezwecken saubere Aufnahmen mit Knistern und Rumpeln unterlegen. Schon klänge es bedeutend wärmer und "wie damals".
grins.gif
 
Und woher bekommen wir das? Wir entnehmen es der Vorhörfunktion unserer Restaurierungssoftware!

Ging es hier nicht darum, daß es nicht knistern soll?


P.S.: Izotope Vinyl kenne ich. Aber das ist doch künstlich!
 
Um die Threadfrage zu beantworten:

Und ob knisterten Schallplatten im Hörfunk, hin und wieder blieb auch mal eine hängen. Ich habe selbst genug davon live gespielt, auf den üblichen Studio-Plattenspielern EMT 930, 950, 948 und 938. Vor allem beim Vorhören über Kopfhörer bekam man es besonders gut mit. Wenn man als Hörer genau aufpasste, war auch ein Knistern zu hören, ich erinnere mich noch an SWF3. Es war nicht drastisch, die schwarzen Scheiben wurden schon pfleglich behandelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mal abgesehen davon, daß im DDR-Rundfunk praktisch nur (Industrie-)Bänder liefen, habe ich früher bei NDR2 & Co kaum Plattenknacken wahrgenommen. Bisher dachte ich, daß man vor der CD beim Rundfunk sowas - vollkommen analog - benutzt hat:

SAE 5000 Impulse Noise Reduction System

Einfach mal googeln. VT hat auch Vorführvideos.
 
Dass Platten liefen, war gerade innerhalb von reinen Musiksendungen üblich, insbesondere, wenn diese durch die Musikredakteure komplett selbst gefahren wurden. Hörprobe von 1990 anbei.

PS: Ja, ich weiß... Läuft 0,1 % zu langsam... ;)
 

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  • Ausschnitt WDR2 Oldieshow 18.11.1990.mp3
    1,6 MB · Aufrufe: 27
Auf dem Wege bis zum Ohr des gemeinen UKW-Hörers konnte noch viel passieren.
@count down, Ich hatte in den 80ern einen optimalen UKW-Empfang. Beim Ausklang der Musiktitel war ein seidiges Rauschen wahrnehmbar, das nach der Musik in der Moderation dann weg war. Das kann m.E. nur vom Band kommen. Evtl. war das keine "Professionell... hergestellte Kopie ". Es wurden damals ja auch Sendungen auf Band vorproduziert. Ich erinnere mich beispielsweise an den "Hitcontainer" des HR, der für so manches Feiertagsprogramm vorproduziert wurde.

Was hier noch nicht zur Sprache kam:
  • Auch auf diversen Schallplatten war das Rauschen vom Masterband zu hören.
  • Es traten teils brutale Abtastverzerrungen durch Tondosen auf, die anscheinend erst dann gewechselt wurden wenn sich Hörer beschwerten; z.B. in Bayern 3. (Kostenminimierung?) Später hat man dann anscheinend die Vinyls (mit degenerierten Tondosen/Nadeln) auf Bänder überspielt.
Mit CD's bzw. Audiofiles könnte alles verzerrungs- und rauschfrei laufen, wenn nicht diese "Sound Machines" neue Verzerrungen generieren würden, die jedes Rauschen massiv übertönen. :rolleyes: Das empfinde ich als Hörer im Mittel viel lästiger als einzelne Knacke.

Aber im Neuen Jahr gibt es evtl. hie & da Verbesserungen.;)
Ich wünsche euch einen Guten Rutsch!
TB
 
  • Es traten teils brutale Abtastverzerrungen durch Tondosen auf, die anscheinend erst dann gewechselt wurden wenn sich Hörer beschwerten; z.B. in Bayern 3. (Kostenminimierung?) Später hat man dann anscheinend die Vinyls (mit degenerierten Tondosen/Nadeln) auf Bänder überspielt.

Das auch, irgendwann waren die Nadeln fertig. Wir bekamen Tondosen mit elliptischem Nadelschliff bzw. SFL (Super Fineline) erst relativ spät, diese produzierten wesentlich weniger Verzerrungen in Richtung Plattenmitte als die sphärische Version. Da es Moving Coil-Systeme waren, wurden sie direkt im Werk Kippenheim wieder überholt, bekamen einen neuen Nadelträger.

Ebenfalls einen guten Rutsch, Nobby
 
Es wurden damals ja auch Sendungen auf Band vorproduziert. Ich erinnere mich beispielsweise an den "Hitcontainer" des HR, der für so manches Feiertagsprogramm vorproduziert wurde.

Das ist unzutreffend, siehe oben. Insbesondere der Hitcontainer war immer live, schon allein deswegen, daß man keinen Titel ausblenden/kürzen mußte. Wieso sollte man die Produktionskosten vervielfachen, indem man das, was man aus der Hand locker live fahren könnte, ein zweites (hier: erstes) mal vorproduzierte. Sogar bei den ö.-r. wurde dahingehend auch schon mal auf die Kosten geachtet.
 
[Beim Ausklang der Musiktitel war ein seidiges Rauschen wahrnehmbar, das nach der Musik in der Moderation dann weg war. Das kann m.E. nur vom Band kommen. Evtl. war das keine "Professionell... hergestellte Kopie ".

Vermutlich war an dieser Stelle bereits das Mikrofon für die Abmoderation geöffnet, da hat es immer gern etwas gerauscht, vor allem in den Selbstfahrerstudios.
 
Was hier noch nicht zur Sprache kam:
  • Auch auf diversen Schallplatten war das Rauschen vom Masterband zu hören.
  • Es traten teils brutale Abtastverzerrungen durch Tondosen auf, die anscheinend erst dann gewechselt wurden wenn sich Hörer beschwerten; z.B. in Bayern 3. (Kostenminimierung?) Später hat man dann anscheinend die Vinyls (mit degenerierten Tondosen/Nadeln) auf Bänder überspielt.
Zu Punkt 1:
Da hat dann die Plattenfirma ein durch zigste Kopie rauschendes Masterband zur Vinyl-Pressung gesandt. Anders ist das ja nicht erklärbar.
Habe unzählige Rundfunk-"Tonmeister" gesehen, die Vinyl-Platten einfach so, nicht mit dem Lift auf die Platte gesenkt haben inklusive Nachsetzen, falls nicht in der Leerrille getroffen. Deshalb viele Rillenstörungen am Anfang des Stückes.
Zu Punkt 2:
Korrekt. Beides sehr wohl wahrscheinlich.

edit:
Vermutlich war an dieser Stelle bereits das Mikrofon für die Abmoderation geöffnet, da hat es immer gern etwas gerauscht, vor allem in den Selbstfahrerstudios.
Auch das ist richtig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vermutlich war an dieser Stelle bereits das Mikrofon für die Abmoderation geöffnet, da hat es immer gern etwas gerauscht, vor allem in den Selbstfahrerstudios.
Dieses rührt insbesondere von den damals verwendeten EMT 930 her, die in gebremstem Zustand rauschen wie ein Wasserfall.

Aufmerksame Kopf-Hörer konnten auch durchaus das Greifen der Kupplung beim Start ebendieser Maschinen vernehmen, wenn deren Stummschaltung nicht aktiviert war. (kluck!)
 
Hier hört man, wie bei Sekunde 5 das Band abgefahren wird. (LP „Visions“, Don Williams, 1977)
 

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  • Einlaufrille_Don_Williams_SBHNM_LP.wav
    2,7 MB · Aufrufe: 39
Bisher dachte ich, daß man vor der CD beim Rundfunk sowas - vollkommen analog - benutzt hat:

SAE 5000 Impulse Noise Reduction System
Das wäre mir neu, und ehrlich gesagt untypisch für den Rundfunk in einer Zeit, in der Siemens, AEG und Telefunken noch gebaut haben, was die Tonköpfe beim Funk brauchten.
Da wäre ja auch niemand auf die wahnwitzige Idee gekommen, amerikanische Mikrofone im Studio zu installieren, die eigentlich nur für Mittelwelle taugen ;)

Nein, mal ernsthaft, ich habe so eine Kiste noch nie gesehen, auch nicht bei NDR 2.

Zu Punkt 1:
Da hat dann die Plattenfirma ein durch zigste Kopie rauschendes Masterband zur Vinyl-Pressung gesandt. Anders ist das ja nicht erklärbar.
Doch, es ist:
Je nach Alter der Produktion ist es eher wahrscheinlich, dass das Rauschen während der Produktion entstanden ist, zum Beispiel durch mehrfaches Überspielen von Band zu Band weil die vorhandene Anzahl an Tonspuren zu gering war. Siehe Beatles. Rauschunterdrückung war da noch nicht.

Wenn Masterbänder zur Plattenpressung vervielfältigt wurden, hat man doch keine Generationenkopien angefertigt, sondern vom Ur-Master.
 
Wenn Masterbänder zur Plattenpressung vervielfältigt wurden, hat man doch keine Generationenkopien angefertigt, sondern vom Ur-Master.

Beinahe fast ganz richtig: Wenn Firmen ihre ausländischen Töchter belieferten, bekamen die natürlich Kopien – damit war schonmal die zweite Generation im Umlauf. Deren Sicherheitskopien … usw.

Es gab (gibt) eine Firma, deren Geschäftsmodell es war, die Urbänder bzw. niedrigstzählenden Kopien aufzutreiben und davon „audiophile“ Pressungen zu erstellen, Name fällt mir im Moment nicht ein.

SAE 5000 Impulse Noise Reduction System

Das gab es zumindest beim hr (und ich postuliere: auch im Rest der ARD) nie. In Frankfurt wurde erst in den 2000ern mal ein (!) Cedar-System fürs Archiv beschafft.


Nein, eher wie der Beginn des Beispiels aus #43.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es gab (gibt) eine Firma, deren Geschäftsmodell es war, die Urbänder bzw. niedrigstzählenden Kopien aufzutreiben und davon „audiophile“ Pressungen zu erstellen, Name fällt mir im Moment nicht ein.
Kann das Bearfamily sein? Die haben es ja m.W. sogar geschafft, die Vollstereo-Fassung von „Liebeskummer lohnt sich nicht“ aufzuteiben.
 
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