Konkurrenz durch Internet verbessert Journalismus...

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mcprivat

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...könnte diese Schlagzeile nicht auch umbenannt werden?

"Konkurrenz durch Internet verbessert Qualität im Radio"

Scheinbar haben die Verleger ja die richtigen Antworten auf die Konkurrenz aus dem Netz gefunden - Qualität! Wann finden die Verantwortlichen aus unserer Branche die richtigen Anworten auf die "iPod-Generation"?

Sind diese Medien überhaupt vergleichbar? Ist Qualität im Radio teurer als Qualität im Print?
 
AW: Konkurrenz durch Internet verbessert Journalismus...

Lieber Mcprivat,

die Kostenfrage ist eine gute Frage - und Mr. Holzbrinck wird schon wissen, warum er sie so völlig ausgeklammert hat. Der positive Effekt der Digitalisierung und der damit verbundenen Konvergenz der Medien ist, dass die Übertragungswege zweifelsohne ungleich kostengünstiger werden. (Wenngleich ich persönlich noch lange nicht ans Ende der gedruckten Zeitung glaube. Irgendwann, ja, aber im Moment will der Leser noch Papier in der Hand haben.)

Der negative - und folgenreichere - Effekt ist allerdings, dass Informationen auf diesem Wege auch gewaltig entwertet werden. Jeder kann seinen Kram ins Netz stellen, wo er theoretisch für die gesamte Welt abrufbar ist und gute Unterhaltung (je nach dem, wie man das definieren möchte) lässt sich von Laien, die davon nicht leben müssen, ohne weiteres erstellen. Bezahlter Inhalt im Internet hat sich bisher ebenfalls nicht durchsetzen können. Mindestens also wird das bisherige Verständis der Finanzierung von Medieninhalten gewaltig durchgewirbelt werden. Heute hängt ja alles an Querfinanzierung - sowohl innerhalb der einzelnen Produkte (der Politikteil refinanziert den Kulturteil, der quantitativ betrachtet weniger Kaufanreize bietet), als auch zwischen den Produkten eines Verlages (die Bild finanziert die Welt mit, so ist das eben). Das wird wegfallen, wenn die Rezipienten ihr Angebot individuell zusammenstellen.

Und da befinden wir uns bereits mitten im Problem. Holtzbrinck hat völlig recht: Wer künftig in dem Wust aus Informationen und dem, was eine Information sein will, wahrgenommen werden möchte, muss sich abheben. Qualität ist ein Weg, es gibt aber noch einen billigeren, den über die Effekthascherei, wie hier ja beinahe jede Woche gut belegt wird.

Qualität macht man, indem man kluge, zur Analyse fähige Leute beschäftigt, sich den Luxus erlaubt, sie ordentlich zu bezahlen, ihnen genügend Zeit einzuräumen und ihr Ego zu streicheln. Ich behaupte: Zwischen der Bereitschaft, über längere Zeit Minilöhne zu beziehen und dem Intellekt besteht eine gewaltige Korrelation. Zudem geht guter Journalismus nahezu zwangsläufig mit einem großen Ego einher. Darauf muss sich einlassen, wer gute Leute binden will. Dafür sollte die Finanzierung also auf einigermaßen solider Basis stehen. Nur wird genau das durch die Digitalisierung schwerer werden.

Hinzu kommt die Tatsache, dass sich Qualität eben nicht von allein durchsetzt und das Auf-Sich-Aufmerksam-Machen unter den Rezeptionsbedingungen einer digitalisierten Medienwelt weitere Mittel binden wird. Wenn Du die Gedanken auf das Radio überträgst, kommst Du jedenfalls recht schnell zu einer Antwort auf die Frage, warum sich die Veranstalter mit der Digitalisierung so verdammt schwer tun.

Die These Holtzbrincks ist nicht unschlüssig - mindestens aber sehr verkürzt wiedergegeben worden. Ich halte andere Thesen für plausibler, als die Gleichung "Digitalisierung = mehr Qualität".

1. Qualitätsjournalismus werden jene Medien betreiben, die es heute schon tun und einen entsprechenden Ruf haben. Neue Angebote in dem Bereich werden sehr viel schwerer durchzusetzen sein, als heute schon.

2. Einzelne gute Ideen (egal für welche Zielgruppe) werden es aber leichter haben, sich durchzusetzen, weil ihre Verbreitung ungleich leichter wird. (Für mich das beste Argument, den Prozess der Digitalisierung voranzutreiben.)

3. Darüber hinaus wird alles von der Frage abhängen, wie bereit welche Gruppen sind, für welche Informationen wieviel Geld auszugeben. Da fällt die große Masse wohl schon weg. Und ob die paar, die zahlen würden, die gesamte Last des Qualitätsjournalismus' schultern können? Ich weiß ja nicht.

4. Aus 3. ergibt sich also, dass die Medieninhalte noch viel stärker an die Refinanzierung durch Werbung gebunden sein werden. Und da wird alles davon abhängen, wie sehr sich das Verhalten der Werbewirtschaft durch die Digitalisierung ändern wird.

3. und 4. - die wichtigsten Punkte also - sind allerdings bislang überhaupt nicht hinreichend geklärt. Also gibt es derzeit nur viele Prognosen - und die Spannung, wie es sich entwickeln wird. Aber interessante Diskussion. Kommt ja auch nicht mehr allzu oft hier vor.

Viele Grüße
Die Hexe
 
AW: Konkurrenz durch Internet verbessert Journalismus...

Naja, ich hab da so meine Zweifel, ob das Internet den Journalismus verbessert. Ich stelle das Gegenteil fest. Viele werden bequem und holen sich irgendwelche unüberprüfte Infos im Netz, anstand anständig zu recherchieren.
Wie oft wurden da schon Veranstaltungshinweise falsch weitergemeldet, weil sich einer im Datum vertippt hat.
Und dann diese "Short-News"-Gerüchteküche...das Abschreiben wurde durchs Internet erleichtert. Ich sehe das also eher etwas zweifelhaft. Sicher, viele Themen haben es leichter, schnell die Runde zu machen. Das gilt aber auch für journalistische Schlampereien oder gar Enten.
Hinzu kommt noch, daß durch die Konkurrenz Internet "schnelle Medien" wie Radio gezwungen werden, noch schneller zu sein..was dann oft auf Kosten einer ordentlichen Recherche geht.
 
AW: Konkurrenz durch Internet verbessert Journalismus...

3. Darüber hinaus wird alles von der Frage abhängen, wie bereit welche Gruppen sind, für welche Informationen wieviel Geld auszugeben. Da fällt die große Masse wohl schon weg. Und ob die paar, die zahlen würden, die gesamte Last des Qualitätsjournalismus' schultern können? Ich weiß ja nicht.

Ich ducke mich jetzt mal und sage: Dieser Punkt ist für mich ein Argument für öffentlich finanzierten Journalismus. Auch wenn es keine Frequenzknappheit mehr gibt.
 
AW: Konkurrenz durch Internet verbessert Journalismus...

...
Hinzu kommt noch, daß durch die Konkurrenz Internet "schnelle Medien" wie Radio gezwungen werden, noch schneller zu sein..was dann oft auf Kosten einer ordentlichen Recherche geht.

Vielleicht ist eher ein Paradigmen-Wechsel nötig.
- Warum kann man nicht Radio & Internet kombinieren?
Das Radio bleibt für die Schlagzeilen, Zusammenfassungen und Kommentare zuständig. Das Internet dient dem Sender und Hörer als Datenarchiv zur Untermauerung der Informationen.
- Warum kann man nicht schnelle Meldungen und Hintergrundsanalysen parallel betreiben?
Im Tagesgeschäft sammlt und ordnet man vorausschauend die Meldungen, so dass sich nach einer gewissen Zeit für Magizinsendungen genügend Material für Hintergrundsanalysen vorhanden ist. Leider sind meines Wissens weder die Radiostationen noch die allermeisten CMS-Systeme bisher für diese Form der Synergie von Nachricht und Hintergrundanalyse ausgerichtet, weil eine solche Idee nicht in der althergebrachten Trennung von Kommentator und Nachrichtenredaktion passt.

Das Internet ist keine Konkurrenz zum Radio. Es ist eine sinnvolle Ergänzung.
Das Internet ist ein Anlass zur Änderung der Arbeitsweise von Redakteuren, um einen besseren und kostengünstigeren Radiojournalismus zu machen. Wer ein solches Konzept mit seinem Sender umsetzen möchte, kann mich gerne anrufen. 0551/8205162.

Padina
 
AW: Konkurrenz durch Internet verbessert Journalismus...

Die interessantere Frage ist doch diese:
Die Werbewirtschaft müsse sich aber die Frage stellen: "Wo erreiche ich die 24-Jährigen medial, außer über Social Networks?"

Bzw. bleibt die Frage, wie ich überhaupt noch jemanden erreiche, der nie im Umgang mit der multimedialen Welt geschult wurde und somit automatisch zum Surfer in den Medien mutiert.

Zwar kennen in NRW die Schulen einen Medienentwicklungsplan; d.h. es steht auf einem geduldigem Papier was in welcher Klasse beigebracht werden soll, in meinen Vorträgen zur Facharbeit der 12. Klasse besteht das Recherchematerial beinah ausschließlich aus Google und der nicht zitierfähigen Wikipedia (Wikipedia über sich selbst).

Der Umgang mit den Medienformen wird beinah nicht geschult. Was braucht es da noch tiefergehenden Journalismus, wenn nicht einmal die Zitierfähigkeit in einer Fußnote als Kenntnis des Verbrauchers mit gymnasialem Abschluß vorhanden ist.

Eine gute Verquickung von Radio und Internet im Bereich Journalismus finde ich z.B. auch www.dradio.de - viele Sendungen werden hier auf den gängigen Formaten archiviert und sind auch nach langer Zeit abrufbar. Dafür zahle ich doch gerne Gebühren. Die anderen ÖR haben da aber wieder eine zusätzliche einträgliche Finanzierungsform gefunden.

Kostenintensiver Journalismus wird wohl kaum durch Werbung finanziert werden, wenn es mit Schlagzeilen auch billiger geht und es kaum jemanden stört das die Tiefe fehlt.
 
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