Krieg: Fritz gegen Radio Eins

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aus "Der Tagesspiegel" vom 15.8.2003:

Potsdamer Politbüro
Radio Fritz kämpft um Hörer und gegen Radio Eins
Von Christian Hönicke
Die Marlene-Dietrich-Allee ist ein stilles Stück Potsdam. Kaum einer würde auf die Idee kommen, dass hier ein erbitterter Kampf zwischen zwei Radiosendern tobt, die auch noch zur gleichen ARD-Anstalt gehören – zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Dabei spricht Fritz eigentlich Jugendliche an, Radio Eins soll laut Slogan „Nur für Erwachsene“ sein. Tatsächlich aber rangeln beide Sender um die gleichen Hörer: Die Zielgruppe zwischen 20 und 40 Jahren.
Das Duell Fritz gegen Radio Eins ist auch ein programm-politisches: Konrad Kuhnt und Ernst-Christian Zander, das Führungsduo von Fritz mit dem Spitznamen „Politbüro“, gegen den anarchischen Vorgänger und jetzigen Chef des Schwestersenders Radio Eins, Helmut Lehnert. Während Lehnert scheinbar mühelos schon den zweiten Sender zum Erfolg führt, steckt Kuhnt mit Fritz in der schlimmsten Krise, seitdem er den Chefsessel Anfang 1997 übernommen hat. In einer verzweifelten Rettungsaktion und getarnt als Umbruch eliminieren Kuhnt und Zander alles, was das Profil ihres früheren Chefs trägt.
Jüngstes Beispiel: Seit Anfang dieser Woche ist Mike Lehmann nicht mehr auf Fritz zu hören. Die Comedy-Figur, gesprochen von Archivar Peter Neuber, ist Lehnerts Erfindung. Im Dezember 2002 wurde das Ende beschlossen, die Zusammenarbeit mit dem freien Mitarbeiter Neuber beendet – wegen Abnutzungserscheinungen. Die waren nach zehn Jahren nicht von der Hand zu weisen. Kuhnt und Zander setzten die Comedy-Beiträge aber nicht sofort ab, sondern sendeten Wiederholungen. Erst jetzt wurden sie eingestellt – just, als Neubers Klage vor dem Arbeitsgericht auf Weiterbeschäftigung stattgegeben wurde. Ein glücklicher Zeitpunkt ist was anderes.
Das sah wohl auch Zander so und schickte ein Fax an die Mitarbeiter. Darin werden die Moderatoren aufgefordert, in Sendungen keinesfalls auf diesen Sachverhalt einzugehen. Erregten Hörern soll erklärt werden, Lehmann alias Neuber habe ein „sehr gutes Angebot vom RBB abgeschlagen“. An anderer Stelle steht: „Die Überlegung, damit im Spätsommer aufzuhören, gibt es schon sehr lange.“ Um solche Widersprüche zu verschleiern, sollen Anrufe von „Pressemedien o.ä.“ erst gar nicht beantwortet werden. Kuhnt nennt dieses Info-Schreiben „völlig üblich“.
So soll auch die wahre Bedeutung der offiziellen Erklärung für das Ende Lehmanns im Dunkeln bleiben, dass „die Sprecher und Autoren in alle Winde verstreut sind und Fritz nicht mehr zur Verfügung stehen“. Die Gag-Schreiber wurden mit Gehaltskürzungen verjagt (Kuhnt: „Beim RBB gibt es Honorarrichtlinien, danach honoriert auch Fritz.“), vier der fünf Sprecher arbeiten noch beim RBB – drei allerdings bei Radio Eins.
Seit der Fusion von ORB und SFB zum RBB hat der Kampf zwischen den Potsdamer Sendern an Härte gewonnen. In der fusionierten Anstalt müssen Arbeitsplätze abgebaut werden, jeder konkurriert mit jedem. Lehnert will sich dazu nicht äußern, Kuhnt sieht das so: „Wenn ein Hörer von Fritz zu Radio Eins geht, sage ich: Ein Glück. Da bleibt er in der Familie.“ Angestellte sprechen dagegen von einem „Nichtverhältnis“ zwischen beiden Stationen. Bei Radio Eins wird das „Columbia-Fritz“ nur „kleine Columbia-Halle“ genannt, Fritz verschwieg dafür, dass Radio Eins den Medienpreis Echo erhielt.
Radio Eins wird bald mehr Hörer haben als Fritz. Während Lehnerts Station zulegt, hat Fritz laut der Ende Juli veröffentlichten Mediaanalyse allein im vergangenen Jahr 41 000 Hörer verloren – fast ein Drittel. Bei jedem Privatradio wäre die Führung unter Druck, das „Politbüro“ regiert trotz klarer Fehler – zum Beispiel, die talentierte Moderatorin Sarah Kuttner zum Musikfernsehen Viva ziehen zu lassen – weiter. Kuhnt klebt nach Ansicht des früheren Fritz-Moderators Trevor Wilson „mit dem Arsch wie Pattex“ auf seinem Sessel, obwohl sich immer mehr Hörer über das Programm beschweren. Kuhnt tut sie als „eine Handvoll Leute“ ab, die „auf Fritz herumhacken“.
Im Fall Tommy Wosch behandelte man die Hörer ähnlich. Der Moderator war im Dezember suspendiert worden, nach massiven Protesten sollte er im Juli zurückkehren. Der Termin verstrich, man kündigte sein Comeback für den 21. August an. Doch auch dann wird Wosch nicht senden. Begründung: keine.
Wiewohl es auch Anerkennung für Kuhnts Ausdauer gibt, wird intern bezweifelt, ob jemand, der als „konservativ und menschenscheu“ bezeichnet wird, einen Jugendsender leiten kann. Die offizielle Begründung für den Hörerschwund geht darauf nicht ein und erwähnt auch nicht, dass er erst eintrat, als Kuhnt fast alle Moderatoren ersetzte. Jugendliche würden eben kein Radio mehr hören.
 
Ich habe diesen Artikel auch im Tagesspiegel gelesen. Nun kenne ich nicht so genau die Details, bin aber als Journalist verärgert, wie so offensichtlich nur von einer Seite gefütterte Artikel ohne jede journalistische Distanz in das Blatt kommen. Wie gesagt: Ich habe in diesem "Krieg" keine Aktien - aber das ist vom Tagesspiegel einfach richtig schlechtes Handwerk gewesen. Mich ärgert das auch als Radiomacher: Warum lassen die Medienredaktionen, wenn es um Radio geht, dann oft die handwerklichen Diletanten ran.

Was ist mit: Die andere Seite zu Wort kommen lassen?
Was ist mit: Kritischer Distanz (in diesem Fall zu Lehnert, der ja wirklich nicht unumstritten ist)?
Was ist mit: Die Gründe der anderen unkommentiert stehen lassen?
 
Es fängt ja schon mit der Ausgangsthese an, daß beide Sender um die gleichen Hörer rangelten: "Die Zielgruppe zwischen 20 und 40 Jahren." Rangeln ist aktiv. Das würde ja Vorsatz unterstellen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Ziel ist es, im Idealfall den nahtlosen Übergang von Fritz zu Radio Eins zu ermöglichen. Trotz der Absicht, Fritz in der Zielgruppe zu Verjüngen, z. B. mit dem Austausch von älteren Moderatoren (worüber man selbstverständlich streiten kann), ist die Alters-Überlappung beider Programme noch zu groß. Aber doch nicht, weil zwei Wellenchefs gegeneinander antreten und im anderen Gewässer wildern, sondern weil man Hörer eben nicht nur nach dem Alter anspricht. Viele von uns haben doch als Kinder nicht nur Kinderfunk gehört.

Die künstliche Einteilung der Hörerschaft per Alter ist doch nur eine Erfindung der Werbekunden. Vielleicht sollte man zur Kenntnis nehmen, daß Fritz und Radio Eins unterschiedliche Lebensgefühle bedienen. Fritz hat auch offensichtlich mehr Hörer in Brandenburg als in Berlin. Radio Eins umgekehrt.

Sicherlich kann man nicht Ausschließen, daß im Umgang zwischen Wellenchefs Eitelkeiten wirken und Motivation für bestimmte Entscheinungen sind, wer hat nicht gern viel Hörer, aber daraus einen erbitterten "Kampf" zwischen zwei Fraktionen abzuleiten und vom "Potsdamer Politbüro" zu schreiben, ist unseriös.

Dies enge Sicht auf die Prozesse führt dann zwangsweise zur falschen Auffassung, Tommy Wosch wäre eine Figur in diesem Spiel. Der Mann kocht sein eigenes Süppchen, geleitet durch eine offensichtliche Persönlichkeitsstörung.

Und das ist das Tragische an diesem Artikel, daß der Autor mit einer vorgefaßten Meinung umherliegende teilweise richtige Fakten versucht, passend zu machen und dadurch verfälscht.
 
Original geschrieben von K13
Fritz hat auch offensichtlich mehr Hörer in Brandenburg als in Berlin. Radio Eins umgekehrt.

Ja, unrepräsentative Beobachtungen deuten an, daß nur Antenne Brandenburg und eben Fritz in Brandenburg ziehen. Dafür scheint es fast, als ob Radio Eins in Sachsen populärer ist, ganz so, wie es auch beim Frequenzvorgänger war.

Wirken hier die Hörgewohnheiten von vor zwölf Jahren bis heute oder sind diese Beobachtungen anders zu erklären?
 
Dafür scheint es fast, als ob Radio Eins in Sachsen populärer ist, ganz so, wie es auch beim Frequenzvorgänger war.

vielleicht liegt es daran, daß bei radio eins bzw. radio brandenburg viele ex-dt64er waren/sind, z.b. brasch, ulrich, wagner,paetzold. und dt hatte ja in sachsen unfreiwillig eine weile sein stammland (mw 1044 khz wilsdruff). womöglich binden diese leute noch heute viele hörer.
 
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